Redner: Prof. Dr. Getu Abraham, Stadtrat
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
meine Damen und Herren,
es ist bereits viel Richtiges dazu gesagt worden – übrigens nicht nur hier, sondern auch im zuständigen Fachausschuss –, was eine lebendige Luppe braucht und was ihr im Weg steht.
Ich möchte daher gern eine leichte Fokusverschiebung vornehmen:
Sinn parlamentarischen Arbeitens ist es, sich mit offenen Fragen und Problemstellungen auseinanderzusetzen, darüber zu reden, zu diskutieren, um die besten Lösungen zu ringen und diese im besten Falle zu beschließen.
Dabei ist nicht jede dieser Fragestellungen grundsätzlicher Natur, nicht jede Problemstellung universal und kosmisch oder mindestens weltpolitisch. – Übrigens auch hier nicht. Das ist leider so, auch wenn das jetzt der einen oder dem anderen wehtut.
Und genau weil das so ist, gibt es eben Fachausschüsse, die in der Sache ein Anliegen bereits vorab diskutieren und für den weiteren parlamentarischen Arbeitsprozess aufbereiten. Deutsche Parlamente sind Arbeitsparlamente. Das gilt für den Bundestag, die Landtage – und es gilt für uns.
Seit Beginn dieser Wahlperiode (das ist mein Erlebnis) haben wir neben den Fragen, bei denen es tatsächlich um Entwicklung, Vereinbarung und Entscheidung geht, immer wieder – und leider nicht zu knapp – auch Zeit darauf verwandt, im großen Plenum über Dinge zu streiten, die weitgehend Konsens sind und in der Sache bereits stehen:
Bewilligte Förderprojekte! Noch einmal: Bewilligte Förderprojekte; ich kann viele Beispiele nennen:
Auch bei der Vorlage zur lebendigen Luppe, wie wir sie gerade vor uns haben, handelt es sich um ein solches Projekt. Es handelt sich um eine Projektidee, die so, wie sie formuliert worden ist, den Projektträger/Drittmittelgeber davon überzeugen konnte, dieses Vorhaben der Stadt Leipzig mit einer Fehlbedarfsförderung von fast 90% extern zu unterstützen.
Das konnte nur gelingen – und diejenigen von Ihnen, die nicht nur in der Drittmitteleinwerbung unterwegs sind, sondern dort erfolgreich unterwegs sind, wissen, wovon ich spreche –, das konnte nur gelingen, weil ein überzeugender Antrag viel und intensive Vorarbeit leisten muss: Zielstellungen eruieren, Zeit- und Maßnahmenpläne definieren, Kosten- und Finanzierungspläne aufstellen.
Je überzeugender und fundierter eine solche Vorarbeit geleistet wird, desto wahrscheinlicher, dass Sie am Ende für Ihre Idee Geld in der Tasche haben. Und – nun mit Blick auf unsere Vorlage: Herr Rosenthal hat das Geld in der Tasche, Gratulation.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung kenntnisreich an die Erarbeitung eines Projektantrags gemacht haben; die beschriebene Idee hat in dieser Darstellung auch einem externen Gutachten standgehalten.
Auch hier wissen diejenigen von Ihnen, die mit Fördermittelakquise befasst sind, dass einem solchen Gutachten standzuhalten, je nach Summe um die es geht, mitunter nicht ohne ist.
Und was machen wir hier im Rat?
Wir diskutieren mit Vorliebe darüber, wie wir Ziele, Inhalte und Meilensteine bewilligter Projekte retrospektiv verändern können und überbieten uns dabei gegenseitig mit Änderungsanträgen zu Änderungsanträgen.
Überbieten uns mit diesen Änderungswünschen anstatt unsere Zeit kurz, prägnant und konzentriert dafür zu nutzen, einem offensichtlich überzeugenden Projekt den Weg zur Umsetzung freizumachen.
Ich komme deshalb noch einmal zu meinem Ausgangsgedanken zurück:
Viel Verständigung in der Sache kann – wenn das gewollt ist – im Fachausschuss laufen. Gerade dann, wenn es darum geht, bewilligte Drittmittel in die Umsetzung zu überführen.
Ich empfehle uns allen auch – das geht sowohl in Richtung der Verwaltung, lieber Herr Oberbürgermeister, als auch unser Plenum –, künftig Debatten zu Inhalten eines zu beantragenden Drittmittelprojektes im engen Wechselspiel zwischen Rat und Verwaltung vor der Antragstellung zu führen. Einfach, um Ideen bereits in die Antragsentwicklung besser integrieren oder sie verwerfen zu können. Vor allem aber um mögliche förderschädliche Entscheidungen des Rats im Nachgang zu vermeiden.
Ich komme zum Schluss: Mehr Ideendebatte und Disziplin in den Ausschüssen als Arbeitsgremien würde auch uns Stadträtinnen und Stadträten helfen, intensiv, konstruktiv und v.a. gelassen, vielleicht sogar ohne überflüssige Showeinlagen, an den besten Lösungen zu feilen.
Vielleicht schaffen wir es so auch, unser Beschlusspensum – für das die Ratsversammlung eigentlich gedacht ist – endlich wieder wie früher in einer anstatt, wie inzwischen üblich, zwei bis drei Ratsversammlungen pro Monat zu absolvieren. Unser berufliches und familiäres Leben im Ehrenamt wird uns das vielleicht ebenso danken wie Leipzigs Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Vielen Dank!