Rede zur Vorlage „Städtebaulicher Vertrag zur Entwicklung des Quartiers Stadtraum Bayerischer Bahnhof – 1. Änderungsvereinbarung“ in der Ratsversammlung vom 13.3.2019
Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,
wir sind froh, dass es auf dem Gelände am Bayrischen Bahnhof nun endlich vorangehen soll. Sieben Jahre sind ins Land gegangen, seit es den ersten Anlauf zur Entwicklung des Areals gegeben hat. Es war ein langwieriger Prozess, den zu beobachten, keine besondere Freude gemacht hat. Offensichtlich hat – neben der Bildung einer Planungstruppe im Rathaus – auch der politische Druck aus dem Stadtrat geholfen, dass es nun vorangeht. Dies begrüßen wir ausdrücklich und insbesondere die vereinbarten klaren Planungsziele.
Und ja, ich wiederhole, was wir schon vor Jahren gesagt haben: Es war ein Fehler, dass sich die Stadtverwaltung nicht selbst intensiv darum bemüht hat, diese Fläche zu erwerben! Schließlich gab es zum Zeitpunkt, als die Deutsche Bahn das Gelände verkaufte, bereits ein Werkstattverfahren zur Entwicklung des Areals. Was bleibt, ist ein gewisser Beigeschmack, dass die Stadt auch bei diesem wichtigen Projekt, an dem auch öffentliche und soziale Infrastruktur hängt, vom Wohl und Wehe eines privaten Investors abhängt.
Ich bin der Auffassung, wir wären heute schon viele Schritte weiter, wenn die Stadt das Gelände erworben hätte. Wir hätten dort vermutlich schon die geplanten Schulen und Kindertagesstätten gebaut, die seit Jahren in den Entwicklungsplänen der Stadt genannt werden, aber bis heute nicht stehen. Wir brauchen jedoch nach wie vor dringend die geplante soziale Infrastruktur, also Grund-, Oberschule, Gymnasium und die Kindertagesstätten. Diese sind über die beiden Teilverträge gesichert und das ist eine für die Stadt wichtige Nachricht.
Wir brauchen in unserer weiterhin wachsenden Stadt neue Wohnungen, das ist uns allen klar. Damit nicht nur hochpreisige Wohnungen gebaut werden, war uns wichtig, dass auf dem gesamten Areal auch mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen entstehen und der Stadtraum somit durchmischt ist. Der aktuell vorliegende Vertrag sieht diese Quote zwar für den Großteil der auf dem Gelände entstehenden Wohnungen vor, leider jedoch nicht für alle. Hintergrund ist, dass Teile der Verträge schon geschlossen wurde, als es in Leipzig noch keinen entsprechend definierten angespannten Wohnungsmarkt und keine Förderprogramme gab.
Wie wir den Medien entnehmen konnten, wird der größte Teil der Wohnungen durch die BUWOG errichtet. Hierbei handelt es sich um ein Tochterunternehmen der Vonovia. Die Vonovia ist einer der größten deutschen Immobilienkonzerne, es ist also davon auszugehen, dass das Unternehmen bzw. seine Tochter dieses Projekt auch stemmen kann. Nun kommt das große Aber: Die Vonovia hat nicht den besten Ruf im Umgang mit ihren Mietern. Hierzu gab es in jüngster Vergangenheit verschiedene Medienberichte, in denen es insbesondere um fragwürdige Nebenkostenabrechnungen und den Einsatz von Tochterfirmen ging, die – so die Medienberichte – für ihre Dienstleistungen überhöhte Rechnungen an Vonovia stellen würden, was sich wiederum auf die Nebenkosten der Mieter auswirken würde. Sie werden verstehen, dass ich vor diesem Hintergrund gewisse Bauchschmerzen habe, wenn der Großteil der Wohnungen am Bayrischen Bahnhof von diesem Konzern errichtet und betreut wird. Leider haben wir es nicht in der Hand, an wen der Eigentümer verkauft, da wir nicht der Eigentümer sind, ein Fehler der, wie gesagt, hätte vermieden werden können.
Was uns auf dem Areal fehlte und was auch nicht in den städtebaulichen Verträgen geregelt ist, ist die Planung und Errichtung einer Sportfreifläche, die sowohl der Öffentlichkeit als auch dem Vereins- und Schulsport zur Verfügung steht. Aktuell gibt es zwischen Dösener Weg und Tarostraße einen öffentlich nutzbaren Fußballplatz mit Leichtathletiklaufbahn, der, wie es derzeit aussieht, bei der Entwicklung des neuen Stadtviertels wegfallen wird. Hierfür soll nach unserer Auffassung Ersatz geschaffen werden, der sofern das möglich ist, in den Schulcampus integriert werden soll, ohne jedoch exklusiv dem Schulsport zur Verfügung zu stehen. Ich bitte Sie, unserem diesbezüglichen Änderungsantrag zuzustimmen.
Und noch ein Punkt ist mir wichtig und bei dem wir aus der Erfahrung am Freiladebahnhof lernen sollten. Es geht um die Kulturszene, hier insbesondere um Musikclubs. Im Fall des Bayrischen Bahnhofs ist es die Distillery, der älteste Techno-Club Ostdeutschlands und damit eine Institution in der Musikszene, die ebenfalls durch die Entwicklung des Areals in ihrem Bestand bedroht ist. Kultur gehört aus unserer Sicht genauso wie Wohnen, Einzelhandel, Schulen, Kitas usw. zu einem lebenswerten Viertel. Wir erwarten von den Investoren, also dem altem und dem neuen Eigentümer, dass die Distillery zum einen einen Mietvertrag bekommt, der ihnen einen Verbleib auf dem Gelände bis zum Baubeginn sichert. Das bedeutet, bis Ende 2022. Zum anderen erwarten wir, dass Alt- und Neueigentümer die Zeit nutzen, um gemeinsam mit der Distillery eine Lösung im gegenseitigem Einvernehmen suchen. Es stehen noch weitere Beschlüsse zur Entwicklung des Geländes an und ich werde meine Zustimmung ausdrücklich auch davon abhängig machen, wie kooperativ sich Alt- und Neueigentümer an dieser stelle verhalten. Ein weiteres Clubsterben und Zurückdrängen von Kultur und Freiräumen möchte ich nicht tatenlos zusehen.
Vielen Dank!