Reden und Texte der SPD-Fraktionsmitglieder innerhalb der Ratsversammlung zu ausgewählten Themen

SPD-Stadtratsfraktion

Nach den schockierenden Ereignissen des 11. September in den USA hat die SPD-Fraktion in ihrer planmäßigen Fraktionssitzung am 12.September der Opfer dieser feigen Anschläge gedacht und sich einstimmig für das folgende Beileidsschreiben an den Generalkonsul der USA in Leipzig ausgesprochen:

Herrn Generalkonsul Timothy Savage Generalkonsulat der USA Wilhelm Seyfferth-Str. 4 04107 Leipzig

12. September 2001

Sehr geehrter Herr Generalkonsul,

mit Entsetzen und Abscheu hat die SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat auf die Nachricht über den brutalen und beispiellosen, von langer Hand vorbereiteten Anschlag auf das amerikanische Volk und damit auf die gesamte freiheitliche Welt reagiert.

Unser tiefes und aufrichtiges Mitgefühl gilt in erster Linie den Angehörigen der vermutlich Tausenden von Toten, die dieser barbarische und menschenverachtende Terroranschlag gefordert hat. Den vielen Verletzten wünschen wir eine baldige und dauerhafte Genesung. Wir sind überzeugt, dass die Regierung der USA und das gesamte amerikanische Volk ihnen jede erdenkliche Hilfe und Unterstützung zukommen lassen wird.

Bitte übermitteln Sie, sehr geehrter Herr Generalkonsul, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und auf diesem Wege dem amerikanischen Volk unsere Trauer und tief empfundene Anteilnahme.

Wir verurteilen auf das schärfste diese gewissenlose und verbrecherische Tat und sind zutiefst überzeugt, dass die amerikanische Regierung alle nur möglichen Schritte unternehmen wird, um der Verbrecher habhaft zu werden und sie zur Rechenschaft zu ziehen. Gott schütze Amerika.

Dr. Joachim Fischer Fraktionsvorsitzender

Redner: Dr. Joachim Fischer, SPD-Fraktionsvorsitzender

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr geehrte Herren Rektoren, sehr geehrter Herr Walther, verehrte Gäste, meine Damen und Herren,

es sind jetzt knapp 10 Jahre vergangen, seit sich am 22. Januar 1992 die Stadtverordneten in diesem Saal mit Fragen der Hochschulpolitik in Leipzig beschäftigt hatten. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, aber nicht nur deshalb, hat meine Fraktion die heutige Sondersitzung beantragt. Es schien uns dringend an der Zeit zu sein, dass sich der Stadtrat erneut mit der Hochschulpolitik in unserer Stadt beschäftigt. Zum einen, um Bilanz zu ziehen, um über aktuelle Probleme, Sorgen und Nöte zu diskutieren, zum anderen aber auch, um in die Zukunft zu blicken.

Meine Damen und Herren,

seit ihrer Gründung im Jahre 1409 ist die Universität mit der Stadt Leipzig und ihren Bürgern auf das Engste verbunden. Nicht umsonst befindet sie sich mitten im Zentrum der Stadt. Mit der industriellen Entwicklung der Stadt im 19. Jahrhundert wurden neue Bildungseinrichtungen auf technischen, wirtschaftswissenschaftlichen und künstlerischen Gebieten gegründet. Der erste Bruch mit ihren alten Traditionen als freie, in die Region ausstrahlende Zentren demokratischen Kultur- und Geisteslebens erfolgte nach 1933 durch die braunen Machthaber. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erhoffte man sich eine Anknüpfung an die alten Traditionen, und es gab zunächst auch zaghafte Anzeichen dafür. Mit der Festigung der SED-Herrschaft entwickelten sich die Leipziger Universität und die Hoch- und Fachschulen jedoch mehr und mehr zu ideologisch geprägten Hochburgen. Mit dem politischen Umbruch 1989/1990 hat sich in der Hochschullandschaft eine umfassende personelle und fachlich strukturelle Erneuerung vollzogen. Das ging bedauerlicherweise mit einem drastischen Stellenabbau einher. Von 12.000 Stellenkürzungen in Sachsen waren allein die Leipziger Hochschulen mit über 6.000 betroffen! Trotzdem hat sich die Zahl der Studierenden bis zur Jahrtausendwende mehr als verdoppelt. Der Zusammenbruch der ostdeutschen Industrieforschung wirkte sich zusätzlich verschärfend auf die Probleme beim Umbau der Wissenschaftslandschaft in den neuen Ländern aus. Die Stadt Leipzig hat sich von Beginn an in die Neugestaltung eingebracht, wohl wissend, dass Bildung und Forschung wesentliche Wirtschaftfaktoren sind. Ziel der Stadt war und muß bleiben, sich als Stadt der Wissenschaften zu profilieren. Gerade dieses Zusammenspiel zwischen Stadt, Universität und den anderen wissenschaftlichen Einrichtungen hat von Beginn an zum Aufblühen unserer Stadt beigetragen.

Meine Damen und Herren,

die Stadt Leipzig verfügt auch heute noch über sehr gute Ausgangsbedingungen. Hoch- und Fachschulen bieten über 30.000 Studierenden hervorragende Bildungsmöglichkeiten. Zudem ist Leipzig auch Sitz einer nicht unerheblicher Anzahl international hoch geschätzter Forschungseinrichtungen. Leipzig, Kern des Ballungsraumes Leipzig/Halle mit 1,6 Mill. Einwohnern, ist durch seine geografische Lage im Zentrum Europas und an der Schnittstelle zwischen EU und dem östlichen Wirtschaftsraum prädestiniert, erhebliche Zentralitäts- und Konzentrationsvorteile zu erreichen. Auf den Gebieten Wissenschaft und Industrie verfügt die Region über große Potentiale, insbesondere in der Chemie, Bio- und Informationstechnologie sowie der Umweltforschung. Die Medien – und Telematikbranche zählen heute zu den technologischen Schlüsselbereichen, die als Wachstumsbranchen die gesamte wirtschaftliche, beschäftigungspolitische und kulturelle Entwicklung des Standortes Leipzig bestimmen werden.

Daneben gilt es weitere Zukunftstechnologien zu entwickeln. Das kann nur über eine allseitig gesicherte Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft in Leipzig geschehen. Der Ruf nach einer verstärkten hochqualifizierten einheimischen Ingenieurausbildung für die Weiterentwicklung zukunftsträchtiger Branchenprofile ist dafür nur ein Beispiel. Die vorhandene Profilierung in Ausbildung und Forschung, insbesondere mit den Fachschwerpunkten Ingenieurwesen, Biotechnologie und Informatik muss weiter ausgebaut werden, um mit einer technologieorientierten Ausbildung die Wirtschaftskraft der Region Leipzig zu stärken. Der Aufbau einer gesunden, selbsttragenden wirtschaftlichen Basis des Landes Sachsen muß primär auf die Entwicklung intelligenzintensiver innovativer Produkte und Verfahren sowie auf die Bildung als wertvolles Exportgut setzen.

Sehr geehrter Herr Staatsminister Meyer,

als Stadträte wissen wir nur zu gut, was Haushaltzwänge bedeuten. Uns ist auch durchaus bewusst, dass der Freistaat ebenso wie wir unter Haushaltzwängen steht. Trotz aller Konsolidierungsbemühungen haben wir in Leipzig aber stets Investitionen in die Zukunft von Kürzungen ausgenommen. Genau das tut jedoch die Sächsische Staatsregierung nicht, wenn sie im Hochschulbereich die Mittel kürzt und Stellen abbaut.

Im Januar 2001 schrieben Leipziger Studenten mit großer Besorgnis an die Klagemauer der Universität, dass rund 1715 Stellen an den Hochschulen des Freistaates bis 2009 gekürzt werden sollen. Allein auf die Leipziger Hochschulen würden davon 450 Stellen entfallen. Bereits der Doppelhaushalt 2001/02 sieht vor, 35 Stellen an der Universität Leipzig durch die Landesregierung zu streichen. Wenn nun dazu noch die im Juli vom Staatsminister der Finanzen verfügte Haushaltsperre für 30 % der Sachmittel kommt, ist die Schmerzgrenze ganz offensichtlich überschritten. Wenn dann ein Mann, wie der Kanzler der Universität Leipzig – der ganz sicher nicht für spektakuläre Aktionen bekannt ist – mit einer außergewöhnlichen Maßnahme in die Öffentlichkeit geht, kann sich jedermann das Ausmaß der Finanzmisere ausmalen. Nicht auszudenken, welche Beschädigung ihres Rufes die Hochschulen in Leipzig erleiden, wenn sich herumspricht, dass in Leipzig bei Wissenschaft und Forschung auf Sparflamme gekocht wird. Deshalb fordern wir die Staatsregierung dringend zum Umsteuern auf. Es ist zwar spät, aber noch nicht zu spät! Bildung bedeutet Zukunft, Kürzungen schädigen unsere Hochschulen, unser Land, die Stadt und die Region. Die SPD-Fraktion unterstützt deshalb den weiteren Ausbau des Wissenschafts- und Hochschulstandortes Leipzig und spricht sich einhellig gegen die Kürzungen der Landesregierung aus.

Meine Damen und Herren,

bekanntlich hat jedoch jede Medaille zwei Seiten. Deshalb haben wir nicht nur Forderungen an den Freistaat, sondern selbstverständlich auch an die Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen und nicht zuletzt an die Stadt Leipzig selbst:

  • Bei der Kooperation zwischen Universität, Hoch- und Fachschulen sowie Forschungseinrichtungen ist nach Wegen zu suchen, die schneller als bisher zu Ergebnissen führen. Die Schwierigkeiten in Bezug auf die Gründung der School of Media Leipzig ist ein Beispiel, das sich nicht wiederholen darf.
  • Von den Leipziger Hochschulen erwarten wir eine stärkere internationale Ausrichtung des Studienangebots und die Einführung international anerkannter Studienabschlüsse sowie einen modulartigen Aufbau der Studiengänge. Die SPD-Fraktion verspricht sich davon eine erhöhte Attraktivität, nicht nur für ausländische Studierende.
  • Die SPD-Fraktion unterstützt den Vorschlag, an der Universität Leipzig in Kooperation mit der HTWK ein Technisches Kompetenzzentrum für innovative Wissenschaftsentwicklung einzurichten. Mit anfänglicher Unterstützung durch die Leipziger Stiftung Innovation und Technologietransfer wäre das ein – wie wir glauben – zukunftsfähiger Schritt auch im Hinblick auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
  • Die Ausstrahlung der Universität, der Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf das gesamte öffentliche Leben in Leipzig – besonders durch ihre Hochschullehrer – muß erheblich verbessert werden.
  • Von den wissenschaftlichen Einrichtungen als Quellen potentieller Existenzgründer erwarten wir, dass sie die Schaffung wirtschaftlicher Existenzen für ihre Absolventen in der Stadt und mit Unterstützung durch die Stadt Leipzig fördern. Die Absolventen müssen durch geeignete Ausbildungsmaßnahmen auf die wirtschaftliche Selbstständigkeit vorbereitet werden.
  • Die Stadt Leipzig sollte verstärkt als Moderator zur Bündelung der Aktivitäten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, zwischen den Hochschulen, Kapitalgebern sowie Verbänden und Kammern fungieren. Die Stadtverwaltung fordern wir deshalb auf, die Voraussetzungen zu schaffen, um eine vertiefte Partnerschaft und Kooperationsbereitschaft zwischen den Hochschulen, der Industrie, Handwerk und Gewerbe, der Stadt und der Region zu erreichen.

Meine Damen und Herren,

Gestatten Sie mir noch eine Schlussbemerkung: Aus unserer Sicht ist die Lage ernst, sehr ernst, aber durchaus nicht hoffnungslos. Ein “Weiter so!” darf es auf keiner Seite geben. Von der heutigen Beratung erhoffen wir uns deshalb, dass bei allen Beteiligten das Gespür für die jeweiligen Sorgen und Nöte des anderen geschärft wird, Notwendigkeiten erkannt und anerkannt werden und Anregungen für die weitere Arbeit mitgenommen werden können. Wenn dadurch ein besseres Miteinander erreicht werden kann, ist uns um die Zukunft des Hochschul- und Wissenschaftsstandortes Leipzig ganz gewiss nicht bange.

SPD-Fraktion im Stadtrat Leipzig

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

nach den Versuchen der NPD und der sogenannten Jungen Nationaldemokraten, in den Jahren 1997 und 1998 den 1. Mai und das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig für ihre Zwecke zu missbrauchen, versucht es nun eine sogenannte “Bürgerinitiative für deutsche Interessen” erneut. Diesmal jedoch am 1. September, dem Jahrestag der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch die faschistischen Machthaber.

Die Mitglieder des SPD-Unterbezirks Leipzig-Borna und der SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat sind empört, dass die ultrarechte Szene zum wiederholten Male in schamloser Weise die Stadt Leipzig und das Völkerschlachtdenkmal für ihre Zwecke missbrauchen will.

In gleicher Weise wenden wir uns gegen Versuche der linksradikalen Szene mit einer “Kriegserklärung an Deutschland” und Plakat-Sprüchen wie “desaster area” diese Situation zusätzlich anzuheizen und dadurch möglicherweise Gewalttaten zu provozieren.

Der SPD-Unterbezirk und die SPD-Fraktion erwarten, dass der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig alle ihm zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel nutzt, um jetzt und künftig derartige Demonstrationen zu verhindern.

Gunter Weißgerber, Vorsitzender SPD-Unterbezirk Leipzig-Borna

Dr. Joachim Fischer, Vorsitzender SPD-Fraktion Leipzig

Beitrag von Axel Dyck

In der Ratsversammlung am 18.10.2000 wurde der Stadtentwicklungsplan Wohnungsbau und Stadterneuerung beschlossen. Die Zustimmung der SPD-Fraktion begründete der wohnungspolitische Sprecher, Axel Dyck, wie folgt:

Der vorliegende Stadtentwicklungsplan in gründerzeitlich geprägten Quartieren ist nicht der erste dieser Art in unserer Stadt. Ein kurzer Blick zurück lohnt sich durchaus, denn Probleme in wirtschaftlich und gesellschaftlichen Umbruchzeiten hat es in unserer Stadt schon oft gegeben. 1925 wurde mit der Ausarbeitung eines Generalbebauungsplanes begonnen, der 1929 nach 4 Jahren abschließend vorlag. Auch dieser Plan basierte auf einer recht konkreten Analyse des Vorhandenen und gibt Antworten vor allem auf die Frage wo und wie soll die Leipziger Bevölkerung wohnen. Und hier ist die Brücke zu unserem Stadtentwicklungsplan: 1929 wurden für das Jahr 2000 1,8 Mill. Einwohner für unsere Stadt prognostiziert. Heute sind wir froh, wenn sich die pessimistischsten Prognosen hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung hin zu einem weiteren negativen Saldo nicht einstellen und wir auf dem gegenwärtigen Stand verharren können.

Vor zehn Jahren stellte sich die Frage “Ist Leipzig noch zu retten?” Die Antwort lautet: Leipzig ist gerettet. Mit viel Bürgersinn, viel städtischen Engagement, mit staatlichen Finanzprogrammen, aber auch mit sehr viel privatem Kapital. Für alles ist zu danken. Aber wir müssen – sicherlich erstmalig in der Geschichte unserer Stadt – mit einem Überangebot an Wohnraum in allen Preissegmenten fertig werden. Und mit jeder weiteren fertiggestellten sanierten oder neugebauten Wohnung verschärft sich das Problem hin zu einem betriebswirtschaftlichen Kulminationspunkt, wo wiederum der Bestand nicht mehr sinnvoll bewirtschaftet werden kann und mit einem Zusammenbruch des Immobilienmarktes gerechnet werden muß. Ein “weiter so wie bisher” geht nicht.

Die Lösungen sind – so neu das in manchen Ohren klingen mag: Restriktive Beschneidung von Wohnungsbaustandorten, Bestandsverminderung durch Abriss, auch von vermietbaren vielleicht sogar sanierten Wohnungen, Konservierung von Gebäuden, Brachflächen im Stadtgebiet, weiße Flecken auf dem Stadtplan. Zu diesen noch durch uns zu treffenden politischen Entscheidungen gibt der Stadtentwicklungsplan eine aus meiner Sicht schonungslose Datenanalyse mit stellenweise sehr detaillierten und gut nachvollziehbaren Darstellungen von Ursachen und Konsequenzen. Wer zwischen den Zeilen liest, stellt aber fest – es kann auch noch schlimmer werden.

Unsere heutigen und zukünftigen Entscheidungen rund um den Stadtentwicklungsplan – wir nehmen den Plan heute zur Kenntnis, legen seine Fortschreibung fest und beschließen einige Grundsätze – sollten folgendes beachten:

  • Gründerzeitquartiere mit ihrem teilweise bürgerlich geprägten Ambiente als auch die Großsiedlungen sind in unterschiedlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Epochen – mit ihren eigenen Vorstellungen vom Wohnen – entstanden und sind, egal wie deren Bewertung heute im einzelnen ausfällt, Teil unserer Stadtgeschichte und aus dieser nicht wegzudenken. Dazwischen liegt der 2. Weltkrieg mit seinen auch heute noch sichtbaren Wunden.
  • Die einen sind dominant in ihrer stadtbildprägenden Ausstrahlung und werden glücklicherweise wieder von vielen Bürgern als Wohnort angenommen.
  • In den anderen wohnen aber auch Zehntausende Menschen und viele wollen dort auch wohnen bleiben.
  • Die städtischen Aktivitäten sind demzufolge, wie im Vorwort zum Plan ausgeführt, dort zu konzentrieren wo in den Quartieren Defizite in räumlicher und sozialer Struktur vorliegen und für die dort Wohnenden zu einem solch großen Problem werden können, dass einzelne oder alle dort weg wollen. Die soziale Vielfalt und die Kontraste machen eine Stadt interessant und erlebenswert, nicht die Uniformität und die jetzt schon erkennbare soziale Entmischung.

Über die Feinheiten, wie der Plan umgesetzt werden soll, wird viel zu diskutieren sein; viele nicht umkehrbare Entscheidungen werden zu treffen sein; die Finanzierung ist ein großes Fragezeichen. Zu sprechen ist nicht nur hier im Rat, sondern bei und mit allen Beteiligten, mit den Menschen in unserer Stadt.

Der Stadtentwicklungsplan und seine kluge Umsetzung wird neben allen anderen Beschlüssen und Plänen einen großen Einfluß auf die Zukunft unserer Stadt haben. Ob die Analyse richtig war, wird die mittelfristige Stellung unserer Stadt unter den Großstädten Deutschlands und Europas zeigen. Liegen wir richtig sind wir in 70 Jahren vielleicht Millionenstadt, liegen wir falsch sind wir vielleicht Große Kreisstadt.

Stellungnahme von SPD-Stadtrat Jürgen Wesser

Zur Ratsvorlage “Individuelle Förderung durch Leipzig-Pass und Familienpass der Stadt Leipzig”, die in der Ratsversammlung am 18. Oktober 2000 – bei Stimmenthaltung der PDS-Fraktion – einstimmig verabschiedet wurde, gab der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion und Vorsitzende des Fachausschusses Gesundheit und Soziales, Jürgen Wesser, für die SPD-Fraktion folgende Stellungnahme ab:

“Jeder Bürger der Stadt Leipzig soll unabhängig von seiner sozialen Stellung und finanziellen Situation die Möglichkeit haben am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, für sich und für seine Kinder alle die Leistungen in Anspruch zu nehmen die für Schule Beruf, Lehre und Freizeit notwendig sind. Fahrgelder, Essengelder, Eintrittsgelder müssen für alle erschwinglich bleiben. Grundsätzlich ist dieses politische Ziel natürlich nichts Neues. Alle diese Bereiche sind schon lange in unterschiedlicher Qualität und Intensität gefördert worden. Neu ist der konkrete Versuch zu einer Förderung zu kommen, die wirklich diejenigen erreicht die Hilfe dringend brauchen. Sicher, das haben wir schon bisher mehr oder weniger gut erreicht. Wir haben aber durch pauschale Bezuschussung auch Geld ausgegeben, wo es so dringend nicht nötig gewesen wäre. Dafür sind Bürger die bedürftig waren leer ausge-gangen. Wirksame zielgenaue Unterstützung. Das soll mit dieser Vorlage erreicht werden. Der Leipzig – und Familienpass kann die Grundlage dafür werden, dass jeder Hilfebedürftige seinen Anspruch auf Hilfe realisieren kann, ohne dass ein neues Angebot geschaffen oder ein bestehendes Angebot erweitert werden muß. Schön wäre es natürlich auch aus unserer Sicht, wenn wir den Leipzig- und Familienpass zusätzlich zu allen anderen sozialen Leistungen der Stadt Leipzig anbieten könnten. So verstehen wir die Ergänzungsanträge von PDS und Bündnis 90. Das ist angesichts der Haushaltlage der Stadt nicht finanzierbar. Daher können wir diesen Anträgen nicht zustimmen. Das richtige Anliegen der Vorlage würde aufgeweicht, Gelder abgezogen die für dringendere Aufgaben fehlen werden. Auch die diesjährige Diskussion um den Haushalt zeigt die Problematik deutlich. Die Belastungen der Kommunen steigen unaufhörlich. Die Einnahmen hinken immer weiter hinterher. Auch in diesem Jahr gibt es wieder viele Wünsche und Forderungen nach Förderung von Vorhaben und Projekten der unterschiedlichsten Bereiche durch die Stadt Leipzig. Wünschenswert sind alle. Die meisten wichtig. Vieles in der Jugendhilfe, im Sport, in der Kultur, im sozialen Bereich wird seit Jahren angeboten, soll erweitert werden. Manche neue Forderung kommt hinzu. Aber – Leistungen können nicht mehr aufgesattelt werden. Wir könnten nur noch umverteilen, wenn zusätzliche Forderungen erfüllt werden müssen. Wir haben die berühmte, oder besser berüchtigte zu kurze Decke. Vergünstigungen nach dem Leipzig-Pass einräumen und bisherige Vergünstigungen beibehalten. Das hieße faktisch aufsatteln, das ist nicht zu leisten. Für Kinder, Schüler, Studenten, Azubis und Schwerbehinderte, auch die, die nicht Bürger unserer Stadt sind, werden viele der gewohnten Ermäßigungen erhalten bleiben. Für andere Bevölkerungsschichten wird die Hilfe nicht nach Gruppenzugehörigkeit, sondern nach Bedarf geleistet. Nicht jeder der alt ist und nicht jeder der arbeitslos ist, ist auch finanziell bedürftig. Diejenigen, die bedürftig sind werden die erforderliche und mögliche Hilfe bekommen, abhängig von ihrem Einkommen, unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit. Bei knapperen Mitteln Hilfe gerecht und optimal anbieten. Der Familienpass ist ein richtiger Schritt in diese Richtung.”

SPD-Fraktion im Stadtrat Leipzig

Am 27.10. 1998 beschloss der Sächsische Landtag die Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung. Demnach lautet der § 5 Absatz 4 in neuer Fassung wie folgt:

Die Benennung der Gemeindeteile sowie der innerhalb der bebauten Gemeindeteile dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze und Brücken ist Angelegenheit der Gemeinde. Gleichlautende Benennungen innerhalb derselben Gemeindeteils sind unzulässig. Damit entfiel die bisherige Formulierung “… innerhalb derselben Gemeinde…”.

In folge dieser Gesetzesänderung erwächst für jede Gemeinde Regelungsbedarf. Sie muss festlegen, ob und in welchem Umfang sie Mehrfachnamen zulässt, was sie unter dem Begriff “Gemeindeteil” in diesem Zusammenhang versteht.

Für die Stadt Leipzig wurde vorgeschlagen, das gesamte Stadtgebiet in diesem Sinne als Gemeindeteil zu bestimmen, mit der Konsequenz, dass keine Mehrfachnamen zugelassen sind.

Mehrfachnamen sind Ursache für ständig auftretende Verwechslungen mit dem unterschiedlichsten, aber in jedem Fall negativen Folgen. Bei Beibehaltung der Mehrfachnamen wird das Verwechslungsrisiko billigend in Kauf genommen – einschließlich daraus resultierender negativer Folgen (beispielsweise fehlgeleitete Rettungsfahrzeuge). Zielstellung der Regelung ist die Herbeiführung der Eindeutigkeit von Adressen in der Stadt Leipzig. Im Leipziger Stadtgebiet werden nach der Eingliederung von Rückmarsdorf und Burghausen zum 01.01.2000 ca. 570 von 2900 Straßen mehrfach (bis zu 10fach) auftretende Namen tragen, das ist ein Anteil von 20 %. Die Umsetzung der Regelung hätte die Änderung von ca. 360 Straßennamen zur Folge. Diese Änderungen sollen im gesamten Stadtgebiet unter besonderer Berücksichtigung des Erhalts regionalhistorischer Namen vorgenommen werden.

Eindeutige Adressen und damit auch die Straßennamen haben eine nicht hoch genug zu bewertende Ordnungs- und Orientierungsfunktion. Diese Funktion wird wesentlich beeinträchtigt, wenn nicht sogar hinfällig, durch das mehrfache Auftreten von Straßen gleichen Namens in einer Gemeinde.

Im Rahmen der Diskussion über diese Vorlage in der Ratsversammlung betonte unser Fraktionsmitglied Walter Rensch, die Vorlage habe mittlerweile eine Klarheit erreicht, über die man sich nur freuen könne. Die SPD-Fraktion werde ihr zustimmen. Anliegen sei nicht nur die postalische Erreichbarkeit der Bürger, sondern vor allem die Erleichterung der Erreichbarkeit bei Notfällen. Dies sei beim Vorhandensein von zehn Straßen mit dem Namen “Hauptstraße” innerhalb der Stadt nicht zu verwirklichen. Ein Problem gebe es noch hinsichtlich der Zusammensetzung der zu bildenden Arbeitsgruppe. Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe entspreche dem politischen Proporz im Stadtrat. Da nun aber Mitglieder der Stadtbezirksbeiräte und der Ortschaftsräte einbezogen werden sollten, bitte die SPD-Fraktion darum, die diesbezügliche Formulierung der Vorlage, die mit heißer Nadel gestrickt zu sein scheine, rechtlich prüfen zu lassen. Insbesondere solle klar formuliert werden, dass jeweils nur ein Mitglied der Stadtbezirksbeiräte bzw. der Ortschaftsräte einbezogen werden solle und dass die betreffenden Gremien ihren Delegierten in eigener Regie bestimmen sollten.

Aus der Sicht eines Stadtrates, der aus den neuen Ortsteilen kommt, merkte unser aus Engelsdorf kommendes Fraktionsmitglied Wolfgang Haupt an, dass es sei sicherlich kein Zufall, dass ein weiterer Stadtrat zu dieser Vorlage spreche. Er halte die in dem offenen Brief des Ortschaftsrates Holzhausen verwendete Formulierung, dass die Umbenennungen zu Lasten der Identität der Bewohner der neuen Ortsteile zu gehe, für unangebracht, weil die Vorlage klar besagt, dass die Ortschaftsräte bzw. die Stadtbezirksbeiräte Einfluß auf die zu treffenden Entscheidungen nehmen könnten. Dies sei auch ein Signal an die Ortschaftsräte, entsprechende Überlegungen anzustellen und Vorschläge zu unterbreiten. Unangenehm aufgefallen sei ihm, dass in einer Pressemitteilung des Pressesprechers der PDS-Fraktion zu dieser Vorlage von “Machtgebaren gegenüber den neuen Ortsteilen” gesprochen werde. Zum einen missfalle ihm dieser Sprachgebrauch, zum anderen sei diese Behauptung im Zusammenhang mit dieser Vorlage nicht gerechtfertigt. Er glaube auch, dass ein Name wie “Dorfstraße” oder “Hauptstraße” nichts mit der Identität eines Ortes zu tun habe, sondern dass vielmehr Brauchtum und kulturelle Traditionen in einem Ort zur Widerspiegelung dieser Identität wesentlich seien. Im Übrigen habe die Gemeindevertretung von Engelsdorf bereits im Jahre 1995 eine Vorlage zur Umbenennung von zehn Straßen in den Ortsteilen Althen, Hirschfeld, Kleinpösna und Baalsdorf auf dem Tisch gehabt, und diese Vorlage sei lediglich deshalb zurückgenommen worden, weil die Entscheidungen in der Gemeindegebietsreform angestanden hatten. Die seinerzeit in Engelsdorf erarbeitete Vorlage könne bei der Erarbeitung der jetzt anstehenden Umbenennungen genutzt werden. Aufgrund der soeben genannten Argumente halte er eine Zustimmung zu dieser Vorlage für wünschenswert und notwendig.

Am 09.02.2000 hat die Ratsversammlung der Stadt Leipzig mit den Stimmen der SPD-Fraktion der Gründung einer Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer sowie der Gründung einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft zugestimmt. Die Stiftung wurde mit einem Grundstockvermögen in Höhe von 50 Mio. DM ausgestattet. Die Kapitalbeteiligungsgesellschaft wird eine Einlage der Stadt Leipzig in Höhe von 25 Mio. DM erhalten. Die Finanzmittel in Höhe von insgesamt 25. Mio. DM stellte die Stadt Leipzig aus einer Rücklage zur Verfügung, die nach dem Stadtwerkeanteilsverkauf gebildet wurde. Insoweit ist nunmehr die politische Absicht verwirklicht, zumindest einen Teil des Erlöses aus dem Anteilsverkauf der Stadtwerke für wirtschaftsfördernde Maßnahmen zu verwenden.

Mit der Gründung der Stiftung und der Kapitalbeteiligungsgesellschaft leitet die Stadt Leipzig völlig neue wirtschaftsfördernde Maßnahmen ein, die im übrigen bundesweit ohne Beispiel sind. Erklärter Wille der Stadt Leipzig ist es, die Innovationsaktivitäten und – potenziale in Leipzig zu stärken. Die Aktivitäten der Stiftung zielen daher darauf ab, die strategisch-infrastrukturellen Rahmenbedingungen für Innovationen und technologische Entwicklungen positiv zu beeinflussen. Daher sollen die Aktivitäten insbesondere darauf gerichtet sein, die Rahmenbedingungen für eine Innovations- und Technologiestruktur in Leipzig zu schaffen. Dies soll erreicht werden, indem im Rahmen des Stiftungszwecks insbesondere auf die Schlüsselfaktoren “Technologie, Transfer, Innovation” und Qualifizierung hingewirkt wird. Die Stiftung soll unter anderem durch Bereitstellung von Know-How, Vermittlung von Kontakten und des Zugangs zu Netzwerken dazu beitragen, Human-Kapital aufzubauen bzw. vorhandenes langfristig an Leipzig zu binden.

Die Gründung der Stiftung soll als sichtbares Zeichen des Bekenntnisses der Stadt Leipzig verstanden werden, nachhaltig neue Wege zu bestreiten. Daher ist geplant, die Mitglieder des Kuratoriums der Stiftung in erster Linie durch bedeutende (überregional bekannte) Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft zu bestimmen. Derartige bedeutende Repräsentanten könnten dazu beitragen, die Arbeit der Stiftung über Leipzig hinaus zu befördern. Darüber hinaus könnte durch die Benennung von bedeutenden Kuratoriumsmitgliedern erreicht werden, dass weitere Zustiftungen erfolgen. Aufgabe der Beteiligungsgesellschaft ist es, Beteiligungskapital Unternehmen mit einer niedrigen Eigenkapitalquote zur Verfügung zu stellen. Die Gründung einer derartigen Beteiligungsgesellschaft stellt eine neuartige Maßnahme der kommunalen Wirtschaftsförderung dar.

Die Wirtschaftsförderung wird dabei durch die Vergabe von Beteiligungen selbst unternehmerisch. Denn die Wirksamkeit von Eigenkapitalhilfen ist an den Bilanzentwicklungen der geförderten Unternehmen direkt ablesbar und außerdem werden im Rahmen von Beteiligungsverträgen unternehmerische Ziele vereinbart. Dagegen geht bei herkömmlichen verlorenen oder zurückzahlbaren Zuschüssen, die Wirksamkeitskontrolle über den Verwendungsnachweis nicht hinaus. Erstmals ist die Erfolgsrate der konkreten Fördermaßnahme unmittelbar an den Bilanzen der als Förderinstitution zu gründenden Beteiligungsgesellschaft messbar. Durch die Beteiligungen an zu fördernden Leipziger Unternehmen kann deren niedrige Eigenkapitalquote verbessert werden. Da insbesondere bei Existenzgründern und bei den innovativen Leipziger Unternehmen ein hoher Bedarf an Eigenkapital besteht, ist eine derartige Beteiligung Voraussetzung für eine positive Unternehmensentwicklung.

Im Rahmen der jeweiligen Beteiligungsvereinbarung soll darüber hinaus darauf hingewirkt werden, dass weitere Partner dem zu fördernden Unternehmen ebenfalls Eigenkapital zur Verfügung stellen. So können die beabsichtigte positiven Effekte der Beteiligungsgesellschaft noch verstärkt werden. Die Stadt Leipzig wird durch diese neuen wirtschaftsfördernden Maßnahmen die bereits eingeleiteten unterstützenden Maßnahmen für Existenzgründer und junge Unternehmen weiter begleiten. In absehbarer Zeit wird messbar sein, dass sich aufgrund der hier beschlossenen Maßnahmen zahlreiche neue Unternehmen in Leipzig ansiedeln und bereits bestehende Unternehmen sich positiv weiter entwickelt haben. Hierdurch werden auch positive Ergebnisse für den Leipziger Arbeitsmarkt erreicht werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Genehmigungsbehörden diese positiven “neuen” wirtschaftsfördernden Maßnahmen der Stadt Leipzig wohlwollend begleiten.

Gunter Müller Stadtrat