Schlagwortarchiv für: Antisemitismus

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Christopher Zenker
Christopher Zenker

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

wir leben in Zeiten, in denen am rechten Rand des politischen Spektrums über Remigrationsfantatsien diskutiert wird, die auch Menschen einschließen sollen, die Migrationshintergrund haben, aber deutsche Staatsbürger sind, oder gar Menschen, die einfach nur Geflüchteten geholfen haben. An diesem Punkt ist der gedankliche Schritt für diese Gruppe vermutlich nicht mehr weit über Deportationen zu sprechen. Deportationen die auch in Leipzig dazu geführt haben, dass die ehemals große jüdische Gemeinde von 13.000 Mitgliedern im Jahr 1925 auf unter 24 im Jahr 1945 gesunken ist. Vertrieben, deportiert und ermordet. Eine deutsche Schuld von der wir uns nie befreien dürfen, auch wenn dies neuerdings nicht nur Rechte fordern, sondern auch von vermeintlich Linken auf Pro-Palästina-Demonstrationen proklamiert.

Auch vor diesem Hintergrund ist die Vorlage zur Antisemitismusprävention wichtig. Schließlich stehen wir gesamtgesellschaftlich in der Verantwortung, dass Antisemitismus, der vor rund 85 Jahren dazu führte, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland verfolgt, gequält und schließlich auch ermordet worden sind, hier keinen Platz mehr haben darf.

2018 haben wir gemeinsam mit den Fraktionen CDU und Grünen einen Antrag durch den Stadtrat gebracht, der die Verwaltung beauftragt hat, ein Konzept zur Antisemitismusprävention zu erarbeiten. Zielmarke dafür war eigentlich Ende 2019, jetzt haben wir Anfang 2024 und werden heute über dieses Konzept abstimmen. Spät, aber immerhin…

Bei unserer Initiative ging es uns unter anderem darum, die politische Bildungsarbeit an dieser Stelle zu verstärken, denn das Thema Antisemitismus ist in den letzten Jahren ein wenig aus dem Fokus gerückt. Die Auseinandersetzung mit allen, vor allem auch den aktuellen Formen des Antisemitismus soll gestärkt und die Wirksamkeit bestehender Projekte geprüft werden. Denn, meine Damen und Herren, Antisemitismus ist nicht nur ein Problem am rechten politischen Rand. Wir erleben ihn auch von links und wir sehen verstärkt einen religiös motivierten Antisemitismus, der vor allem in arabischen Ländern gepflegt wird und in Deutschland seine Wirkung entfaltet, besonders seit dem 7.10.2023, aber nicht erst seitdem. Denken wir dabei nur an die verschiedenen BDS-Kampagnen der letzten Jahre.

Prävention bedeutet auch, dass wir uns aktiv für eine inklusive und diverse Gesellschaft einsetzen, in der jeder Mensch willkommen ist, unabhängig von seiner Herkunft, seiner Religion oder seiner Lebensweise. Wir müssen uns für den interkulturellen Dialog einsetzen und Brücken zwischen den verschiedenen Gemeinschaften bauen.

Die Prävention von Antisemitismus erfordert eine breite Palette von Maßnahmen. Wir müssen in unseren Schulen und Bildungseinrichtungen Aufklärungsarbeit leisten und die Geschichte des Holocausts weiter erzählen. Verstärkt nicht nur aus Sicht von uns Deutschen ohne Migrationsgeschichte, die Vorfahren haben, die unter Umständen Täter waren oder einfach nur weggeschaut haben, sondern auch mit Blick auf Zugewanderte. Wir müssen in unserer Öffentlichkeitsarbeit deutlich machen, dass Antisemitismus nicht toleriert wird. Wir müssen die Strafverfolgungsbehörden unterstützen, um antisemitische Straftaten konsequent zu verfolgen und zu bestrafen.

Der Antisemitismus ist eine dunkle Wolke, die über unserer Gesellschaft schwebt. Er ist nicht nur eine Bedrohung für die jüdische Gemeinschaft, sondern für uns alle. Er ist ein Angriff auf unsere Werte, wie Toleranz und Respekt. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschenverachtung und Antisemitismus in unserer Stadt weiter Fuß fassen. Das Präventionskonzept ist hierbei ein wichtiger Baustein, weil es die Grundlage für Verwaltungshandeln bildet und damit in die Gesellschaft ausstrahlen kann, wenn es mit Leben gefüllt wird.

Wir müssen unsere Stimme erheben gegen jede Form von Hass und Diskriminierung. Wir müssen uns solidarisch zeigen mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und klarstellen, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Die großen Demonstrationen für eine offene Gesellschaft und eine wehrhafte Demokratie waren dabei in den letzten Wochen, nach den Enthüllungen von Correctiv, Mutmacher.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass Sie, wie auch meine Fraktion der Vorlage zustimmen.

Vielen Dank.

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Christopher Zenker
Christopher Zenker

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

ich habe Freunde in Israel. Freunde, die wochenlang, manche monatelang gegen die Regierung Netanjahus auf die Straße gegangen sind. Israelische Freunde, die für Verständigungen zwischen Arabern, Palästinensern, Muslimen, Juden und Christen geworben haben. Freunde, die bereits in der Vergangenheit regelmäßig in den Schutzräumen waren, wenn die Hamas Raketen auf Israel abgefeuert hat. Freunde, die mir berichten, dass es kaum jemanden gibt, der nicht mindestens eines der über 1.200 Opfer des Terrorangriffs der Hamas vom 7.10.2023 kennt. Unter den Opfern sind auch Menschen aus unserer Partnerstadt Herzliya, die u.a. auf einem Festival feierten.

Ich habe israelische Freunde, die das sozialistische Kibbuz Be’eri in der Nähe des Gazastreifens kennen.  Ein Kibbuz, welches einen Fond für Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens aufgebaut hat. Ein Kibbuz, das für Verständigung stand, wo Menschen aus Gaza arbeiteten. Ein Kibbuz, in dem 130 Männer, Frauen, Kinder, Babies und damit 10 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner von etwa 70 Terroristen abgeschlachtet wurden. Denen die Kopfhaut abgezogen wurde, die erschossen mit Stacheldraht zusammengebunden und angezündet wurden. Kinder, die vor den Augen ihrer Eltern gequält und hingerichtet wurden. Die Terroristen der Hamas haben diese Taten gefilmt und an Familienangehörige der Opfer verschickt. Sie haben Geiseln vom zweijährigen Kind bis zur Rentnerin genommen, Frauen vergewaltigt, schwer misshandelt und die Entführten unter Jubel im Gaza zur Schau gestellt.

Die Terroristen wollten töten. Ihnen waren die Menschen egal. Sie haben ganz bewusst und gezielt keine Rücksicht genommen auf zivile Opfer, auf Babies, Kinder, Frauen und alte Menschen. Nach einem solchen Terrorakt, dem massivsten Zivilisationsbruch gibt es kein „Ja, aber“, kein Relativieren!

Insofern erfüllt es mich mit Entsetzen, dass der Terrorrangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 nicht gesamtgesellschaftlich, partei- und religionsübergreifend von allen „ohne Wenn und Aber“ verurteilt wird. Stattdessen müssen wir erleben, dass dieser menschenverachtende Terrorangriff auch in Deutschland von Islamistinnen und Islamisten bejubelt wird und auf den Straßen zur Feier Süßigkeiten verteilt werden. Wir müssen erleben, dass dieser Terrorakt zwar verurteilt wird, aber im nächsten Moment durch ein „ja, aber Israel hat“ oder „ja, aber die Juden haben doch“ relativiert wird.

In der Vergangenheit haben wir vor allem einen Antisemitismus von rechts erleben müssen. Auf diesen waren 90 Prozent der antisemitischen Straftaten zurückzuführen. Seit dem 7.10. müssen wir erleben, wie sich islamistischer und linker Antisemitismus Bahn brechen. Wir erleben, wie das Existenzrecht Israels auf so genannten propalästinensischen Demonstrationen in Frage gestellt oder verneint wird. Wir werden Zeugen, wie Jüdinnen und Juden noch weniger als zuvor öffentlich zu ihrem Glauben stehen können, weil sie Angst haben, eine Kippah zu tragen oder hebräisch zu sprechen.

Wir müssen auch feststellen, wie tief israelbezogener Antisemitismus auch in Leipzig wirkt. Israelbezogener Antisemitismus liegt vor, wenn an den einzigen jüdischen Staat andere Maßstäbe angelegt werden, als an alle anderen Länder dieser Welt.  Israelbezogener Antisemitismus liegt vor, wenn Israels Recht auf Selbstverteidigung in Frage gestellt wird. Es ist israelbezogener Antisemitismus, wenn die berechtigte Selbstverteidigung Israels gleichgesetzt wird mit den schrecklichsten Taten der Menschheit, der Shoah oder Genoziden an anderen Völkern.

Zu unterscheiden ist davon übrigens die Kritik an Regierungen, die selbstverständlich auch an der israelischen, wie an jeder anderen Regierung zulässig ist. Kritik, die an vielen Punkten wichtig und geboten ist. Kritik, wie sie im Übrigen zu 100.000enden von den Israelis selbst geübt wurde und wie sie auch die ehemalige Bürgermeisterin unserer Partnerstadt Herzliya geübt hat, indem sie mit der erneuten Vereidigung von Netanjahu von ihrem Botschafteramt in Paris zurückgetreten ist, da sie für diese Regierung nicht tätig sein wollte.

Es ging mir nah, als auf einer Kundgebung am 9.11.2023 die Namen der 242 durch die Hamas Entführten verlesen wurden. Mir treibt es auch die Tränen in die Augen, wenn ich das furchtbare Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen sehe. Das ist Leid, das durch die Hamas verursacht wurde und wird. Denn alles wird knapp im Gazastreifen, Lebensmittel, Wasser, Strom, Medikamente, Benzin, aber die Raketen der Hamas scheinbar nicht. Für die Hamas spielen die Belange der zivilen Bevölkerung des Gaza-Streifens keine Rolle. Das Gegenteil ist der Fall: zivile Opfer sind Teil ihres Kalküls. Die Situation im Nahen Osten macht traurig und wütend. Auch wenn es in weiter Ferne scheint: Ich wünsche mir Frieden für die Menschen im Nahen Osten, ich wünsche mir eine Zwei-Staaten-Lösung. Diese wird nur ohne die Hamas gehen und auch nur wenn die Länder der Region dieses Ziel gemeinsam verfolgen.

Die Hamas hat einen Krieg entfesselt, der begleitet von Demonstrationen auch die Sicherheit von Israelis sowie Jüdinnen und Juden in Deutschland, auch in unserer Stadt Leipzig, gefährdet. Israelische und jüdische Einrichtungen und Geschäfte müssen wieder verstärkt geschützt werden. Unsere jüdischen und israelischen Freundinnen und Freunde, unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Leipzig haben Angst. Wir spüren diese Angst und wir nehmen sie ernst. Dass wie sie ernst nehmen, müssen wir jedoch noch stärker zeigen: Durch unsere Anteilnahme, durch ein deutliches Bekenntnis zum Miteinander, durch eine klare unmissverständliche Verurteilung des Terrors der Hamas, ganz ohne “ja, aber“. Denn für die Verbrechen der Hamas gibt es keine Relativierung!

Ich bin 1979 geboren. Ich trage keine Schuld an den Verbrechen der Nazis, an der Shoa. Aber ich trage Verantwortung. Verantwortung dafür, dass so etwas wie die Shoa nie wieder passiert. Deshalb setze ich mich ein: gegen Diskriminierung, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus.

Ich verurteile Antisemitismus, wenn er von rechts kommt, z.B. durch die Relativierung der NS-Vergangenheit, wie sie die AfD regelmäßig betreibt, oder durch den Anschlag auf die Hallenser Synagoge am 9.10.2019. Aber ich verurteile Antisemitismus auch und erhebe meine Stimme, wenn Antisemitismus – getarnt als „Israelkritik“ in Worten und Taten – von islamistischer oder linker Seite kommt.

Wenn wir es ernst meinen, Antisemitismus nicht zu dulden, dann gilt das für alle Formen des Antisemitismus: Egal, ob er israelkritisch daherkommt, islamitisch, rechtsextrem oder links geprägt ist.

Nur dann meinen wir es ernst mit „Nie wieder“. Denn „Nie wieder“ ist jetzt!

Zenker: Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gehen wir konsequent gegen jeden Antisemitismus vor.

Christopher Zenker
Christopher Zenker

Zum Demogeschehen am Wochenende erklärt der Leipziger SPD-Fraktionsvorsitzende Christopher Zenker: „Für seine Anliegen zu demonstrieren, ist legitim, allerdings wurden insbesondere am Samstag auf der pro-palästinensischen Gegendemonstration Grenzen überschritten: Es wurden Parolen wie ,Scheiß Juden‘ und ,Kindermörder Israel‘ skandiert und versucht, mit antisemitischen Äußerungen Stimmung zu machen. Es ist beschämend, dass Antisemitismus auf Demonstrationen wieder öffentlich zur Schau getragen wird. Ein erheblicher Anteil der Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer versuchte nicht einmal, ihren Antisemitismus als vermeintliche Kritik an israelischer Politik zu oder Kritik am aktuellen Konflikt zu verdecken. Nach einem Übergriff auf eine Jüdin in Gohlis und einem antisemitischen Graffiti von Corona-Leugnern an einem Geschäft ist dies der dritte antisemitische Vorfall innerhalb weniger Tage.“

Am Samstag fanden auf dem Augustusplatz zwei Demonstrationen statt. Eine rief zur Solidarität und Frieden mit dem Staat Israel auf, die andere Demonstration, die sich selbst als pro-palästinensisch deklarierte, trug offen Antisemitismus zur Schau. Auslöser für beide Demonstrationen sind die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen der Terrororganisation Hamas, die de-facto-Regierung des Gazastreifens, und dem Staat Israel, nachdem israelische Städte aus dem Gaza-Streifen heraus mit mehr als 3.000 Raketen beschossen wurden. „In Gedanken sind wir bei den zivilen Opfern des Konfliktes, sowohl den israelischen als auch den Zivilisten in den palästinensischen Autonomiegebieten, die durch die Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht werden”, ergänzt Zenker.

„Regelmäßig erinnern wir daran, welche Folgen der Antisemitismus in unserer Geschichte hatte. Über 500 Stolpersteine, die im Stadtgebiet verlegt worden sind, geben Auskunft darüber, wie viel Leid jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in der Zeit des Nationalsozialismus angetan wurde. Wir beteiligen uns regelmäßig, wie zuletzt am 8. Mai, an Putzaktionen, um die Erinnerungen wach zu halten. Mittlerweile sollten alle verstanden haben, wohin Hass und Hetze führen. Dafür ist in Leipzig kein Platz. Als Fraktion werden wir auch den modernen Formen des Antisemitismus entschieden begegnen. Das zeigt unter anderen der auch von uns initiierte Beschluss aus dem Jahr 2019, der die Stadt in Zusammenarbeit mit dem Ariowitsch-Haus zu einer verstärkten Präventionsarbeit beim Thema Antisemitismus aufforderte und durch den die BDS-Kampagne keinen Zugang zu kommunalen Räumen und Fördermitteln bekommen wird. Nie wieder ist für uns mehr als eine Phrase. Wir stehen zu diesem Versprechen“, sagt Zenker abschließend.

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

im November 2018, also um den 80. Jahrestag der Novemberpogrome, als auch in Leipzig jüdische Geschäfte geplündert wurden und Synagogen brannten, wurde diese Antrag eingereicht. Heute, wo der Antrag nun zur Beschlussfassung vorliegt, finden zeitgleich die jüdischen Wochen in Leipzig statt. Sie zeigen, dass nach der fast vollständigen Vernichtung bzw. der Vertreibung der Leipziger Jüdinnen und Juden während des Dritten Reichs, in Leipzig wieder jüdisches Leben seinen Platz hat. Mit dem Beschluss des Antrags können wir ein kleines, aber wichtiges Signal senden.

Ich möchte kurz privat werden, was auch ein Punkt ist, warum mir das Thema so wichtig ist: Vor mittlerweile etwas mehr als 10 Jahren habe ich meine Frau geheiratet. Mütterlicherseits eine jüdische Familie. Ich gebe zu, ich hatte damals großen Respekt bzw. etwas Angst vor dem ersten Treffen mit der Familie, insbesondere weil ihr Opa, damals Mitte 90 Jahre, den zweiten Weltkrieg noch er lebte und damals als Feuerwehrmann in London arbeitete. Ich wusste nicht, wie er auf einen „Kraut“, einen Deutschen, reagieren würde. Ich wurde offen in der Familie empfangen, worüber ich sehr dankbar bin, selbstverständlich ist das für mich nicht. Auch wenn ich weiß, dass ich keine Verantwortung für die Nazidiktatur trage, so trage ich doch auch eine Verantwortung dafür, dass sich so etwas nicht wiederholt. Ein Bestandteil, dass es sich nicht wiederholt, ist unsere Erinnerungskultur.

Ich möchte mich an die Vertreter der AfD hier im Stadtrat wenden, die bereits kritisiert haben, dass sie nicht als Mitantragsteller eingeladen wurden. Wenn sie zur Eröffnung der jüdischen Wochen anwesend gewesen wären, müsste ich ihnen das heute nicht noch einmal sagen: Ihr Parteivorsitzender bezeichnet die NS-Zeit mit Millionen von Toten, darunter sechs Millionen vernichtete Jüdinnen und Juden als „Vogelschiss in der Geschichte“. Der Thüringer AfD-Co-Vorsitzende Höcke sagte, ich zitiere:  „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Und ergänzt: „Und diese dämliche Bewältigungspolitik, die lähmt uns heute noch viel mehr als zu Franz Josef Strauß‘ Zeiten. Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad.“

Der vorliegende Antrag ist eine Fortsetzung und Stärkung unserer demokratischen Erinnerungskultur, die Sie abschaffen wollen. Mit Verlaub, Sie haben auf einem solchen Antrag mit solchen Äußerungen nichts zu suchen. Felix Klein der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung sagt dazu: „Wenn Erinnerungspolitik angegriffen und Gedenkstätten in Frage gestellt würden, führe das zu einer Atmosphäre, in der antisemitische Theorien aufblühen. Schuldabwehrmechanismen werden begünstigt. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass dann antisemitisch gehetzt wird.“‘

Wenn es um Diskriminierung geht, sind Rechtsradikale und Nazis immer ganz vorne mit dabei, so ist es auch nicht verwunderlich, dass die mit Abstand meisten antisemitischen Vorfälle rechtsmotiviert sind. Wer mit offenen Augen durch Leipzig läuft oder fährt, dem sind sicher auch antisemitische Graffitis oder Aufkleber, meist mit Fußballbezug, aufgefallen. Dennoch, und das unterscheidet Antisemitismus von vielen anderen Formen der Diskriminierung, beschränkt er sich nicht auf Neonazis, sondern man findet ihn auch im linken Milieu, in der „Mitte der Gesellschaft“ sowie mit islamischer oder christlicher Konnotation. Antisemitismus ist keine starre Ideologie, sondern leider lebendig und wandelbar. Die ewiggleichen Ressentiments werden immer wieder neu formuliert und an den jeweiligen Zeitgeist angepasst. Anders als bei anderen Formen der Diskriminierung wird mit Überhöhungen gearbeitet. Antisemitische Ressentiments werden unterschwellig bedient, wie zum Beispiel auf der Plattform „Freie Welt“, die Frau von Storch mit ihrem Mann betreibt: Dort kann man Aussagen lesen wie: „Ex-Rothschild-Banker Emmaunal Macron löst Merkel als Hauptmarionette der Finanzglobalisten ab“. Ähnliches findet man über den jüdischen Investor Soros. Damit werden die klassischen Märchen von der jüdischen Weltverschwörung aufgewärmt. Antisemitismus ist dadurch daneben eine Ideologie, die sich auch gegen Nicht-Juden richtet, wie es  auch schon die Nazis  beispielsweise mit den Roma und Sinti gemachten haben. Diese wurden unter dem Vorwand vernichtet Teil der jüdischen Weltverschwörung zu sein. Sie wären, wie man heute in bestimmten Kreisen sagt, Invasoren für den Bevölkerungsaustausch.

Aus diesen Gründen benötigen wir beim Thema Antisemitismus auch für Leipzig einen ganzheitlicheren Ansatz, wie in den Beschlusspunkten eins bis vier des Antrags beschrieben.

Die Antragsteller hat vor einigen Wochen ein Brief erreicht, wir würden mit dem Beschluss zum BDS die Meinungsfreiheit einschränken, um zu verhindern, dass es Kritik an der Regierung in Israel gibt. Dem ist nicht so. Selbstverständlich kann ich, was ich hiermit auch tue, ein solchen Beschluss ohne Wenn und Aber unterstützen, auch wenn ich Netanjahu und seine Koalition nicht mag, ich kann die Siedlungspolitik kritisieren und die Zweistaatenlösung unterstützen, wie in der Neufassung des Antrags geschehen. Bei BDS geht es weder um Nahostpolitik noch um Meinungsfreiheit, es geht um Antisemitismus.

In den USA oder Lateinamerikanischen Ländern gehen BDS-Aktivitäten inzwischen häufig mit Übergriffen einher, öffentlich bekannt geworden sind zum Beispiel die Morddrohungen gegen Spieler der Argentinischen Nationalmannschaft und deren Familien nachdem diese ein Freundschaftsspiel in Isreal durchführen wollten. Richtig ist, dass nicht jeder BDS-Unterstützer Antisemit ist, die einseitige Ausrichtung gegen Israel und die Wirkung von BDS ist es schon. Die Zweistaatenlösung findet man im Aufruf von 2005 mit keinem Wort. Der Schlachtruf „From the river to the sea, Palestine will be free“ ist so formuliert, dass er auf die Auslöschung des jüdischen Staates abzielt. Die Antragsteller fordern daher, dass die Stadt Leipzig sehr genau prüft, wie es verhindert werden kann, dass Antisemiten kommunale Flächen oder Räume nutzen.

Weil wir heute auch den Antrag zum Antiromaismus behandeln, möchte ich auch dazu noch ein paar Worte sagen: Wir sind grundsätzlich für den Antrag und werden ihm in der vorliegenden Neufassung zustimmen. Meine Fraktion hält es für vernünftig durch Aufklärungsarbeit dazu beizutragen, dass Vorurteile gegen Sinti und Roma abgebaut werden, und das Thema auch bei Schulungen zur interkulturellen Kompetenz eine Rolle spielt.

Vielen Dank!