Schlagwortarchiv für: Eigenbetrieb

Redner: Gerhard Pötzsch, Stellv. Vorsitzender der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
sehr geehrte Gäste!

Ich beginne mit einer kurzen Rückschau:
Im November 2011 wurden dem Stadtrat die Entwicklungsszenarien für die Leipziger Eigenbetriebe Kultur – das actorie-Gutachten vorgelegt. Es zeigte für die Spielzeit 2014/2015 eine Deckungslücke von 5,7 Millionen Euro auf.
November 2011 – Die Linke meldete sich mit dem Vorschlag: Fusion Oper und Gewandhaus und Einführung einer Kulturförderabgabe.
Januar 2012 – die CDU bekräftigt ihren Antrag aus 2010: Fusion Oper, Schauspiel, Theater der jungen Welt.
Februar 2012 – die SPD stellt fest: Eigenbetriebe haben besser gearbeitet, als es die veröffentlichte Meinung widerspiegelt, Vorschlag: Gespräch darüber, was uns Kultur wert ist.
Februar 2012 – Vorschlag FDP: Oper, Musikalische Komödie (MuKo) und Ballett in einem Haus am Augustusplatz, gemeinsame Verwaltung Oper und Schauspiel
März 2012 – Vorschlag Bündnis 90/Die Grünen: Fusion Muko und Schauspiel, Prüfauftrag: Welche Kulturbetriebe können in einer Intendanz zusammen geführt werden?
Sämtliche Vorschläge sind erkennbar nicht mehrheitsfähig!

Die Verwaltung unterbreitet schließlich nach Ankündigung die Vorlage 1295/12, welche in all ihren Punkten am 18.07.2012 vom Rat beschlossen wird.
Auslöser des uns als Information vorgelegten Papieres ist also der Ratsbeschluss vom Juli 2012. Alle daraus folgernden Aktivitäten, Aufträge und deren Umsetzungen werden in der heutigen Drucksache V/3530 ausführlich dargestellt. Ab Punkt 4.1. wird auch immer wieder der Bezug zum im September 2013 ausgereichten Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe „strukturelle Entwicklung der Leipziger Eigenbetriebe Kultur“ hergestellt, welche ja unter Mitwirkung von Vertretern der Fraktionen ca. ein knappes Jahr lang tätig gewesen ist.
Das Fazit für die Neustrukturierung der Eigenbetriebe Kultur aus den Ergebnissen dieser Arbeitsgruppe ist auf Seite 19 nachzulesen.
Nimmt man nun die vorliegenden Änderungsanträge zum Maßstab, sind die Vorstellungen der daran beteiligten Fraktionen über künftige Strukturen der Eigenbetriebe im Kulturbereich nach wie vor unterschiedlich. Außenstehende könnten fast den Eindruck gewinnen, die kompetent besetzte Arbeitsgruppe hätte es gar nicht gegeben!
Dem widersprechen aber öffentlich gewordene Äußerungen der Teilnehmer dieser Arbeitsgruppe über die Qualität der dort geleisteten Arbeit, ihr durchweg positives Resümee darüber, und der Ergebnisbericht selbst!
Was mich aber dann doch erstaunt hat, ist der Umstand, dass die im Bericht geschilderten nicht unerheblichen Risiken einer gemeinsamen Verwaltung Gewandhaus-Oper oder auch Oper-Schauspiel – alle anderen theoretisch möglichen Fusionsmodelle wurden ja schon vorab (übrigens unter Mitwirkung des BAK) durch die Arbeitsgruppe ohnehin nicht in Erwägung gezogen – von den jetzigen Antragstellern offensichtlich, wenn überhaupt gewogen, dann doch als für zu leicht befunden wurden, und demzufolge keine Wirkung entfaltet haben. Es wird sogar das schon einmal verworfene Modell Oper-Gewandhaus-Schauspiel nun doch wieder aus der Kiste gekramt. Dabei werden gerade auch dessen Risiken auf den Seiten 14 – 17 des Ergebnisberichtes der Arbeitsgruppe durchaus beschrieben.
Ganz abgesehen davon, dass wir mit all den vorgeschlagenen Entscheidungen zuallererst eines bei deren Umsetzung benötigen – Zeit,  drängt sich die Frage auf: Wollen wir wirklich nachfolgenden Generationen von Stadträten und Verantwortlichen in den Häusern – welche in ihrer Mehrheit, so diese Beschlüsse dann einst umgesetzt werden müssen, nicht  mehr mit dem heutigen Personalbestand identisch sein werden – wirklich jetzt und heute diese nicht unerheblichen Risiken aufbürden? Ist das verantwortbar?

Sind wir heute tatsächlich schon an dem Punkt, wo wir eine solche gravierende Veränderung bisheriger Praxis, nach einer zuvor ernsthaft und verantwortungsbewusst geführten Kulturdebatte durch unsere Entscheidung nun endlich einmal abschließen sollten?
Oder steht uns diese Debatte nicht noch bevor, und haben wir nicht bestenfalls (wenn überhaupt) gerade erst damit begonnen?
Haben die Häuser, über die wir reden, nicht mehr verdient als Wimpernschlagentscheidungen im Rat, deren Mehrheiten bei der nächsten Grippewelle und dem damit verbundenen krankheitsbedingtem Fehlen einer knappen Handvoll Stadträte wieder rettungslos durcheinander geraten können. Ist das solide? Ist dies das Maß an Ruhe und Sicherheit, welches die Häuser, gerade nach den Aufgeregtheiten der Vergangenheit, wieder einmal eigentlich dringend bräuchten, um ihre Aufgaben in der von uns geforderten Qualität und Tiefe erbringen zu können?  Haben wir die kulturpolitischen Werte und Leitlinien unserer hoffentlich „aktivierenden Kulturstadt“ Leipzig überhaupt schon genügend klar und verständlich formuliert?
Leipzig ist wachsende Stadt. Die Höhe der öffentlichen Kulturförderung ist und bleibt, wenn es nach unserer Fraktion geht, für eine Stadt unserer Größe und gemessen am bundesdeutschen Durchschnitt ungewöhnlich. Das finden nicht alle Leipziger gut oder halten es für richtig.
Auch die junge Künstlerszene und die Soziokultur ändert nichts an der Tatsache, dass den 5 bis 10 Prozent kultureller Vielnutzer und 40 bis 45 Prozent Nutzern von Kulturinstitutionen etwa 50 Prozent Nichtnutzer kultureller Einrichtungen gegenüber stehen. Müssen wir aber nicht der gesamten Einwohnerschaft unserer Stadt erklären, warum eine solche Grundsatzentscheidung für die Kultur in Leipzig in ihrem ureigenen Interesse ist?
Im letzten Betriebsausschuss wurde uns durch die Leitung der Oper von der erfreulich ansteigenden Zuschauerresonanz im Haus und der positiven Entwicklung des Eigenbetriebes insgesamt berichtet. Ähnliches hören wir aus dem Schauspiel.
Kann es nicht sein, dass die über Jahrzehnte und Jahrhunderte gewachsenen Kultureinrichtungen unserer Stadt in Wirklichkeit besser aufgestellt sind, als wir uns das gelegentlich eingestehen?
Fakt ist, die Diskussion um die Sinnhaftigkeit unseres Engagements für die Kultur werden wir weiterführen. Die Lösung  für auftretende Probleme wird es nie geben. Der Diskurs beginnt nach jeder Entscheidung neu.
Die Informationsvorlage des Oberbürgermeisters zeigt den Ist-Stand und spiegelt die Aktivitäten im Ergebnis der Diskussionsprozesse der letzten Monate und Jahre. Wir Sozialdemokraten denken, dass sich der Änderungsantrag 5 der Fraktion Die Linke auf eine zukünftig vielleicht doch zu treffende Entscheidung über Veränderungen der Struktur der Eigenbetriebe Kultur in Leipzig, darin sinnvoller weise integrieren lässt.
So gesehen nimmt die Fraktion der SPD die Informationsvorlage Drucksache Nr. V/3530 zur Kenntnis.
Die vorliegenden Änderungsanträge der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP wird sie mehrheitlich nicht mittragen.

Redner: Tino Bucksch, Arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
werter Bürgermeister Albrecht,
sehr geehrte Gäste auf der Tribüne!

Die Frage, wozu wir den Kommunalen Eigenbetrieb Leipzig-Engelsdorf (KEE) brauchen, lässt sich anhand der aktuellen Arbeitslosenzahlen in Leipzig einfach beantworten. Wir haben ca. 72.000 Leistungsempfänger im SGB II-Bereich, ca. 43.000 Bedarfsgemeinschaften, ca. 54.000 ALG II-Empfänger, ca. 32.000 Aufstocker und ca. 22.000 Arbeitslose im SGB II. Wir haben ein Problem!

75 Prozent der Jobcenter-Kunden sind sogenannte marktferne Arbeitslose. Für das Jahr 2013 standen 2.500 Teilnehmerplätze im Bereich der öffentliche Beschäftigung zur Verfügung. 2014 werden es nur 2.000 sein. Eine weitere Einschränkung ist, dass die AGH-MAE und FAV-Maßnahmen Nachrangigkeit gegenüber allen anderen Eingliederungsleistungen des Jobcenter besitzen. Und sie besitzen eine Zuweisungsdauer von insgesamt höchstens 24 Monate innerhalb von 5 Jahren. Von den 2.000 Stellen für 2014 gehen 1.310 Plätze an große Träger wie die LVB, den SAH oder den KEE. 2013 waren es noch 1.652 Plätze. Ja es ist so, dass die Träger und Vereine für die Integration zuständig sind. Das Jobcenter muss die Instrumente auflegen und die Teilnehmer zuweisen. Daher müssen die Instrumente aus Sicht der betroffenen Teilnehmer gedacht werden und nicht aus der Sicht bzw. des Bedarfs der Träger und Vereine.

Diese Schwierigkeit manifestiert sich wunderbar in der Formulierung der Stadt in ihrem Verwaltungsstandpunkt, wenn durch Anträge beim KEE oder an anderer Stelle neue Plätze geschaffen werden sollen: „Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt unter dem Vorbehalt, dass die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel im Eingliederungstitel des Jobcenters Leipzig für Maßnahmen des Marktersatzes zur Verfügung stehen“.

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass Planungs- und Genehmigungsprozesse im Jobcenter und der Stadt nicht zeitlich übereinander passen und die Maßnahmen eine gewisse Fluktuation aufweisen:
→ 2011 168 AGH-MAE geplant, 137 war dann der IST-Stand (WP 2013)
→ 2012 618 AGH-MAE geplant, 281 war dann der IST-Stand (WP 2014)
→ 2013 621 AGH-MAE geplant, 238 erwartet (laut WP 2014)
→ 2014 452 AGH-MAE geplant

Wir stehen daher vor dem grundsätzlichen Problem, dass wir Fraktionen den KEE nicht mit Aufgaben bzw. Erwartungen überfordern dürfen, die er aufgrund der skizzierten Rahmenbedingungen gar nicht erfüllen kann. Wir dürfen den Teilnehmerkreis des KEEs nicht mit unseren Wünschen überfordern und somit Bereiche kompensieren, aus denen sich die Stadt selbst aus regulären Stellen zurückzieht.

Es muss primäres Ziel sein, die Arbeitslosen wieder in sozialversicherungspflichtige Jobs zu bringen, Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen, Selbstbewusstsein schaffen. Das Gefühl, gebraucht zu werden vermitteln und die Chance bieten, etwas für sich, andere und/oder die Gesellschaft tun. Daher müssen die Instrumente aus Sicht der Betroffenen her gedacht werden und nicht den Interessen von Vereinen/Trägern oder der Fraktionen untergeordnet werden.

Daher brauchen wir endlich die Diskussion um ein Konzept über einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor in Leipzig. Gedanklich frei von Einschränkungen, unter welchen die Arbeit des KEE und Jobcenter steht. Wir müssen entscheiden, wer sind die Betroffenen? Was sind die Instrumente? Welche Maßnahmen sind möglich? Welche Ziele verfolge ich mit den Maßnahmen? Schon hier wird sich eine Uneinigkeit, ob Betroffene schnellstmöglich über die Instrumente in den ersten Arbeitsmarkt kommen oder auf lange Sicht in den öffentlich geschaffenen Stellen verbleiben, zeigen.  Was kostet es, wenn die Stadt dies alles auf die Beine stellt? Erst wenn diese Fragen geklärt sind, können wir als Stadträte eine Entscheidung treffen. Aber hier ist die Verwaltung erst einmal am Zug. Bürgermeister Albrecht muss liefern! Der KEE arbeitet im Rahmen seiner Möglichkeiten gut. Die Stadt bzw. Bürgermeister Albrecht ruht sich auf dieser Arbeit aus! Das darf angesichts der oben genannten Zahlen nicht zufriedenstellen. Die Stadt muss aktiv werden, Konzepte liefern und nach Beschlussfassung durch den Stadtrat handeln.
Die SPD-Fraktion wird sich dieser Diskussion nicht verschließen. Wir stimmen dem Wirtschaftsplan für 2014 zu und erwarten zeitnah Vorstöße der Verwaltung zur Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors in Leipzig!