Rede zur Vorlage „Individuelle Förderung durch den Leipzig-Pass: Anpassung an die neue Sozialgesetzgebung“
Redner: Prof. Dr. Thomas Fabian, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr amtierender Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste!
„Deutschland ist ein reiches Land. Der großen Mehrheit der hier lebenden Menschen geht es gut. Aber Armut und soziale Ausgrenzung sind nicht nur Randphänomene, Armutsrisiken können auch die Mitte der Gesellschaft bedrohen.“ So lauten die ersten drei Sätze des zweiten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung mit dem Titel „Lebenslagen in Deutschland“. Die Ergebnisse dieses Berichts zeigen, dass soziale Ungleichheit in den letzten Jahren gewachsen ist.
Offensichtlich werden immer breitere Bevölkerungskreise von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Dies gilt auch für Leipzig. Wir brauchen nur einen Blick in den Jahresbericht Sozialhilfe 2004, der heute als Informationsvorlage auf der Tagesordnung steht, zu werfen, oder uns die Zahl der ALG-II-Bedarfsgemeinschaften vor Augen zu halten, um diesen Trend zu erkennen. Ich möchte lediglich ein Ergebnis aus dem Jahresbericht zur Sozialhilfe herausgreifen: Jedes fünfte Kind im Alter zwischen drei und sieben Jahren war im Jahr 2004 auf Sozialhilfe angewiesen.
Es hilft den betroffenen Menschen wenig, wenn darüber gestritten wird, ob das Konzept der relativen Armut heute überholt und das eigentliche Problem die soziale Ausgrenzung sei. Selbstverständlich ist Geld nicht alles. Mangelnde Bildung ist gewiss eines der Hauptprobleme von Bevölkerungsgruppen, die sich am Rand der Gesellschaft bewegen. Wir würden aber einen großen Fehler begehen, wenn wir die Zusammenhänge zwischen materieller Armut und anderen Formen der Benachteiligung übersehen.
Es gehört zu den Aufgaben der Kommunalpolitik, sozialer Ausgrenzung entgegenzuwirken und die Chancen für soziale Teilhabe von Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen zu verbessern.
Der Leipzig-Pass ist eine sehr gute Möglichkeit, Menschen mit geringem Einkommen individuell zu fördern. Mit finanziellen Vergünstigungen bei Eintrittspreisen in städtischen Kultureinrichtungen und Zuschüssen für die Kinder- und Schülerspeisung wird sozialer Ausgrenzung entgegengewirkt.
Der Leipzig-Pass hat sich bewährt und soll weitergeführt werden. Allerdings werden wir einer Absenkung der Zuschüsse für die Verpflegung in Kindertagesstätten und für die Schülerspeisung in der von der Verwaltung vorgesehenen Höhe nicht zustimmen. In der Vorlage werden mehrere wichtige Gründe genannt, warum der Speisungszuschuss auch weiterhin gewährt werden soll. Der Speisungszuschuss erfüllt jedoch erst dann seinen Zweck, wenn er in einer relevanten Höhe erfolgt. Eine erhebliche Kürzung ist also aus gesundheits- und bildungspolitischer Sicht nicht vertretbar.
Die SPD-Fraktion hat sich mit der Fraktion der Linkspartei und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf eine gemeinsame Neufassung der Änderungsanträge 1 bis 3 verständigt. Wir beantragen also, die Kürzungen bei den Zuschüssen für die Verpflegung in Kindertagesstätten und für die Schülerspeisung auf zehn bzw. elf Cent zu begrenzen. Da der Speisungszuschuss den größten Teil der Kosten verursacht – die meisten anderen Vergünstigungen führen nur zu Mindereinnahmen – werden wir also angesichts der schwierigen Haushaltslage eine geringfügige Kürzung dieses Zuschusses akzeptieren. Damit werden die Kosten für den Leipzig-Pass im Jahr 2006 zwar nicht gesenkt, aber auch nicht wesentlich gesteigert.
Die CDU-Fraktion möchte den Leipzig-Pass grundsätzlich verändern. Vergünstigungen zugunsten elementarer Bedürfnisse sollen Vorrang vor Vergünstigungen für Freizeitangebote erhalten. Vergünstigungen, die unmittelbar Kindern und Jugendlichen zugute kommen, sollen ebenfalls Vorrang erhalten. Dazu ist folgendes zu sagen: Der Leipzig-Pass dient nicht vorrangig der Befriedigung elementarer Bedürfnisse, dafür gibt es Sozialhilfe und andere staatliche Transferleistungen. Der Leipzig-Pass soll vielmehr die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben erleichtern, und zwar persönlichen Interessen entsprechend – dazu kann auch der Besuch des Gohliser Schlösschens gehören – und für alle Altersgruppen. Der Leipzig-Pass sollte nicht auf einen Leipziger Kinder-Pass begrenzt werden.
Die SPD-Fraktion wird nach Annahme der Neufassung der Änderungsanträge 1 bis 3 der Vorlage in der Fassung vom 22. November 2005 zustimmen.