Redner: Prof. Dr. Thomas Fabian, Sprecher der Fraktion für das Fachgebiet Soziales

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste,

das Gesundheitsamt ist gesetzlich verpflichtet, in Kindertageseinrichtungen eine ärztliche Untersuchung auf Seh- und Hörstörungen sowie motorische und Sprachauffälligkeiten bei Kindern im vierten Lebensjahr durchzuführen. Wir sind uns alle darüber einig, dass diese Untersuchung sehr wichtig ist.

Auf Anfrage der PDS-Fraktion wurde mitgeteilt, dass diese Untersuchung im vergangenen Jahr in 34 von 191 Kindertageseinrichtungen nicht angeboten werden konnte. Die PDS-Fraktion hatte daraufhin beantragt, die Stadtverwaltung solle die personellen und sachlichen Voraussetzungen für die Absicherung dieser Vorsorgeuntersuchung schaffen. Dieser Antrag wurde in der Ratsversammlung vom 15. Juni 2005 abgelehnt, weil die Stadtverwaltung die Nichtberücksichtigung von Kitas mit Anlaufschwierigkeiten im ersten Untersuchungsjahr begründete und versicherte, dass die jetzige Personalbemessung ausreichend sei.

Die Verwaltung gab damals außerdem bekannt, dass nur 82 % der Eltern ihre Einwilligung zur Untersuchung gegeben hatten. Offensichtlich waren 18 % der Eltern nicht ausreichend motiviert, ihre Kinder untersuchen zu lassen. Dies hat uns nun wiederum veranlasst, den heute vorliegenden Antrag zu stellen.

Wenn Eltern eine angebotene Vorsorgeuntersuchung nicht in Anspruch nehmen, kann dies nicht dem Gesundheitsamt angelastet werden. Es sollten allerdings alle Anstrengungen seitens der Stadtverwaltung unternommen werden, um die Teilnehmerzahlen zu erhöhen.

Auf welchem Wege kann das erreicht werden? Da Zwang zur Teilnahme an diesen Untersuchungen nicht in Frage kommt, haben wir den Antrag gestellt zu prüfen, ob ein Belohnungsmodell zur Erhöhung der Teilnehmerzahlen entwickelt werden kann. Ähnliche Modelle gibt es zum Beispiel bei der Beeinflussung erwünschten Verhaltens im Rahmen der Gesundheitsreform.

Die Stadtverwaltung lehnt unseren Antrag mit der Begründung ab, bei der Inanspruchnahme der Untersuchung gäbe es kein Motivationsproblem der Eltern. Das verstehe ich nicht. Warum konnten dann trotz Behebung personeller Engpässe im zweiten Untersuchungsjahr statt 82,1 % sogar nur noch 76,4 % der Kinder in Kitas untersucht werden?
Unverständlich ist mir auch die Behauptung der Verwaltung, Bonusmodelle erzielten bei sozial benachteiligten Familien nur minimale Erfolge. Warum wurde dann Frau Dr. Schubert von Gesundheitsamt Leipzig letztes Jahr für ihren Erfolg im Rahmen des Projektes “Ich geh’ zur U! Und du?” von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit dem ersten Preis ausgezeichnet?
Die Argumentation der Stadtverwaltung ist nicht schlüssig, stellenweise sogar widersprüchlich. Oder sollen wir annehmen, dass es sich doch nicht nur um vorübergehende Umstellungsprobleme bei der Einführung dieser Vorsorgeuntersuchung gehandelt hat?

Der Alternativvorschlag der Verwaltung hat mich überrascht. Hier werden Maßnahmen stichwortartig aufgelistet, die bereits zum Antrag der PDS-Fraktion genannt wurden. Damals wurde allerdings behauptet, dass sie schon durchgeführt würden oder bereits eingeleitet seien.

Um es noch einmal zu sagen: Die ärztliche Untersuchung auf Seh- und Hörstörungen sowie motorische und Sprachauffälligkeiten bei Kindern im vierten Lebensjahr ist für die weitere Entwicklung aller Kinder sehr wichtig. Aber zu viele Kinder werden dennoch nicht untersucht.
Wir können nicht hinnehmen, dass jedes vierte Kind an den in den Kindertagestätten durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen nicht teilnimmt. Die Teilnehmerzahl muss deutlich erhöht werden.

In einer attraktiven Belohnung für die Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen sehen wir eine Möglichkeit, die Teilnehmerzahl bei den Vorsorgeuntersuchungen zu erhöhen. Wir können vermuten, dass Kinder, die davon erfahren, ihre Eltern drängen, sie an den Untersuchungen teilnehmen zu lassen. Die als Beispiel genannten Freikarten für städtische Kultureinrichtungen wären Belohnungen, die kaum zusätzliche Kosten verursachen würden.
Andere Anstrengungen auch von Seiten der Verwaltung und des Gesundheitsamtes sollten natürlich dazukommen. Das schon erwähnte Projekt “Ich geh’ zur U! Und du?” könnte Vorbild sein.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag.