Redner: Prof. Dr. Getu Abraham, Stadtrat

Prof. Dr. Getu Abraham

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
meine Damen und Herren,

selbst als Betroffener fällt es mir echt schwer, inkognito zu bleiben und über dieses Thema nicht zu reden – gleichzeitig mache ich mir echte Sorgen, wofür diese ganze Debatte um den einen, ich betone, den einen Beirat unter vielen im Rat gut sein soll und das seit über 5 Jahren. Dieser Beirat soll nach meinem Verständnis eine Brücke zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, also jenen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, schaffen.

Ich bin nun seit mehr als 30 Jahren in Leipzig. Diese Stadt bietet viele Chancen – und sie hat sie auch mir geboten.

Der Weg als Migrantin, als Migrant ist nicht immer einfach, wenn es darum geht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Und aus eigenem Erleben kann ich Ihnen sagen: Selbst wählen zu können und andererseits selbst gewählt zu werden – also Dinge, die in einem demokratischen Rechtsstaat für Sie alle, wie Sie hier sitzen, selbstverständlich sind. Wenn man jedoch nicht von Geburt an den „Heimvorteil“ besitzt, ist es das eben nicht.

„Nicht selbstverständlich“ heißt aber eben nicht „unmöglich“.

Wenn sich Chancen bieten, ist es keineswegs ehrenrührig, diese auch zu ergreifen. Das setzt aber auch eigene Initiative voraus. Oft auch Zeit und Kraft. Dennoch: Es lohnt sich!

Der Vorschlag der Verwaltung öffnet eine Tür, wie sich auch diejenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die nicht (oder noch nicht) über die Möglichkeit der unmittelbaren Wahl verfügen, in unsere Gesellschaft einbringen können.

Und genau deshalb fokussiert diese Vorlage richtig: Es geht darum, Menschen vorzubereiten, sie zu stärken, sie für die Beteiligung an eine demokratisch verfasste Gesellschaft zu befähigen, in der sie nicht nur zuschauen und abnicken, sondern schließlich auch aktiv mitgestalten sollen können.

Menschen einen guten und nachhaltigen Weg aufzuzeigen, wie sie in unserem Gemeinwesen ihre Rechte selbstbewusst und ihre Pflichten verantwortungsbewusst wahrnehmen – DARUM geht es bei Integration und Inklusion.

UND: Es geht um das Zusammenführen von Menschen. Nicht um die Spaltung der Gesellschaft.

Der Verwaltungsvorschlag setzt auf transparente Kriterien, die dabei helfen sollen, unsere Gesellschaft – auch die postmigrantische – im Migrantenbeirat repräsentativ und ausgewogen widerzuspiegeln.

Einige der Änderungsanträge z.B. der Grünen-Fraktion aber auch der Linken setzt hingegen auf schlichte Mehrheiten im Rat.

Mir macht das, ehrlich gesagt, Sorgen. Denn nicht nur diejenigen, die Migranten-Wählervereine im Rücken haben und über gute Netzwerke verfügen, und vermutlich genau deshalb besonders interessant für manche politische Strategien scheinen, haben etwas mitzuteilen.

Es gibt auch die anderen. Und deren Recht auf Mitwirkung schützt der grüne und linke Änderungsantrag nicht, sondern allein der Verwaltungsvorschlag.

Lassen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb den Vorschlag der Verwaltung als guten und um Ausgleich bemühten Kompromiss unterstützen. Einen, der Mitwirkung stärkt – und Menschen mit Migrationsgeschichte nicht zuerst als Instrument politischer Eigeninteressen begreift.

Vielen Dank!