Rede zum Antrag „Anwendung des Paragraph 9a Sächsisches Polizeigesetz in der Stadt Leipzig – Verbot des Konsums alkoholischer Getränke auf bestimmten öffentlichen Flächen an bestimmten Wochentagen“
Redner: Christopher Zenker, Stadtrat der SPD-Fraktion
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste!
Bei dem Vorliegen dieses Antrags habe ich das Gefühl, ein Déjà vu zu erleben, denn vor vier Jahren war bereits ein ähnlicher Antrag der CDU-Fraktion im Verfahren, welcher die Leipziger Polizeiverordnung ergänzen wollte, um ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit zu ermöglichen.
Ich kann daher nur das wiederholen, was Herr Dyck bereits im Februar 2008 gesagt hat. Seien wir ehrlich, sprechen wir es aus: Es geht vordergründig gegen all die Gruppen und Einzelpersonen in unserer Stadt, die meist aus ihrer individuellen Notlage heraus vor Kaufhallen, Imbissständen und an Hausecken stehen oder an Haltestellen und auf Parkbänken sitzen und schon tagsüber ausufernd Alkohol trinken. Und das mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen, die mir persönlich auch nicht gefallen und die Sie zum Teil in ihrem Antrag beschreiben. Sie wollen diese Menschen verdrängen, nicht um ihnen zu helfen, sondern um das ästhetische Empfinden anderer Bürger nicht zu strapazieren.
Das ist genauso pharisäerhaft, wie, wenn in anderen Staaten die Alkoholflasche in der Öffentlichkeit in einer Papiertüte versteckt wird. Wollen wir das auch? Nach dem Motto was ich nicht sehe oder weiß, macht mich nicht heiß. Nein – dieser Wunsch nach erweiterten Restriktionen ist falsch. Es ist eben nicht ein Ordnungsproblem wie Sie ausführen, sondern vorwiegend ein soziales und gesellschaftliches Problem.
Wir müssen uns also zu erst diese Fragen stellen, die natürlich in der Großstadt eine andere Dimension einnehmen und vor allem in den dörflich geprägten Randlagen unserer Stadt für Irritationen sorgen können. Obwohl auch dort rund um das örtliche Brauchtum bis zur Besinnungslosigkeit gesoffen wird. Von alt und jung.
Wir möchten das Problem weder ignorieren noch verharmlosen, denn die Sorgen vieler Menschen sind berechtigt. Ja, Alkoholabhängigkeit ist ein ernstes Problem, nicht umsonst fließen knapp 60 Prozent der Gelder der städtischen Drogenpolitik in die Behandlung und Bekämpfung dieser Sucht. Mit einer Verdrängung dieser Menschen aus dem Stadtbild werden wir das Problem nicht lösen!
Im Verwaltungsstandpunkt wird ausgeführt, dass, wenn Sie ihre eigene Begründung heranziehen würden, auf mindestens zwei der drei genannten Plätze ein Alkoholverbot rechtlich nicht zulässig wäre. So heißt es im Verwaltungsstandpunkt “Der bloße Nachweis alkoholbedingter Handlungen und Randerscheinungen wie Belästigungen der Allgemeinheit, Urinieren in der Öffentlichkeit, Vermüllung des Umfeldes, aggressives Betteln u. a., also Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, reichen nicht aus um ein solches Verbot mittels Polizeiverordnung zu rechtfertigen.” Außerdem muss nachgewiesen werden, dass die Straftaten eine typische Folge des Alkoholkonsums außerhalb von Gaststättenflächen sind. Trotz der rechtlichen Bewertung greift die Stadtverwaltung der Analyse vorweg und will, dass wir heute die Grundlage für ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit schaffen, wahrscheinlich nur, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Daher können wir auch den Verwaltungsstandpunkt nur ablehnen.
Beim Antrag beschleicht einen ohnehin das Gefühl, dass es gar nicht darum ging, mögliche Plätze zu identifizieren, auf die die engen rechtlichen Vorgaben zutreffen, denn bei zwei Plätzen geht es vorrangig darum, Probleme aus unserem Blickfeld zu schaffen. Sollte es jedoch tatsächlich einen Platz geben, bei dem nach einer genauen Analyse der rechtliche Rahmen erfüllt ist, erwarten wir von der Stadtverwaltung, dass Sie initiativ auf die Fachausschüsse, den Kriminalpräventiven Rat und den Drogenbeirat zugeht und eine Vorschlag zur Lösung des Problems unterbreitet. Der Vorschlag kann, muss aber nicht ordnungspolitisch sein.
Abgesehen von den rechtlichen Bedenken halten wir den permanenten populistischen Ruf nach schärferen Verordnungen für den falschen Weg, zumal dann gesellschaftlicher Frust erzeugt wird, wenn die beabsichtigten Ziele auch durch vermeintlich schärfere Maßnahmen nicht erreicht werden. Weil unter anderem schon jetzt die Ordnungswidrigkeiten nach §19 der Leipziger Polizeiverordnung nicht geahndet werden oder wegen fehlender Beweislast nicht geahndet werden können. Durch die von der schwarz-gelben Landesregierung beschlossene sogenannte Polizeireform wird die Situation sicher nicht besser.