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Anfrage zur Ratsversammlung am 21./22.08.2024

Auf der Brachfläche am Eutritzscher Freiladebahnhof sollen rund 2.600 Wohnungen entstehen, ebenso geplant sind 100.000 Quadratmeter an Gewerbe- und Büroflächen sowie Einrichtungen für Soziales und Kultur. Nach unseren Informationen waren erste Leitungsarbeiten für den Herbst geplant.

Das größte Bauvorhaben der Stadt ist schon häufig verschoben worden. Mehrfach wechselte es den Besitzer, bis die Wiener Imfarr das Gelände im Jahr 2019 von der CG-Gruppe erworben hatte. Der Preis war über die Jahre immer wieder angestiegen, Imfarr hatte seinerzeit knapp 200 Millionen Euro gezahlt. Nun ist der Hedgefonds Oaktree Capital Management am Projekt beteiligt.

Die Pleite des Wiener Immobilienentwicklers Imfarr hat nun neue Unruhe um das Areal auf dem ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhof ausgelöst. Das österreichische Unternehmen, zuletzt Grundstücksbesitzerin und Hauptinvestorin des Projektes, hat beim Handelsgericht Wien nach Medienberichten ein Insolvenzverfahren beantragt.

Wir fragen an:

  1. Wie beurteilt die Stadt Leipzig die derzeitige rechtliche Situation bezüglich des Insolvenzverfahrens?
  2. Welche Risiken entstehen durch die Insolvenz von Imfarr für das Bauprojekt und die damit verbundenen Verpflichtungen des Investors?
  3. Hat die Insolvenz von Imfarr Auswirkungen auf den Baubeginn? Welche Auswirkungen hat die Insolvenz auf die Einzahlungen der Sicherheiten?
  4. Welche Möglichkeiten sieht die Stadt Leipzig, das Projekt zu unterstützen, damit zeitnah die Bagger rollen können?
  5. Kann sich die Stadt Leipzig einen zeitnahen Einstieg in das Projekt für die ohnehin reservierten Flächen vorstellen?

Antwort der Verwaltung:

  1. Wie beurteilt die Stadt Leipzig die derzeitige rechtliche Situation bezüglich des Insolvenzverfahren?

Die Insolvenz betrifft zunächst lediglich die IMFARR Beteiligungs GmbH mit Sitz in Wien. Die primären Verpflichtungen aus den Städtebaulichen Verträgen zur Quartiersentwicklung des Eutritzscher Freiladebahnhofs hat die Leipzig 416 GmbH als Vorhabenträgerin übernommen. Die Leipzig 416 GmbH ist nach derzeitigem Kenntnisstand von der Insolvenz der IMFARR Beteiligungs GmbH nicht betroffen.

Nach Informationen der Stadt Leipzig haben sich durch Oaktree beratene Fonds und die Seniorgläubiger die Gesellschaftsanteile der Leipzig 416 GmbH und der Leipzig 416 Management GmbH als Sicherheit für die Finanzierung verpfänden lassen. Die entsprechenden vertraglichen Absprachen sind der Stadt nicht im Detail bekannt. Die Rechtspositionen der Stadt werden derzeit vor dem Hintergrund des österreichischen lnsolvenzrechts unter Einbindung entsprechender externer Expertise geprüft.

  1. Welche Risiken entstehen durch die Insolvenz von Imfarr für das Bauprojekt und die damit verbundenen Verpflichtungen des Investors?

Die Verpflichtungen der Vorhabenträgerin Leipzig 416 GmbH bestehen derzeit unverändert fort. Die Stadt verhandelt derzeit mit der Vorhabenträgerin über den 1. Nachtrag zum Städtebaulichen Vertrag vom 03.07.2023 sowie zur Ausübung des Erwerbsrechts für das Schulgrundstück im Gebiet.

Die IMFARR Beteiligungs GmbH hat gegenüber der Stadt Leipzig eine Patronatserklärung des Inhalts abgegeben, dass sie die Leipzig 416 GmbH mit ausreichend finanziellen Mitteln ausstatten wird, damit diese den Erschließungs­verpflichtungen aus dem Städtebaulichen Vertrag (Ergänzungsvereinbarung zur Planungs- und Entwicklungsvereinbarung vom 15.12.2020) mit der Stadt nach­kommen kann. Darüber hinaus sind Sekundäransprüche mit Patronatserklärung gesichert (Vertragsstrafe, Rückkaufverpflichtung von vertragswidrig veräußerten Grundstücken). Derzeit sind lediglich diese Patronatserklärungen von der Insolvenz direkt betroffen und werden ggf. als Forderung zur Masse im Rahmen des lnsolvenzverfahrens angemeldet werden.

Inwieweit die Insolvenz schließlich auf die Vorhabenträgerin „durchschlägt“ ist derzeit nicht absehbar.

  1. Hat die Insolvenz von Imfarr Auswirkungen auf den Baubeginn? Welche Auswirkungen hat die Insolvenz auf die Einzahlungen der Sicherheiten?

Zunächst hat die Insolvenz der IMFARR Beteiligungs GmbH keine unmittelbaren Auswirkungen. Derzeit wird der 1. Nachtrag zum Städtebaulichen Vertrag verhandelt, zu dem auch die Erschließungsplanung gehört. Der Abschluss des Vertrages ist Voraussetzung für die Erteilung von Baugenehmigungen und damit den Baubeginn. Die der Stadt bereits vorliegenden Bürgschaften und Sicherheitszahlungen sind von der Insolvenz der IMFARR ebenfalls nicht direkt betroffen, mit Ausnahme der bereits erwähnten Patronatserklärungen.

  1. Welche Möglichkeiten sieht die Stadt Leipzig, das Projekt zu unterstützen, damit zeitnah die Bagger rollen können?

Die Stadt Leipzig wird alles unternehmen, um zeitnah den Abschluss der Nachtragsverhandlungen zu erreichen, der Voraussetzung für eine erfolgreiche Antragstellung ist. Hierzu wird sie alle Möglichkeiten nutzen, erforderliche Verfahren und Prozesse zu beschleunigen. Bauanträge werden in enger Abstimmung mit den Bauherren zügig bearbeitet werden.

Eine finanzielle Unterstützung durch die Stadt erfolgt nicht.

  1. Kann sich die Stadt Leipzig einen zeitnahen Einstieg in das Projekt für die ohnehin reservierten Flächen vorstellen?

Es bestehen Erwerbsvorverträge für Kita- und Schulflächen, Lok- und Ladeschuppen sowie öffentliche Grün- und Verkehrsflächen.

Für die Gemeinbedarfsflächen wird ein zeitnaher Einstieg angestrebt. Die Entwicklung weiterer Flächen steht in unmittelbarer Abhängigkeit vom baulichen Fortschritt bei Erschließung und Hochbau im neuen Stadtquartier.

Darüber hinaus hat die Vorhabenträgerin für die einzelnen Baufelder gegenüber der Stadt Leipzig eine schuldrechtliche Erstandienungs­verpflichtung abgegeben, wonach die Vorhabenträgerin diese zunächst der Stadt zum Erwerb anbieten muss.

Rednerin: Anja Feichtinger, stellv. Fraktionsvorsitzende

Anja Feichtinger

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

im November 2020 hat der Stadtrat den Beschluss zur Wiederaufnahme des Bauleitverfahrens und anschließend im Jahr 2022 den Beschluss zur öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes zum Eutritzscher Freiladebahnhof gefasst.

Seitdem ist viel passiert.

Ich zitiere aus einem Artikel der Tagesschau zum Eutritzscher Freiladebahnhof:

„2005 war das 25-Hektar-Areal von der Deutschen Bahn für 2,1 Millionen Euro an einen Vermögensverwalter gegangen. Die CG-Gruppe des Unternehmers Christoph Gröner kaufte das Gelände 2015 für 33 Millionen Euro mit dem Plan, dort ein Stadtviertel zu entwickeln. Allerdings verkaufte das Unternehmen das Grundstück vier Jahre später für 195 Millionen Euro an das österreichische Unternehmen Imfarr Beteiligungs GmbH.

2021 stieg die Gateway Real Estate in das Projekt ein und wollte Verbindlichkeiten im Wert von 210 Millionen Euro übernehmen. Der Wert des Areals stieg also innerhalb von 16 Jahren von 2,1 auf 210 Millionen Euro. Wenn kleine Zugewinne an Flächen wieder herausgerechnet werden, ergibt sich eine Versechszigfachung des Wertes pro Quadratmeter – ohne dass ein einziges Haus gebaut wurde.“

In dieser Gemengelage einen Bebauungsplan zu erstellen, der sowohl die Entwicklung des öffentlichen Raums ganzheitlich denkt und vorausschauend plant als auch Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Biodiversität, Wasser, öffentliche Infrastruktur und kurze Wege vereint sowie ein Quartier schafft, das nicht in der Anonymität versinkt, sondern wo es nicht nur möglich, sondern selbstverständlich ist, durchs Wohnviertel zu gehen, Nachbarn zu grüßen, einzukaufen, die Kinder in die Kita oder die Schule zu bringen und schnell – ob nun zu Fuß, auf dem Rad, mit Bus, Tram oder S-Bahn – in die City oder zur Arbeit zu gelangen, ist eine große Herausforderung.

Dieser Herausforderung hat sich die Stadtverwaltung gestellt und uns nun nach langen Ringen und Verhandeln mit dem Investor einen Satzungsbeschluss vorgelegt, der das Vorgenannte vereint.

Deshalb möchte ich meinen Dank an die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung aussprechen, die an der Erstellung mitgewirkt haben.

Die SPD-Fraktion wird sowohl dem städtebaulichen Vertrag als auch dem Bebauungsplan zustimmen.

Was dieser Bebauungsplan aber auch zeigt, ist das Dilemma, in dem sich Kommunen befinden, wenn Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik keine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik betreiben und die Entwicklung von neuen Wohnquartieren dem Markt überlassen.

Der Bebauungsplan lässt auch auf Drängen des Stadtrats eine kleine Möglichkeit offen, Flächen gemeinwohlorientiert, für experimentelles und kooperatives Bauen gemeinsam mit der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft aber auch Genossenschaften und gemeinwohlorientierten Vereinen zu entwickeln. Die Chance, dass tatsächlich bezahlbarer und sozialer Wohnraum langfristig und nachhaltig geschaffen werden kann, ist nicht ganz weg, aber geht zu Lasten des Wohnraums, der nicht subventioniert wird. Ob sich Mieten von mehr als 12,00 Euro kalt in Leipzig vermarkten lassen, bleibt abzuwarten.

Die Entwicklung von Liegenschaften des Bundes sollte die vornehmste Aufgabe der öffentlichen Hand, also der Kommune sein!

Lassen Sie uns daran weiter in Bund, Land und Kommune arbeiten.

Mit der Beschlussfassung heute wünsche ich mir aber auch, dass die Stadtverwaltung in medias res geht. Es sind viele Punkte zu Tage getreten, die besser laufen könnten. Beispiele wären: Verbindlichkeit von Zusagen gegenüber Investoren und ämterübergreifende Zusammenarbeit. Der Stadtrat steht hier sicher mit Rat und Tat zu Seite. Ziel muss es sein, Bauleitverfahren zügig und ressourcenschonend zu bearbeiten und dabei mit einer Sprache zu sprechen.

Mit dem Beschluss heute setzen wir entscheidende Weichen für ein neues Quartier in Leipzig. Ich bin gespannt, ob es vielleicht die jüngeren im Stadtrat noch miterleben, dass auch Häuser stehen und wir die Eröffnung der Schule und Kita sowie der kulturellen Einrichtungen feiern können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Der Investor des Eutritzscher Freiladebahnhofs plant, einen Radfernweg auf dem Areal zu errichten, der insbesondere entlang der Gleise das Gelände queren soll. Eine Anbindung dieses Radwegs an das überörtliche Radwegenetz ist demnach zwingend erforderlich.

Vor diesem Hintergrund fragen wir an:

  1. Wie ist der Sachstand bei den Planungen des Fernradwegs Leipzig-Halle?
     
  2. Wie ist der Routenverlauf des Fernradweges Leipzig- Halle auf dem Gebiet der Stadt Leipzig bis zum Freiladebahnhof und nach dem Freiladebahnhof bis ins Zentrum vorgesehen?
     
  3. Welche Unterstützung und welche Fördermittel sind für dieses überegional wichtige Verkehrsprojekt aus Bund und/oder Land zu erwarten?

    – Laufen entsprechende Anträge oder sind schon sie beschieden und wenn ja mit welchem Ergebnis?
     
  4. Wie ist der Sachstand bzgl. der Grundstücksankäufe und damit der Klärung des präzisen Radwegverlaufs innerhalb der Stadtgrenzen?
     
  5. Sind aus diesen Verfahren Probleme zu erwarten, die das Projekt gefährden könnten?
     
  6. Wie ist die präzise Einbindung des auf dem Gelände des Freiladebahnhof geplanten Radwegs in das in den Fernradweg geplant und wie sollen die anliegenden Quartiere angebunden werden?
     
  7. Fernradwege sind dann besonders attraktiv wenn sie möglichst viele andere Verkehrträger kreuzungsfrei queren können. Wie viele Brückenbauwerke auf der Trasse können mitbenutzt oder ausgebaut werden und welche müssen völlig neu geplant und gebaut werden?
     
  8. Sind hierfür entsprechende Mittel in den aktuellen und den folgenden Haushalt eingestellt und die entsprechenden Planungen beauftragt?
     
  9. Wie weit sind die aktuellen Planungen, vorhandene und neu zu schaffende Radwege an den neuen Fernradweg anzubinden, um seine Auslastung und Effektivität zu steigern sowie sein Potenzial wirklich auszulasten?
     
  10. Werden Abzweigungen geplant und errichtet, um bspw. vom Radschnellweg ins GVZ, zum Auensee und in den Auenwald zu gelangen oder weiter Richtung Arena und Stadion oder in Richtung Zoo fahren zu können?

    – Wie weit sind diese Planungen und werden diese Wege dann Teil des Hauptnetzes Rad und unterliegen einer ganzjährigen Pflege, Reinigung und Kontrolle?
     
  11. Sollte die Stadt mit Planung und Bau zufällig langsamer sein als der Investor am Freiladebahnhof: Wie wird dann der Radweg auf dem Gelände provisorisch in das bestehende Radwegenetz eingebunden?

Gemeinsamer Antrag mit den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, einen mit dem Vorhabenträger abgestimmten Rahmenterminplan mit Terminen bis zum Bauende des Gesamtprojektes dem Stadtrat zusammen mit dem Ergebnis zu VI-DS-06768-NF-01, Beschlusspunkte 5 und 6 vorzulegen. Bei Nichteinhaltung wesentlicher Meilensteine der Terminschiene sollen Vertragsstrafen vorgesehen werden. Der Städtebauliche Vertrag vom 26.4.2017 ist entsprechend fortzuschreiben und zusammen mit den Ergebnissen zu VI-DS-06768-NF-01 zu beschließen.
  2. Im fortgeschriebenen Städtebaulichen Vertrag soll für den Fall eines Wiederverkaufs des Gesamtgrundstückes bzw. von Teilgrundstücken eine Teilkündigungs- bzw. Gesamtkündigungsrechtsklausel für die Stadt Leipzig verankert werden.
  3. Die Bürgerbeteiligung soll weiterhin als ein wesentlicher Baustein bei der Entwicklung des Areals Freiladebahnhof Eutritzsch in hoher Qualität fortgeführt werden.