Schlagwortarchiv für: Migrantenbeirat

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Christopher Zenker

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
werte Gäste,

der Vorschlag, den uns die Verwaltung zur Einrichtung des Migrantenbeirats vorgelegt hat, ist gut und es ist vor allem kein fauler Kompromiss, denn er greift Anliegen des Stadtrates von vor sechs Jahren genauso auf, wie einen Teil der Diskussionen der jüngeren Vergangenheit.

Ich selbst habe aus den Diskussionen viel mitgenommen und auch meine eigenen Positionen überdacht und neu justiert. So muss das auch sein. Ich musste zum Beispiel lernen, was wir alles nicht statistisch erfassen, dass Migration beispielsweise nicht explizit im Melderegister erfasst wird. Das ist im Grunde auch gut so, denn eigentlich finde ich Listen, die sich daraus erstellen ließen, durchaus problematisch.

Für mich sind Leipzigerinnen und Leipziger Menschen, die in Leipzig leben, insbesondere dann, wenn ihr Hauptwohnsitz hier bei uns ist. Dasselbe ließe sich vielleicht auch für Deutschland sagen, aber im Gegensatz zu kommunalen Ebene, wo es das nicht gibt, haben wir ein Staatsbürgerschaftsrecht. Sobald jemand die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, ist er oder sie definitiv Deutsche oder Deutscher. Da möchte ich auch keine Deutschen 1. und 2. Klasse und ich möchte auch keine Unterscheidung in Deutsche mit oder ohne Migrationshintergrund.

Mir ist allerdings wichtig, dass wir bei diesem Thema endlich zu einem Ende kommen und einen Kompromiss finden, mit dem alle – oder zumindest die meisten – leben können. Deshalb haben wir Fraktionsvorsitzende, die den gemeinsamen Änderungsantrag gestellt haben – vielen Dank dafür an die Kollegen Tornau, Morlok und Pellmann – versucht, einen gangbaren Weg zu finden und deshalb schlagen wir die Ergänzung der Wahlberechtigung für Eingebürgerte und Spätaussiedler vor, weil dies auch mit entsprechenden Dokumenten die in Behörden vorliegen nachgewiesen werden kann.

Dennoch wird dies auch innerhalb meiner Fraktion kritisch gesehen, denn mein Fraktionskollege Getu Abraham, der selbst eine Migrationsgeschichte hat, hätte mit dem Verwaltungsstandpunkt gut leben können, weil er als Deutscher nun passives und aktives Wahlrecht hat und somit seine Interessen vertreten kann. Andererseits hat sich ein anderer Bekannter von mir, der schon vor Jahren eingebürgert wurde, deutlich für eine Weiterfassung der Wahlberechtigten ausgesprochen, weil er der Ansicht ist, dass die Eingebürgerten wichtige Erfahrungen haben, die im Migrantenbeirat vielleicht hilfreich wären. Beide Ansichten haben ihre Berechtigung und sind nachvollziehbar.

Mit der Regelung, dass diejenigen, die selbst eingebürgert wurden oder als Spätaussiedler in die Bundesrepublik kamen, ein Wahlrecht für den Migrantenbeirat bekommen sollen, verhindern wir zugleich, dass das Wahlrecht für den Migrantenbeirat interpretierbar wird, wenn die Wahlberechtigung keinen klaren Kriterien unterliegt. Wir machen klar, dass wir in diesem Zusammenhang die Menschen inkludieren, die selbst nach Deutschland gekommen sind und nicht noch deren Kinder, die zwar einen Migrationshintergrund, aber eben keine eigene Migrationsgeschichte haben.

Damit bin ich dann auch bei den Änderungsanträgen:

Wir lehnen aus genannten Gründen ab, dass auch die Kinder von Eingebürgerten das Wahlrecht für den Migrantenbeirat erhalten, weil wir eben nicht in Deutsche 1. und 2. Klasse unterscheiden wollen. Auch in der zweiten Säule neben dem Regionalproporz auch eine Geschlechterquote zu installieren, halten wir für nicht umsetzbar und lehnen das deshalb ab. Der Änderungsantrag der Linken wird durch den gemeinsamen Antrag der vier Fraktionsvorsitzenden hoffentlich überflüssig, hier haben wir zudem die Problematik, dass der Begriff „1. Generation“ unterschiedlich definiert werden kann. Jetzt zum Änderungsvorschlag der Grünen: Ich will ehrlich sein, aber dieser Antrag lässt mich nach fünf Jahren Diskussion zum Thema fassungslos zurück. Warum? Es werden Punkte beantragt, die in der Diskussion im Migrantenbeirat schnell verworfen wurden und das schon vor Jahren und der Regionalproporz, der aus meiner Sicht ein wichtiger Baustein ist, wird über den Haufen geworfen. Was mich tatsächlich aber fast sprachlos macht, ist die im Grünen-Antrag enthaltene „Demokratieklausel“. Bei Vereinen haben Sie immer dagegen gekämpft, aber Bewerber für den Migrantenbeirat müssen ihre Verfassungstreue vorab versichern. Da stellt sich mir die Frage, liebe Grüne: Stellen Sie Migrantinnen und Migranten unter Generalverdacht? Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das als Stadtratskandidaten vorab unterschreiben mussten, auch für eine Bundestags- bzw. Landtagskandidatur ist mir das nicht bekannt.

Ich hoffe sehr, dass wir heute zu einer Lösung, zu einem guten Kompromiss finden. Die Karten liegen auf dem Tisch. Nach fünf Jahren wird es nun wirklich Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen. Weitere fünf Jahre möchte ich diese Diskussionen auch nicht führen wollen.

Vielen Dank!

Redner: Prof. Dr. Getu Abraham, Stadtrat

Prof. Dr. Getu Abraham

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
meine Damen und Herren,

selbst als Betroffener fällt es mir echt schwer, inkognito zu bleiben und über dieses Thema nicht zu reden – gleichzeitig mache ich mir echte Sorgen, wofür diese ganze Debatte um den einen, ich betone, den einen Beirat unter vielen im Rat gut sein soll und das seit über 5 Jahren. Dieser Beirat soll nach meinem Verständnis eine Brücke zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, also jenen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, schaffen.

Ich bin nun seit mehr als 30 Jahren in Leipzig. Diese Stadt bietet viele Chancen – und sie hat sie auch mir geboten.

Der Weg als Migrantin, als Migrant ist nicht immer einfach, wenn es darum geht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Und aus eigenem Erleben kann ich Ihnen sagen: Selbst wählen zu können und andererseits selbst gewählt zu werden – also Dinge, die in einem demokratischen Rechtsstaat für Sie alle, wie Sie hier sitzen, selbstverständlich sind. Wenn man jedoch nicht von Geburt an den „Heimvorteil“ besitzt, ist es das eben nicht.

„Nicht selbstverständlich“ heißt aber eben nicht „unmöglich“.

Wenn sich Chancen bieten, ist es keineswegs ehrenrührig, diese auch zu ergreifen. Das setzt aber auch eigene Initiative voraus. Oft auch Zeit und Kraft. Dennoch: Es lohnt sich!

Der Vorschlag der Verwaltung öffnet eine Tür, wie sich auch diejenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die nicht (oder noch nicht) über die Möglichkeit der unmittelbaren Wahl verfügen, in unsere Gesellschaft einbringen können.

Und genau deshalb fokussiert diese Vorlage richtig: Es geht darum, Menschen vorzubereiten, sie zu stärken, sie für die Beteiligung an eine demokratisch verfasste Gesellschaft zu befähigen, in der sie nicht nur zuschauen und abnicken, sondern schließlich auch aktiv mitgestalten sollen können.

Menschen einen guten und nachhaltigen Weg aufzuzeigen, wie sie in unserem Gemeinwesen ihre Rechte selbstbewusst und ihre Pflichten verantwortungsbewusst wahrnehmen – DARUM geht es bei Integration und Inklusion.

UND: Es geht um das Zusammenführen von Menschen. Nicht um die Spaltung der Gesellschaft.

Der Verwaltungsvorschlag setzt auf transparente Kriterien, die dabei helfen sollen, unsere Gesellschaft – auch die postmigrantische – im Migrantenbeirat repräsentativ und ausgewogen widerzuspiegeln.

Einige der Änderungsanträge z.B. der Grünen-Fraktion aber auch der Linken setzt hingegen auf schlichte Mehrheiten im Rat.

Mir macht das, ehrlich gesagt, Sorgen. Denn nicht nur diejenigen, die Migranten-Wählervereine im Rücken haben und über gute Netzwerke verfügen, und vermutlich genau deshalb besonders interessant für manche politische Strategien scheinen, haben etwas mitzuteilen.

Es gibt auch die anderen. Und deren Recht auf Mitwirkung schützt der grüne und linke Änderungsantrag nicht, sondern allein der Verwaltungsvorschlag.

Lassen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb den Vorschlag der Verwaltung als guten und um Ausgleich bemühten Kompromiss unterstützen. Einen, der Mitwirkung stärkt – und Menschen mit Migrationsgeschichte nicht zuerst als Instrument politischer Eigeninteressen begreift.

Vielen Dank!