Schlagwortarchiv für: Geflüchtete

Im April versprach Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ein Rettungspaket in dreistelliger Millionenhöhe für die kommunale Ebene im Freistaat. Ziel war es, die Kommunen und Kreise beim Aufbau und der Finanzierung von Unterkünften und der Versorgung von Geflüchteten zu unterstützen. Nun wurde bekannt, dass ein Rettungspaket das die Kommunen entlasten soll, erstmal gescheitert ist. Finanzminister Vorjohann (CDU) war laut Medienberichten nur bereit, die erhöhten Bundesmittel für die Unterbringung von Geflüchteten an die Kommunen weiterzureichen.

Christian Schulze

Dazu erklärt Christian Schulze, finanzpolitischer Sprecher der Leipziger SPD-Stadtratsfraktion: „Wie so häufig kündigt der sächsische Ministerpräsident vollmundig Unterstützungen für Kommunen an und lässt sich dann von seinem Finanzminister auskontern. Man muss zwar schon fast froh sein, dass zumindest die Mittel des Bundes weitergeben werden sollten, denn selbst das war in der Vergangenheit teilweise nicht möglich. Der Finanzminister gefährdet den sozialen Frieden in unserem Land, spielt mit der Zukunft Sachsens und der Ministerpräsident bricht dadurch mal wieder sein Wort. Es geht um ganz konkrete Leistungen und Investitionen, die im Moment auf der Kippe stehen. In der wirtschaftlich schwierigen Lage sind kluge Investitionen und ein aktiver Staat wichtiger denn je. Die Kommunen nicht ausreichend zu unterstützen, bremst allerdings die Entwicklung und zeugt von einem Staat, der nicht handeln will. Jede Entlastung der Kommunen hilft, Mittel für andere Zukunftsprojekte freizubekommen, wie das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum, das Realisieren der Verkehrs- und Energiewende oder den Aufbau einer modernen Wasserversorgungsinfrastruktur. Hierbei steht Leipzig gegenüber vielen Landkreisen noch vergleichsweise gut da. Kretschmer gefällt sich in der Rolle, immer nur mit dem Finger auf den Bund zu zeigen, eigene Akzente zu setzen und Verantwortung zu übernehmen, sind bei ihm leider Fehlanzeige.“

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Christopher Zenker
Christopher Zenker

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

weltweit waren Ende 2021 fast 90 Mio. Menschen auf der Flucht, die Fluchtbewegungen in Folge des Angriffs Russlands auf die Ukraine waren damals noch nicht dabei. Nur die wenigsten fliehen weit über die Anrainerstaaten hinaus, immer in der Hoffnung, bald wieder in ihre Heimat zurück zu können. Mit dem Angriff auf die Ukraine flohen 2022 auch knapp 1 Mio. Ukrainerinnen und Ukrainer noch Deutschland, 12.000 davon nach Leipzig. Hinzu kamen 2022 noch knapp 1.500 Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern, die drei größten Gruppen waren dabei Syrer/-innen, Venezualer/innen und Georgier/innen.

Schon 2022 mussten daher neue Unterkünfte geschaffen werden, sei es in Pensionen, Wohnhäusern oder Zelten. Dass nicht noch mehr Unterkünfte und Zeltstandorte aufgebaut werden mussten, haben wir den Leipzigerinnen und Leipzigern zu verdanken, bei denen fast 90 Prozent der ankommenden Ukrainerinnen und Ukrainer kurz- und längerfristig untergekommen sind.

Ein Dank gilt aber auch der Verwaltung, denn selbst in einer Zeit, in der deutlich weniger Geflüchtete nach Leipzig gekommen sind, bzw. zugewiesen wurden, hat sie Plätze vorgehalten. In der Spitze bis zu 1.800 Plätze. Ohne diese Plätze wären wir schon viel früher in eine Situation gekommen, bei der  wir auf Zelte angewiesen gewesen wären und hätten die wenigen Angebote für die Anmietung eigentlich kaum ablehnen können. Es waren auch Vertreter ihrer Fraktion, Herr Weickert, die deshalb 2018 angemahnt hatten Reserven zurückzubauen. Und wenn sie jetzt fordern, dass nicht wieder Turnhallen verwendet werden sollen, dann sollten sie diesen Appell vor allen an das seit mehr als 30 Jahren von ihrer Partei geführte Innenministerium richten, denn es war der Freistaat, der 2015 mehrere Turnhallen auch in Leipzig genutzt hat.

Seit 2016 berichtet die Verwaltung zunächst monatlich, dann einmal im Quartal, zuletzt wieder monatlich über die Unterbringung von Geflüchteten und über jeden neuen Standort wird nach Bestätigung in der Dienstberatung und, teilweise auch schon davor, der Fachausschuss Soziales, Gesundheit und Vielfalt informiert. Der Fachausschuss wurde über den Standort in Stötteritz, zum Beispiel, sehr frühzeitig informiert. Über den geplanten Standort in Lindenthal, der mit maximal 30 Personen die zweitkleinste aller aktuell 33 Gemeinschaftsunterkünfte in Leipzig ist, wurde einen Tag nach Beschlussfassung in der Dienstberatung per Mail informiert. Über den geplanten Standort in der Diezmannstraße noch am Tag der Beschlussfassung in der Dienstberatung.

Die Vorlage, in der man jede Gemeinschaftsunterkunft finden kann, trägt übrigens seit Jahren den Titel: „Unterbringung von Geflüchteten in der Zuständigkeit der Stadt“. Dort finden sie übrigens auch die Standorte, die in den letzten Monaten aufgemacht wurden, darunter auch zwei Notunterkünfte als Zeltstandorte, aber offensichtlich eignen sich diese nicht so zum Polarisieren oder wo waren da ihre Ratsanfragen, Vertreter der AfD und CDU.

Ich würde mir wünschen, manche hätten die regelmäßigen Vorlagen aus dem Sozialamt auch in der Vergangenheit gelesen. Dann wäre ihnen nämlich aufgefallen, dass wir auf große, zu lösenden Aufgaben zulaufen. Die Platzreserven sind seit 2018 kontinuierlich gesunken. Die Aufenthaltsdauer in den Gemeinschaftsunterkünften hat stetig zugenommen. Waren 2017 lediglich 8 Prozent länger als zwei Jahre in den Gemeinschaftsunterkünften, waren es zuletzt um die 40 Prozent. Parallel sinken kontinuierlich die Zahlen der zur Verfügung stehenden Gewährleistungswohnungen und der Wohnungen allgemein, die  über Kosten der Unterkunft abrechenbar sind. Es spiegelt sich auch hier die Wohnmarktsituation in Leipzig wider. Liebe CDU, hier könnten Sie auf Landesebene handeln, Sie könnten mehr Gelder für sozialen Wohnraum zur Verfügung stellen und endlich ihre Blockadehaltung zum Zweckentfremdungsverbot aufgeben. Der Gesetzentwurf von Rot-Grün im Land liegt der sächsischen CDU jedenfalls seit einem Jahr vor. Mehrere hundert Wohnungen, die illegal als Ferienwohnungen oder anderweitig zweckentfremdet werden, könnten allen hier lebenden Menschen wieder für das zur Verfügung gestellt werden, für das sie da sind, nämlich zum Wohnen. Warum geht dafür keiner auf die Straße, wo sind da ihre kritischen Fragen?

Ja, auch ich wünsche mir, dass, wie es mal geplant war, Geflüchtete erst dann aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes auf die Kommunen verteilt werden, wenn der Status geklärt ist. Aber dazu mahlen die Mühlen im Bund und im Land immer noch zu langsam. Auch das Land versäumt es seit Jahren bzw. Jahrzehnten ausreichend Richterinnen und Richter einzustellen. Auch an Polizistinnen und Polizisten fehlt es, die als Teil der Strafverfolgungsbehörden vor allem dort aktiv werden könnten, wo den wenigen Kriminellen unter den Geflüchteten ein schnellerer Prozess gemacht werden könnte. Stattdessen schiebt man Menschen ab, die gut integriert ihrem Job als Koch oder Logistiker nachgehen. Wahrscheinlich weil man sie einfacher zu Hause antrifft. Auch wünsche ich mir, dass Geflüchtete besser über die gesamte EU verteilt werden. Aber seien wir ehrlich: Bis 2015 hat uns diese Frage auch kaum interessiert, weil da in Italien und Griechenland die meisten Geflüchteten ankamen. Hinzu kommt, dass es immer noch nicht gelingt, schnell zu integrieren. DaZ-Unterricht fällt in Größenordnungen aus, Deutschkurse sind Mangelware und auf eine Arbeitsgenehmigung warten viele Geflüchtete noch immer viel zu lange. Ein Lichtblick ist das neue Chancenaufenthaltsrecht der Bundesregierung. Dieses setzt auch mal einen anderen Fokus, nämlich den der Chancen, denn bei allen Herausforderungen und teilweise Integrationsproblemen die bestehen helfen uns Geflüchtete auch unseren Fachkräftemangel zu reduzieren.

Wir müssen unsere Aufgabe hier vor Ort lösen und das heißt für mich, die Stadtgesellschaft und die Gesamtverwaltung. Aktuell scheint mir, dass sich andere Ämter zurücklehnen und das Sozialamt, ohne es auch in dem Bereich personell zu stärken, weitestgehend alleine lassen. In den letzten 10 Jahren sind zweimal Fehler passiert. Einmal in Wahren, wo die LWB ein Haus angeboten hat, in dem noch eine Wohnung belegt war und jetzt in Lindenthal. Dennoch sind und waren beide Standorte grundsätzlich zur Unterbringung von Geflüchteten geeignet. Dazwischen ist alles weitestgehend reibungslos – heißt nicht kritiklos – gelaufen. Ich frage mich nur, wenn jetzt viele auf das Sozialamt schimpfen: Wo ist das Referat Demokratie bei der Entwicklung von Veranstaltungsformaten zum Thema? Wo ist das Liegenschaftsamt, wenn es um das genaue Durchchecken einer jeden Immobilie eines jeden Grundstückes geht? Wo sind die Patenschaftsbürgermeister/innen der Ortschaften und Stadtbezirke, wenn es mal haarig wird? Die Welt besteht nicht nur daraus, zu schönen Anlässen Bänder durch zu schneiden. Herr Schülke war zumindest beim ersten Mal mit in Lindenthal. Mein großer Dank gilt dem Sozialamt, das die Sache insgesamt sehr gut meistert und sich teilweise wütenden Bürger/innen stellen muss. Fehlerfrei ist nur der, der nichts macht.

Frau Nagel, auch ich schlucke, wenn wir inzwischen über den dritten Zeltstandort reden und eine Messehalle auf der alten Messe zu Notunterkunft umbauen. Auch ich würde mir wünschen, wir könnten viel mehr Menschen dezentral unterbringen oder hätten noch mehr Vorsorge durch Neubauten geschaffen, die jetzt endlich wieder in der Diskussion sind. Neubauten werden jedoch nicht vor 2028 fertig und helfen daher in der akuten Situation nicht. So hat die Diskussion um den Zeltstandort in Stötteritz ihr Gutes und führt hoffentlich dazu, dass solche Standorte wirklich nur für Notunterbringung genutzt werden und eben kein Standard werden. Es gilt eben weiterhin: Wir müssen in der Stadt nach dezentralen Wohnungen sowie kleinen und größeren Stadtorten suchen. Ich hoffe, wir finden sie, denn Zelte können nicht die Lösung sein.

Gemeinsamer Antrag mit den Fraktionen von Linken und Grünen.

Beschlussvorschlag:

Ergänzung Beschlusspunkt 2 neu:

Zusätzlich wird 1,0 VzÄ für den Zusammen e.V. für das Projekt „Kontaktstelle Wohnen“ mit den Schwerpunkten „Matching von Wohnungen, Wohnungsakquise und Wohnberatung“ Geflüchteter mit dem Fokus auf ukrainische Geflüchtete gefördert. Das Projekt „Kontaktstelle Wohnen“ wird zudem aufgefordert zusätzlich zu den bisher erhobenen Daten auch zu ermitteln, ob die Vermittlung aus einer Gemeinschaftsunterkunft erfolgt.

Beschlusspunkt 2 der Ursprungsvorlage wird zu Beschlusspunkt 3.

Begründung:

Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben sich mehr als 10.000 Ukrainer*innen in Leipzig angemeldet. Die Situation ist weiterhin dynamisch und ein Ende der kämpferischen Auseinandersetzungen nicht in Sicht. Stattdessen steigt auch die Anzahl an Geflüchteten aus anderen Ländern. Das Leipziger Wohnkonzept für Geflüchtete sieht vor, dass Asylbewerber*innen und Geduldete so schnell wie möglich in eine eigene Wohnung außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft ziehen können.


Im Frühjahr 2022 kam es zwischen der Kontaktstelle Wohnen und dem Sozialamt Leipzig zu einer Kooperation mit dem Ziel, vorhandene überwiegend private Wohnungsangebote an Ukrainer*innen zu vermitteln. Bis Ende September konnten so 125 Mietverträge für knapp 300 Ukrainer*innen durch die Kontaktstelle Wohnen erzielt werden. [Quelle: Erhebung wöchentlicher Zahlen, Zusammen e. V.] Zwar ist die Bereitschaft, privaten Wohnraum für geflüchtete Menschen bereitzustellen rückläufig, die Mammutaufgabe Ukrainer*innen in langfristige, dezentrale Wohnverhältnisse zu überführen, bleibt aber bestehen. Um diese zu bewältigen braucht es eine regelmäßige flächendeckende Wohnungsakquise im gesamten Leipziger Stadtraum ggf. in den angrenzenden Landkreisen, eine Koordination und Ausgestaltung von weiteren Matchingprozessen (private Vermieter*innen bieten Wohnungen an) und eine Nachbetreuung bereits vermittelter Wohnungen, um möglichen Konflikten zwischen Vermieter*innen, Klient*innen und Behörden (JC) vorzubeugen und somit einen Verlust des Mietverhältnisses zu verhindern. Gerade, weil weniger Wohnungen direkt an das Sozialamt oder die Kontaktstelle Wohnen gemeldet werden, wird die Suche nach geeignetem Wohnraum mehr Zeit in Anspruch nehmen und nur mit zusätzlichem Personal zu bewerkstelligen sein, welches Vermieter*innen und Hausverwaltungen davon überzeugt, an Geflüchtete zu vermieten, sowie Besichtigungstermine begleitet und Anträge auf Kostenübernahme bei den zuständigen Ämtern stellt.

Die entsprechende Vorlage finden Sie hier.

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Christopher Zenker
Christopher Zenker

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

seit dem morgen des 24.2.2022 ist unserer Welt eine andere. Wie mir geht es sicher einigen von Ihnen. Trotz der der Angriffe auf Georgien, der Annexion der Krim, des Einmarsches in der Ostukraine, des Zerbombens von Aleppo und anderen syrischen Städten, der Einschüchterung, Verschleppung und Ermordung der eigenen Bevölkerung haben wir immer noch auf Diplomatie gesetzt und gehofft die engen wirtschaftlichen Verflechtungen werden Putin davon abhalten nach der kompletten Ukraine zu greifen.

Inzwischen wissen wir, das imperialistische Großmachtsstreben von Wladmir Putin kennt keine Grenzen. Und wir müssen beobachten, wie die europäische Friedensordnung pulverisiert wurde. Der Aggressor sind ausschließlich Putin und sein Umfeld.

Noch im letzten Oktober, zum Lichtfest, mahnte uns Vitali Klitschko, der Bürgermeister unserer ukrainischen Partnerstadt, dass Demokratie immer wieder aufs neue verteidigt werden muss. Jetzt wird diese junge Demokratie angegriffen und uns erreichen fast täglich Hilferufe aus unserer Partnerstadt.

In Folge des Krieges sind inzwischen nach Schätzungen des UNHCRs mehr als 2 Mio. Menschen auf der Flucht. Die meisten noch Binnenflüchtlinge, aber 100.000ende sind bereits in den demokratischen Anrainerstaaten angekommen. Viele sind auch schon Leipzig bzw. auf dem Weg. Grobe Schätzungen gehen von12.000 oder 15.000 Geflüchteten aus, die nach Leipzig kommen werden bzw. bereits da sind.

9 Millionen Euro möchte die Stadt im Rahmen einer Soforthilfe in die Hand nehmen, um hier vor Ort die Versorgung der ankommenden Flüchtlinge sicherzustellen, aber auch um direkt in der Ukraine zu helfen. Ich bin der Stadtverwaltung dankbar, dass sie mit dieser Vorlage nicht nur Mittel bereitstellt, um die Geflüchteten hier vor Ort zu versorgen, sondern auch, um humanitäre Hilfe auf der Achse unserer Partnerstädte von Leipzig über Krakau nach Kiew zu leisten. In diesem Umfang ein Novum, soweit ich mich erinnere. Drei Millionen Euro sollen für Medikamente und sonstiges medizinisches Material sowie Schutzausrüstung und technische Hilfsgüter zur Linderung der humanitären Lage in der Ukraine zur Verfügung gestellt werden. Das ist gelebte Städtepartnerschaft auch in schwierigsten Zeiten.

Auch hier vor Ort wird Solidarität groß geschrieben. Unzählige Freiwillige bieten Schlafplätze an, empfangen und geben Geflüchteten Hilfe am Bahnhof, holen sie aus den Grenzregionen zur Ukraine ab, sammeln Spenden, begleiten zu Behördenterminen und vieles mehr. Krieg bringt das Schlimmste im Menschen hervor, aber scheinbar auch das Beste. Vielen Dank an alle, die sich engagieren. Ohne diese Hilfe könnte die Stadt, könnten wir, die aktuelle Situation nicht bewältigen.

Auch wenn einige der Ehrenamtlichen vielleicht das Gefühl haben, es geht in den Behörden alles zu langsam, so wird auch hier beachtliches geleistet. Sozialamt, Gesundheitsamt, Kliniken, Branddirektion, Ordnungsamt, Einwohnermeldeamt, Ausländerbehörde, Schulamt, Jugendamt und viele mehr arbeiten Hand in Hand.

Inzwischen wurden hunderte neue Plätze geschaffen, Hallen als Notschlafstellen umfunktioniert, Hotels und andere Unterbringungsobjekte angemietet, so dass bisher niemand auf der Straße schlafen musste. Die Unterbringung wird die Stadt aber auch die Träger Einrichtungen wie DRK, ASB oder Johanniter auch in den nächsten Wochen und Monate vor enorme Herausforderung stellen.

Parallel dazu hat die Stadt in wenigen Tagen ein Ankommenszentrum quasi aus dem Boden gestampft. Bis zu 100 bis 200 Personen können dort täglich registriert werden. Das ist noch zu wenig, um zügig auch die zu registrieren, die bereits bei Privatpersonen in Leipzig untergekommen sind. Die Kapazitäten müssen daher weiter aufgebaut, digitale Terminvergabe realisiert und das Online-Vorabausfüllen der Dokumente ermöglicht werden. Dennoch wird mindestens in den nächsten zwei Wochen noch zu Engpässen kommen.

Es mag der Eindruck entstanden sein, ehrlicherweise auch bei mir, dass in der Verwaltung nur bis 16 oder 17 Uhr gearbeitet wird. Ich konnte mich aber davon überzeugen, dass dies nicht stimmt. Auch gestern war im Ankommenszentrum nach 19 Uhr, als mein Ausschuss vorbei war, noch Betrieb und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialamts haben Geflüchtete aus der Ukraine registriert.

Daher auch meine Bitte an alle, die bereits Geflüchtete untergebracht haben, wenn sie die Möglichkeit haben, noch ein, zwei Wochen bis zur Registrierung zu überbrücken, bitte geben sie der Stadt die Möglichkeit, die Kapazitäten aufzubauen, auch wenn ich weiß, dass das viel verlangt ist, da sie bereits Großartiges leisten.

Putin hat in der Vergangenheit immer versucht Europa zu spalten und hat bewusst europakrische Parteien unterstützt. Aktuell hat er das Gegenteil erreicht, Europa steht zusammen, wie lange nicht mehr, und das nicht nur bei den Sanktionen, sondern auch wenn es darum geht, Geflüchteten Schutz zu bieten.

Ich bin daher überzeugt, gemeinsam wird es Europa gelingen, die Folgen des Krieges zu bewältigen, sei es bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten oder seien es die wirtschaftlichen Folgen.

Wenn wir jetzt konsequent den Ausbau der regenerativen Energien vorantreiben und massiv in die Forschung im Bereich Wasserstoff investieren und damit unabhängiger von despotischen Staaten werden, gemeinsame Außenpolitik betreiben und wenn wir den neu gewonnenen Zusammenhalt bewahren, Demokratie und Freiheit fördern, bleibt Europa auch als Union gestärkt. Ein starkes Europa ist auch ein Garant dafür, dass Putin nicht nach weiteren osteuropäischen Staaten greift. Vielleicht erleben wir, wie es einige Kremlkritiker bereit beschreiben, tatsächlich den Niedergang von Putins Herrschaft, auch und gerade weil viele Ukrainer auch die Werte Europas verteidigen und immer mehr Menschen in Russland unter großen Gefahren gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine demonstrieren. Die Antikriegsallianz ist größer und geschlossener als es Putin erwartet hat.

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Christopher Zenker

Sehr geehrte Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Stadträtinnen und Stadträte,
liebe Gäste,

Menschen fliehen vor Krieg, Verfolgung oder Hunger. Europa, Deutschland und auch Leipzig sind dabei Zufluchtsorte für viele Menschen, egal welcher Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung. Leipzig wirbt und steht für seine Offenheit, Toleranz und Neugierde auf Zukunft. Leipzig ist die Stadt mit einer politisch-aktiven Bürgerinnen- und Bürgerschaft in Sachsen.

Daher ist der Beitritt der Stadt zum Bündnis „Sicherer Häfen“ für uns eine Selbstverständlichkeit und eine sinnhafte Fortbeschreibung des Beschlusses vom März letztens Jahres. In welcher sich die Stadt dazu bereiterklärt aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen.

Leipzig steht damit nicht alleine da. In Deutschland haben bereits 194 Städte, Gemeinden und Kreise erklärt, sichere Häfen zu sein und über 60 sind dem Bündnis schon beigetreten. Auch über Deutschland hinaus haben sich in Europa Städte zu sicheren Häfen erklärt, darunter Wien, Palermo, Barcelona oder Neapel.

Zunächst ist der heutige Beschluss ein Bekenntnis ohne unmittelbare Auswirkung. Das aber aus Bekenntnissen konkrete Hilfe entstehen kann, hat beispielweise die Initiative aus dem März gezeigt, an der sich fast alle Fraktionen im Rat beteiligt haben. Dabei ging es um die Bereitschaft zur Aufnahme von 20 minderjährigen Geflüchteten von den griechischen Inseln. Durch diese Resolution, die in ähnlicher Form auch in vielen anderen Städten verabschiedet wurde, gab es auf Vermittlung von Deutschland im April 2020 die Zusage europäischer Mitgliedsstaaten 1500  Minderjährige aus Moria aufnehmen und durch die konkreten Zusagen aus Leipzig und Dresden hat auch der Freistaat Sachsen sich bereit erklärt einige der 300-500 Minderjährigen, die nach Deutschland kommen sollten, aufzunehmen.

Ich möchte daher besonders den Punkt „Aufforderung an die Bundesregierung und das Bundesinnenministerium, einen an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten Verteilungsschlüssel für die aus Seenot geretteten Personen einzurichten“ hervorheben. Diese Aufforderung gilt es nicht nur gegenüber dem Bund zu verdeutlichen, sondern auch gegenüber dem sächsischen Freistaat. Unser Ziel kann es nur sein, zu den bereits laufenden Maßnahmen ein Landesaufnahme-Programm zu initiieren. Und damit Kommunen, die dazu bereit sind, auch zu ermöglichen, Menschen zu helfen!

Wir alle haben sicherlich noch die Bilder von Moria vor Augen: Abgebrannte Zelte, keine gesicherte Wasser- oder medizinische Versorgung und Sicherheitskräfte, die auf Kinder und Frauen mit Tränengas schießen. Moria ist kein Einzelfall an der europäischen Außengrenze, sondern die bittere Realität, trotz unserer europäischen Werte.

Aktuell sind es die Kommunen, zum Beispiel die 194, die sich zu sicheren Häfen erklärt haben, die die europäischen Werte hochhalten und das Signal aussenden, dass man Griechenland und Italien mit der Unterbringung und Integration geflüchteter nicht alleine lässt. Darüber hinaus ist der heutige Beschluss ein Zeichen, dass wir es nicht hinnehmen wollen, dass weitere Menschen im Mittelmeer ertrinken. Laut UNHCR waren es in den letzten sieben Jahren rund 20.400 Menschen.

Auch wenn wir mit dem heutigen Beschluss nicht die großen Veränderungen, wie die Bekämpfung der Fluchtursachen einleiten, so senden wir doch Zeichen der Solidarität.

Lassen Sie uns heute dem Bündnis „Sicherer Häfen“ beitreten. Als Zeichen einer innereuropäischen Solidarität und für eine gerechte Verteilung der Geflüchteten in Europa, als Zeichen unserer Solidarität gegenüber der zivilen Seenotrettung und, wenn es darauf ankommt und Geflüchtete in Leipzig aufgenommen werden müssen, als Zeichen gelebter Solidarität.

️Auch in der Corona-Krise vergisst Leipzig nicht, dass es eine weltoffene Stadt ist. Der Ältestenrat setzt gemeinsam mit Burkhard Jung ein Zeichen der europäischen Solidarität und fordert vom Freistaat Sachsen die Aufnahme von 20 unbegleiteten Minderjährigen Geflüchteten aus den Lagern an der griechischen EU-Außengrenze. Die 20 Kinder sollen zusätzlich zu den bisherigen Aufnahmekapazitäten nach Leipzig kommen.

Die zusätzliche Aufnahme von 20 Menschen klingt nicht nach viel, es setzt jedoch ein deutlichen Zeichen der Solidarität. Die Geschehnisse an den EU-Außengrenzen dürfen wir auch jetzt nicht aus den Blick verlieren. Solidarität ist für uns mehr als nur eine Phrase. Wir lassen Taten sprechen.