Rede zum Antrag „Abberufung und Neubesetzung des Betriebs- und Fachausschusses Kultur“ – Axel Dyck: In deutschen Parlamenten haben Stasizuträger keinen Platz

Redner: Axel Dyck, Fraktionsvorsitzender

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste!

Eigentlich diskutieren wir heute nicht über die Abberufung des Kulturausschusses, sondern über eine Empfehlung des Bewertungsausschusses. Und diese lautete: „Der Leipziger Stadtrat fordert Herrn Dr. Volker Külow auf, sein Mandat umgehend niederzulegen, um auf diese Weise Verantwortung für seine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit während der DDR-Zeit zu übernehmen.“
Ein Antrag dazu war aber nicht rechtskonform und konnte deshalb im Rat nicht beschlossen werden.

Mal sehen wie es in Dresden aussieht, da wird ja auch noch über sein Landtagsmandat entschieden.
Der angemahnten Verantwortung ist Herr Külow bekanntermaßen selbst nicht nachgekommen.   
Ich finde es richtig und wichtig, dass wir Stadträte nunmehr die Möglichkeit zur Stellungnahme, wenn auch über einen selbst eröffneten Umweg bekommen. Obwohl ich zum Antrag selbst kritische Anmerkungen machen werde, dafür erstmal vielen Dank an die Einreicher.

Die SPD-Fraktion hat von Anfang an die Empfehlung des Bewertungsausschusses zum Ausschluss von Herrn Külow aus dem Stadtrat unterstützt und mindestens eine Ämterniederlegung seiner Ausschusssitze erwartet.
Damit erst gar keine Missverständnisse aufkommen. Dies fordern wir auch heute mit allem Nachdruck.

Ich werde mich an dieser Stelle nicht mit den Ansichten und Meinungen Herrn Külows zum Thema Bespitzelung auseinandersetzen. Das Thema ist zu umfassend um hier sowohl im Speziellen als auch im Allgemeinen hinreichend ausdiskutiert zu werden. Aber seine aktuellen Äußerungen zur Stasi im Zusammenhang mit einer Veranstaltung in Leipzig rund um Stasigeneral Großmann lassen schon die Schlussfolgerung aufkommen, dass das, was Herr Külow als noble Entschuldigung bisher anbrachte, in die Nähe einer Heuchelei gerückt werden kann.

Und für mich steht auch fest: In deutschen Parlamenten haben Stasizuträger keinen Platz. Das hat ganz einfach etwas mit Anstand zu tun und nichts mit Gesetzesauslegungen.

Und als letztes hierzu, vor allem auch in Bezug auf die neue Diskussion um die Birthler-Behörde und die dabei aufkommende Reduktion der DDR/SED-Aufarbeitung auf die Stasi-Problematik – das gefällt natürlich einigen – aber auch im Hinblick auf die bevorstehende Würdigung des 9. Oktober und dem daraus folgenden Ende der DDR:
„Es hätte keine Stasi ohne die SED gegeben, aber 40 Jahre SED-Diktatur hat es nur mit der Stasi gegeben.“

Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Linksfraktion appellieren, mit aller Entschiedenheit eine Niederlegung des Mandates Dr. Külow herbeizuführen. Die Verantwortung dafür liegt nunmehr allein bei Ihnen, da die Gesetzeslage keine andere Möglichkeit hergibt.
In diesem Hause ist es bisher meist so gewesen – einige Ausnahmen natürlich bei der PDS – dass die Fraktionen den Forderungen des Bewertungsausschusses nachgekommen waren. Das sind mit Sicherheit keine einfachen Entscheidungen gewesen, wenn ich an einige Fälle in den 90er Jahren erinnern darf; die im Übrigen auch meine Fraktion betrafen.

Nun konkret zum Antrag:
Da wie gesagt, die Gesetzlichkeiten einen Ausschluss von Herrn Külow aus dem Stadtrat oder seiner Arbeitsgremien leider nicht hergeben, ist aus unserer Sicht der beantragte Weg über die Auflösung und Neubesetzung des Kulturausschusses und des Betriebsausschusses Kultur nicht Ziel führend und wird von uns abgelehnt.

Aus meiner Sicht ist der Antrag aber auch kontraproduktiv. Warum?
Herr Külow ist bei einer Neubesetzung des Ausschusses, solange er von seiner Fraktion aufgestellt wird und daran ist nicht zu zweifeln, er ist schließlich der örtliche Parteichef, wieder drin. Das Ende vom Lied wird sein: Herr Külow ist im Ausschuss und unter Umständen sind Stadträte der FDP/Bürgerfraktion oder von Bündnis 90/Die Grünen nicht mehr darin vertreten. Das wollen wir nicht.

Es wird darauf hinaus laufen, dass, sofern kein Einverständnis zwischen den Fraktionen bei der Besetzung von Ausschüssen und anderer Gremien mehr erzielt werden kann, wie es bisher ja seit 1994 guter Brauch war – eine komplizierte geheime Mehrheits- und Verhältniswahl zu erfolgen hat. Dies würde aus unserer Sicht die Stadtratstätigkeit nachhaltig negativ beeinflussen und den Stadtrat insgesamt beschädigen. Das wollen wir nicht und nur deshalb sind wir gegen den Antrag. Wir wollen nicht über eine „Lex Külow“ ein Fass aufmachen, wo der Wein sauer wird und wir dann nicht mehr wissen, an welcher Stelle der Essig unsere wichtige Arbeit nachhaltig ungenießbar macht.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Politik macht oft traurig: Man muss manchmal etwas rational ablehnen, obwohl man von Herzen dafür ist. Für viele eine schwer verdaubare Kost.
Wenn der Antrag die öffentliche Diskussion über das Mandat Külow und die Stellung seiner Fraktion dazu und zu ihm zum Ziel hatte, dann ist das Ziel erreicht und der Antrag kann zurückgezogen werden.