1. Wie beurteilt die Stadtverwaltung diese Problematik?

Mit der Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung vom 28. April 2021 und der daraus im Rahmen der Mobilitätsstrategie Leipzig 2030 resul­tierenden vermehrten ver­kehrsrechtlichen Anordnung von Radver­kehrsanlagen haben sich die Park- und insbesondere Haltemög­lichkeiten für die angefragten Verkehrsteilnehmer verschlechtert. Insbesondere einfache Liefertä­tigkeiten sind in den Straßen, wo Radschutzstreifen und Radfahr­streifen eingerichtet wurden, kaum oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich. Hier wirkt sich zudem die Verschärfung des Bußgeldkataloges aus.

In anderen Bereichen ist das Parken und Halten, wenn auch mit ei­nem größeren Zeitaufwand oder mit Gebühren in Bereichen mit Parkraumbewirt­schaftung verbunden, durchaus möglich.

  1. Welche neuralgischen Straßenzüge und Viertel sind der Verwaltung bekannt, in denen eine Anlieferung, eine Reparaturleistung oder Versorgung durch einen Pflegedienst aus o.g. Gründen schwierig ist?

Der Verwaltung ist die Problematik ebenso bekannt wie bewusst. Sie besteht insbesondere in den Geschäftsstraßen der Stadt sowie in den dicht bebauten Gründerzeitvierteln. Hier kommen eine hohe und vielfältige Nutzungsdichte mit ihren unterschiedlichen Anforderungen und ein begrenzter öffentlicher Raum, sowie im Einzelfall, siehe die Gottschedstraße, auch Verkehrseinschränkungen durch private Hochbaumaßnahmen zusammen.

  1. Wie gedenkt die Verwaltung mit dieser Problematik umzugehen?

Grundsätzlich kann die Verwaltung diese Problematik nicht allein durch eigenes Handeln auflösen: Sie kann weder den Kfz-Bestand in Leipzig administrativ steuern noch den öffentlichen Raum vergrö­ßern und sie ist an die Regelungen der Straßenverkehrs-Ordnung ge­bunden.

Über die vom Stadtrat beschlossene Mobilitätsstrategie Leipzig 2030 mit ihren Maßnahmen ist es aber unser gemeinsames Ziel, den Anteil des individuellen Kfz-Verkehrs in der Stadt zu redu­zieren, damit der begrenzte Raum für den Kfz-Verkehr verfügbar ist, für den es keine Alternative gibt. Dazu gehört ein erheblicher Teil des Liefer- und Dienstleistungsverkehrs.

An Geschäftsstraßen und den dort einmündenden Nebenstraßen werden seit Längerem Bereiche eingeschränkten Halteverbotes ausgewiesen. In diesen darf nicht geparkt, aber eben z.B. für Liefe­rungen gehalten werden. Solche Bereiche gibt es auch in und im Umfeld der Gottschedstraße. Da die Straßenverkehrs-Ordnung je­doch keine Reservie­rung solcher Flächen für bestimmte Nutzergrup­pen kennt, können sie von jedermann zum Zwecke des Haltens ge­nutzt werden und stehen so nicht immer und ausschließlich z. B. für Handwerker oder Lieferdienste zur Verfügung.

Die Prüfung und Erteilung von Anträgen auf Ausnahmegenehmi­gungen nach § 46 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung ist in Leipzig seit Jahren tägliches Verwaltungshandeln des Ordnungsamtes. Hier gehen Anträge von Gewerbetreibenden ein, bei denen die Durch­führung von Hand­werks-serviceleistungen absehbar einen ganzen Tag oder länger an­dauert. Zu den öffentlich zugängigen Prüfkriterien zählt auch die Be­rücksichtigung von Fahrzeugen, die über eine ent­sprechende Innen­ausstattung verfügen, die es zwingend notwendig macht, dass das Fahrzeug in unmittelbarer Nähe des Einsatzortes abgestellt wird. Dass Handwerker, Kundendienstleister oder Pflege­dienste auf ihre Fahrzeuge angewiesen sind, ist nachvollziehbar und verständlich. Genauso gilt aber auch, dass eben nicht bei jedem Ein­satz das Fahrzeug in unmittelbarer Nähe begründet benötigt wird, wie bspw. allgemein bei Lieferanten.

So gibt es seit Jahren in Zusammenarbeit mit der Kreishandwerker­schaft die Möglichkeit, auf Antrag nach § 46 Abs. 1 Straßen­verkehrs-Ordnung ein sogenanntes Handwerkerheft zu erhalten. Dieses können Hand­werksbetriebe nutzen, die häufiger an einem Tag an unterschiedli­chen Orten im Stadtgebiet Aufträge ausführen. Das Handwerkerheft enthält 50 Einzel-genehmigungen zum Parken an maximal vier Ein­satzorten im eingeschränkten Haltverbot bzw. an Parkscheinauto­maten ohne Bezahlung (mit Parkscheibe) bis max. zwei Stunden je Einsatzort, im Einzelfall verlängerbar.

Weiterhin wurde mit der Einführung des Bewohnerparkens im Wald­straßenviertel durch den Beschluss des Oberbürgermeisters Nr. VI-DS-03681-DS-07 vom 03.12.2019 allen Gewerbetreibenden mit Hauptniederlassung in einem Bewohnerparkbereich die Möglichkeit gegeben, zwei Ausnahmegenehmigungen zum Parken in selbigem Bereich zu beantragen.

Grundsätzlich ist im Straßenverkehr auf eine Gleichbehandlung aller Teilnehmer zu achten. Die Straßenverkehrs-Ordnung sieht Sonder­rechte für zugehörige Fahrzeuge bestimmter Berufsgruppen vor. Diese sind abschließend in § 35 Straßenverkehrs-Ordnung be­nannt. Eine Ausnahme vom verkehrsbezogenen Verbot darf daher nur in besonderen Fällen und nur sehr restriktiv erteilt werden. Es müsste im Einzelfall für die­sen konkreten Antragsteller eine beson­dere Härte nachgewiesen werden, sich an die Vorschrift der Stra­ßenverkehrs-Ordnung zu halten. Die pauschale Gewährung von Ausnahmegenehmigungen auf Antrag für jeden Lie­feranten für Gastronomen, Gewerbetreibende, Handwerker und am­bulante Pfle­gedienste ist schon aufgrund der gesetzlich normierten Ermessens­entscheidung nicht möglich. Hierbei hat sich die Geneh­migungsbe­hörde an Gesetzgebung und Rechtsprechung zu halten.

Die Interessen von Lieferanten von Gastronomen, Gewerbetreiben­den, Handwerkern und ambulanten Pflegediensten unterscheiden sich allgemein nicht von denen der anderen privaten Wirtschaft oder den sonstigen Interessen privater Antragsteller. Bei der Ausübung dieser Tätigkeiten ist davon auszugehen, dass es um eine effektive und kostengünstige Durchführung der Erledigung der Aufgabe geht und dabei Wege- und Reisezeiten zu minimieren sind. Der allge­meine Wunsch, Zeit und Wege zu sparen, rechtfertigt jedoch – ob bei der Pflege- oder anderer Gewerbetätigkeit, an der per se ein öffent­liches Interesse besteht – keine Ausnahme von der Straßenverkehrs-Ordnung.

Auch mit der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtli­cher Vorschriften vom 20.04.2020 hat der Gesetzgeber kein Erfor­dernis gesehen, Pflegediensten oder anderen Gruppen von Dienst­leistern bestimmte Sonderrechte als Verkehrsteilnehmern mit be­sonderen Aufgaben einzuräumen.

Somit können wir nur wiederholt darauf hinweisen, dass der Gesetz­geber im § 46 Abs. 2 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung den obers­ten Landes-behörden die Möglichkeit eingeräumt hat, Ausnah­men von allen           Vor­schriften der Straßenverkehrs-Ordnung für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragstel­ler zu genehmigen. Diese Möglichkeit ha­ben bspw. Berlin, Ham­burg und Nordrhein-Westfalen genutzt. Die letzte, durch das Amt für Wirtschaftsförderung initiierte, Anfrage beim Sächsischen Staatsmi­nisterium für Wirtschaft und Arbeit blieb je­doch erfolglos.

  1. Gibt es inzwischen eine konkrete Lösung für Pflegekräfte gemäß dem Ratsbeschluss v. 11.11.2020 zum Antrag „Parkerleichterungen für ambulante Pflegekräfte“?

Bei diesem beschlossenen Prüfauftrag wird grundsätzlich auf die unter der Antwort zu Frage 3 dargestellten rechtlichen Vorgaben und die daraus für uns resultierende Bindung der Verwaltung auf der Grundlage von Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verwiesen. In­sofern sind dauerhafte pauschale Ausnahmegenehmigungen aus­geschlossen.

Um dennoch in besonderen Einzelfällen mögliche Härtefallsituatio­nen beim Parken für die ambulanten Pflegekräfte abzufedern, wird die Möglichkeit der Beantragung und Erteilung der unter der Ant­wort zu Frage 3 beschriebenen Handwerkerhefte geprüft, da sich der Parkbedarf ambulanter Pflegekräfte       u. E. ähnlich denen von Handwerksbetrieben ge­staltet.