Entscheidung der Staatsregierung für Wiederaufbau der Unikirche nicht nachvollziehbar
Die SPD-Fraktion nimmt die Entscheidung der Sächsischen Staatsregierung den Wiederaufbau der Paulinerkirche zu unterstützen mit Unverständnis zur Kenntnis, zumal die Erklärung
mehr Fragen offen läßt, als zu deren Klärung beizutragen.
Dieser Beschluss stellt einen wohl einmaligen Vorgang in der Geschichte der sächsischen Hochschulen dar. Der Freistaat setzt sich als oberster Dienst- und Bauherr machtvoll in Szene und riskiert dabei sogar den Rücktritt des Universitätsrektors! Die Universitätsleitung hat eindeutig erklärt, dass sie nicht gewillt ist, dass ihr nach einer außergerichtlichen Einigung mit dem Freistaat im Jahre 2000 zugeordnete Grundstück zu tauschen. Der Oberbürgermeister, der Beigeordnete für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig, der zuständige Fachausschuss des Stadtrates, sowie die evangelisch-lutherische Kirche haben sich alle für eine sinnvolle und moderne Integration des gottesdienstlichen Raumes ausgesprochen, anstatt die Kirche wieder-aufzubauen.
Hinzugefügt werden muss, dass der Wiederaufbau der Unikirche weder finanziell noch durch den beabsichtigten Tausch der Liegenschaftsfläche geklärt ist. Klar ist aber, dass sich der Umbau des Universitätskomplexes verzögern wird. In dem vorgelegten Grundsatzbeschluss der Staatsregierung, der an der Leitung der Universität vorbei getroffen wurde, sind keine sinnvollen und notwendigen Hinweise zum weiteren Verfahren der Umgestaltung enthalten. Die Chance bis zum 600-jährigen Jubiläum der Universität 2009 einen modernen, zeitgemäßen Gesamtkomplex vorzufinden, sind damit gesunken. Somit trägt die Entscheidung der Staatsregierung bestenfalls zur Haushaltskonsolidierung des Freistaates bei.
Das Freihalten der Fläche für den Wiederaufbau der Universitätskirche verursacht angeblich nur ca. 4 Millionen Euro Mehrkosten. Dieser Betrag ist in keiner Weise untersetzt und geht von einer städtebaulich unvertretbaren Erhaltung des Verwaltungsgebäudes am Augustusplatz aus. Die Studenten vieler Fakultäten könnten diese Mehraufwendungen mit Sicherheit gut für neue Bücher, zusätzliche Computer oder die Einstellung von dringend benötigten Tutoren gebrauchen. Und bei den vorhandenen Kirchen, die sanierungsbedürftig sind, könnte man mit diesem Geld dringend notwendige Instandsetzungsmaßnahmen ermöglichen.
Wenn der zuständige Wissenschaftsminister Matthias Rößler auf Konfrontationskurs setzt, indem er äußert, er könne sich nicht vorstellen, dass eine Mehrheit der Leipziger den Wiederaufbau der Kirche verhindern will, so sollte er zum Beispiel die Umfrage des Leipziger Institutes für Marktforschung vom Herbst 2002 ansehen, nach der 56 Prozent gegen und 39% der Leipziger für den Wiederaufbau sind. Wer solche Äußerungen tätigt, sollte sich auf objektive Zahlen und nicht auf ein subjektives Empfinden stützen. Absolute Zahlen könnte zum Beispiel ein Bürgerbegehren oder ein Bürgerentscheid liefern. Die Meinung, das Land könne zwar die Universität nicht dazu bringen, gegen ihren Willen die Kirche zu errichten, aber die Uni könne auch nicht ohne Mitwirkung des Freistaates den Umbau voranbringen, nennt man vor Gericht Erpressung.
Für uns Sozialdemokraten ist erschreckend festzustellen, wie nach der 1968 auf Geheiß der SED-Machthaber in Berlin getroffenen Entscheidung zur Sprengung der Paulinerkirche, nun im Jahre 2003 in Dresden durch die christdemokratische Alleinregierung der mögliche Wiederaufbau beschlossen wurde, ohne damit beide Beschlüsse gleichsetzen zu wollen. Festzuhalten ist jedoch: die Meinung von Entscheidungsträgern in unserer Stadt scheinen keine Rolle zu spielen. Und wenn sich ein Herr Mayer von der CDU hinstellt und den Beschluss der Staatsregierung damit begrüßt, dass Milbradt dem Tiefensee gezeigt hat, wer Ober und wer Unter ist, zeigt dies die wahren Hintergründe – nämlich parteipolitische Interessen als einziges Kriterium des Handelns zu betrachten. Damit soll ein Politikverständnis nach Leipzig hinein getragen werden, dass eine erfolgreiche Weiterführung des sogenannten Leipziger Modells, von dem unsere Stadt über 12 Jahre enorm profitiert hat, verhindert.
Die SPD-Stadträte vertreten mehrheitlich nach wie vor die Auffassung, dass sich die 1968 begangene Kulturbarbarei durch das Wiedererstehen der ehemaligen Kirche nicht wieder gut machen lässt. Durch ein solches Plagiat würde vielmehr der Eindruck entstehen, dass damit das Verbrechen der Sprengung durch die SED-Machthaber geheilt wäre. Jedoch setzen sich die Mitglieder der SPD-Fraktion nachdrücklich für ein würdiges und angemessenes Gedenken am Ort des Geschehens ein.
Wir erwarten, dass sich die Verantwortungsträger schnell an einen Tisch setzen und intensiv nach einer Lösung suchen, die einen nachhaltigen Schaden von der Universität und unserer Stadt abwenden. Das Ziel ist eindeutig definiert: Umbau in eine Universität des 21. Jahrhunderts im Zentrum von Leipzig.