Redner: Manfred Rauer, Stadtrat

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
werte Stadträtinnen und Stadträte,
liebe Besucherinnen und Besucher,

der Stadtrat hat in seiner Sitzung am 23.März 2005 folgenden Beschluss gefasst:

  1. Die 54. MS und die Herderschule-Mittelschule bilden ab dem 01.08.2005 eine MS. Sie nutzt Schulgebäude und -anlagen der Herderschule. Sie trägt ab dem 01.08.2005 zunächst den Namen 54. Schule/Herderschule-Mittelschule. Die Schulkonferenz berät unverzüglich und reicht einen Vorschlag für einen Schulnamen zur Beschlussfassung im Stadtrat noch in diesem Jahr ein.
  2. Die Herderschule wird am 31.07.2005 aufgehoben.

Wir als Stadträte haben den Namen Herder damit zur Disposition gestellt, wir haben nicht die 54.Schule aufgehoben und die Schülerinnen und Schüler in die Herderschule geschickt, was einigen von uns das heutige Dilemma erspart hätte. Wir können jetzt nicht den Schwarzen Peter der Schule in die Schuhe schieben, denn die Kolleginnen und Kollegen haben mit ihren Schülerinnen und Schülern nur das getan, was wir ihnen aufgetragen haben: Sie haben einen Schulnamen für diese neue Mittelschule gesucht. Der Identifikation willen haben sie keinen der beiden alten Namen gewählt, um diesen Neuanfang zu unterstreichen. Der Stadtrat steht auch dafür, dass Schulnetzplanung nicht als Verwaltungsakt empfunden werden soll, sondern sie bedarf der Mitarbeit der Beteiligten und Betroffenen um größtmögliche Akzeptanz der Entscheidungen zu erreichen.

Nun haben wir den geforderten Namensvorschlag, entstanden in einem langwierigen und schwierigen Prozess, an dem sich dem Bekunden nach nicht nur die Mitglieder der Schulkonferenz, sondern alle Kolleginnen und Kollegen mit ihren Klassen beteiligt haben.
Und sie vertrauen darauf, dass ihre Arbeit ernst genommen und ihre Entscheidung akzeptiert wird und die Mitglieder des Stadtrates ihre Beschlüsse nicht nur rhetorisch meinen.

Ich verstehe die Befindlichkeiten, die mit diesem Namenswechsel verbunden sind und teile sie. Auch für mich hat der Name Herder Klang und Ausstrahlung für eine Schule, auf die man stolz sein kann, und auch ich hätte mir gewünscht, dass die Kolleginnen und Kollegen mit ihren Schülern und den Eltern diesen Geist aufgegriffen hätten. Auch in der SPD-Fraktion hat es dazu ausführliche Diskussionen gegeben und wir sind durchaus nicht einer Meinung.

Ich stelle mir aber vor, was in den Beteiligten vorgeht, wenn wir ihre Mühen negieren, weil uns das Ergebnis nicht gefällt. Ich versuche mir vorzustellen, wie die Lehrerinnen und Lehrer ihre Schüler in Zukunft für Mitwirkung und Engagement motivieren wollen.
Auch diejenigen, die den Namen Herder bevorzugen, sind ja bei dieser Art der Entscheidung nur scheinbar die Sieger im Sinne eines demokratischen Grundverständnisses.

Im Übrigen wird ja bei einer Ablehnung der Vorlage die Schule nicht Herderschule heißen, sondern weiter unter dem Wortungetüm “54. Schule/Herderschule – Mittelschule” firmieren, und das wahrscheinlich nicht nur für die nächsten zwei Jahre.

Demokratie ist eben nicht, wenn mir das Ergebnis eines Handelns gefällt, sie zeitigt manchmal auch andere Ergebnisse. Ihre Reife zeigt sich darin, wie die Gesellschaft und die Menschen jeweils damit umgehen.  

Es gibt die Vorstellung von zwei Fraktionen, den hochsensiblen und schwierigen Anteilsverkauf der Stadtwerke durch einen Volksentscheid zu realisieren, oder auch nicht. Gleichzeitig sprechen wir den gleichen Bürgern die Kompetenz ab, über einen Schulnamen zu entscheiden – das ist Gebrauchsdialektik!

Ich bin überzeugt, dass eine ganze Reihe der noch namenlosen Leipziger Schulen nur auf die Chance wartet, sich mit dem Namen Johann Gottfried Herder oder vielleicht auch Richard Wagner zu schmücken.
Entwickeln wir also die notwendige Gelassenheit und stilisieren die Namensgebung einer Schule nicht zum nationalen Problem hoch.
Die SPD-Fraktion wird dieser Vorlage mehrheitlich zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!