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In den Leipziger Kindertagesstätten, Horten und Kinder- und Familienzentren sind zwei Programme des Jugendamtes und des Referates für Migration und Integration im Einsatz: Sprach- und Kulturmittler/-innen (SKM) und Sprach- und Integrationsmittler/-innen (Sprint). Diese sollen unterstützend für Eltern und Kinder mit Migrationshintergrund wirken.

Wir fragen an:

1.  Wie viele Fachkräfte sind im Jahr 2023 für SKM und Sprint in wie vielen Einrichtungen im Einsatz? 

2. Wie viele Kinder können dadurch betreut werden?

3. Bis wann werden diese Programme verbindlich fortgeführt?

4. Welche konkreten Förderpläne werden für Kinder mit Migrationshintergrund umgesetzt?

5. Wenn Kinder mit Migrationshintergrund im Vorschuljahr der Kita, aufgrund von mangelnden Kenntnissen der deutschen Sprache, das Wiederholen des Kindergartenjahres vor Eintritt in die Grundschule empfohlen wird:

  • Welche Inhalte von Förderplänen werden dann konkret in dem zusätzlichen Kindergartenjahr umgesetzt?
  • Wer erstellt diese Förderpläne?

6. An welchen Kindertagesstätten sind Sprach- und Kulturmittler/-innen bzw. Sprach- und Integrationsmittler/-innen eingesetzt und nach welchen Kriterien wurden die Einrichtungen hierfür ausgewählt?


Rednerin: Anja Feichtinger, stellv. Fraktionsvorsitzende

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
meine Damen und Herren,

vor mittlerweile fast acht Jahren hat der Stadtrat das Konzept zur Integration von Migrantinnen und Migranten beschlossen hat, mit dessen Fortschreibung wir uns heute befassen.

Warum wir das Konzept fortschreiben müssen, liegt im Grunde auf der Hand:

Der Anteil der Leipzigerinnen und Leipziger, die einen Migrationshintergrund haben, ist in den letzten Jahren, auch unabhängig von der Flüchtlingssituation ab 2015, kontinuierlich gestiegen.

Das Wachstum unserer Stadt basiert zu einem großen Teil darauf, dass Menschen aus verschiedenen Ländern nach Leipzig kommen. Sei es der Arbeit oder des Studiums wegen oder weil sie aus ihrer Heimat flüchten mussten. Im Jahr 2018 machten sie, neben den hohen Geburtenzahlen, über 70 Prozent der neu hinzugekommenen Einwohner der Stadt aus (2018: 6180 Neu-Leipziger, darunter 4.483 Menschen mit Migrationshintergrund). Ende 2018 hatten etwas über 17 Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger einen Migrationshintergrund.

Darüber hinaus haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die das ursprüngliche Konzept tangieren, geändert, genauso wie die Anforderungen an die Stadtgesellschaft und die Stadtverwaltung.

Die Vorlage selbst beschreibt es sehr gut: „Es geht darum, gute Lösungen für einen konfliktfreien und produktiven Umgang mit Vielfalt zu entwickeln, der die freie persönliche Entfaltung eines Jeden fördert und gleichzeitig den gesellschaftlichen Zusammenhalt bewahrt.“

Integration ist deshalb eine kontinuierliche Aufgabe und kein Thema, das einmal geregelt wird und dann läuft es. Es geht vielmehr darum, eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen und die Chancengerechtigkeit für alle Bewohner unserer Stadt zu sichern.

Aus der Vielzahl der aufgeführten Maßnahmen des Integrationskonzepts möchte ich einen Punkt herausgreifen, den ich besonders wichtig finde: Sprachförderung. Sprache ist das Bindeglied in der Gesellschaft, denn Sprachkenntnisse ermöglichen Kommunikation, Integration, fördern die Chancengleichheit und eröffnen Bildungsperspektiven. Deshalb halte ich es für sehr wichtig, dass in Kitas und Schulen, wo der Anteil der Kinder steigt, in deren Elternhäusern Deutsch nicht die erste Sprache ist, gezielt auf Sprachförderung gesetzt wird. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass diese Kinder später am gesellschaftlichen Leben teilhaben und ihre Chancen auch nutzen können. Der weitere Ausbau unseres Kitanetzes, der Einsatz von Sprachmittlern und die Schaffung weiterer Familienzentren haben also auch in dieser Hinsicht positive Effekte.

Die SPD-Fraktion wird dieser Vorlage zustimmen.

Uns ist es wichtig, dass mit den in der Vorlage dargestellten Maßnahmen die Integration „vor Ort“ zielgruppengerichtet gestärkt und gefördert wird. Für uns ist Integration keine Einbahnstraße. Mit dem Konzept ermöglichen wir auch der Mehrheitsgesellschaft Integration zu leben, zu agieren und nicht nur zu reagieren. Kurzum, das Konzept geht uns alle an. Lassen Sie es uns weiter mit Leben füllen.

Redner: Christopher Zenker, Vorsitzender der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kollegen Stadträte,
werte Gäste,

Deutschland ist seit vielen Jahrzehnten ein Einwanderungsland und diese Einwanderung hat Deutschland gestärkt. Nur, dass diese Tatsache gern negiert wird. Mir ist es jedoch wichtig, das hier explizit hervorzuheben. Wir dürfen Migration nicht auf Geflüchtete reduzieren, denn viele Menschen sind nach Deutschland und Leipzig gekommen und helfen uns direkt dem Fachkäftemangel zu begegnen.

In diesem Zusammenhang, auch wenn es Bundespolitik ist, möchte ich deutlich sagen: Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz! Wir müssen legale Möglichkeiten der Zuwanderung schaffen, wie es sie in vielen Ländern bereits gibt.

Damit komme ich zum eigentlichen Thema dieser Bildungspolitischen Stunde: „Migration – Bildung – Integration“. Bildung ist eine Art Generalschlüssel zur Integration. Ganz gleich, woher die Menschen kommen oder wie lange sie in Deutschland leben. Vor dem Hintergrund der knappen Zeit möchte ich mich auf drei Schwerpunkte konzertieren: 1. frühkindliche Bildung, 2. Schulische und berufliche Bildung, 3. Integration in Arbeit.

  • Frühkindliche Bildung

Jeder, der Kinder hat, bekommt mit, wie schnell kleine Kinder lernen. Für Kinder in deren Elternhaus nicht deutsch gesprochen wird, ist der Besuch eines Kindergartens von großer Bedeutung. Dort saugen sie die deutsche Sprache faktisch nebenbei auf und müssen später keine DAZ-Klassen besuchen. Aktuell liegt die Betreuungsquote bei Kindern mit Migrationshintergrund über drei Jahren mit nur knapp 60 Prozent deutlich unter der von Kindern ohne Migrationshintergrund. Diese Quote müssen wir erhöhen. Das dazu ausreichend Betreuungsplätze notwendig sind, sollte allen klar sein.

Wir müssen, um die Eltern zu erreichen, innerhalb der Communities mehrsprachig informieren und den betroffenen Familien die besonderen Vorteile von Kitas nahebringen. Wir begrüßen daher, dass das Informationsmaterial inzwischen mehrsprachig vorliegt.

Neben der reinen Information sind aber auch Projekte wie zum Beispiel das in Israel entwickelte Programm HIPPY (Home Instruction for Parents of Preschool Youngsters) wichtig. Das Frühförderprogramm HIPPY richtet sich an sozial benachteiligte Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren, vor allem aber an Familien mit Migrationshintergrund, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken. Durch regelmäßige Besuche von Frauen aus dem gleichen Kulturkreis, sollen die Kinder auf die Einschulung vorbereitet werden.

  • Schulische und berufliche Bildung

Grundsätzlich ist das sächsische DAZ-Klassensystem gut, da es Kinder und Jugendliche, die in ihrem Herkunftsland bereits Schulbildung bekommen haben, über intensives Deutschlernen an den Regelunterricht heranführt und nach und nach in die Regelunterricht integriert.

Ein besonderes Augenmerk müssen wir aber auf die Jugendlichen ab 16 Jahren legen, die im Herkunftsland keine oder nur eine geringe Schulbildung hatten und denen neben Deutsch auch andere grundlegende Kenntnisse vermittelt werden müssen. Das Problem verstärkt sich noch dadurch, dass im Freistaat Sachsen die Schulpflicht mit 18 Jahren endet, wobei egal ist, ob ein Schulabschluss vorliegt oder nicht. Für solche Falle wäre es zu begrüßen, die Schulpflicht bis zum 25. Lebensjahr auszuweiten. Ähnlich wie das im Bayern gehandhabt wird, wo beispielsweise die SchlaU-Schule – Schulanaloger Unterricht für Flüchtlinge – das Ziel hat, jungen Flüchtlingen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren einen Schulabschluss und eine erfolgreiche Ausbildung zu ermöglichen. Neben dem Deutscherwerb und dem Nachholen von anderen Lerninhalten steht der soziale Austausch im Fokus. Außerdem gibt es psychologische Betreuungen für Schülerinnen und Schüler mit traumatische Erfahrungen. Im Schulkonzept werden zudem frühzeitig Praktika zur Berufsorientierung durchgeführt und der Einstieg in die Ausbildung begleitet.

Wir wünschen uns gemeinsam mit der Sächsischen Bildungsagentur ein ähnliches Pilotprojekt  für Leipzig. Partner könnten die Produktionsschulen werden, die Teile des Konzepts der SchlaU-Schulen bereits heute umsetzen.

Produktionsschulen können schon jetzt eine wichtige Rolle für den nachträglichen Erwerb eines Abschlusses spielen, denn auch sie setzen beim Ziel, Jugendliche in Ausbildung oder zu einem Abschluss zu bringen, auf einen hohen Praxisanteil. Das Angebot sollte auch in Leipzig ausgebaut werden.

  • Beruf

Auch im Berufsleben finden Integration und Bildung statt. Das heißt für uns, dass Flüchtlingen, natürlich unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Ausbildung aus dem Heimatland, ein schneller Einstieg in den beruflichen Alltag, bspw. über Praktika, ermöglicht werden muss. Dazu müssen die Behörden deutlich schneller als bisher Bildungsabschlüsse anerkennen bzw. ggf. notwendige Nachqualifizierungen einleiten.

Auch der Weg, bis Geflüchtete überhaupt in die Jobvermittlung kommen, ist in Deutschland zu lang. Was dazu führt, dass aktive Vermittlung in der Phase der höchsten Motivation -im ersten Jahr – kaum stattfindet. Bei uns muss alles zertifiziert sein, so reicht es nicht aus, dass ein Geflüchteter sich gut verständigen kann, sondern es muss unbedingt ein Sprachlevelzertifikat vorliegen. Es gibt auch Flüchtlinge, die aufgrund selbst erworbenen Sprachkenntnissen gut in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Aber auch im Beruf wird die Sprache trainiert, denn in der alltäglichen Kommunikation lernt man schneller als in jeder Sprachschule. Das Berufsleben sorgt nebenbei für soziale und gesellschaftliche Teilhabe.

In den USA beispielsweise wird das Hauptaugenmerk bei Zugewanderten darauf gelegt, dass sie einen Job finden bzw. sich selbstständig machen. Wir dagegen lassen das erste Jahr fast ungenutzt verstreichen und legen arbeitswilligen Geflüchteten sogar noch Steine in den Weg. Wir verbauen mit unserer Bürokratie Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben und eine schnelle Integration.

An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass mir eine Abschiebepraxis missfällt, die gut integrierte Flüchtlinge, die einer Arbeit oder Ausbildung nachgehen und sich in der Gesellschaft einbringen, abschiebt oder Aufenthalte nicht verlängert. Viel wichtiger wäre doch das Signal, dass Ausbildung, Arbeit, Bildung und Integration sich lohnen.

Statt die abzuschieben, die man aufgrund ihrer guten Integration schnell auffinden kann, sollten sich die Behörden den Personen widmen, die das gesellschaftliche Zusammenleben durch hochkriminelles Verhalten torpedieren, auch wenn das aufwendiger ist.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Thema „Migration – Bildung – Integration“ ein sehr komplexes und vielschichtiges Thema und nicht in einer Stunde abzuhandeln. Wir müssen jedoch uns diesem Thema in all seinen Facetten stellen und hierbei auch neue Wege gehen. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration ist vor allem die Bildung. Perspektivlosigkeit und Untätigkeit sind die vermutlich größten Integrationshemmnisse.

Christopher_Zenker2Redner: Christopher Zenker

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

werte Kolleginnen und Kollegen Stadträte

werte Gäste,

ich setze dort an wo wir am 29.10. aufgehört haben. Zum wiederholten Male wurde uns an jenem Abend von der CDU-Fraktion vorgeworfen, wir seien auf dem linken Auge blind. Die SPD stand und steht in ihrer über 150-jährigen Tradition immer für Demokratie und einen sozialen Rechtsstaat, das wissen sie so gut wie ich und falls sie es nicht wissen sollten, hilft ein Blick in die Geschichtsbücher. Auch im Jetzt und Heute und gerade in Leipzig haben Sozialdemokraten immer wieder klar Stellung bezogen. Sei es nach Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, Übergriffe von LEGIDA oder OfD auf Journalisten bzw. linksmotivierten Angriffe auf Polizisten oder Verwaltungsgebäude. Demgegenüber stehen Sie von der CDU Fraktion, von der AfD möchte ich gar reden: Trotz über 700 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte in Jahr 2015, tätlichen Übergriffen auf Flüchtlinge, Morddrohungen und Mordversuchen gegenüber Politikerinnen und Politikern, und über 180 rassistischen Morden seit 1989 stellt sich eine Vertreterin ihrer Fraktion hier an das Pult und erklärt, dass es in Deutschland kein Rassismusproblem gibt. Dabei wird ihr aus ihrer eigenen Fraktion bis zum Ende der Debatte nicht widersprochen. Sie sollten mehr auf den Polizeipräsidenten Merbitz, der auch Vorstandsmitglied in ihren Kreis- und Landesverband ist, hören, denn er veranschaulicht das Rassismusproblem in seinem Kreuzer-Interview mit dem Kreuzer sehr deutlich.

Statt Mitgefühl mit den Opfern von rassistischen Übergriffen zu haben, reden Sie von einem Flüchtlingsproblem. Damit suggerieren Sie, wir hätten ein Problem mit den Menschen, die vor Krieg und Unterdrückung Zuflucht bei uns suchen. Sie bedienen damit Ressentiments.

Statt Ängste zu schüren, sollten wir helfen diese abzubauen. Zum Beispiel mit den kürzlich veröffentlichte Zahlen des BKA, diese machen deutlich, Flüchtlinge sind genauso wenig oder oft straffällig wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung.

Natürlich entstehen aus der hohen Anzahl an Flüchtlingen Herausforderungen für uns als Politiker und für die Verwaltung. Zunächst müssen Land und Bund sicherstellen, dass jeder Flüchtling auch registriert wird und es ein geordnetes Verfahren gibt.

Wir als kommunale Vertretung müssen vor Ort dafür sorgen, dass keine Obdachlosigkeit entsteht, was bisher gelungen ist. Die Kurzfristigkeit, in der das aktuell passiert, führt dazu, dass die Bedingungen in einigen Unterkünften nicht dem entsprechen, was wir unter menschenwürdig verstehen. Das heißt, über die kurzfristigen Lösungen hinaus müssen Kapazitäten geschaffen werden, die nach unseren Maßstäben menschenwürdig sind. Hierzu gehört neben Gemeinschaftsunterkünften auch die dezentrale Unterbringung im selbstbestimmten Wohnraum. Dabei dürfen Flüchtlinge und Menschen, die bereits länger in Leipzig leben, nicht gegeneinander ausspielt werden. Unterstützung bei der Wohnungsvermittlung muss allen Bedürftigen zu Gute kommen. Genauso wie ein Programm zum sozialen Wohnungsbau allen Leistungsempfängern nützt.

Selbiges gilt auch für den weiteren Ausbau der Betreuungskapazitäten und der Schullandschaft. Dieser ist geboten, denn es ist von herausragender Bedeutung, dass Flüchtlingskinder möglichst früh Kindergärten bzw. Schulen besuchen. Dort lernen sie nicht nur deutsch, sondern ihre Eltern und sie selbst kommen außerhalb von Flüchtlingsunterkünften in Kontakt zu Leipzigerinnen und Leipzigern. Das fördert Austausch und damit den Abbau von Vorurteilen.

Für erwachsene Flüchtlinge ist zunächst der Spracherwerb sehr wichtig. Er erleichtert das Zurechtkommen und steigert wie kaum eine andere Maßnahme die Integrationschancen, auch in den Arbeitsmarkt. Es ist daher zu begrüßen, dass der Freistaat Sachsen, nachdem er Leipzig lange mit dieser Aufgabe alleine gelassen hat, nun endlich den Spracherwerb finanziert. Innerhalb des Deutschunterrichts bzw. zusätzlich sollten darüber hinaus Integrationskurse angeboten werden, in den Wissen über deutsche Geschichte, Kultur, Werte sowie unsere Rechtordnung vermittelt wird.

Der Spracherwerb ist eine wesentliche Grundlage für Integration in Ausbildung oder Arbeitsmarkt ist. Unser Ziel muss es sein, Flüchtlinge möglichst schnell in Arbeit zu vermitteln, denn Arbeit ist Integration. Sie steigert das Selbstwertgefühl, da sie zu einem selbstbestimmten Leben führt, ohne auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Arbeit baut auch Vorurteile ab, denn der Fremde als Arbeitskollege ist mir auf einmal gar nicht mehr fremd. Die Stadtverwaltung kann hier mit gutem Beispiel vorangehen.

Wir stehen vor enormen Herausforderungen und dass obwohl Leipzig ein beispielhaftes Konzept zur Unterbringung hat, denn dieses umfasst neben dem einfachen Dach über Kopf, auch erste Maßnahmen zur Integration. So sucht der Betreuungsschlüssel von 1:50 deutschlandweit seinesgleichen und das Patenschaftsprogramm bringt gezielt Flüchtlinge mit Leipzigerinnen und Leipzigern zusammen.

Trotzdem wird es Rückschläge geben, die neue Ängste verursachen können. Ängste die durchaus natürlich sind. Diese Ängste müssen wir ernst nehmen, wir müssen zuhören, informieren und Antworten bzw. Lösungsansätze geben, ohne dabei unsere Grundwerte zu untergraben. Dabei brauchen wir Geduld. In diesem Zusammenhang bin ich Herr Prof. Fabian und Frau Kador-Probst sehr dankbar, dass diese bei größeren Unterkünften immer eine Infoveranstaltung durchführen und sich persönlich den Fragen und Ängsten der Anwohner stellen.

Unser Grundgesetz und vor allem auch unsere Werte gelten für alle unabhängig von Nationalität, Herkunft und Religion und unabhängig davon wie lange jemand bei uns lebt, darüber verhandeln wir nicht. Integration ist auch nicht einseitig, sie bedeutet für die Mehrheitsgesellschaft, dass sie sich bewegen und alte Muster überdenken muss. So sollte auch darüber nachgedacht werden dem Islam auch im Religions- bzw. Ethikunterricht einen größeren Anteil zu geben, denn auf diese Weise kann der Staat Lehrinhalte überprüfen und Hasspredigern das Wasser abgraben, denn Hassprediger und IS sind nicht der Islam. Der IS ist eine isolierte Minderheit im Islam, lassen sie uns daher bei Vorverurteilungen, wie nach den furchtbaren Terroranschlägen teilweise passiert, nicht mitmachen.

Führen wir uns bitte vor Augen, dass wegen des rassistischen und antisemitischen Ku-Klux-Klan, der Franco-Diktatur oder nach dem Massaker von Anders Breivik an 77 zumeist Kindern und  Jugendlichen auch keiner das Christentum in seiner Gesamtheit für diese Tat verantwortlich gemacht, auch wenn diese Täter ihr Handeln mit dem Christsein begründet haben.

Ich bin überzeugt davon, dass die aktuellen Schwierigkeiten, sei es bei der Registrierung von Flüchtlingen und der Unterbringung, gelöst werden. Vielleicht auch, weil wir in schwierigen Situationen auch unkonventionell handeln in dem wir zum Beispiel hohe Standards beim Wohnungsbau über Bord werfen und damit schneller werden und ähnlich wie seinerzeit beim Konjunkturprogramm zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist. Ein Staat, der handelt und Schwierigkeiten in den Griff bekommt, würde auch Ängste in der Bevölkerung abbauen, denn eine Überforderung bzw. Verunsicherung in Politik und Verwaltung schlägt sich ganz schnell auf die Bevölkerung durch.

In einer Demokratie gibt es Streit um Lösungen und die Suche nach Kompromissen. Das bedeute aber auch, dass Demokratie manchmal langsamer ist. Demokratie darf sich nicht Massenpsychosen hingeben oder einfachen populistischen Parolen folgen. Ich möchte daher den Bogen zum Anfang meiner Rede spannen und mit einem Plädoyer von Helmut Schmidt für unsere Demokratie und damit für unsere Werte wie Freiheit und Menschenwürde schließen. Werte nach denen sich viele Flüchtlinge, die zu uns kommen, sehnen, die gerade von Leipzig aus hart erkämpft wurden und angesichts von hunderten Übergriffen in Gefahr sind:

„Wir dürfen von unserer Demokratie keine Wunder erwarten oder gar verlangen. Sie bleibt mit ihren Schwächen und Unvollkommenheiten behaftet, und es wird auch immer Streit geben. Gleichwohl haben wir Deutschen angesichts unserer katastrophenreichen jüngeren Geschichte allen Grund, mit Zähigkeit an unserer Demokratie und an unserem sozialen Rechtsstaat festzuhalten, sie immer wieder zu erneuern, ihren Feinden aber immer wieder tapfer entgegenzutreten.“