Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Christopher Zenker
Christopher Zenker

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

seit dem morgen des 24.2.2022 ist unserer Welt eine andere. Wie mir geht es sicher einigen von Ihnen. Trotz der der Angriffe auf Georgien, der Annexion der Krim, des Einmarsches in der Ostukraine, des Zerbombens von Aleppo und anderen syrischen Städten, der Einschüchterung, Verschleppung und Ermordung der eigenen Bevölkerung haben wir immer noch auf Diplomatie gesetzt und gehofft die engen wirtschaftlichen Verflechtungen werden Putin davon abhalten nach der kompletten Ukraine zu greifen.

Inzwischen wissen wir, das imperialistische Großmachtsstreben von Wladmir Putin kennt keine Grenzen. Und wir müssen beobachten, wie die europäische Friedensordnung pulverisiert wurde. Der Aggressor sind ausschließlich Putin und sein Umfeld.

Noch im letzten Oktober, zum Lichtfest, mahnte uns Vitali Klitschko, der Bürgermeister unserer ukrainischen Partnerstadt, dass Demokratie immer wieder aufs neue verteidigt werden muss. Jetzt wird diese junge Demokratie angegriffen und uns erreichen fast täglich Hilferufe aus unserer Partnerstadt.

In Folge des Krieges sind inzwischen nach Schätzungen des UNHCRs mehr als 2 Mio. Menschen auf der Flucht. Die meisten noch Binnenflüchtlinge, aber 100.000ende sind bereits in den demokratischen Anrainerstaaten angekommen. Viele sind auch schon Leipzig bzw. auf dem Weg. Grobe Schätzungen gehen von12.000 oder 15.000 Geflüchteten aus, die nach Leipzig kommen werden bzw. bereits da sind.

9 Millionen Euro möchte die Stadt im Rahmen einer Soforthilfe in die Hand nehmen, um hier vor Ort die Versorgung der ankommenden Flüchtlinge sicherzustellen, aber auch um direkt in der Ukraine zu helfen. Ich bin der Stadtverwaltung dankbar, dass sie mit dieser Vorlage nicht nur Mittel bereitstellt, um die Geflüchteten hier vor Ort zu versorgen, sondern auch, um humanitäre Hilfe auf der Achse unserer Partnerstädte von Leipzig über Krakau nach Kiew zu leisten. In diesem Umfang ein Novum, soweit ich mich erinnere. Drei Millionen Euro sollen für Medikamente und sonstiges medizinisches Material sowie Schutzausrüstung und technische Hilfsgüter zur Linderung der humanitären Lage in der Ukraine zur Verfügung gestellt werden. Das ist gelebte Städtepartnerschaft auch in schwierigsten Zeiten.

Auch hier vor Ort wird Solidarität groß geschrieben. Unzählige Freiwillige bieten Schlafplätze an, empfangen und geben Geflüchteten Hilfe am Bahnhof, holen sie aus den Grenzregionen zur Ukraine ab, sammeln Spenden, begleiten zu Behördenterminen und vieles mehr. Krieg bringt das Schlimmste im Menschen hervor, aber scheinbar auch das Beste. Vielen Dank an alle, die sich engagieren. Ohne diese Hilfe könnte die Stadt, könnten wir, die aktuelle Situation nicht bewältigen.

Auch wenn einige der Ehrenamtlichen vielleicht das Gefühl haben, es geht in den Behörden alles zu langsam, so wird auch hier beachtliches geleistet. Sozialamt, Gesundheitsamt, Kliniken, Branddirektion, Ordnungsamt, Einwohnermeldeamt, Ausländerbehörde, Schulamt, Jugendamt und viele mehr arbeiten Hand in Hand.

Inzwischen wurden hunderte neue Plätze geschaffen, Hallen als Notschlafstellen umfunktioniert, Hotels und andere Unterbringungsobjekte angemietet, so dass bisher niemand auf der Straße schlafen musste. Die Unterbringung wird die Stadt aber auch die Träger Einrichtungen wie DRK, ASB oder Johanniter auch in den nächsten Wochen und Monate vor enorme Herausforderung stellen.

Parallel dazu hat die Stadt in wenigen Tagen ein Ankommenszentrum quasi aus dem Boden gestampft. Bis zu 100 bis 200 Personen können dort täglich registriert werden. Das ist noch zu wenig, um zügig auch die zu registrieren, die bereits bei Privatpersonen in Leipzig untergekommen sind. Die Kapazitäten müssen daher weiter aufgebaut, digitale Terminvergabe realisiert und das Online-Vorabausfüllen der Dokumente ermöglicht werden. Dennoch wird mindestens in den nächsten zwei Wochen noch zu Engpässen kommen.

Es mag der Eindruck entstanden sein, ehrlicherweise auch bei mir, dass in der Verwaltung nur bis 16 oder 17 Uhr gearbeitet wird. Ich konnte mich aber davon überzeugen, dass dies nicht stimmt. Auch gestern war im Ankommenszentrum nach 19 Uhr, als mein Ausschuss vorbei war, noch Betrieb und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialamts haben Geflüchtete aus der Ukraine registriert.

Daher auch meine Bitte an alle, die bereits Geflüchtete untergebracht haben, wenn sie die Möglichkeit haben, noch ein, zwei Wochen bis zur Registrierung zu überbrücken, bitte geben sie der Stadt die Möglichkeit, die Kapazitäten aufzubauen, auch wenn ich weiß, dass das viel verlangt ist, da sie bereits Großartiges leisten.

Putin hat in der Vergangenheit immer versucht Europa zu spalten und hat bewusst europakrische Parteien unterstützt. Aktuell hat er das Gegenteil erreicht, Europa steht zusammen, wie lange nicht mehr, und das nicht nur bei den Sanktionen, sondern auch wenn es darum geht, Geflüchteten Schutz zu bieten.

Ich bin daher überzeugt, gemeinsam wird es Europa gelingen, die Folgen des Krieges zu bewältigen, sei es bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten oder seien es die wirtschaftlichen Folgen.

Wenn wir jetzt konsequent den Ausbau der regenerativen Energien vorantreiben und massiv in die Forschung im Bereich Wasserstoff investieren und damit unabhängiger von despotischen Staaten werden, gemeinsame Außenpolitik betreiben und wenn wir den neu gewonnenen Zusammenhalt bewahren, Demokratie und Freiheit fördern, bleibt Europa auch als Union gestärkt. Ein starkes Europa ist auch ein Garant dafür, dass Putin nicht nach weiteren osteuropäischen Staaten greift. Vielleicht erleben wir, wie es einige Kremlkritiker bereit beschreiben, tatsächlich den Niedergang von Putins Herrschaft, auch und gerade weil viele Ukrainer auch die Werte Europas verteidigen und immer mehr Menschen in Russland unter großen Gefahren gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine demonstrieren. Die Antikriegsallianz ist größer und geschlossener als es Putin erwartet hat.