Rede zum Haushaltsplanentwurf 2008 und zum Mittelfristigen Haushaltssicherungskonzept 2008-2010
Redner: Axel Dyck, Fraktionsvorsitzender
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste!
Der Globalansatz meiner Fraktion für den Haushalt 2008 und folgende lautet: Investieren und Konsolidieren.
Alle Bürger unserer Stadt Leipzig, also auch wir, die gewählten Stadträte, stehen vor einer sehr wichtigen Entscheidung mit Tragweite, aber auch vor völlig neuen Herausforderungen.
Der Ausgang des Bürgerentscheides zur breit angelegten Frage der (Teil)Privatisierung kommunaler Unternehmen sowie das Ergebnis einer möglichen Abstimmung zum Anteilsverkauf der Stadtwerke hier im Stadtrat, hat selbstverständlich tiefgreifende Auswirkungen auf den Haushalt 2008 und das Haushaltssicherungskonzept für die folgenden Jahre. Deshalb werden wir nicht umhinkommen, in der heutigen Debatte auch dies zu würdigen. Wer glaubt, dass der Inhalt des Haushaltsansatzes, einschließlich der darauf abgestimmten und im Finanzvolumen teilweise sehr weit reichenden Änderungsanträge der Fraktionen, der Bürgerschaft und der Ortschaftsräte, bei einem Scheitern des Anteilsverkaufs unverändert fortgeschrieben werden kann, der irrt sich. Ein „weiter so“ wird es nicht geben.
Nun im Einzelnen.
Im Herbst des vergangenen Jahres meldeten überregionale große Tageszeitungen: „Städte investieren kräftig“ und „Kommunen senken leicht die Gewerbesteuer“. Nahezu zeitgleich verkündete die Kämmerin, Frau Kudla, ein Defizit von knapp 45 Millionen Euro im Haushaltsplanentwurf der Stadt Leipzig für dieses Jahr und aktuelle Zahlen haben die 50 Millionen bereits überschritten. Zur Erinnerung, im Haushaltssicherungskonzept waren nur 6 Millionen Euro Defizit geplant.
Was offensichtlich für viele andere deutsche Kommunen gilt, ist für Leipzig noch Zukunftsmusik. Daher müssen wir die Finanzlage der Stadt schnellstmöglich verbessern, um handlungsfähig zu bleiben, streng genommen, um wieder handlungsfähig zu werden. Handlungsfähigkeit heißt – Spielraum für politische Entscheidungen in allen kommunalen Entscheidungsfeldern.
Der vom Oberbürgermeister vorgeschlagene Anteilsverkauf der Stadtwerke zeigt unserer Meinung nach den richtigen Weg auf. Die SPD-Fraktion möchte den Haushalt nachhaltig konsolidieren, gleichzeitig aber auch Investitionen in größerem Umfang als bisher vorgesehen ermöglichen.
Wir wollen das Geld eben nicht „verfrühstücken“, also nicht für konsumtive Ausgaben im Verwaltungshaushalt verwenden, wie uns vorsätzlich unterstellt wird. Wir werden deshalb streng darauf achten, dass Erträge, die für Investitionen eingesetzt werden sollen, immer zusätzlich zur bisherigen Investitionslinie verwendet werden.
Nur durch die Erlöse der geplanten Teilprivatisierung der Stadtwerke stehen der Stadt Beträge in einer solchen Größenordnung zur Verfügung, die zum einen eine deutliche Reduzierung der Schulden und damit auch der Kreditzinszahlungen und zum anderen eine Erhöhung der Investitionsquote ermöglichen. Es geht deshalb bei einem Anteilsverkauf nicht um Vermögensvernichtung – auch hier wird in der Wortwahl vorsätzlich falsch argumentiert, wenn von Verschleuderung des Tafelsilbers gesprochen wird – sondern es geht um Vermögenserhalt und Vermögensmehrung. Jeder Stadtrat und eigentlich jeder Bürger ist an dieser Stelle aufgefordert (wie es die Gesetzlichkeit und die Vernunft verlangen), wie ein „guter Kaufmann“ zu agieren.
Es ist erfreulich, dass die Stadt in diesem Jahr das Bauvolumen bereits von 84 auf 91 Millionen Euro steigern will. Unser Ziel muss aber sein, die Bauinvestitionen auf einen Betrag deutlich über 100 Millionen Euro zu erhöhen, weil es bei Schulen, Kindertagesstätten, Straßen und bei der Stadtteilsanierung einen enormen Finanzbedarf gibt. Daher wollen wir mit unseren Anträgen die Haushaltsansätze dieser Bereiche nach dem Teilverkauf der SWL deutlich nach oben korrigieren. Der Vorwurf an den Oberbürgermeister und an meine Fraktion, hier würden Wahlgeschenke in buntes Papier mit Schleifchen verpackt, ist einfach lächerlich. Der Zustand vieler Schulen und Kitas fordert sofortiges Handeln und kein wie auch immer motiviertes Taktieren und Lavieren. Kitas und Schulen auf modernstem Stand sind notwendige Bedingung für ein zukunftsorientiertes Bildungssystem.
Wir könnten jetzt – wie jedes Jahr – die Forderung an den Bund nach einer umfassenden Finanzreform zu Gunsten der Städte und Gemeinden erneuern. Da auch der Bund sein Konsolidierungsziel noch nicht erreicht hat, glaube ich jedoch nicht an eine entsprechend kurzfristige Reform. Und wenn diese mit der Förderalismusrefom II kommen sollte, dann nur nach vorne gerichtet. Der Gedanke an eine außerordentliche Entschuldung der Kommunen ist Träumerei.
Eine Korrektur ist jedoch dringend bei der Beteiligung des Bundes an den Unterkunftskosten für ALG II-Empfänger notwendig. Es kann nicht sein, dass Leipzig trotz sinkender Fallzahlen mehr Mittel für KdU-Leistungen zur Verfügung stellen muss, eben weil der prozentuale Bundesanteil sinkt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Neben einer auch im strategischen Ansatz verbesserten Investitionspolitik ist es notwendig, den Konsolidierungskurs konsequent fortzusetzen. In dessen Mittelpunkt muss die Nachhaltigkeit stehen. Was wir nicht brauchen, sind einmalige, nur in einem Haushaltsjahr aufzeigbare und wirksam werdende Einspareffekte oder Umverteilungen. Eine große Anzahl der Haushaltsanträge, egal ob von Fraktionen oder Bürgerschaft, geht allerdings diesen Weg.
Wenn die Dauerhaftigkeit der Einnahmeseite oder der Konsolidierungsbemühungen nicht garantiert werden, brauchen wir uns über solche Projekte, die in den Haushaltsanträgen der Fraktionen ihren Niederschlag finden, wie: eine dauerhafte Erhöhung des Zuschusses für die freie Kultur, ein Sozialticket oder die umfangreiche Unterstützung für die Arbeit vieler Vereine und Verbände, bis hin zur Mittelbereitstellung zur Gegensteuerung der Langzeitarbeitslosigkeit
nicht unterhalten, auch wenn die Projekte an sich sinnvoll und unterstützenswert sind.
Ich habe mit großem Interesse die Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammer Leipzig zum Haushalt, wie auch zur Teilveräußerung der SWL und zu einer Teilprivatisierung der LVV gelesen. Ich stimme der Einschätzung der IHK zu, dass sich die insgesamt positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Haushaltsplanentwurf noch nicht ausreichend widerspiegelt. Die unabdingbare Fortsetzung des von der Stadt eingeschlagenen Konsolidierungskurses muss zum Leitbild der kommunalen Finanzpolitik werden, dies hatte ich bereits verdeutlicht. Über eine Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes – wie von der IHK gefordert – sollte aber meiner Meinung nach erst diskutiert werden, wenn der Haushalt nachhaltig konsolidiert, sprich ausgeglichen ist. Richtig ist allerdings, dass wir aufpassen müssen, beim Wettbewerb u. a. schon mit dem Landkreis nicht in die Defensive zu geraten. Nach der Unternehmenssteuerreform, die ab diesem Jahr greift, spielt der Hebesatz der Gewerbesteuer zunehmend auch eine psychologische Rolle, da er dafür sorgt, ob die Ertragssteuer knapp unter oder deutlich über 30 % liegt.
Bei der Verstetigung der Einnahmen durch eine Verbreiterung der steuerlichen Basis spielt die Stärkung und Förderung, man kann auch sagen: die Hege und Pflege der mittelständischen Wirtschaft in dieser Stadt, neben einer klugen Ansiedlungspolitik, eine herausragende Rolle.
Das Amt für Wirtschaftsförderung sehen wir dabei verstärkt in der Pflicht. Und an die Adresse des Wirtschafts- und Arbeitsbürgermeisters: Herr Albrecht, Wirtschaft und Arbeit, die Basisthemen, auf denen unsere Gesellschaft fundiert, sind Chefsache.
Der generelle Rückgang der Arbeitslosigkeit in Leipzig im „kurzfristigen Sektor“ ist erfreulich, aber mit Sicherheit kein Ruhekissen für uns alle. Überhaupt nicht hinnehmbar ist der hohe Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit. Um ehrlich zu uns allen zu sein, kurzfristige Lösungen mit einem nachhaltigen Ansatz sind nicht sichtbar. Es müssen aber alle Instrumentarien genutzt werden, um partiell zu helfen. Einen entsprechenden Antrag zur finanziellen Absicherung bspw. des Kombilohnmodells haben wir eingebracht.
Aber auch hier gilt, die Stärkung der Investitionsbasis der Stadt ist aktive Wirtschaftsförderung und damit ein wichtiger Mosaikstein zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Keine Betrachtung des kommunalen Haushalts ohne Blick auf wichtige Einnahmequellen. Zunächst einige Worte zum Thema Allgemeine Schlüsselzuweisungen durch den Freistaat.
Die SPD-Fraktion kritisiert, dass sich sowohl der ehemalige Finanzminister Metz, als auch der neue Minister Tillich in der Presse feiern lassen, dafür, dass die sächsischen Kommunen mehr Gelder vom Freistaat bekommen. Die Realität sieht aber ganz anders aus. Die allgemeinen Schlüsselzuweisungen des Freistaates reduzieren sich für Leipzig, der größten Stadt in Sachsen, um ca. 25 Millionen Euro gegenüber dem vergangenen Jahr, das ist ein Rückgang von immerhin sieben Prozent. Dass Leipzig für die relativ gute Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen (zugegeben von einem niedrigen Ausgangswert aus) bestraft wird, kann nicht richtig sein.
Auch zwei weitere Hiobsbotschaften aus Dresden kann ich nicht unkommentiert lassen. Sachsens Städte und Kreise erhalten bei der Verwaltungsreform für die Übernahme von Personal vom Freistaat rund 70 Millionen Euro weniger als ursprünglich geplant. Ein Unding! Genauso, dass für die Sanierung von Schulen ab diesem Jahr nicht mehr bis zu 75% Fördermittel durch den Freistaat zur Verfügung gestellt werden, sondern je nach Schulart nur noch 50% (für Grundschulen), 60% (Mittelschulen und Gymnasien) bzw. bis zu 70% (bei Berufsbildende- und Förderschulen). Durch die Verringerung der Förderquote steigt demzufolge der Eigenanteil der Kommunen.
Werter sächsischer Finanzminister! Die Stadt Leipzig hat jetzt schon massiv Probleme, Fördermittel abzurufen, weil die Eigenmittel nicht aufgebracht werden können! Im Tiefbauamt (Straßenbau), im Schulverwaltungsamt und beim Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung konnte eine Vielzahl von notwendigen Maßnahmen aufgrund der schwierigen Haushaltslage nicht berücksichtigt werden, eben weil die Eigenmittel fehlen. Auch kleinere Korrekturen durch entsprechende Haushaltsanträge verschiedener Fraktionen dieses Hauses können diesen grundsätzlichen Missstand nicht korrigieren. Hier ist der Gesetzgeber gefordert! Angesichts der nach dem Jahr 2013 wahrscheinlich auslaufenden EU-Förderung ist eine konsequente Nutzung der Strukturförderprogramme bis dahin notwendig. Wichtige Projekte dürfen keinesfalls an der fehlenden Bereitstellung des Eigenanteils scheitern. Auch hier wieder der Verweis auf den Anteilsverkauf.
Ich habe darüber hinaus mit Verwunderung die Presseberichterstattung zur Kenntnis genommen, dass die sächsischen Landkreise durch eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) mehr Gelder aus Dresden erhalten. Da in den Landkreisen aber fast überall ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen ist, fordere ich für die erfreulicherweise wachsende Stadt Leipzig eine Besserstellung gegenüber den Kreisen ein.
Dass Leipzig nicht alleine ein strukturelles Defizit vorzuweisen hat, zeigt die Nachricht, dass auch die Landeshauptstadt trotz kompletter Entschuldung Probleme hat, ohne neue Kredite zu leben. Ein landesweites Schuldenverbot, wie es Frau Kudla gefordert hat, löst die Probleme also nicht. Kredite sind fester Bestandteil wirtschaftlichen Handelns und sollen Vermögenszugewinn garantieren. Deshalb ist es aus meiner Sicht in Zukunft notwendig, bei jeder einzelnen Kreditaufnahme neben Verwendungszweck auch die Tilgungslinie mit aufzuzeigen. Recht gebe ich Ihnen aber Frau Kudla, dass die zunehmende Verschuldung der Städte und Gemeinden, um laufende Ausgaben zu decken, ein Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit ist.
Ich habe mit Genugtuung vernommen, dass im vergangenen Jahr 94 Prozent der Sparsumme, die wir im Haushaltssicherungskonzept festgelegt hatten, erzielt werden konnte, was einer Höhe von rund 48 Millionen Euro entspricht. Erfreulich ist auch, dass die Haushaltsjahre 2005 und 2006 letztendlich jeweils mit Überschüssen im zweistelligen Millionenbereich abgeschlossen werden konnten. Die umfangreichen Diskussionen und die schwierige Suche nach einem Kompromiss in diesem Haus waren somit nicht umsonst. Einsparungen sind nie populär und einfach umzusetzen. Einen besonderer Dank an dieser Stelle an die Beschäftigten der Stadtverwaltung, die über drei Jahre hinweg auf 10% ihres Gehalts verzichteten und der Stadt somit einen zweistelligen Millionenbetrag ersparten.
Auf zwei weitere wichtige Dinge muss ich noch eingehen.
Der Kulturentwicklungsplan liegt zum Start für die nächste Diskussionsrunde bereit. Im Mittelpunkt stehen der kulturelle Reichtum und die Vielfalt in dieser Stadt. In diese Landschaft passen die Anträge zur deutlichen Besserstellung der freien Szene. Hier scheint überfraktionelle Einigung erzielbar, aber auch hier gilt, die Dauerhaftigkeit und Verstetigung der finanziellen Absicherung des politischen Willens ist noch nicht geklärt.
Einen weiteren Fokus richtet meine Fraktion auch auf den Umweltschutz, wie aus unseren Anträgen zum Haushalt ersichtlich. Umweltschutz ist Klimaschutz, ist Gesundheitsschutz – nur in dieser Trias. Denn, nur wenn die Menschen dieser Stadt unmittelbare lokale Veränderungen und zwar direkt erlebbar spüren, steigt die Bereitschaft, sich auch dem globalen Aspekt zu nähern. Deshalb Investitionen in Lärmschutz, in Staubbekämpfung, in alternative Energieformen, in mehr Grün.
Sehr geehrte Damen und Herren,
trotz äußerster Sparsamkeit und jahrelanger strikter Konsolidierung konnte der Haushalt in diesem Jahr nicht ausgeglichen vorgelegt werden. Wer keine weiteren drastischen Einschnitte umsetzen möchte und den Haushalt im Jahr 2009 ausgeglichen präsentiert haben möchte – ich wiederhole es gern noch einmal – muss am 27. Januar beim Bürgerentscheid zum Stadtwerkeanteilsverkauf mit Nein stimmen.
Scheitert der Anteilsverkauf, wird meine Fraktion von ihrem Ansatz „Investieren und Konsolidieren“ nicht abrücken. Das bedeutet dann aber auch bereits zur Beschlussfassung des Haushaltes und des Haushaltsicherungskonzeptes, dass diese vorher durch Verwaltung und Stadtrat neu gewichtet werden müssen.
Also konsequent – erst Sondersitzung des Stadtrates zu den SWL und danach erweiterte Sitzung des Finanzausschusses (und danach Beschlussfassung zum Haushaltsplan in der Ratsversammlung).
Ich wünsche uns jedenfalls in den kommenden Wochen eine sachliche Diskussion zum Anteilsverkauf, zum Haushalt 2008 und zum Haushaltssicherungskonzept. Dies wird nicht einfach. aber ich setze gerade in dieser komplizierten Situation auf die Vernunft der Stadträtinnen und Stadträte, denen das Wohl der Stadt Leipzig am Herzen liegt.
Wie immer an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kämmerei und allen an der Haushaltserstellung Beteiligten für die schwierige Arbeit unseren Dank.
Und Ihnen meine Damen und Herren danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!