Schlagwortarchiv für: Flüchtlinge

Pia Heine

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Beigeordnete,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

werte Gäste hier und im Livestream,

meine Kollegin Marsha Richarz von den Grünen hat ein SocialMedia-Format namens „Wer hat den Scheiß Antrag gestellt?“. Und genau diese Frage habe ich mir beim ersten Lesen im Sozialausschuss auch gestellt. Zumindest hätte ich Ihnen zunächst nicht sagen können, ob der Antrag aus der Feder der AfD oder der CDU stammt.

Ich löse auf: Er kommt von den Christdemokraten. Kurz nach Weihnachten möchte ich mir deswegen erlauben, einen kleinen Bibelexkurs zu wagen. Im 3. Buch Mose heißt es in Kapitel 19, Vers 34: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen.“ Dabei wird auf die Zeit verwiesen, als die Israeliten als geknechtetes Volk in Ägypten leben mussten. Und auch im Neuen Testament ist das Prinzip der Nächstenliebe oberstes Gebot: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“ (Matthäus-Evangelium (Kap.25, Vers 35ff)

Wenn ich mir Ihren Begründungstext so durchlese, beschreiben Sie Migration durchweg als „Problem“. Das Problem sind aber nicht geflüchtete Menschen, das Problem sind in erster Linie Fluchtursachen – Krieg, Umweltkatastrophen, politische Verfolgung, Hunger, Elend und bittere Armut. Und solange das so ist, werden Menschen auf der Flucht sein. Und solange gebietet es uns das Grundgesetz und unser menschlicher Anstand, diesen Menschen Schutz zu gewähren und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Im Begründungstext des CDU-Antrags steht: „ihm (dem Beschluss von 2012) fehlt der nötige Pragmatismus und die Sachlichkeit, um der heutzutage erforderlichen Unterbringungspraxis gerecht zu werden“. – Pragmatismus und Sachlichkeit? Wir sprechen hier nicht über Sofas oder Küchenmöbel, wir sprechen hier über Menschen!

Und jetzt frage ich sie: Halten Sie 6qm zum Leben für einen Menschen wirklich für angemessen? In der letzten Ratsversammlung haben Sie in Ihrem Antrag zum Parken in der Karl-Heine-Straße die Einrichtung von 60 kostenfreien Parkplätze gefordert. Ein Parkplatz hat eine Standardgröße von 10-13qm. Einem geflüchteten Menschen gönnen Sie noch nicht mal 7,5 qm. Sie gestehen einem parkenden Auto in unserer Stadt mehr Platz zum Rumstehen zu als einem Menschen in Not zum Leben. Wie das mit christlicher Nächstenliebe einhergeht, ist mir gelinde gesagt schleierhaft.

Ich habe mich mal in der Landeshauptstadt erkundigt, die Sie ja so gern zu Vergleichen heranziehen: Dort gilt der Mindeststandard von 6qm. Und die Problemlagen sind vielfältig: fehlender Platz für Spielecken und Krankenzimmer, Hygieneprobleme und,und,und.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin noch neu hier im Rat – und doch verstärkt sich in jeder Ratsversammlung, die ich hier miterlebe, der Eindruck, dass die CDU-Fraktion aus Leipzig gern ein zweites Dresden machen möchte. Mehr Parkplätze hier, weniger Soziokultur da, Austreten aus dem Bündnis „Sicherer Hafen“ und natürlich: Menschen, die zu uns fliehen, auf noch engerem Raum zusammenpferchen. 

Und ganz ehrlich: Nein, das möchten wir nicht!

Als SPD-Fraktion stehen wir hinter dem 2012 von der Ratsversammlung getroffenen Beschluss. Auch der Verwaltungsstandpunkt ist eindeutig: An den Unterbringungskapazitäten der bisherigen Objekte würde eine Absenkung der Standards nullakommanichts ändern. Es handelt sich hierbei also wieder einmal vor allem um eins: das Ausspielen der Schwächsten in unserer Gesellschaft gegeneinander.

Mit dem dritten Beschlusspunkt in Ihrem Antrag wollen Sie darüber hinaus noch die Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte entmündigen, in dem dort nicht mehr über geplante Unterkünfte informiert werden soll. Dabei sind es genau solche öffentlichen Gremiensitzungen, in denen transparent berichtet und diskutiert werden soll.

Wir lehnen den CDU-Antrag selbstverständlich ab und bitten alle Demokrat:innen im Raum, es uns gleichzutun. Vielen Dank.

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Christopher Zenker
Christopher Zenker

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

weltweit waren Ende 2021 fast 90 Mio. Menschen auf der Flucht, die Fluchtbewegungen in Folge des Angriffs Russlands auf die Ukraine waren damals noch nicht dabei. Nur die wenigsten fliehen weit über die Anrainerstaaten hinaus, immer in der Hoffnung, bald wieder in ihre Heimat zurück zu können. Mit dem Angriff auf die Ukraine flohen 2022 auch knapp 1 Mio. Ukrainerinnen und Ukrainer noch Deutschland, 12.000 davon nach Leipzig. Hinzu kamen 2022 noch knapp 1.500 Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern, die drei größten Gruppen waren dabei Syrer/-innen, Venezualer/innen und Georgier/innen.

Schon 2022 mussten daher neue Unterkünfte geschaffen werden, sei es in Pensionen, Wohnhäusern oder Zelten. Dass nicht noch mehr Unterkünfte und Zeltstandorte aufgebaut werden mussten, haben wir den Leipzigerinnen und Leipzigern zu verdanken, bei denen fast 90 Prozent der ankommenden Ukrainerinnen und Ukrainer kurz- und längerfristig untergekommen sind.

Ein Dank gilt aber auch der Verwaltung, denn selbst in einer Zeit, in der deutlich weniger Geflüchtete nach Leipzig gekommen sind, bzw. zugewiesen wurden, hat sie Plätze vorgehalten. In der Spitze bis zu 1.800 Plätze. Ohne diese Plätze wären wir schon viel früher in eine Situation gekommen, bei der  wir auf Zelte angewiesen gewesen wären und hätten die wenigen Angebote für die Anmietung eigentlich kaum ablehnen können. Es waren auch Vertreter ihrer Fraktion, Herr Weickert, die deshalb 2018 angemahnt hatten Reserven zurückzubauen. Und wenn sie jetzt fordern, dass nicht wieder Turnhallen verwendet werden sollen, dann sollten sie diesen Appell vor allen an das seit mehr als 30 Jahren von ihrer Partei geführte Innenministerium richten, denn es war der Freistaat, der 2015 mehrere Turnhallen auch in Leipzig genutzt hat.

Seit 2016 berichtet die Verwaltung zunächst monatlich, dann einmal im Quartal, zuletzt wieder monatlich über die Unterbringung von Geflüchteten und über jeden neuen Standort wird nach Bestätigung in der Dienstberatung und, teilweise auch schon davor, der Fachausschuss Soziales, Gesundheit und Vielfalt informiert. Der Fachausschuss wurde über den Standort in Stötteritz, zum Beispiel, sehr frühzeitig informiert. Über den geplanten Standort in Lindenthal, der mit maximal 30 Personen die zweitkleinste aller aktuell 33 Gemeinschaftsunterkünfte in Leipzig ist, wurde einen Tag nach Beschlussfassung in der Dienstberatung per Mail informiert. Über den geplanten Standort in der Diezmannstraße noch am Tag der Beschlussfassung in der Dienstberatung.

Die Vorlage, in der man jede Gemeinschaftsunterkunft finden kann, trägt übrigens seit Jahren den Titel: „Unterbringung von Geflüchteten in der Zuständigkeit der Stadt“. Dort finden sie übrigens auch die Standorte, die in den letzten Monaten aufgemacht wurden, darunter auch zwei Notunterkünfte als Zeltstandorte, aber offensichtlich eignen sich diese nicht so zum Polarisieren oder wo waren da ihre Ratsanfragen, Vertreter der AfD und CDU.

Ich würde mir wünschen, manche hätten die regelmäßigen Vorlagen aus dem Sozialamt auch in der Vergangenheit gelesen. Dann wäre ihnen nämlich aufgefallen, dass wir auf große, zu lösenden Aufgaben zulaufen. Die Platzreserven sind seit 2018 kontinuierlich gesunken. Die Aufenthaltsdauer in den Gemeinschaftsunterkünften hat stetig zugenommen. Waren 2017 lediglich 8 Prozent länger als zwei Jahre in den Gemeinschaftsunterkünften, waren es zuletzt um die 40 Prozent. Parallel sinken kontinuierlich die Zahlen der zur Verfügung stehenden Gewährleistungswohnungen und der Wohnungen allgemein, die  über Kosten der Unterkunft abrechenbar sind. Es spiegelt sich auch hier die Wohnmarktsituation in Leipzig wider. Liebe CDU, hier könnten Sie auf Landesebene handeln, Sie könnten mehr Gelder für sozialen Wohnraum zur Verfügung stellen und endlich ihre Blockadehaltung zum Zweckentfremdungsverbot aufgeben. Der Gesetzentwurf von Rot-Grün im Land liegt der sächsischen CDU jedenfalls seit einem Jahr vor. Mehrere hundert Wohnungen, die illegal als Ferienwohnungen oder anderweitig zweckentfremdet werden, könnten allen hier lebenden Menschen wieder für das zur Verfügung gestellt werden, für das sie da sind, nämlich zum Wohnen. Warum geht dafür keiner auf die Straße, wo sind da ihre kritischen Fragen?

Ja, auch ich wünsche mir, dass, wie es mal geplant war, Geflüchtete erst dann aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes auf die Kommunen verteilt werden, wenn der Status geklärt ist. Aber dazu mahlen die Mühlen im Bund und im Land immer noch zu langsam. Auch das Land versäumt es seit Jahren bzw. Jahrzehnten ausreichend Richterinnen und Richter einzustellen. Auch an Polizistinnen und Polizisten fehlt es, die als Teil der Strafverfolgungsbehörden vor allem dort aktiv werden könnten, wo den wenigen Kriminellen unter den Geflüchteten ein schnellerer Prozess gemacht werden könnte. Stattdessen schiebt man Menschen ab, die gut integriert ihrem Job als Koch oder Logistiker nachgehen. Wahrscheinlich weil man sie einfacher zu Hause antrifft. Auch wünsche ich mir, dass Geflüchtete besser über die gesamte EU verteilt werden. Aber seien wir ehrlich: Bis 2015 hat uns diese Frage auch kaum interessiert, weil da in Italien und Griechenland die meisten Geflüchteten ankamen. Hinzu kommt, dass es immer noch nicht gelingt, schnell zu integrieren. DaZ-Unterricht fällt in Größenordnungen aus, Deutschkurse sind Mangelware und auf eine Arbeitsgenehmigung warten viele Geflüchtete noch immer viel zu lange. Ein Lichtblick ist das neue Chancenaufenthaltsrecht der Bundesregierung. Dieses setzt auch mal einen anderen Fokus, nämlich den der Chancen, denn bei allen Herausforderungen und teilweise Integrationsproblemen die bestehen helfen uns Geflüchtete auch unseren Fachkräftemangel zu reduzieren.

Wir müssen unsere Aufgabe hier vor Ort lösen und das heißt für mich, die Stadtgesellschaft und die Gesamtverwaltung. Aktuell scheint mir, dass sich andere Ämter zurücklehnen und das Sozialamt, ohne es auch in dem Bereich personell zu stärken, weitestgehend alleine lassen. In den letzten 10 Jahren sind zweimal Fehler passiert. Einmal in Wahren, wo die LWB ein Haus angeboten hat, in dem noch eine Wohnung belegt war und jetzt in Lindenthal. Dennoch sind und waren beide Standorte grundsätzlich zur Unterbringung von Geflüchteten geeignet. Dazwischen ist alles weitestgehend reibungslos – heißt nicht kritiklos – gelaufen. Ich frage mich nur, wenn jetzt viele auf das Sozialamt schimpfen: Wo ist das Referat Demokratie bei der Entwicklung von Veranstaltungsformaten zum Thema? Wo ist das Liegenschaftsamt, wenn es um das genaue Durchchecken einer jeden Immobilie eines jeden Grundstückes geht? Wo sind die Patenschaftsbürgermeister/innen der Ortschaften und Stadtbezirke, wenn es mal haarig wird? Die Welt besteht nicht nur daraus, zu schönen Anlässen Bänder durch zu schneiden. Herr Schülke war zumindest beim ersten Mal mit in Lindenthal. Mein großer Dank gilt dem Sozialamt, das die Sache insgesamt sehr gut meistert und sich teilweise wütenden Bürger/innen stellen muss. Fehlerfrei ist nur der, der nichts macht.

Frau Nagel, auch ich schlucke, wenn wir inzwischen über den dritten Zeltstandort reden und eine Messehalle auf der alten Messe zu Notunterkunft umbauen. Auch ich würde mir wünschen, wir könnten viel mehr Menschen dezentral unterbringen oder hätten noch mehr Vorsorge durch Neubauten geschaffen, die jetzt endlich wieder in der Diskussion sind. Neubauten werden jedoch nicht vor 2028 fertig und helfen daher in der akuten Situation nicht. So hat die Diskussion um den Zeltstandort in Stötteritz ihr Gutes und führt hoffentlich dazu, dass solche Standorte wirklich nur für Notunterbringung genutzt werden und eben kein Standard werden. Es gilt eben weiterhin: Wir müssen in der Stadt nach dezentralen Wohnungen sowie kleinen und größeren Stadtorten suchen. Ich hoffe, wir finden sie, denn Zelte können nicht die Lösung sein.

Christopher_Zenker2Redner: Christopher Zenker

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

werte Kolleginnen und Kollegen Stadträte

werte Gäste,

ich setze dort an wo wir am 29.10. aufgehört haben. Zum wiederholten Male wurde uns an jenem Abend von der CDU-Fraktion vorgeworfen, wir seien auf dem linken Auge blind. Die SPD stand und steht in ihrer über 150-jährigen Tradition immer für Demokratie und einen sozialen Rechtsstaat, das wissen sie so gut wie ich und falls sie es nicht wissen sollten, hilft ein Blick in die Geschichtsbücher. Auch im Jetzt und Heute und gerade in Leipzig haben Sozialdemokraten immer wieder klar Stellung bezogen. Sei es nach Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, Übergriffe von LEGIDA oder OfD auf Journalisten bzw. linksmotivierten Angriffe auf Polizisten oder Verwaltungsgebäude. Demgegenüber stehen Sie von der CDU Fraktion, von der AfD möchte ich gar reden: Trotz über 700 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte in Jahr 2015, tätlichen Übergriffen auf Flüchtlinge, Morddrohungen und Mordversuchen gegenüber Politikerinnen und Politikern, und über 180 rassistischen Morden seit 1989 stellt sich eine Vertreterin ihrer Fraktion hier an das Pult und erklärt, dass es in Deutschland kein Rassismusproblem gibt. Dabei wird ihr aus ihrer eigenen Fraktion bis zum Ende der Debatte nicht widersprochen. Sie sollten mehr auf den Polizeipräsidenten Merbitz, der auch Vorstandsmitglied in ihren Kreis- und Landesverband ist, hören, denn er veranschaulicht das Rassismusproblem in seinem Kreuzer-Interview mit dem Kreuzer sehr deutlich.

Statt Mitgefühl mit den Opfern von rassistischen Übergriffen zu haben, reden Sie von einem Flüchtlingsproblem. Damit suggerieren Sie, wir hätten ein Problem mit den Menschen, die vor Krieg und Unterdrückung Zuflucht bei uns suchen. Sie bedienen damit Ressentiments.

Statt Ängste zu schüren, sollten wir helfen diese abzubauen. Zum Beispiel mit den kürzlich veröffentlichte Zahlen des BKA, diese machen deutlich, Flüchtlinge sind genauso wenig oder oft straffällig wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung.

Natürlich entstehen aus der hohen Anzahl an Flüchtlingen Herausforderungen für uns als Politiker und für die Verwaltung. Zunächst müssen Land und Bund sicherstellen, dass jeder Flüchtling auch registriert wird und es ein geordnetes Verfahren gibt.

Wir als kommunale Vertretung müssen vor Ort dafür sorgen, dass keine Obdachlosigkeit entsteht, was bisher gelungen ist. Die Kurzfristigkeit, in der das aktuell passiert, führt dazu, dass die Bedingungen in einigen Unterkünften nicht dem entsprechen, was wir unter menschenwürdig verstehen. Das heißt, über die kurzfristigen Lösungen hinaus müssen Kapazitäten geschaffen werden, die nach unseren Maßstäben menschenwürdig sind. Hierzu gehört neben Gemeinschaftsunterkünften auch die dezentrale Unterbringung im selbstbestimmten Wohnraum. Dabei dürfen Flüchtlinge und Menschen, die bereits länger in Leipzig leben, nicht gegeneinander ausspielt werden. Unterstützung bei der Wohnungsvermittlung muss allen Bedürftigen zu Gute kommen. Genauso wie ein Programm zum sozialen Wohnungsbau allen Leistungsempfängern nützt.

Selbiges gilt auch für den weiteren Ausbau der Betreuungskapazitäten und der Schullandschaft. Dieser ist geboten, denn es ist von herausragender Bedeutung, dass Flüchtlingskinder möglichst früh Kindergärten bzw. Schulen besuchen. Dort lernen sie nicht nur deutsch, sondern ihre Eltern und sie selbst kommen außerhalb von Flüchtlingsunterkünften in Kontakt zu Leipzigerinnen und Leipzigern. Das fördert Austausch und damit den Abbau von Vorurteilen.

Für erwachsene Flüchtlinge ist zunächst der Spracherwerb sehr wichtig. Er erleichtert das Zurechtkommen und steigert wie kaum eine andere Maßnahme die Integrationschancen, auch in den Arbeitsmarkt. Es ist daher zu begrüßen, dass der Freistaat Sachsen, nachdem er Leipzig lange mit dieser Aufgabe alleine gelassen hat, nun endlich den Spracherwerb finanziert. Innerhalb des Deutschunterrichts bzw. zusätzlich sollten darüber hinaus Integrationskurse angeboten werden, in den Wissen über deutsche Geschichte, Kultur, Werte sowie unsere Rechtordnung vermittelt wird.

Der Spracherwerb ist eine wesentliche Grundlage für Integration in Ausbildung oder Arbeitsmarkt ist. Unser Ziel muss es sein, Flüchtlinge möglichst schnell in Arbeit zu vermitteln, denn Arbeit ist Integration. Sie steigert das Selbstwertgefühl, da sie zu einem selbstbestimmten Leben führt, ohne auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Arbeit baut auch Vorurteile ab, denn der Fremde als Arbeitskollege ist mir auf einmal gar nicht mehr fremd. Die Stadtverwaltung kann hier mit gutem Beispiel vorangehen.

Wir stehen vor enormen Herausforderungen und dass obwohl Leipzig ein beispielhaftes Konzept zur Unterbringung hat, denn dieses umfasst neben dem einfachen Dach über Kopf, auch erste Maßnahmen zur Integration. So sucht der Betreuungsschlüssel von 1:50 deutschlandweit seinesgleichen und das Patenschaftsprogramm bringt gezielt Flüchtlinge mit Leipzigerinnen und Leipzigern zusammen.

Trotzdem wird es Rückschläge geben, die neue Ängste verursachen können. Ängste die durchaus natürlich sind. Diese Ängste müssen wir ernst nehmen, wir müssen zuhören, informieren und Antworten bzw. Lösungsansätze geben, ohne dabei unsere Grundwerte zu untergraben. Dabei brauchen wir Geduld. In diesem Zusammenhang bin ich Herr Prof. Fabian und Frau Kador-Probst sehr dankbar, dass diese bei größeren Unterkünften immer eine Infoveranstaltung durchführen und sich persönlich den Fragen und Ängsten der Anwohner stellen.

Unser Grundgesetz und vor allem auch unsere Werte gelten für alle unabhängig von Nationalität, Herkunft und Religion und unabhängig davon wie lange jemand bei uns lebt, darüber verhandeln wir nicht. Integration ist auch nicht einseitig, sie bedeutet für die Mehrheitsgesellschaft, dass sie sich bewegen und alte Muster überdenken muss. So sollte auch darüber nachgedacht werden dem Islam auch im Religions- bzw. Ethikunterricht einen größeren Anteil zu geben, denn auf diese Weise kann der Staat Lehrinhalte überprüfen und Hasspredigern das Wasser abgraben, denn Hassprediger und IS sind nicht der Islam. Der IS ist eine isolierte Minderheit im Islam, lassen sie uns daher bei Vorverurteilungen, wie nach den furchtbaren Terroranschlägen teilweise passiert, nicht mitmachen.

Führen wir uns bitte vor Augen, dass wegen des rassistischen und antisemitischen Ku-Klux-Klan, der Franco-Diktatur oder nach dem Massaker von Anders Breivik an 77 zumeist Kindern und  Jugendlichen auch keiner das Christentum in seiner Gesamtheit für diese Tat verantwortlich gemacht, auch wenn diese Täter ihr Handeln mit dem Christsein begründet haben.

Ich bin überzeugt davon, dass die aktuellen Schwierigkeiten, sei es bei der Registrierung von Flüchtlingen und der Unterbringung, gelöst werden. Vielleicht auch, weil wir in schwierigen Situationen auch unkonventionell handeln in dem wir zum Beispiel hohe Standards beim Wohnungsbau über Bord werfen und damit schneller werden und ähnlich wie seinerzeit beim Konjunkturprogramm zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist. Ein Staat, der handelt und Schwierigkeiten in den Griff bekommt, würde auch Ängste in der Bevölkerung abbauen, denn eine Überforderung bzw. Verunsicherung in Politik und Verwaltung schlägt sich ganz schnell auf die Bevölkerung durch.

In einer Demokratie gibt es Streit um Lösungen und die Suche nach Kompromissen. Das bedeute aber auch, dass Demokratie manchmal langsamer ist. Demokratie darf sich nicht Massenpsychosen hingeben oder einfachen populistischen Parolen folgen. Ich möchte daher den Bogen zum Anfang meiner Rede spannen und mit einem Plädoyer von Helmut Schmidt für unsere Demokratie und damit für unsere Werte wie Freiheit und Menschenwürde schließen. Werte nach denen sich viele Flüchtlinge, die zu uns kommen, sehnen, die gerade von Leipzig aus hart erkämpft wurden und angesichts von hunderten Übergriffen in Gefahr sind:

„Wir dürfen von unserer Demokratie keine Wunder erwarten oder gar verlangen. Sie bleibt mit ihren Schwächen und Unvollkommenheiten behaftet, und es wird auch immer Streit geben. Gleichwohl haben wir Deutschen angesichts unserer katastrophenreichen jüngeren Geschichte allen Grund, mit Zähigkeit an unserer Demokratie und an unserem sozialen Rechtsstaat festzuhalten, sie immer wieder zu erneuern, ihren Feinden aber immer wieder tapfer entgegenzutreten.“

Christopher_Zenker2Der sozial- sowie sportpolitische Sprecher der Leipziger SPD-Fraktion, Christopher Zenker zur Unterbringung von 500 Flüchtlingen in der Grube-Halle:
„Wir sind vom Vorhaben überrascht worden, bis zum Dienstagabend wusste niemand im Rathaus etwas von den Überlegungen des Innenministeriums. Das ist für mich vollkommen unverständlich und spricht für ein kopfloses Agieren des Ministeriums. Trotz aller Kritik müssen wir jetzt nach vorne schauen und uns der Herausforderung stellen, um den Flüchtlingen zu helfen. Auch wenn eine Unterbringung von 500 Menschen in einer Turnhalle denkbar ungünstig ist. Ich hoffe, dass der Freistaat schnellstmöglich menschenwürdige Alternativen zur Unterbringung dieser Flüchtlinge schafft. Leider wird jede ehrenamtliche Hilfe erschwert, wenn am Vortag der geplanten Eröffnung der Unterkunft bis zum frühen Nachmittag nicht feststeht, wer die soziale Betreuung übernehmen soll.

Für den Leipziger Vereins- und den Universitätssport entstehen hierdurch Engpässe. Es muss deshalb nach Lösungen für die Vereine gesucht werden. Dafür erwarte ich die Unterstützung des Innenministeriums, denn die Vereine stehen nun vor organisatorischen und finanziellen Problemen, die nicht entstanden wären, wenn der Freistaat umsichtiger agiert und früher informiert hätte.“

Christopher_Zenker2

Zur den beiden geplanten Interimsunterkünften für Flüchtlinge in den ehemaligen Gebäuden der 3. Grundschule und der Pablo-Neruda-Schule erklärt Christopher Zenker, der sozialpolitische Sprecher der Leipziger SPD-Fraktion:

„Durch die weiterhin stetig steigenden Flüchtlingszahlen steht die Stadt Leipzig, wie viele andere deutsche Kommunen auch, vor der Notwendigkeit, Asylsuchende auch in Not- bzw. Interimsunterkünften unterzubringen. Natürlich sind diese Interims keineswegs optimal. Die Raumzuschnitte und die sanitären Begebenheiten entsprechen nicht dem, was die Stadt in ihrem Unterbringungskonzept eigentlich vorsieht.“

Dass die Stadtverwaltung auf Interims wie diese, die zudem lediglich solange genutzt werden können bis die geplanten Sanierungen der Schulgebäude beginnen, macht deutlich wie eng die Kapazitäten zur Unterbringung von Flüchtlingen sind. Ähnlich wie bei den zahlreichen kleineren auf den Weg gebrachten Flüchtlingsunterkünften sucht die Stadt daher auch weiterhin Eigentümer von geeigneten Immobilien bzw. Wohnungen, die diese zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen können.

„Die Immobilienwirtschaft ist ein wichtiger Partner bei der Unterbringung von Flüchtlingen, ich hoffe daher, dass diese ihre Bestände prüft und der Stadtverwaltung Vorschläge, auch zur längerfristigen Nutzung, unterbreiten kann. In der Kommunikation ist zu begrüßen, dass das Sozialamt zunächst die Schulleitungen und die Elternvertretungen informiert hat, denn dadurch wurde ein Grundstein für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt“, so Zenker und ergänzt abschließend: „Ich hoffe, dass auch an diesen beiden Stadtorten, ähnlich wie bei den zahlreichen Unterkünften im gesamten Stadtgebiet, den neuen Nachbarinnen und Nachbarn mit Offenheit begegnet wird und gerade durch die Begegnungen noch mehr Leipzigerinnen und Leipziger zum Beispiel am Patenschaftsprogramm teilnehmen. Dabei geht es darum, den Flüchtlingen bei ganz praktischen Dingen zu unterstützen, wie beispielsweise der Wohnungssuche.“

 

Informationen zum Patenschaftsprogramm „Ankommen in Leipzig“ finden Sie hier.

Die Wirtschaft in Leipzig wächst seit einiger Zeit stetig. Auch der Arbeitsmarkt zeigt verstärkt eine größere Nachfrage an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an. Gleichzeitig wurde die Wartefrist für die Arbeitserlaubnis für Asylsuchende mit Aufenthaltsgenehmigung und Personen mit Duldung verkürzt und weitere Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang geschaffen. Dies sind erste richtige Schritte. Auf kommunaler Ebene wollen wir die Arbeitsmarktberatung und –vermittlung von Flüchtlingen stärken.

Christopher Zenker, der sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion hierzu: „Wir fordern in unseren Antrag Flüchtlinge von Anfang an eine Ausbildungs- und Arbeitsperspektive in Leipzig zu geben. Viele Flüchtlinge wollen arbeiten, eine Ausbildung machen und ihren Lebensunterhalt möglichst selber verdienen. Wir wollen sie darin unterstützen und helfen Hindernisse abzubauen“.

Konkret fordert die SPD-Fraktion Leipzig direkte Ansprechpartner in der Bundesagentur für Arbeit und im Jobcenter Leipzig für die Flüchtlinge, berufsspezifische Deutschkurse, das Festlegen von Quoten für die Integration von Flüchtlingen in den ersten Arbeitsmarkt oder Ausbildung in der Zielvereinbarung 2016 zwischen Jobcenter und Stadt Leipzig und das alle beteiligten Akteure Programme und Projekte entwickeln beziehungsweise bestehende Projekte gezielt nutzen, um Flüchtlinge in Arbeit oder Ausbildung zu vermitteln.

Christopher Zenker abschließend: „Viele Flüchtlinge die wegen Krieg und Vertreibung ihre Heimatländer verlassen, werden voraussichtlich sehr lange in Deutschland leben. Dies bedeutet wir sollten bzw. müssen ihnen auch eine berufliche Perspektive geben. Eine Integration in den Arbeitsmarkt stärkt nicht nur die gesellschaftliche Integration der Flüchtlinge, sie kann Leipzig auch wirtschaftlich stärken, schließlich gibt es auch in Leipzig Fachkräftemangel und offene Ausbildungsplätze. Darüber hinaus bietet Arbeit die Chance auf ein selbstbestimmteres Leben unabhängig von staatlichen Leistungen. Zweifelsohne führen die anhaltenden hohen Flüchtlingszahlen zu Herausforderungen, sie bieten aber auch Potentiale und Chancen. Die werden vom Jobcenter und vom Leipziger Amt für Beschäftigungsförderung bisher nur ungenügend genutzt. Das muss sich ändern und das Jobcenter und das Amt für Beschäftigungsförderung müssen sich dieser Aufgabe ernsthaft stellen. Hierzu sind, ähnlich wie es in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes üblich ist, Zielbeschreibungen untersetzt mit Maßnahmen notwendig, um Erfolge und Misserfolge sichtbar zu machen und daraus zu lernen.“

Axel_Dyck2Der Leipziger SPD-Fraktionschef Axel Dyck verurteilt den Anschlag auf die Leipziger Ausländerbehörde, bei dem in der Nacht von Donnerstag auf Freitag über 40 Scheiben eingeschlagen und die Fassade des Technischen Rathauses beschmiert worden sind.

„Solche Aktionen sind ein Angriff auf unsere Rechtsordnung und auf einen Teil unseres Gemeinwesens. Das ist auf das Schärfste zu verurteilen. Wie die Täter darauf kommen, dass sie mit Gewalt und Vandalismus etwas für Flüchtlinge tun können, bleibt mir ein Rätsel. Aber leider ist es nicht das erste Mal, dass einige Chaoten glauben, anderen mit solchen Aktionen ihre Meinung aufnötigen zu können.“