Redner: Gerhard Pötzsch, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
werte Gäste,

die Kulturlandschaft Leipzigs, dieser Stadt mitten in Europa, steckt voller Traditionen. Sie ist vielfältig und lebendig. Dies muss und dies soll auch so bleiben. Wenn wir in den nächsten Wochen und Monaten irgendwann eine Idee für unsere Stadt (eine Idee nach Olympia) formulieren, für jeden nachlesbar und überprüfbar, eine Idee über die Phase tief greifender wirtschaftlicher und sozialer Umbrüche, in der wir uns aktuell gerade befinden, hinaus, dann – und da bin ich mir sehr sicher – dann kommt der Kultur eine ganz besondere Bedeutung zu.
Dass Kultur in dieser Stadt ohnehin schon immer und auch heute einen hohen Stellenwert besaß und besitzt, haben wir alle gemeinsam mit dem verabschiedeten Haushalt beschlossen. Darauf können wir stolz sein. Man muss in Deutschland lange suchen, um Vergleichbares in einer Großstadt zu finden. Ich möchte, dass dies so bleibt.

Wir beschließen heute die Drucksache IV/905 “Feststellung des Jahresabschlusses 2003/2004 für den Eigenbetrieb Oper”. Im Punkt 3 der Vorlage heißt es: Der Opernleitung wird für das Wirtschaftsjahr 2003/2004 Entlastung erteilt. Ich möchte beantragen, diesen Punkt  gesondert abzustimmen und will Ihnen auch begründen, warum ich dann dagegen stimmen werde – im Gegensatz zu den Mitgliedern dieses Hauses, welche meinen, der Plan des Wirtschaftsjahres 2003/2004 des Eigenbetriebes ist erfüllt, damit sei quasi alles paletti. Seit der Wende sind die Mittelzuwendungen für die Oper kontinuierlich gestiegen. Von ehemals rund 35 Mill. DM auf mittlerweile mehr als 40 Mill. Euro. Dies alles trotz Rationalisierung, organisatorischer Straffung der hausinternen Abläufe und sinkender Mitarbeiterzahlen in dieser Einrichtung. Der Trend der steigenden Zuwendungen ist nach wie vor ungebrochen. Jahr um Jahr das gleiche Spiel: Es gibt Verluste, das negative Eigenkapital wächst an, die Stadt gleicht aus. Es gibt Verluste, das negative Eigenkapital wächst an, die Stadt gleicht aus… Das mühsam ausbalancierte Gleichgewicht in dem Teil des städtischen Haushaltes, der sich mit der Kultur dieser Stadt insgesamt beschäftigt, gerät in Gefahr zu kippen. Die Gestaltungsspielräume für Kulturpolitik werden immer enger. Ein einfaches “weiter so” ist unmöglich!

Mitunter entspannt sich die Situation durch eine glückliche Fügung: So flossen im Ergebnis der zurückliegenden Landtagswahlen und der dadurch stattgehabten Koalitionsvereinbarung in Dresden, einige Mill. Euro zusätzlich in den Kulturhaushalt der Stadt und damit “natürlich” – für mich bleibt da ein Fragezeichen – zum Teil auch zur Oper.
Den zukünftigen Haushalt dieser Einrichtung aber dauerhaft auf das gelegentlich sehr scheue Glück zu gründen, wäre sicher ein zu gewagtes Unterfangen. Ich denke, wir sind gehalten und gut beraten, uns auf unsere ureigenen Kräfte zu besinnen. Wunder, wir wissen das alle, geschehen eher selten.

Noch mal zur Erinnerung: Auch im Jahr 2002/2003 war der Jahresverlust der Oper fast schon erwartungsgemäß deutlich negativ. Der Stadtrat kritisierte Haushaltvorgriffe, verlieh seiner Erwartung Ausdruck, dass die Opernleitung in den kommenden Jahren nicht mehr auf zukünftige Haushaltmittel vorgreift.
Für das Jahr 2003/2004 akzeptierte der Stadtrat dann wieder die Planung von einem weiteren negativen Jahresergebnis in Höhe von 1.323 Euro. Das erreichte Jahresergebnis nun, weißt ein Minus von 1.322.073, 07 Euro aus! Wirklich alles paletti …?
Ich kann bei solcherart Planerfüllung durch die Leitung der Oper bei bestem Willen nicht erkennen, dass sie, in Wahrnehmung ihrer Verantwortung, eine spürbar große Kraftanstrengung zur Verbesserung der Vermögens- und Finanzlage unternommen hätte. Hat sie sich dazu aber nicht immer wieder einmal bekannt, und sollte diese Herangehensweise nicht eigentlich auch selbstverständlich sein? Wo steht, dass man ein geplantes negatives Jahresergebnis in genannter Höhe – bei einem Gesamtetat von rund 40 Mill. Euro –  nicht entschieden deutlicher unterbieten darf, als mit sagenhaften 926 Euro und 93 Cent? Diese Punktlandung stimmt mich eher verdrießlich. Findet in diesem Ergebnis eine ernsthafte Sparanstrengung ihren adäquaten Ausdruck? Ich meine: die sich dahinter verbergende Haltung – schwadronierend optimistisch einher kommend, aber eigentlich genährt aus einem Gefühl der Unangreifbarkeit – unterschätzt den Ernst der Situation – sprich: die Haushaltlage dieser Stadt – welche den Verantwortlichen der Oper tatsächlich ja nicht unbekannt sein kann, fatal, und wird der aktuellen Situation außerdem nicht gerecht! Mir fehlt der dokumentierte Wille der Verantwortlichen, den eingangs skizzierten Trend immer höherer Zuwendungen an ihr Haus, wenigstens zu minimieren. Wo bleibt hier die Kreativität, der Erfindungsreichtum und die Unerbittlichkeit in der Umsetzung einmal gefundener und als richtig erkannter Lösungsansätze, welche in den künstlerischen Produktionen ja zum Tagesgeschäft gehören? Warum will die Leitung der Oper offensichtlich nicht erkennen, dass sie, denkt sie in der wirtschaftlichen Führung ihres/unseres Hauses nicht konsequent um, letztlich den Fortbestand ihrer eigenen Arbeit gefährdet, nachdem vorher wahrscheinlich die gesamte Kulturlandschaft unserer Stadt Schaden genommen hat? Dieses Szenario zu verunmöglichen, ist unsere Pflicht.

Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, besteht manchmal einfach nur darin,  Zeichen zu setzten. Ich halte es für geboten, gegen den Punkt 3 dieser Vorlage zu stimmen.