Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis zum 31.12.2019 ein Konzept vorzulegen, welches das Ziel verfolgt, im Rahmen der Umsetzung des im Herbst 2018 beschlossenen Nachhaltigkeitsszenarios auch die Einführung eines 365-Euro-Tickets zu realisieren. Dies soll für verschiedene Zeitpunkte bewertet werden: 1.1.2021, 1.1.2024 und 1.1.2027. Darüber hinaus sollen Erfahrungen aus anderen deutschen Städten in diese Betrachtung einfließen, die aktuell mit Fahrpreissenkungen arbeiten. Bei der Prüfung und Erstellung des Konzepts sollen folgende Punkte berücksichtigt werden:

a) Verbindung zum Nachhaltigkeitsszenario. Es soll dargelegt werden, ob die Ziele des Nachhaltigkeitsszenarios wirklich allein durch eine Erweiterung des ÖPNV-Angebots erreicht werden können oder ob zur Zielerreichung nachfrageseitige Maßnahmen durch günstigere Tickets erforderlich sind. Dies soll insbesondere auch vor dem Hintergrund der geänderten Bevölkerungsprognosen betrachtet werden.

b) Induzierte Nachfrage. Es soll abgeschätzt werden, wie viele Kundinnen und Kunden der Leipziger ÖPNV durch ein 365-Euro-Ticket gewinnen kann. Bei der zu Grunde gelegten Preiselastizität soll besonders das insgesamt niedrige Einkommensniveau in Leipzig berücksichtigt werden.

c) Nötige Angebotserweiterungen. Basierend auf der induzierten Nachfrage sollen Vorschläge für die Angebotserweiterung entwickelt werden. Dabei soll ausdrücklich geprüft werden, ob mit Einführung des 365 € Tickets weitere Angebotserweiterungen, über die im Nachhaltigkeitsszenario bereits geplanten hinaus, erforderlich sind. Falls weitere Angebotserweiterungen nötig sind, soll untersucht werden, ob diese bereits vor 2024 mit einer Busnetzreform erreicht werden können, weil diese vor allem Verbindungen im Außenbereich und Radialverbindungen stärken würde.

d) Finanzielle Auswirkungen. Es soll kalkuliert werden, welche finanziellen Auswirkungen ein 365-Euro-Ticket hat. Dabei sollen die unmittelbaren Kosten und die Kosten der Kapazitätserweiterung berücksichtigt und jeweils dargestellt werden.

Abschließend legt der Oberbürgermeister ebenfalls bis 31.12.2019 ein Finanzierungskonzept über das Nachhaltigkeitsszenario für den Zeitraum 2021 bis 2030 vor, sowohl für die Stadt als auch für die LVV Gruppe. Dabei sind für die einzelnen Haushaltsjahre bzw. Wirtschaftsjahre die benötigten finanziellen Mittel in einen laufenden Zuschuss (Ausgleichsbedarf ÖPNV) und in einen Investitionszuschuss (Zusätzlicher Investitionsbedarf) aufzuschlüsseln.

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit dem MDV die Einführung eines 365-Euro-Tickets für Leipzig zu sondieren und Gespräche mit Land und Bund über Fördermöglichkeiten zu führen.

 

Begründung

Der Stadtrat hat im Herbst 2018 das Nachhaltigkeitsszenario als Grundlage der Restrukturierung des urbanen Verkehrs beschlossen. Die Umsetzung ist eine große Herausforderung, denn vor allem die Ziele für den Ausbau und die attraktivere Gestaltung des ÖPNV sind sehr ambitioniert. Es geht darum, das Nachhaltigkeitsszenario energisch umzusetzen und dazu dient auch die Idee eines 365-Euro-Jahrestickets sowie der o.g. Antrag.

Zu a.: Das Nachhaltigkeitsszenario sieht eine Steigerung der Fahrgastzahlen auf 220 Millionen vor, was etwa einer Zunahme um 38 Prozent im Vergleich zu heute entspricht. Gleichzeitig wird aktuell von einem geringeren Bevölkerungswachstum ausgegangen (Zunahme um ca. 10%), sodass der Anstieg der Fahrgastzahlen nicht allein durch das Anwachsen der Stadtbevölkerung erreicht werden wird. Wir gehen davon aus, dass allein eine Verbesserung des ÖPNV-Angebots aufgrund des in der Stadt nach wie vor recht geringen Einkommens nicht zielführend sein kann. Vielmehr müssen Impulse gesetzt werden, um die Nachfrage nach dem ÖPNV zu erhöhen. Es soll allen gleichermaßen möglich sein, Busse und Bahnen zu nutzen.

Zu b: Die aktuellen Fahrpreise in Leipzig und das hier verfügbare Einkommen stehen in einem deutlichen Kontrast zu einander. Aus unserer Sicht ist es nicht zielführend gesamtdeutsche Durchschnittswerte beim Einkommen in die Untersuchung nach möglichen Kundenpotenzialen für den Leipziger ÖPNV einfließen zu lassen.

Zu c: Basierend auf den Ergebnissen der Untersuchung zur induzierten Nachfrage soll geklärt werden, ob und welche zusätzlichen Investitionen in Angebotserweiterungen erforderlich sind. Dabei soll berücksichtigt werden, dass das Nachhaltigkeitsszenario schon umfangreiche Investitionen in den Ausbau des ÖPNV vorsieht, mit denen eine Fahrgastzahl von 220 Millionen Kunden erreicht werden soll. Weitere sinnvolle Angebotserweiterungen sollen im Rahmen einer Busnetzreform geprüft werden. Der Vorteil einer Ergänzung des Busnetzes liegt vor allem darin, dass dafür geringere Investitionen notwendig sind und sich dies schneller umsetzen ließe. Sie kann vor allem da ansetzen, wo das aktuelle Angebot nicht ausreichend ist, so beispielsweise in den Außenbereichen der Stadt und auf den Radialen. Maßgabe hierfür ist, dass jeder Bus mindestens zwei Umstiegshaltestellen auf einem neuen Busring anfahren soll (siehe als ersten Vorschlag Grafik), um so unkomplizierte Übergänge zu S-Bahn oder Straßenbahn zu ermöglichen. Zudem soll die Einführung reiner Radial-Busse als Expressbusse geprüft werden, die nur markierte Umstiegspunkte miteinander verbinden. Im Außenbereich der Stadt ist ein Takt von 20 Minuten anzustreben.

Zu d: Bei der Abschätzung der finanziellen Auswirkungen soll berücksichtigt werden, dass ein 365-Euro-Ticket dem heutigen Abo light entspricht. Das Abo light müsste, um das Ziel eines 365-Euro-Tickt mit den definierten Leistungsspektrum zu erhalten, um 281,80 € günstiger werden. Andere Abos sollen erhalten bleiben und ebenfalls günstiger werden, aber keinesfalls über diesen Betrag hinaus. Die Kalkulation soll zwei Zwischenergebnisse beinhalten:

    • Die unmittelbaren Kosten des Tickets. Bei den unmittelbaren Kosten sind zunächst Mindereinnahmen aus den bestehenden Abos zu berücksichtigen, Mindereinnahmen aus Tarifwechslerinnen und -wechslern (Personen, die heute andere Ticketangebote nutzen, für die sich der Wechsel des Tarifs mit einem 365-Euro-Ticket aber lohnt). Dem soll gegenüber gestellt werden, welche zusätzlichen Einnahmen durch Umsteigerinnen und Umsteiger zu erwarten sind, die den ÖPNV bisher kaum oder nicht nutzen.
    • Die geschätzten Kosten für Kapazitätserweiterungen. Dies bezieht sich zunächst auf das bestehende Netz, insbesondere durch die Anschaffung oder den Einsatz größerer Fahrzeuge. Zudem sind möglichen Netzerweiterungen, etwa durch eine Busnetzreform oder neue Straßenbahnstrecken, in den Blick zu nehmen. Es ist darzustellen, von welchen Fördermöglichkeiten die Stadt Leipzig heute schon Kenntnis hat, sie sind den Berechnungen zu Grunde zu legen.

Der Oberbürgermeister soll ein Finanzierungskonzept sowohl für die Stadt als auch die LVV für den Zeitraum 2021 bis 2030 vorlegen. Dabei sind für die einzelnen Haushaltsjahre bzw. Wirtschaftsjahre die benötigten finanziellen Mittel in einen laufenden Zuschuss (Ausgleichsbedarf ÖPNV) und in einen Investitionszuschuss (Zusätzlicher Investitionsbedarf) aufzuschlüsseln.