Rednerin: Nicole Wohlfarth, Stadträtin der SPD-Fraktion
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
werte Stadtratskollegen und Gäste,
den vorliegenden Antrag zur Einführung der Ortschaftsverfassung wird meine Fraktion mehrheitlich ablehnen, was ich Ihnen nachfolgend begründen möchte.
Die Ausdehnung der Ortschaftsverfassung auf das Stadtgebiet Leipzig ist zwar rein theoretisch möglich, führt aber in der Praxis zu erheblichen Veränderungen in der städtischen Organisation und verfehlt den Ansatz, die von der LINKEN postulierte demokratische „Ungleichstellung der Bürger zu überwinden.“
Betrachten wir zunächst einmal die Historie: Die 10 Stadtbezirke Leipzigs sind willkürlich festgelegte Verwaltungseinheiten ohne historischen Bezug zueinander und höchst unterschiedlichen Prägungen innerhalb ihrer Grenzen. Wunderbar sichtbar wird dies bei der vergleichenden Betrachtung vom innerstädtischen Reudnitz mit Meusdorf, das überwiegend von Einfamilienhäusern geprägt ist. Weder lassen sich die Stadtbezirke untereinander noch die Ortsteile innerhalb eines Stadtbezirks räumlich voneinander abgrenzen. Bei Ortschaften sieht das anders aus. Den historisch eigenständig gewachsenen, oftmals räumlich abgrenzbaren Ortschaften, sollte mittels Sonderrechten eine Brücke gebaut werden, um im Stadtgebiet anzukommen. Die Intention des Gesetzgebers war hier, das Zusammenwachsen zu fördern.
Genau dem läuft der Antrag, der Fraktion die LINKE entgegen und schafft nur neue Unsicherheiten in den Zuständigkeiten. Sie suggerieren hier, dass mehr Entscheidungen vor Ort getroffen werden können, was aber de facto nicht zutrifft. Stattdessen erwartet uns ein Gezänk darüber, wer nach §67 (2) SächsGemO zuständig ist. In jedem Einzelfall müsste geprüft werden, ob das Vorhaben gesamtstädtische Bedeutung hat oder nicht. Die Hoffnung manches Stadtbezirksbeirates, mit der Ausdehnung der Ortschaftsverfassung eine Schule bauen zu können, lässt sich so nicht erfüllen. Auch für die Menschen in den Stadtbezirken entsteht ein undurchdringliches Chaos, wer für ihr Anliegen zuständig ist. Hier entsteht keine stärkere lokale demokratische Einbindung, sondern bereits eine unnötige Verwirrung, die alle Beteiligten frustrieren und unser Demokratie schaden wird.
Bisher reicht es aus, dass die Stadträte das Wohl der gesamten Stadt im Blick behalten müssen, auch wenn es so vorkommen kann, dass örtliche sehr begrenzte Wünsche nicht erfüllt werden können. Die Entscheidungen, die dann tatsächlich vor Ort getroffen werden können, werden dazu führen, dass wir weitere Ehrenamtliche mit den Fragen nach rechtlichen Rahmenbedingungen, Vergaberecht und Rechungsprüfung beauftragen müssen und das Ehrenamt nicht nur ausbauen sondern auch belasten. Bitte bedenken Sie dass auf diesem Weg auch bedeutend mehr Personal in der Verwaltung notwendig sein wird, um die Rechte vor Ort abzusichern und somit unserem Haushalt höhere Kosten entstehen werden.
Eine theoretisch zwar mögliche Lösung wäre es, für jeden Ortsteil des Stadtgebietes
einzelne Ortsteilräte einzurichten. Bei 95 Ortsteilen innerhalb des Stadtgebietes zerfasern wir uns allerdings selbst, weil Vorlagen, die überall beraten werden müssen, dann ewig durch die Gremien unterwegs sind. Schnelles Reagieren oder Agieren würde auf diese Weise unmöglich. Und nicht in jedem Fall ist ein ehrenamtlicher Vorsitz ein Zugewinn für das betreffende Gremium. Die Verwaltungsmitarbeiter, die selbst unentgeltlich und neben ihrer vollen Berufstätigkeit in der Stadtverwaltung für die Anliegen der Stadtbezirksbeiräte da sind, sind ein großer Gewinn. Haben Sie doch oft einen großen Erfahrungsschatz und wissen genau, wer zuständig ist und wie Verfahren ablaufen.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass von Seiten der Verwaltung der Schritt auf Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte zugegangen wird, um die Verbesserung und vielleicht auch Veränderung der Arbeit gemeinsam zu erarbeiten. Für dieses Vorgehen, das längst überfällig war und alle Beteiligten einbindet, anstatt Ihnen etwas überzustülpen, möchte ich Herrn Bürgermeister Hörning an dieser Stelle ausdrücklich danken. Als Fraktion steht für uns das Verbindende im Fokus, Leipzig soll nicht nur gemeinsam wachsen, sondern auch zusammenwachsen.