Schlagwortarchiv für: Bildungspolitische Stunde

Christina März

Rednerin: Stadträtin Christina März

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,
sehr geehrte Beigeordnete und
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
werte Gäste, 

für uns als Sozialdemokratie ist Bildung, im Besonderen die politische Bildung, immer ein Schlüssel für die Lebens- und Teilhabechancen jedes und jeder einzelnen, für individuelle Freiheit und für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Daher ist nicht nur die Kostenfreiheit dieser, von der Wiege bis zur Bahre, unerlässlich auch eine stets kritische Begleitung der Konzepte und Projekte.

Die Ansprüche an politische Bildung unterlagen in den letzten Jahren einem starken Wandel. Dafür ist aus meiner Sicht „Fridays for Future“ ein gutes Beispiel. Es zeigt zum einen, dass unsere Jugend natürlich politisch ist und sich Gehör verschafft, sondern es zeigt auch auf welche vielfältigen Wegen politische Bildungsarbeit passieren kann. So findet diese auf der Straße, in Netzwerken und natürlich in der Schule oder zum Beispiel auch am Küchentisch statt. Gerade der Küchentisch zu Hause ist ein Ort von lebendiger Demokratie. Wo, wenn nicht hier wird Tacheles gesprochen und gestritten. Da zeigt sich auch so mancher Generationenkonflikt.

Dieser Streit, diese Debatte ist Demokratie. So erlernen wir Debatten zu führen, auszuhalten und bestenfalls zu gewinnen. Diese Erfahrbarkeit von partizipativen Handeln ist ein unersetzbarer Erfahrungsschatz für Kinder und Jugendliche. Hier können sie Einfluss auf Entscheidungen nehmen, Beteiligung erfahren und das gemeinsame Familienleben MIT gestalten. Natürlich erfordert es auch demokratischen Verständnis bei den Eltern, nur so gelingt demokratische Erziehung. Wer, wie die Vertreter*innen rechts im Saal, ein Weltbild aus den 50ern oder eher späten 30ern anstrebt, kommt da natürlich ganz schön ins Schwimmen. Natürlich dürfen diese Partizipationserfahrungen nicht am Küchentisch enden, sie muss ein integraler Bestandteil unserer demokratischen Kultur sein. Auch in der Kommune. Weswegen sollen Kinder nicht mit über den Spielplatz in ihrem Quartier entscheiden? Wozu sollten Jugendliche ein Jugendzentrum aufsuchen, wenn sie nicht mitgestalten dürfen? Und verdammt nochmal, weswegen lassen wir diese jungen Leute nicht ab 16 wählen! 

Auch wir müssen an dieser Stelle endlich Umdenken!

Wir sehen doch am Jugendparlament, welches für uns und die progressiven Fraktionen im Stadtrat mehr als nur ein wichtiger Multiplikator ist, dass Jugendbeteiligung gut funktioniert. Wir behandeln als Stadträt*innen eine Vielzahl von Anträgen, welche wir zwar modifizieren und gegebenenfalls nachschärfen, welche dennoch ihren Ursprung im Jugendparlament haben. Die Forderung, junge Leute in die Parlamente zu holen, ist kein Hass auf die ältere Generation. Es ist die Verpflichtung von Repräsentanz unserer Gesellschaft.

Ich sprach zu Beginn meiner Rede davon, Debatten aushalten zu können. Debatten auch verstehen zu können. Damit Debatten nicht eintönig werden benötigt es Fakten, diese haben wir in den vorherigen Vorträgen erfahren. Die Verarbeitung der, täglich zu Hauf, auf uns einprasselnden Informationen erfordert ein hohes Maß an Medienkompetenz. Von uns und auch von jungen Leuten, sie müssen reflektieren und Filtern – was ist Fake News, was ist eine vertrauenswürdige Quelle und was nicht? 

Und wie soll das alles im Internet wo jede*r Dinge veröffentlichen kann gelingen? 

Hier ist die politische Bildung an den Schulen besonders gefragt, fächerübergreifend muss gelernt werden eine sachliche Nachrichtenquelle, wie bspw. die Tagesschau, von populistischen Medien zu unterscheiden. Damit sich diese Merkmale verinnerlichen genügt jedoch nicht nur der Schulunterricht, auch hier müssen Freunde, Netzwerke und Eltern immer wieder Ansporn sein und auch diese müssen bereit sein, sich selbst zu Hinterfragen. 

Das alles, was ich hier in meiner kurzen Rede nur Skizzenhaft darstellen konnte, erfordert – wie erwähnt – zahlreiche Akteur*innen. Leipzig hat bereits ein gutes und dichtes Bildungsnetz, zumindest in der Quantität. An der Stellschraube der Qualität müssen wir noch ein paar Mal nachziehen bis es sitzt. Ein wichtiger Aspekt ist die Vernetzung dieser Akteur*innen, damit auch positive Synergieeffekte genutzt werden, Erfahrungen ausgetauscht und die inhomogene Zielgruppe für politische Bildungsarbeit zielführend zu den jeweils besten Akteur*innen gelangen kann. Um politische Bildung zu erfahren. Beispielhaft seien hier die Stadtbibliotheken, die Volkshochschule oder auch der Stadtjugendring als wichtige Akteure genannt. Aus aktuellem Anlass möchte ich aber als einen Vertreter der Bildungsarbeit mit Kinder und Jugendlichen auch insbesondere “Die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken” nennen. Auch wenn, einige unter uns die Arbeit der Falken nicht würdig erachten geehrt zu werden. Wenn Sie mich fragen zeigt das nur eher bei diesen Leuten ein Mangel an politischer Bildung.  

Lassen Sie mich zum Schluss rekapitulieren, in der Bildung immerhin ein wichtiger Kniff, damit das gehörte auch verinnerlicht wird. 

Junge Leute sind politisch, diesen Umstand zu negieren wäre Demokratie schädigend. Die Formen der politischen Auseinandersetzung mögen sich von Generation zu Generation unterscheiden. Auch die Möglichkeiten der Partizipation für junge Leute sind mannigfaltig, sei es in den Gewerkschafts- ,Arbeiter*innen- oder Parteijugenden, Pfadfinder*innen oder bei Demonstrationen auf der Straße oder am Bagger. 

Kinder und Jugendliche sollten bereits früh Beteiligung erfahren können, am Küchentisch, im Parlament und natürlich in der Bildung. Positive Erlebnisse und Demokratie Erfahrungen sind förderlich für eine starke und wehrhafte Demokratie. 

Politische Bildung und das damit einhergehende politisches Verständnis erfordert mehr als die Kenntnis vom Aufbau unserer Demokratie. Es wird eine Medienkompetenz von der Gesellschaft eingefordert, welche erdrückend sein kann. Der Umgang damit stellt einen Schlüsselaspekt dar. Nur so lassen sich auch aktuelle Ereignisse einsortieren, bewerten und dann besonnen Handeln.

Das alles können wir als Stadt schaffen, gemeinsam mit den zahlreichen Akteur*innen im Leipziger Bildungsnetz. Vielen Dank.

Redner: Christopher Zenker, Vorsitzender der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kollegen Stadträte,
werte Gäste,

Deutschland ist seit vielen Jahrzehnten ein Einwanderungsland und diese Einwanderung hat Deutschland gestärkt. Nur, dass diese Tatsache gern negiert wird. Mir ist es jedoch wichtig, das hier explizit hervorzuheben. Wir dürfen Migration nicht auf Geflüchtete reduzieren, denn viele Menschen sind nach Deutschland und Leipzig gekommen und helfen uns direkt dem Fachkäftemangel zu begegnen.

In diesem Zusammenhang, auch wenn es Bundespolitik ist, möchte ich deutlich sagen: Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz! Wir müssen legale Möglichkeiten der Zuwanderung schaffen, wie es sie in vielen Ländern bereits gibt.

Damit komme ich zum eigentlichen Thema dieser Bildungspolitischen Stunde: „Migration – Bildung – Integration“. Bildung ist eine Art Generalschlüssel zur Integration. Ganz gleich, woher die Menschen kommen oder wie lange sie in Deutschland leben. Vor dem Hintergrund der knappen Zeit möchte ich mich auf drei Schwerpunkte konzertieren: 1. frühkindliche Bildung, 2. Schulische und berufliche Bildung, 3. Integration in Arbeit.

  • Frühkindliche Bildung

Jeder, der Kinder hat, bekommt mit, wie schnell kleine Kinder lernen. Für Kinder in deren Elternhaus nicht deutsch gesprochen wird, ist der Besuch eines Kindergartens von großer Bedeutung. Dort saugen sie die deutsche Sprache faktisch nebenbei auf und müssen später keine DAZ-Klassen besuchen. Aktuell liegt die Betreuungsquote bei Kindern mit Migrationshintergrund über drei Jahren mit nur knapp 60 Prozent deutlich unter der von Kindern ohne Migrationshintergrund. Diese Quote müssen wir erhöhen. Das dazu ausreichend Betreuungsplätze notwendig sind, sollte allen klar sein.

Wir müssen, um die Eltern zu erreichen, innerhalb der Communities mehrsprachig informieren und den betroffenen Familien die besonderen Vorteile von Kitas nahebringen. Wir begrüßen daher, dass das Informationsmaterial inzwischen mehrsprachig vorliegt.

Neben der reinen Information sind aber auch Projekte wie zum Beispiel das in Israel entwickelte Programm HIPPY (Home Instruction for Parents of Preschool Youngsters) wichtig. Das Frühförderprogramm HIPPY richtet sich an sozial benachteiligte Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren, vor allem aber an Familien mit Migrationshintergrund, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken. Durch regelmäßige Besuche von Frauen aus dem gleichen Kulturkreis, sollen die Kinder auf die Einschulung vorbereitet werden.

  • Schulische und berufliche Bildung

Grundsätzlich ist das sächsische DAZ-Klassensystem gut, da es Kinder und Jugendliche, die in ihrem Herkunftsland bereits Schulbildung bekommen haben, über intensives Deutschlernen an den Regelunterricht heranführt und nach und nach in die Regelunterricht integriert.

Ein besonderes Augenmerk müssen wir aber auf die Jugendlichen ab 16 Jahren legen, die im Herkunftsland keine oder nur eine geringe Schulbildung hatten und denen neben Deutsch auch andere grundlegende Kenntnisse vermittelt werden müssen. Das Problem verstärkt sich noch dadurch, dass im Freistaat Sachsen die Schulpflicht mit 18 Jahren endet, wobei egal ist, ob ein Schulabschluss vorliegt oder nicht. Für solche Falle wäre es zu begrüßen, die Schulpflicht bis zum 25. Lebensjahr auszuweiten. Ähnlich wie das im Bayern gehandhabt wird, wo beispielsweise die SchlaU-Schule – Schulanaloger Unterricht für Flüchtlinge – das Ziel hat, jungen Flüchtlingen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren einen Schulabschluss und eine erfolgreiche Ausbildung zu ermöglichen. Neben dem Deutscherwerb und dem Nachholen von anderen Lerninhalten steht der soziale Austausch im Fokus. Außerdem gibt es psychologische Betreuungen für Schülerinnen und Schüler mit traumatische Erfahrungen. Im Schulkonzept werden zudem frühzeitig Praktika zur Berufsorientierung durchgeführt und der Einstieg in die Ausbildung begleitet.

Wir wünschen uns gemeinsam mit der Sächsischen Bildungsagentur ein ähnliches Pilotprojekt  für Leipzig. Partner könnten die Produktionsschulen werden, die Teile des Konzepts der SchlaU-Schulen bereits heute umsetzen.

Produktionsschulen können schon jetzt eine wichtige Rolle für den nachträglichen Erwerb eines Abschlusses spielen, denn auch sie setzen beim Ziel, Jugendliche in Ausbildung oder zu einem Abschluss zu bringen, auf einen hohen Praxisanteil. Das Angebot sollte auch in Leipzig ausgebaut werden.

  • Beruf

Auch im Berufsleben finden Integration und Bildung statt. Das heißt für uns, dass Flüchtlingen, natürlich unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Ausbildung aus dem Heimatland, ein schneller Einstieg in den beruflichen Alltag, bspw. über Praktika, ermöglicht werden muss. Dazu müssen die Behörden deutlich schneller als bisher Bildungsabschlüsse anerkennen bzw. ggf. notwendige Nachqualifizierungen einleiten.

Auch der Weg, bis Geflüchtete überhaupt in die Jobvermittlung kommen, ist in Deutschland zu lang. Was dazu führt, dass aktive Vermittlung in der Phase der höchsten Motivation -im ersten Jahr – kaum stattfindet. Bei uns muss alles zertifiziert sein, so reicht es nicht aus, dass ein Geflüchteter sich gut verständigen kann, sondern es muss unbedingt ein Sprachlevelzertifikat vorliegen. Es gibt auch Flüchtlinge, die aufgrund selbst erworbenen Sprachkenntnissen gut in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Aber auch im Beruf wird die Sprache trainiert, denn in der alltäglichen Kommunikation lernt man schneller als in jeder Sprachschule. Das Berufsleben sorgt nebenbei für soziale und gesellschaftliche Teilhabe.

In den USA beispielsweise wird das Hauptaugenmerk bei Zugewanderten darauf gelegt, dass sie einen Job finden bzw. sich selbstständig machen. Wir dagegen lassen das erste Jahr fast ungenutzt verstreichen und legen arbeitswilligen Geflüchteten sogar noch Steine in den Weg. Wir verbauen mit unserer Bürokratie Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben und eine schnelle Integration.

An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass mir eine Abschiebepraxis missfällt, die gut integrierte Flüchtlinge, die einer Arbeit oder Ausbildung nachgehen und sich in der Gesellschaft einbringen, abschiebt oder Aufenthalte nicht verlängert. Viel wichtiger wäre doch das Signal, dass Ausbildung, Arbeit, Bildung und Integration sich lohnen.

Statt die abzuschieben, die man aufgrund ihrer guten Integration schnell auffinden kann, sollten sich die Behörden den Personen widmen, die das gesellschaftliche Zusammenleben durch hochkriminelles Verhalten torpedieren, auch wenn das aufwendiger ist.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Thema „Migration – Bildung – Integration“ ein sehr komplexes und vielschichtiges Thema und nicht in einer Stunde abzuhandeln. Wir müssen jedoch uns diesem Thema in all seinen Facetten stellen und hierbei auch neue Wege gehen. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration ist vor allem die Bildung. Perspektivlosigkeit und Untätigkeit sind die vermutlich größten Integrationshemmnisse.