Schlagwortarchiv für: Bürgerentscheid

Redner: Axel Dyck, Stadtrat der SPD-Fraktion

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Bürgermeister,
liebe Kollegen,
liebe Gäste,

 

zum dritten Mal befasst sich der Stadtrat mit einem Antrag zu einem Bürgerentscheid mit der Reduktion auf die Frage „Ja oder Nein zu einem Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig“, davon zwei Mal auf Antrag der Linken. Und wenn ich die Begründungen von 2014 und heute vergleiche, habe ich das Gefühl, dass die Linke hofft, dass die Frage mit Nein beantwortet wird.

Im Gegensatz zu 2009 und 2014 findet die heutige Diskussion allerdings zu einem Zeitpunkt und in einem öffentlichen Raum statt, wo die Stadtgesellschaft nahezu drei Jahre über dieses für unsere Stadt große Thema so gut wie gar nicht diskutiert hat. Und ich wage zu behaupten, dass für große Bevölkerungskreise – und 70 Prozent werden hoffentlich an der Bundestagswahl teilnehmen – hier auch ein vollständiges Wissensdefizit vorliegt.

Mit welchem Hintergrund soll denn nach Ihrer Erwartung ein Meinungsbildungsprozess bis September, quasi über den Sommer, stattfinden? Welches Bild von einem Denkmal hat denn der Wähler, wenn er in die Wahlkabine geht? Soll der Bauch oder der Kopf entscheiden? Soll darüber ein Wahlkampf stattfinden? Wer soll ihn führen? Politische Parteien, Initiativen, einzelne Bürger? All das überlagert von Bundesthemen?

Das wird dieser Idee, hinter der ich nach wie vor stehe nicht gerecht! Und ich gebe zu, ich möchte an dieser Stelle auch keine 49-zu-51-Prozent-Entscheidung. Wer jubelt dann eigentlich nach der Auszählung? Oder soll dann einfach zur Tagesordnung übergegangen werden? Haben Sie sich diese Fragen gestellt oder ist nur Kalkül im Antrag versteckt?

Das umfassende Thema ist der Freiheitsbegriff mit all seinen Facetten und Widersprüchlichkeiten – gesellschaftlich wie individuell. Und darüber soll abgestimmt werden? Nein. Darüber darf nicht abgestimmt werden!

Wir brauchen deshalb heute eine politische Entscheidung der repräsentativen Vertretung der Bürgerschaft, also des Stadtrates, und keine juristischen Begründungen wie im Verwaltungsstandpunkt. Weil wir es uns und der Leipziger Bürgerschaft nicht leichtmachen dürfen.

Wir brauchen die Auseinandersetzung über Freiheit und Demokratie mit dem Fokus auf die Oktober-Ereignisse 1989 und mit europäischer Perspektive. Das Denkmal kann ein schmerzhafter Stachel sein, der uns sagt: „Denkt und tut was für unsere Zukunft in Freiheit und Frieden.“ Und deshalb ist der Antrag eigentlich jämmerlich, weil er bei stringenter Lesart die dringend notwendige Diskussion über die Denkmalsidee verhindern soll.

Deshalb ein klares Nein von uns zum Antrag.

Axel DyckEs gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,

werte Gäste!

 

Sie alle wissen, dass ich ein Befürworter eines Freiheits- und Einheitsdenkmales in Leipzig bin. Auch heute noch.

Trotzdem habe ich bereits im März das Scheitern des aktuellen Wettbewerbs öffentlich eingeräumt und aus meiner Sicht begründet – als erster Stadtrat von denen, die hinter der Idee von einem Denkmal in Leipzig stehen.

Dieses Eingeständnis war für mich genauso wie für die Initiatoren des heutigen Antrages nur konsequent gegenüber der Denkmalsidee aus dem Gedenken an die dramatischen revolutionären Ereignisse des gesamten Herbstes 1989, der glücklichen staatlichen Einheit Deutschlands 1990 in Verbindung mit den frühen Freiheitsbestrebungen Osteuropas bis hin zu den generellen Fragen von Freiheit und Demokratie in der Gegenwart. Und da gibt es wahrlich genug Streitpotential. Auch in Deutschland.

Die heutige Ratssitzung ist nicht der Ort für eine noch ausstehende und vor allem notwendige Analyse, warum dieses erste Wettbewerbsverfahren scheitern musste.

Wenige Stichworte hierfür sind: die Denkmalsidee litt unter einem grundsätzlichen Akzeptanzproblem in der Bevölkerung – der gewählte Ort, die Brache Wilhelm-Leuschner-Platz wollte so recht nicht passen – dann die vorsichtig gesprochen sehr komplexe künstlerischen Aufgabenstellung – die von Bund und Freistaat vorgegebene Verfahrensart für den Wettbewerb – und letztendlich die sehr strittigen Wettbewerbsergebnisse, als zweifellos logisches Ergebnis des vorgenannten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Denkmalsidee Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal darf nicht dem politischen Grundsatz des schmerzfreien Kompromisses geopfert werden.

Und spätestens in dem Moment, wo Gerichte angerufen worden, war dieses Verfahren gescheitert.

Mit den beantragten fünf Punkten wollen die Fraktionen, die seit Jahren für ein Denkmal einstehen, den Abbruch des gegenwärtigen Wettbewerbsverfahrens einleiten. Das ist dann in so fern auch glaubwürdig.

Gleichzeitig soll aber auch der zeitliche Freiraum zum Nachdenken über die Denkmalsidee geschaffen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur gleichen Zeit wo wir die Ratsversammlung abhalten, sterben im Osten Europas in kriegerischen Auseinandersetzungen Menschen, von den anderen Kriegen in der Welt muss ich gar nicht sprechen, wenn bereits in Europa Panzer fahren.

Ist es da für uns in Leipzig, im Jahr des 25. Gedenkens, nicht geradezu unsere Pflicht, mehr als bisher auch im öffentlichen Raum Zeichen für Freiheit und Demokratie sichtbar zu machen und daran den Diskurs zu führen?

Diese Pflicht sollten wir in einer 2. Chance aufgreifen.

Redner: Axel Dyck, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, sehr geehrte Gäste!

Der Stadtrat soll heute über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Privatisierungsbremse“ entscheiden. Entsprechend der Sächsischen Gemeindeordnung darf der Stadtrat hierbei nicht nach politischer Opportunität befinden. Es geht einzig und allein darum, ob das Anliegen des Bürgerbegehrens auch nach persönlicher Wertung jedes einzelnen Ratsmitgliedes rechtskonform ist oder nicht. Ein Ermessen haben wir nicht.

Aber allein hier liegt ja schon die Krux. Wenn nämlich von den Initiatoren des Begehrens uns gegenüber mehr oder weniger deutlich gefordert wird, die Rechtsnormen der Gemeindeordnung auch einer politischen Willensbildung zu unterlegen.
Das politische Anliegen des Bürgerbegehrens, welches in den Mittelpunkt den Erhalt, die Sicherung und Mehrung des kommunalen Vermögens stellt, wird von der SPD-Fraktion vorbehaltlos unterstützt.

Ärgerlich und unehrlich ist, dass mit dem Begehren aber der Eindruck erweckt wird oder vielleicht auch erweckt werden soll, dass der Rat fortwährend an dieser Stelle seiner Gesamtverantwortung für die Stadt nicht nachkommt.
Oder, wie soll man die Spreizung des Antrages über Grundstücke, Kulturgüter bis hin zu den Wirtschaftsbetrieben sonst verstehen?
Dem ist nicht so und das wissen auch alle hier im Stadtrat.
Ich erinnere gerade in diesem Zusammenhang an einen Beschluss des Rates aus dem Dezember, der auf der Initiative meiner Fraktion beruht, wonach das Vermögen an Grund und Boden auch unterhalb der Schwelle, über die die Ratsversammlung zu entscheiden hat, dauerhaft zu sichern ist.
Und wenn konsequent zu Ende gedacht wird, müssten dann nicht ebenso Vermögenszukäufe, den geforderten Restriktionen unterworfen werden?
Und auch der zum 1. Januar in Kraft getretene und leider in der Öffentlichkeit kaum diskutierte Beschäftigungssicherungstarifvertrag in der LVV belegt exemplarisch, dass die Sicherung des kommunalen Vermögens höchste Priorität bei den Verantwortungsträgern dieser Stadt besitzt.

Spätestens ab 2016 wird sich die Vermögenslage unserer Stadt mit dem konsolidierten Gesamtabschluss der Stadt und ihrer Unternehmen inklusive Verkäufe und Zukäufe ohne Schwellenwerte transparent für jeden Interessierten zeigen.

Nochmals – die SPD-Fraktion steht für eine dauerhafte Sicherung und Mehrung des Gesamtvermögens unserer Stadt. Ich betone nochmals „Gesamtvermögen“ unserer Stadt in ihrem komplexen Beziehungsgeflecht.

Wenn jemand also fragt, brauchen wir das Bürgerbegehren aus politischen Erwägungen heraus, dann sage ich deutlich – NEIN und zwar auch, weil politische Verantwortung aus meiner Sicht in einer repräsentativ aufgestellten Gemeinordnung nicht teilbar ist.

Aber das ist, wie eingangs gesagt nur der eine Teil der Diskussion. Gefragt wird eigentlich ausschließlich nach der Zulässigkeit des Begehrens.
Die SPD-Fraktion urteilt hierbei auf der Grundlage einer eigenständigen rechtlichen Bewertung unabhängig von denen der Stadtverwaltung, des Innenministeriums oder dem des Netznotars der Piraten.

Unsere Einschätzung macht sich an mehren Punkten, die ich hier nur verkürzt und unvollständig darstellen kann, fest.

1. Wird durch das Bürgerbegehren ein Vorratsbeschluss dahingehend angestrebt, Vorgaben für künftige, in ihrer Wirkung heute aber nicht überschaubare Angelegenheiten zu treffen.
Vorratsbeschlüsse sind als Gegenstand eines Bürgerbegehrens nicht zulässig.

2. Verstößt das Anliegen des Bürgerbegehrens gegen die in §24 SGO definierte Regel, dass Bürgerentscheide nicht zu Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung stattzufinden haben. Durch das beabsichtige Festlegen einer 2/3-Mehrheit für Verkaufsentscheidungen greift das Bürgerbegehren aber in die innere Organisation ein, denn damit wird indirekt auf die Hauptsatzung der Stadt abgehoben.

Die ersten beiden Punkte mögen eventuell noch Interpretationsspielraum bieten. Der dritte Punkt aber nicht.
3. Die im Bürgerbegehren vorgeschlagene 2/3-Öffnungsklausel ist der entscheidende Punkt, der dieses Bürgerbegehren unzulässig macht. In der SGO wird in Paragraph 39 festgelegt, dass Beschlüsse des Rates mit Mehrheit getroffen werden. Um Diskussionen zu vermeiden, welche Mehrheit gemeint sein könnte, ist dort nachzulesen, dass ein Antrag bei Stimmengleichheit abgelehnt ist. Damit wird klar, es geht um die einfache Mehrheit. Auch wenn das von den Initiatoren vorgelegte Rechtsgutachten diese Frage spitzfindig zu umschiffen versucht, indem argumentiert wird, dass, wenn die Forderung eines Verbots von Veräußerungen rechtlich statthaft wäre, die Festlegung eines höheren Quorums für Veräußerungen erst recht möglich sein müsse.
Hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens im Stadtrat trifft die Gemeindeordnung hiermit eine abschließende Regelung, die auch nicht die kommunale Selbstverwaltung tangiert, da diese nur im Rahmen der Gesetze besteht.

Die SPD-Fraktion wird aus ihrer rechtlichen Sacheinschätzung der Ratsvorlage zustimmen.