Redner: Gerhard Pötzsch, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herrn Stadträte,
werte Gäste,
zieht man von der Stadt Leipzig die Kultur ab, bleiben Häuser übrig und Menschen, die diese Häuser bewohnen. Die Stadt ist dann eine beliebige Stadt wie andere Städte auch.
Der besondere Ruf, den diese mitteldeutsche Stadt, unsere Heimatstadt, in Europa und der Welt noch besitzt, ist zuförderst davon geprägt, was für kulturelle Leistungen in ihren Mauern geschaffen und bewahrt worden sind. Ihre hier gebürtigen oder über viele Jahre hier lebenden Töchter und Söhne, ich beziehe da auch gerne alle Adoptivkinder ein, haben diesen Ruf über Jahrhunderte fleißig in die Welt getragen. Sie sind verstanden worden und haben ein Echo gefunden. Das soll, das muss in Leipzig so bleiben!
Am Umgang mit Kultur (und der sie tragenden Künstler und Kulturarbeiter) bemisst sich der Reifegrad einer Gesellschaft. Nebensatz: Besonders in schwierigen Zeiten! Weiterer Nebensatz: Meldung von dpa Anfang dieser Woche: Künstler verdienen im Jahre 2006 in Deutschland durchschnittlich 823 € und fünfundzwanzig Cent pro Monat!
Geld ist knapp, nicht nur für Künstler, auch die Kassen der Kommunen sind gähnend leer. Der Handlungsspielraum der Stadt Leipzig ist, wir wissen das alle, außerordentlich überschaubar geworden.
Wir verhandeln heute: Drucksache Nr. IV/1479 samt Ergänzung und Tischvorlage.
Wir lassen uns von gähnender Kassenleere also nicht anstecken, sondern wollen – nein, müssen geradezu! die beste, und – unter kaufmännischen Gesichtspunkten betrachtet – auch sinnvollste Entscheidung zur Unterbringung der Musikschule Leipzig treffen!
In der LVZ vom 21. Juni 2006 war zu lesen: “Musikschule erhitzt Gemüter”. Die Fakten liegen auf dem Tisch:
Die Musikschule arbeitet mit großem Engagement und Erfolg am Erhalt und am Fortbestehen des kulturellen Klimas in dieser Stadt. Sie erfüllt alle an sie gestellten Aufgaben vorbildlich, schafft und erhält damit einen Teil der Fundamente, auf denen sich unserer Kulturlandschaft gründet, besitzt nach den uns im Rat selbst gestellten Kriterien höchste Priorität, und seit 1999 endlich auch sehr gute räumliche Arbeitsbedingungen am Standort Petersstraße 43. Der Besitzer der Immobilie, einer sehr werthaltigen Immobilie, wie alle damit befassten Experten bestätigen –
beiseite gesprochen: späterer gewinnbringender Verkauf nicht ausgeschlossen! – bietet der Stadt diese Immobilie zu außerordentlich vernünftigen Konditionen nun zum Kauf an. Die Ausschreibung läuft.
Eine exzellente Geschichte.
Exzellenz – in unserem Fall: eine hervorragende und vortreffliche Bildungseinrichtung – dies weiß jeder in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur Verantwortliche, gehört in den entwickelten Industrieländern zum wertvollsten Besitz überhaupt. Sie gehört damit bewahrt, vor Angriffen beschützt und in ihrem Bestand bestärkt!
Einige Stadträte lehnen aus Kassenlage den Kauf einer weiteren städtischen Immobilie strikt ab. Sie favorisieren den Umzug der Musikschule in ein anderes Objekt, welches sich in städtischem Besitz befinden muss, und welches dann, entsprechend den Bedürfnissen der Musikschule, eben herzurichten sei. Damit erhält, so argumentieren sie weiter, sogar noch der eine oder andere hiesige Handwerker möglicherweise einen Auftrag.
Andere sind sich ihrer Entscheidung noch nicht sicher. Sie fühlen sich noch nicht umfänglich informiert. Sie wollen eine Entscheidung aus dem Bauch heraus nicht treffen. Auch sie verweisen immer wieder auf die Kasselage und Verantwortung.
Als Mitglied des Betriebsausschuss und Fachausschuss Kultur habe ich noch keine Vorlage in den Händen gehalten, anhand derer dermaßen ausführlich und detailliert der lange und zeitaufwendige Genesisprozess der entsprechenden Drucksache nachzuvollziehen war. In zeitintensiven Gesprächen zum Thema, zu verschiedensten Terminen, unter Hinzuziehung der Leitung der Musikschule und verschiedener Mitglieder der Elternvertreter, nicht zuletzt bei einem kürzlich stattgehabten  Ortstermin in Schönefeld, wurden mögliche Alternativen zum jetzigen Standort gründlich erörtert und diskutiert. Dabei wurden Ausbaukosten, Umzugskosten, Mietkosten und Neubaukosten – einzeln und im Vergleich – ebenso besprochen, wie Zinsen für Kredite, Vorteile eines Kommunaldarlehens,  Ratenzahlungen und Leerstandskosten bei vorläufig geschlossenen Schulen. Es wurde über die Akzeptanz des jeweiligen Standortes, die möglichen Befindlichkeiten der Elternschaft der Musikschüler mit einem veränderten Standort, den Prognosen auf Ausbleiben von Schülern bei einer entsprechenden Standortverlagerung, die verkehrstechnische Anbindung der Schule, damit verbundene Sicherheitsfragen – wir reden über teilweise sehr junge Schüler – die Größe des Konzertsaales bis hin zu seiner Deckenbemalung gesprochen. Wir parlierten über das sehr wünschenswerte, aber leider eben noch nicht erstellte und damit verfügbare Konzept, aus dem hervorgeht, was für städtische Eigenbetriebe optimal zur entsprechenden und im Besitz der Stadt stehenden Immobilie passen. Wir hörten Einwände wegen notwendiger Lärmdämmung in den einzelnen Unterrichtskabinetten und der damit verbundenen Zusatzkosten. Wir konnten also zur Kenntnis nehmen, so wir es nur wollten, dass sich viele Menschen, sehr verantwortlich, um dieses Papier bemüht haben. Aus Respekt vor der umfänglichen Arbeit der damit befassten Ämter und der Verwaltung an dieser  Drucksache samt ihren Ergänzungen, die mit Sicherheit alles andere als einfach war, möchte ich mich, von dieser Stelle aus, bei den damit beauftragten Mitarbeitern ausdrücklich bedanken. Ich jedenfalls fühle mich gut informiert und bin Entscheidungsreif!
Noch etwas: den Kollegen, die in den letzten Tagen immer neue Standortvorschläge ins Gespräch gebracht haben – über diese ominöse Papier-Posse aus dem Liegenschaftsamt, die Lumumbastraße 2 betreffend, will ich mich an dieser Stelle nicht auslassen, dort erwarte ich vom Beigeordneten, Herrn Bürgermeister Müller, gelegentlich eine Information über die Konsequenzen für deren Verursacher – möchte ich sagen, redet doch einfach mal im Vorfeld der Entscheidung mit euren Fraktionsmitgliedern in den entsprechenden Fachausschüssen. Manchmal klärt sich da schon einiges.
Ich meine, es gibt eine Zeit des Redens und es gibt die Zeit des Entscheidens. Heute steht eine Entscheidung an!
Sollte jemand, was ich ausdrücklich nicht unterstellen will, einzig aus persönlichen, egoistischen, also wahlkreistaktischen Erwägungen heraus, den einen oder anderen Standort jenseits der Petersstrasse 43 ins Gespräch gebracht haben, wäre das verantwortungslos. Für solcherart Spielchen ist das Thema Musikschule wirklich absolut ungeeignet!
Ein Allerletztes: der Stadtrat Ansbert Maciejewski gefiel sich schon bei dem besagten Ortstermin in Schönefeld in der sinngemäßen Aussage, “dass Kulturamt habe alles dafür getan, diesen (seiner Meinung nach möglichen Standort für die Musikschule, nämlich Schönefeld) als ungeeignet erscheinen zu lassen”. Ich empfand dies, den dort anwesenden Vertretern des Amtes gegenüber, als grobe Unverschämtheit. Gestern musste ich diese Aussage als wörtliches Zitat erneut in der LVZ lesen. Es bleibt mir wirklich schleierhaft, was sich der Herr Stadtrat bei solchen Äußerungen denkt.
Ich möchte dafür werben, der vorliegenden Vorlage grundsätzlich zuzustimmen. Ich vertraue darauf, dass wir mehrheitlich in der Lage sind, kluge Entscheidungen zu treffen.