Redner: Prof. Dr. Getu Abraham, Stadtrat

Prof. Dr. Getu Abraham
Prof. Dr. Getu Abraham

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
meine Damen und Herren,

erlauben Sie mir eingangs eine Anekdote: Vor 25 Jahren wartete ich hier in Leipzig mit einem Kommilitonen, der aus Mali stammte, an der Haltestelle auf die Straßenbahn. Wir unterhielten uns auf Deutsch – denn wie Sie möglicherweise wissen, ist die Überschneidung zwischen Bambara, dass man in Mali spricht, und Amharisch, das in Äthiopien Amtssprache ist, eher gering. Eine freundliche ältere Dame kam auf uns zu und fragte uns, weswegen wir Deutsch sprächen – wir kämen doch beide aus Afrika.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Stereotypie erschöpft, Klischees erschöpfen – und es erschöpft, wenn man dabei, ebensolcher Stereotypie, ebensolchen Klischees entgegenzuwirken, selbst in Vorurteil und Vorverurteilung verfällt. Es ist richtig und es ist entscheidend, dass wir uns in Leipzig als einer internationalen und weltoffenen Stadt dem ergebnisoffenen und kritischen Diskurs stellen, gerade wenn es um Fragen des Rassismus oder der kulturellen Aneignung geht. Nur, ist es auch so, dass Diskurs, das Dialog keine Einbahnstraße ist. Ohne Zweifel, das Thema ist ein emotionales – aber der beste Weg, Emotionales anzugehen, ist das Gespräch. Gespräche hat es auch gegeben. Unter anderem zwischen Herrn Okasha und Herrn Prof. Junhold. An einem solchen durfte ich selbst teilnehmen.

Das Gespräch ist ein mühevoller Weg der Lösungssuche und es wäre mehr als vermessen, zu erwarten, dass eine alle Seiten zufriedenstellende Lösung nach zwei oder drei Begegnungen erreicht ist. Die Aufarbeitung kolonialen Erbes in Leipzig wird Zeit brauchen. Und sie wird nur gelingen, wenn sie um eine breite gesellschaftliche Akzeptanz dessen wirbt, was sie herausstellen will: Das Ende von Narrativen, die lange Gesellschaft geprägt haben, aber deshalb nicht stimmen müssen.

Der vorliegende Antrag des Migrantenbeirats schlägt nun einen völlig anderen Weg ein, denn er wartet das Gespräch nicht ab – er will, wenn schon nicht Ergebnisse, so doch wenigstens das Verfahren determinieren. Und viel mehr noch: Er will diejenigen festschreiben, die offensichtlich alleine das Recht haben, über den Postkolonialismus in unserer Stadt zu sprechen, seine Aufarbeitung vorzunehmen. Das tut niemandem einen Gefallen, zuletzt der Sache.
Ich weiß nicht, weshalb der Zoo die bisherigen Veranstaltungsformate so benannte, wie er sie benannt hat. Meinen Geschmack treffen die Titel auch nicht unbedingt – ich wäre aber weit davon entfernt, zu behaupten, dass hier ein bewusstes Deklassieren vorliegt. Vielmehr ein – mit Blick auf unsere Debatte – mäßiges Werben um Öffentlichkeit, Suchen von Aufmerksamkeit mit eingeübten Narrativen.

Und noch einmal: Narrative, die lange Gesellschaft geprägt haben, müssen nicht stimmen!

Wir verlieren jedoch den Kampf um die Akzeptanz, wenn uns die Selbstgerechtigkeit wichtiger scheint, als die breitest mögliche Einbindung der Gesellschaft in die Debatte. Und mit Verlaub – ich komme selbst aus diesem Milieu, deshalb sage ich das so frei – allein akademisch schaffen wir das nicht.
Die Veranstaltungen die hier im Fokus der Auseinandersetzung stehen, zielen auf breite Bevölkerungsschichten – nicht nur akademische. Und diesen Charakter müssen sie auch unbedingt bewahren, wenn sie, wie der Migrantenbeirat in seinem Antrag fordert „in aufklärerischer Absicht“ wirken sollen. Ich denke, dass Prof. Junhold das durchaus im Blick und auch ein Gespür dafür hat, wie man Menschen erreicht.

Ich komme zum Schluss: Wünschenswert wäre, die Zooleitung und die Skeptikerinnen und Skeptiker der Abendformate finden im Gespräch zusammen und suchen ohne den Zwang eines von uns hier gefassten Beschlusses nach einem der Sache dienlichen, doch eben auch breite Bevölkerungsschichten erreichenden Format. Das Thema ist es wert mit Überzeugung und entschieden in der Sache vorzugehen – nicht aber mit Zwang. Skepsis ist angebracht. Kritik ebenso. Waches Hinterfragen ohnehin. Doch nicht nur die der anderen, sondern auch die eigene Sichtweise.

Mein Freund aus Mali und ich hätten seinerzeit die freundliche ältere Dame als Rassistin bewerten und uns von ihr abwenden können. Wir haben das nicht getan, ihrer Feststellung, dass wir Afrikaner Deutsch sprächen, lächelnd zugenickt und festgehalten, dass Deutsch ja auch eine schöne Sprache sei.
Die Abendformate kann man, wenn beide Seiten das wollen, mit Blick auf die postkoloniale Aufarbeitung besser machen. Ohne sich dabei gegenseitig und ohne dabei den Leipziger Zoo zu beschädigen.
Müssen wir in dieser Stadt inzwischen wirklich Gesprächsfähigkeit beschließen?

Vielen Dank.