Rede zum Nachtragshaushalt 2003
Redner: Dr. Joachim Fischer, Vorsitzender der SPD-Fraktion
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!
erstmals seit der politischen Wende 1990 sieht sich der Kämmerer der Stadt Leipzig als Folge der Finanzsituation gezwungen, einen Nachtragshaushalt einzubringen. Das voraussichtliche Defizit beträgt 46 Mill. Euro. Die Bewältigung dieses Problems ist nach Auffassung meiner Fraktion die größte finanzpolitische Herausforderung Leipzigs seit 1990. Es muss uns allen aber klar sein, dass weitere, besonders magere Haushaltsjahre folgen.
Die Situation muss zwingend sofort gelöst werden, um die Handlungsfähigkeit der Stadt Leipzigs sicherzustellen. Diese kann nur gewährleistet werden, wenn die derzeitige Deckungslücke im Haushalt geschlossen wird. Oberste Priorität bei allen politischen Überlegungen hat für die SPD-Fraktion zu jeder Zeit ein ausgeglichener Haushalt. Wenn wir heute keinen solchen ausgeglichenen Haushalt verabschieden, würde das Regierungspräsidium die Geschicke der Stadt durch eine Art Zwangsverwaltung bestimmen, und dies bei einer Stadt, die sich für die Olympischen Spiele 2012 bewirbt. Das wollen und müssen wir durch unsere heutigen Beschlüsse verhindern.
Ein Nachtragshaushalt ist in diesem Jahr notwendig geworden, da die investiven Schlüsselzuweisungen vom Freistaat erheblich gekürzt werden mussten und die Ausgaben, vor allem im Sozialbereich, unvorhersehbar gestiegen sind.
Zur Verdeutlichung der Größenordnung des Fehlbetrages von 46 Mill. Euro seien ein paar Horrorszenarien zu dessen Deckung genannt:
- wir könnten auf die Hälfte aller für dieses Jahr geplanten investiven Maßnahmen auch im Bereich der Infrastruktur verzichten oder
- es müssten über 1000 Stellen in der Verwaltung gestrichen werden oder
- der Zuschuss für Oper, Musikalische Komödie und Gewandhaus müsste entfallen und damit ständen diese Einrichtungen vor der Schießung
Das alles könnte von der SPD-Fraktion und sicher auch von der Mehrheit dieses Hauses nicht akzeptiert werden.
Wir befürworten daher den von der Stadt vorgeschlagenen Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt durch einen Mix aus Einsparungen in der Verwaltung, Anhebung der Steuern und zusätzlichen Kreditaufnahmen. Dadurch werden die zusätzlichen Lasten ausgewogen zwischen Stadtverwaltung, Unternehmen und Bürgern verteilt. Dass auf die angedachten Kürzungen bei Vereinen und Verbänden verzichtet werden kann, begrüßen wir ausdrücklich, aber auch das wird zukünftig nicht so bleiben können.
Die SPD-Fraktion hat sich erst nach intensiver Diskussion darauf verständigt, die geplanten Erhöhungen bei der Grund- und Gewerbesteuer mitzutragen, allerdings nur befristet. Diese Entscheidung ist meiner Fraktion äußerst schwergefallen. Es gibt aus unserer Sicht zur Zeit jedoch keine Alternative. Sobald sich die finanzielle Situation wieder bessert, treten wir – wie im Rahmen der Haushaltplandiskussion für das Jahr 2001 erfolgreich geschehen – wieder für eine Senkung der Hebesätze ein!
Steuererhöhungen sind immer eine schmerzliche Angelegenheit, die auch in meiner Fraktion kritisch gesehen werden. Allerdings ist die Kommune laut Sächsischer Gemeindeordnung verpflichtet, vor einer Erhöhung der Kreditermächtigung alle Möglichkeiten von eigenen Einnahmen zu prüfen und auszuschöpfen. D.h. ohne die Verbesserung der Einnahmen durch die Steuererhöhungen wird der Stadt die Erweiterung des Kreditrahmens nicht genehmigt. Damit würden insgesamt 30 Mill. Euro zur Kofinanzierung von Investitionen in Höhe von ca. 80 Mill. Euro fehlen. Dies hätte einen Rückgang bei Aufträgen vor allem auch für klein- und mittelständische Unternehmen in der Stadt und der Region zur Folge und würde die Wirtschaft der Region schwächen und zum Arbeitsplatzabbau führen. Laut Deutschem Institut für Wirtschaft (DIW) stehen 80 Mill. Euro Investitionen für Hunderte gesicherte Arbeitsplätze.
Die vorgesehene zweifelsohne im Einzelfall schmerzliche Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer erscheint vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, da letztendlich alle Bürger in Leipzig von den getätigten Investitionen in Straßen- und Brückenbau, Schulen, Kindertagesstätten, Altenheime und Sportstätten langfristig profitieren.
Die zusätzlichen Kreditaufnahmen sind aus Sicht der SPD-Fraktion in dieser Situation der Stadt vertretbar, da über das KfW-Programm der Bundesregierung gegenwärtig ein äußerst geringer Zinssatz zu zahlen ist. Wir halten jedoch an dem Ziel fest, die Neuverschuldung sukzessive zurückzufahren. Voraussetzung dafür ist eine grundlegende Verbesserung der finanziellen Ausstattung unserer Stadt.
Die Probleme Leipzigs sind bekanntlich nicht hausgemacht, sondern betreffen alle Kommunen unseres Landes. In Dresden droht dieses Jahr zum Beispiel eine Haushaltssperre, in Magdeburg soll die Beleuchtung auf der Stadtautobahn komplett ausgeschaltet werden, in Köln wurde die Vergnügungssteuer neu erfunden – die Liste ist fortsetzbar. Wir appellieren an die Bundesregierung, die Finanzausstattung der Kommunen durch eine Neuregelung der Gewerbesteuereinnahmen zu verstetigen. Die Staatsregierung des Freistaates fordern wir auf, den Kommunen für übertragene Aufgaben auch die entsprechenden Gelder zur Verfügung zu stellen.
Von der Verwaltung fordern wir wiederum ein langfristiges Finanzierungskonzept für die bevorstehenden Aufgaben ein. Die Überprüfung städtischer Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen ist energischer als bisher voranzutreiben. Beides hat die SPD durch Anträge gefordert. Das nachhaltige Konzept zur Sicherstellung der finanziellen Leistungs- und Investitionsfähigkeit, das bis September zur Beschlussfassung im Stadtrat vorliegen soll, greift endlich unsere Forderungen auf. Zu beachten ist, dass wir das städtische Tafelsilber dabei nicht verkaufen.
Abschließend noch ein Wort zur CDU-Fraktion. Der untaugliche Vorschlag, die Deckungslücke im Haushalt durch ein Darlehen aus den zweckgebundenen Rücklagen zu kompensieren, zeigt die Ratlosigkeit der CDU. Solche Scheinlösungen schaffen keine Nachhaltigkeit, sondern verschieben das Problem nur in die kommenden Jahre. Daher sind sie mit uns nicht zu machen. Die SPD-Fraktion wird dem Nachtragshaushalt 2003 – ausgehend von diesen Überlegungen – zustimmen.