Reden und Texte der SPD-Fraktionsmitglieder innerhalb der Ratsversammlung zu ausgewählten Themen

Rednerin: Traudl Weise, Stadträtin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste!

Wenn diese Vorlage heute vom Stadtrat positiv votiert wird, ist das eine Sternstunde nicht nur für den Thomanerchor, sondern auch für die Stadt Leipzig und alle Gäste aus der ganzen Welt, die gerade in dieser Woche zum Bachfest zu Gast sind.
Mit dem heute zu fassenden Beschluss schafft der Stadtrat Bedingungen, die die Existenz des Chores nicht mehr infrage stellen.
Viele Eltern würden künftig nicht mehr sagen: Der Thomanerchor ist gut und wichtig, aber bitte nicht mit meinem Sohn! Das ist viel zu anstrengend, das können wir unserem Kind nicht zumuten.
Ich glaube, dass mit dem modernisierten pädagogischen Konzept die Voraussetzungen für die Entfaltung der jungen Chormitglieder geschaffen werden.

Das „forum thomanum“ dient aber nicht nur den Thomanern, sondern durch die Kita, das Thomanergymnasium und das gesamte Umfeld werden zukünftig viele Leipziger Kinder und Jugendliche vom „forum thomanum“ profitieren können. In der Umgebung des Alumnats sieht es derzeit noch ziemlich desolat aus. Dank des „forum thomanum“ wird sich dort vieles zum Positiven verändern. Nach Vorliegen des heute zu fassenden Beschlusses wird ein Teil des Vermögens von engagierten Bürgern in das „forum thomanum“ fließen. Dies ist ein wichtiger Aspekt, nicht nur für die Kultur, sondern für die wirtschaftliche Entwicklung in Leipzig. Denn Leipzig profitiert von der Kultur. Dieser Punkt darf nicht außer Acht gelassen werden.

Ich danke insbesondere Pfarrer Wolff für sein Engagement. Ohne ihn wäre „forum thomanum“ eine Vision geblieben, über die häufig etwas gelächelt worden sei. Heute könne man sagen, dass diese Vision Wirklichkeit wird.
Ich wünsche mir, dass Pfarrer Wolff – mit seiner Bereitschaft zum Konflikt – der Stadt Leipzig noch lange erhalten bleibt.
Dem Änderungsantrag von Stadtrat Schlegel wird die SPD-Fraktion zustimmen.

Redner: Gunter Müller, Sprecher der Fraktion für den Bereich Wirtschaft und Arbeit

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste!

Ich möchte zunächst der Kritik meines Vorgängers in einigen Punkten widersprechen. In der Stadt Leipzig wird jetzt mit der Umsetzung des Programms Kommunal-Kombi begonnen. Sicherlich hätte man zeitlich das eine oder andere besser machen können, aber bestimmte Erfahrungen hinsichtlich der Antragstellung hätten erst gesammelt werden müssen. Jetzt beginnt man mit Maßnahmen, die drei Jahre gelten sollen. Wenn es gelingen soll, die Maßnahmen umzusetzen, gehe letztlich nichts verloren.

Man kann auch feststellen, dass gegenüber der ersten Planung insbesondere der ARGE Leipzig die Zahl der Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen erhöht worden ist, sodass in diesem Jahr auf jeden Fall mehr Maßnahmen durchgeführt werden als im vergangenen Jahr. Dies ist erfreulich. Man muss auch sehen, dass das SGB II von diesem Jahr an auch andere Fördermöglichkeiten, unter anderem für Unternehmen, vorsieht. Davon verspreche ich mir auch das eine oder andere.

Sicherlich wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Bund ein Instrument geschaffen hätte, das weniger Verwaltungsaufwand erfordert und die Kommunen stärker entlastet. In dieser Hinsicht teile ich durchaus die Kritik. Ich sehe auch nach wie vor die Begehrlichkeit, mithilfe des Bundesprogramms mehr Beschäftigungsmaßnahmen auch in Leipzig zu realisieren. Man muss sehen, inwieweit die anderen Kommunen ihr Anträge auf den Weg bringen. Bekanntlich gebe es die Frist 30. September. Bei Nichteinhaltung dieser Frist durch andere Kommunen könnte Leipzig noch Anträge nachreichen. Damit müsse sich der Stadtrat dann auch im nächsten Haushaltsplanverfahren beschäftigen.

Die SPD-Fraktion habe, weitsichtig wie sie ist, schon zum laufenden Haushalt entsprechende Anträge gestellt. Dabei sei sie selbstverständlich auch von den anderen Fraktionen unterstützt worden. Aber die Kosten kämen ab 2009 auf die Stadt zu. Wenn die Stadt Leipzig zusätzlich Beschäftigung anbieten und fördern wolle, müsse natürlich auch gesagt werden, auf welchen Gebieten möglicherweise auf die Realisierung bestimmter Projekte verzichtet werden solle. Die Kürzung von Gutachterkosten werde hierfür wahrscheinlich nicht ausreichend sein.

Rednerin: Ute Köhler-Siegel, Stadträtin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Stadträtinnen und Stadträte,
werte Gäste!
Was ist Tagespflege und welche Betreuungsqualität erwartet die Stadt Leipzig von ihr?
Mit der Neufassung des SächKitaG und nach SGB VIII wurde Tagespflege zum gleichrangigen Alternativangebot zur Betreuung und Bildung von Kindern bis zum dritten Lebensjahr neben der Betreuung in einer Kindereinrichtung gestellt.

Als gleichrangiges Angebot!
Ich habe hingegen oft das Gefühl, dass Tagespflege als billiges Ersatzangebot für nicht vorhandene Krippenplätze, als Übergangslösung oder als Beschäftigung für Hausfrauen mit erhöhter Erwerbsneigung verstanden wird.
Mit unserem Antrag wollen wir Tagespflege zu dem weiterentwickeln, was sie laut Gesetz sein soll. Nur mit Qualitätssicherung und -entwicklung etablieren wir Tagespflegepersonen mit entsprechender Ausbildung und Eignung, die den Bildungsauftrag bei den Jüngsten auch in hoher Qualität umsetzen können.

Tagespflegepersonen müssen und wollen sich fortbilden, um an ihren pädagogischen Konzeptionen zu arbeiten. Die Angebote müssen geprüft werden, aber auch, ob die Fortbildungspauschale von 50€ im Jahr noch angemessen ist.

Tagespflegepersonen wollen sich vernetzen und zusammenschließen.
In den Empfehlungen des Landesjugendamtes steht dazu, dass Zusammenschlüsse auch vor dem Hintergrund der Organisation von Vertretung  im Falle von Krankheit und Urlaub zu unterstützen sind. Mit unserem Antrag soll das Jugendamt modellhaft prüfen, welche Form von Zusammenschlüssen dem Kindeswohl dient.
Wir können nicht mehr länger darauf warten, dass sich das Vertretungsproblem von allein löst. Andere Kommunen in Sachsen haben bereits Lösungen gefunden. Es ist an der Zeit, dass das Jugendamt in Leipzig offiziell den Auftrag erhält, ein effizientes Vertretungssystem zu entwickeln. Dabei ist eine Zusammenarbeit mit den freien Trägern notwendig, denn diese bieten Tagespflege an und haben gute Ideen zur Umsetzung.

Meine Fraktion bekennt sich zur Tagespflege als gleichwertiges Betreuungsangebot neben den Kindereinrichtungen für Kinder bis zum dritten Lebensjahr.
Wir wollen Qualitätsstandards, wir wollen ein Vertretungssystem und wir wollen Vernetzung fördern.
Bitte unterstützen Sie die Verbesserung im Betreuungssystem im Bereich Kindertagespflege und stimmen Sie diesem Antrag zu.

Rednerin: Ute Köhler-Siegel, Stadträtin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Stadträtinnen und Stadträte, werte Gäste!

Ist Leipzig familienfreundlich?

Im Jahr 2005 beschlossen wir im Stadtrat zwei strategische Ziele der Kommunalpolitik. Eines dieser Ziele ist es, Rahmenbedingungen für eine ausgeglichene Altersstruktur und die Ausrichtung des Handelns auf Kinder, Jugendliche und Familien mit Kindern zu schaffen. Zur Ausdifferenzierung dieses Zielbereichs wurde am 14.12.2005 der Beschluss gefasst, eine Arbeitsgruppe zu gründen, in der die Umsetzung dieses Ziels diskutiert wird. Das Ergebnis dieser Diskussionen liegt uns nun in dieser Info-Vorlage vor.

Zehn Vorschläge für künftige Arbeitsansätze zur Erreichung des Ziels wurden erarbeitet und mit Umsetzungsvorschlägen untermauert. Darunter ist z. B. die Erarbeitung von Merkmalen für eine familienfreundliche Stadt, eine Arbeitsgruppe wird Merkmale und Messgrößen erarbeiten. Weitere Vorschläge sind die Einrichtung eines Familienbüros, die Gründung einer Arbeitsgruppe „Familienfreundliches Unternehmen“ mit dem Ziel, Standards und Merkmale zu erarbeiten, Aufbau ehrenamtlicher Strukturen, Ehrung familienfreundlichen Handelns und noch einige mehr.
Zur weiteren Umsetzung dieser Vorschläge werden dem Stadtrat noch in diesem Jahr einzelne Vorlagen zur Entscheidung oder zur Information vorgelegt.

Ist Leipzig nun familienfreundlich?
Die Vorlage zeigt, dass die Stadt zahlreiche Rahmenbedingungen für Familienfreundlichkeit geschaffen hat. Es gilt, diese Aktivitäten zu bündeln, zu analysieren, weiterzuentwickeln und zu vermarkten.
Der Familienatlas der Bundesregierung zählt Leipzig im Bereich „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu den führenden Regionen in Deutschland. Das ist besonders auf den guten Ausbau der Infrastruktur bei der Kinderbetreuung zurückzuführen.
Trotz der angespannten finanziellen Situation der Stadt Leipzig wird weiter in den Ausbau des Betreuungsnetzes investiert. Die Kommune kann aber in der derzeitigen Situation nicht auch noch die kostenfreie Kinderbetreuung stemmen. Die Prioritäten meiner Fraktion liegen in der Schaffung neuer Plätze, vor allem wohnortnaher Krippenplätze und in der Qualitätsentwicklung.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
einen weiteren Vorschlag zur Erreichung des Ziels kinderfreundliche Kommune hätte ich noch:
Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Tätigkeit als Stadtrat.
Zur Umsetzung schlage ich vor, dass Veranstaltungen wie z. B. Ratsversammlungen so enden, dass man noch pünktlich zur Ausstrahlung des Sandmännchens zu Hause ist.

Redner: Axel Dyck, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
werte Gäste!

Am 14.11.2007 stand das Thema „Sozialticket“, in Form eines Antrages von mehreren Fraktionen, schon einmal auf der Tagesordnung der Ratsversammlung.
Der Auftrag an die Verwaltung, zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen eine rabattierte Leistung eingeführt werden könnte, wurde durch die Verwaltung umgesetzt. Das Ergebnis liegt uns jetzt vor, und wir Stadträtinnen und Stadträte sind heute gefordert, endgültig zu entscheiden, jetzt allerdings vor dem Hintergrund konkreter Zahlen, ob wir die „Leipzig Mobil Card“ einführen wollen oder nicht.

Meine Fraktion hat sich nach langer und kontroverser Diskussion entschieden, der Einführung der „Leipzig Mobil Card“ zuzustimmen, obwohl wir um die problematische Haushaltslage unserer Stadt wissen und wir natürlich der Meinung sind, dass es dauerhaftes Ziel in Deutschland sein muss, das System staatlicher Sozial- und Transferleistungen so auszustatten, dass mit ihnen ein armutsfreies Leben ohne weitere direkte geldliche oder anderer materieller Unterstützung durch die Kommunen möglich ist.

Da dieses zum heutigen Zeitpunkt und sicherlich auch in der nahen Zukunft jedoch nicht der Fall ist bzw. sein wird und ein großer Teil der Bürger Leipzigs aber jetzt unsere Hilfe und Solidarität benötigt, muss die Stadt Leipzig erst einmal eine eigene Lösung anbieten.
Dass dieses auch rechtlich möglich und moralisch legitimiert ist, wird im ersten Teil der Verwaltungsvorlage unter der Überschrift „Sozialpolitische Aspekte der Einführung eines Sozialtickets“ hervorragend hergeleitet. An dieser Stelle möchten wir uns bei der Verwaltung, allen voran bei Herrn Prof. Dr. Fabian und seinen Mitarbeitern bedanken, die uns eine qualitativ sehr hochwertige und logisch nachvollziehbare Informationsvorlage übergeben haben.

Ich verhehle nicht, dass ich persönlich sehr lange mit großer Skepsis dem Anliegen „Sozialticket“ gegenüberstand und auch heute noch nicht frei von allen Zweifeln bin, aber sowohl die Argumentationstiefe der Vorlage als auch der erneute Tarifanstieg im LVB-Netz zum 1. August dieses Jahres haben bei mir Wirkungen gezeigt.

Der öffentliche Personennahverkehr gehört unserer Meinung nach zur Grundversorgung und soll von allen Menschen wahrgenommen werden können. Die geplante „Leipzig Mobil Card“ ist keine geldliche Zuwendung, sondern eine Rabattierung für eine bestimmte Bevölkerungsschicht. Und ich sehe dies eben auch im Zusammenhang mit unseren ÖPNV-Tarifen, die sich nahe an der Akzeptanzgrenze bewegen.

Die Mobilität auch finanziell benachteiligter Menschen ist notwendiger Bestandteil zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in einer Großstadt mit all ihren Verflechtungen – bei der Arbeitssuche wie beim ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagement, was gerade vielen arbeitslosen Menschen hilft, der eigenen Isolation zu entkommen. Bei vielen Menschen reicht die finanzielle Zuwendung für die Kosten der Mobilität nicht aus. Die „Leipzig Mobil Card“ wird hierbei die erforderliche gesellschaftliche Teilhabe durch das Notwendige an Mobilität ermöglichen.

An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die „Leipzig Mobil Card“ ja nicht nur von Regelsatz finanzierten Arbeitslosengeld II-Empfängern, sondern gleichermaßen auch von Beschäftigten im Niedriglohnsektor, Empfänger niedriger Renten, vielen Arbeitslosengeld I-Empfängern sowie Arbeitslosen und -suchenden ohne Leistungsansprüchen benutzt werden kann.

Mit der Einführung einer „Leipzig Mobil Card“ würde unsere Stadt einmal mehr beweisen, dass sie tatsächlich „eine Stadt des sozialen Zusammenhalts“ ist, und sich dieses nicht nur als Floskel in ihren aktuellen Handlungsleitlinien auf die Fahnen schreibt. Auch hier setzen wir, wie auf vielen Feldern in dieser Stadt Maßstäbe. Und auch dieses Ticket wird merklich zum erneut nachgewiesenen positiven Lebensgefühl in dieser Stadt als Summe vieler, auch durch uns zu verantwortender Einzelfaktoren, beitragen.

Die SPD-Fraktion wird der Einführung einer „Leipzig Mobil Card“ zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Redner: Manfred Rauer, Stadtrat

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte.
sehr geehrte Gäste,

wir haben heute über eine Vorlage zur Benennung einer Straße/eines Platzes nach der Friedlichen Revolution zu beraten.
Die Intentionen der SPD-Fraktion zur Würdigung der Ereignisse im Herbst 1989 und der Rolle, welche die Bürgerinnen und Bürger Leipzigs und vieler Umlandgemeinden dabei spielten, gingen immer über eine Erinnerung in Form einer Straßen- oder Platzumbenennung hinaus. Wir halten sie aber im Kontext mit anderen Formen für wichtig.

Die Bemühungen, dieses Ereignis mehr in den Fokus städtischer Politik zu rücken und zur Identitätsstiftung zu nutzen, wurden zum ersten Mal im Vorfeld des 10. Jahrestages 1999 laut. Es war ziemlich ruhig geworden um den Herbst 1989, vielleicht waren auch die zu bewältigenden Aufgaben und die Folgen des Umbruchs für viele Menschen zu stark.

Wir bereiten jetzt den 20.Jahrestag vor. Es ist spürbar, dass dieser Termin bundesweit größte Aufmerksamkeit bekommen wird. In Berlin plant man, unabhängig vom beschlossenen Bau eines Denkmals, große Feierlichkeiten. Dem gibt es auch nichts zu widersprechen, der Bundeshauptstadt kommt eine zentrale Rolle zu und auch ein Einheits- und Freiheitsdenkmal hat durchaus seine Berechtigung.
Es wird aber darauf ankommen, dass Leipzig als Stadt der Friedlichen Revolution, in welcher die Voraussetzungen für die Freiheit und der sich daraus ergebenden Einheit geschaffen wurden, den ihr gebührenden Platz einnimmt.

Es gibt eine große Anzahl von Frauen und Männern, die sich diesem Ziel verschrieben haben. Stellvertretend möchte ich hier die „Initiative Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober“ nennen, die alljährlich mit Veranstaltungen zum 9. Oktober diesen Tag im Bewusstsein der Menschen wach hält.
Sie hat mit ihrem „Ruf aus Leipzig“, der von vielen Prominenten aus Politik, Kultur und Sport unterzeichnet wurde, und der Formel „40+20=60 Jahre Bundesrepublik“ eine Plattform geschaffen, die helfen sollte, den 20.Jahrestag der Friedlichen Revolution angemessen und selbstbewusst zu begehen, auch und nicht zuletzt in Leipzig.

Aber wir müssen auch aufpassen, dass wir den Anschluss nicht verlieren. Wir diskutieren seit vier Jahren hier im Stadtrat, ob es in dieser Stadt eine Straße oder einen Platz gibt, der nach diesem historischen Ereignis benannt ist. Der 9.Oktober steht ja nicht nur für sich, er ist sozusagen der Schlussstein, der auf dem 17.06.1953, dem 31.10.1965, dem 30.05.1968 und den Montagsdemonstrationen steht und in dessen Folge unser Vaterland und Europa einen nicht für möglich gehaltenen Wandel erfuhr.

Den Beginn machte das Bürgerkomitee Leipzig e.V. am 07.10.2004 mit seinem Vorschlag. Bündnis 90/ Die Grünen erweiterten die Palette der Vorhaben am 11.10.2006 in ihren Antrag „Leipzig und 89 – Erinnern, Bewahren und für die Zukunft nutzbar machen“.
Der Stadtrat beschloss am 18.04.2007 die Vorlage „Vorgehen zur Benennung einer Straße/eines Platzes nach der Friedlichen Revolution“. Die darin vorgesehene öffentliche Anhörung hatte zum Ergebnis, dass in zwei Monaten 55 Schreiben eingegangen sind, in denen 67 Namensvorschläge zu 14 verschiedenen Orten innerhalb der Stadt gemacht worden. Die Arbeitsgruppe „Straßenbenennung“, welche die Aufgabe hatte, dem Stadtrat eine Entscheidung vorzubereiten, ist zu keinem Ergebnis gekommen.

Im Prinzip sind wir in dieser Angelegenheit keinen Schritt weiter als am 07.10.2004.
Wir nehmen die Vorschläge der öffentlichen Anhörung und die Auswertung zur Kenntnis und führen die Benennung  einer Straße/eines Platzes nach der Friedlichen Revolution mit den weiteren Vorschlägen zur Erinnerung an die Ereignisse des Jahres 1989 zusammen, mit der Zielstellung, die besten für die Würdigung des 20.Jahrestages der Friedlichen Revolution am 09.10.2009 auszuwählen. Das ist der heutige Beschlusstext. 16 Monate vor diesem Jahrestag. Ein Beschluss sollte nach vier Jahren Diskussion anders aussehen.

Wie groß sind die Chancen, dass sich dieser Stadtrat zwischen 67 Namen und 14 Standorten entscheidet? Die Signale dazu sind nicht überwiegend positiv.
Wenn aber das Anbringen von Zusatzschildern unter Straßen- und Platznamen die einzige mehrheitsfähige Form in diesem Hause ist, dann sollten wir das zu diesem Zeitpunkt sagen und unsere Kräfte nicht in hoffnungslosen Debatten verschleißen. Das wäre auch nach außen ein deutliches Signal des Stadtrates.
Wenn aber eine Benennung der politische Wille der Mehrheit dieses Hauses ist, sollten wir auch das schnell und überzeugend zum Ausdruck bringen.

Die SPD-Fraktion hat mit ihrem Vorschlag, den Augustusplatz umzubenennen, mehr Widerspruch erfahren als Zustimmung. Das bedauern wir und stellen uns den anderen Möglichkeiten, welche in der Vorlage noch zur Diskussion stehen. Ohne dass wir ein abschließendes Urteil gefällt haben, sollten wir einen Ort wählen, der dem Ereignis angemessen ist und der als Standort eines eventuellen Einheits- und Freiheitsdenkmals in Frage kommt.
Dieses Bekenntnis zu einer Umbenennung schließt ausdrücklich alle anderen Vorschläge und Vorstellungen zur Würdigung des 9.Oktober 1989 ein.

Wir sind überzeugt, dass alle diese Bemühungen wenig Erfolg haben werden, wenn sich nicht die Leipziger Bürgerinnen und Bürger weiterhin deutlich zu ihrer Stadt als der Stadt der Friedlichen Revolution bekennen, als die sie von außen uneingeschränkt wahrgenommen wird. Hans-Dietrich Genscher hat das am 9. Oktober 2007 in seiner Rede im Gewandhaus und auf dem Nikolaikirchhof zum Ausdruck gebracht als er sagte: „Danke Leipzig“!

Der Stadtrat könnte im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Erinnerung an den 9.Oktober 1989 eine Willensbekundung auf der Grundlage des „Rufes aus Leipzig: 40+20=60 Jahre Bundesrepublik“ in diesem Sinne abgeben.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Redner: Claus Müller, Stadtrat der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
werte Gäste!

Annemarie Renger wurde am 07.10.1919 in Leipzig geboren. Nach 1945 war sie beim Wiederaufbau der  Demokratie  in der Bundesrepublik Deutschland eine Frau der ersten Stunde. Von 1953 bis 1990 war sie Mitglied des Bundestages. 1972 wurde sie als erste Frau in das Amt der Bundestagspräsidentin gewählt und übte dieses Amt bis 1976 aus.

Ab 1989, nach der friedlichen Revolution, war sie oft Gast in unserer Stadt und engagierte sich für verschiedene Projekte (z.B. Rückübertragung der Bundesschule des Arbeiter-Turn- und Sportbundes in der Leipziger Fichtestraße).
Annemarie Renger verstarb am 03.03.2008.

Deshalb möchten wir, dass in Leipzig eine Straße nach Annemarie Renger benannt wird. Wir bitten Sie im Sinne des Verwaltungsstandpunktes abzustimmen. Das bedeutet, die Verwaltung prüft die Möglichkeit der Benennung. Sollte aber bis zum 31.12.2008 kein Vorschlag unterbreitet werden können, wird der Name in den Namensvorrat aufgenommen.