Redner: Heiko Oßwald, Stellv. Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
liebe Gäste!

Die Probleme in allen deutschen Großstädten in Sachen Verkehr ähneln sich. Staus, schlechte Luft, Verbrauch von öffentlichen Flächen durch parkende Autos, um nur einige zu nennen. Dieselfahrverbote sind die Antwort in einigen Städten, wie Stuttgart oder Hamburg. Aber sind Dieselfahrverbote wirklich eine nachhaltige Antwort und bewirken diese überhaupt etwas?

In Leipzig haben wir mit dem Beschluss über das Nachhaltigkeitsszenario im September letzten Jahres die richtige Antwort gegeben, um den verkehrlichen Herausforderungen einer wachsenden Stadt zu begegnen und einmütig die Weichen in Richtung nachhaltige Mobilität gestellt. Wir werden viel mehr als bis jetzt in neue und bessere Fuß- und Radwege investieren und wir werden den ÖPNV deutlich attraktiver machen. Durch engere Taktzeiten, Haltestellenverdichtungen, Erhöhung von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bahnen und Busse sowie mehr Sauberkeit und Sicherheit im ÖPNV. Mit diesen Angebotsverbesserungen wollen wir die Fahrgastzahlen von 165 Mio auf 220 Mio. steigern und damit den Anteil des ÖPNV am Gesamtverkehr von 18 auf 23 Prozent erhöhen. Aber ob diese ambitionierten Ziele, auch angesichts eines geringeren Bevölkerungswachstums, allein durch Angebotserweiterungen und -verbesserungen erreicht werden können, ist fraglich. Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen ist in Leipzig immer noch deutlich niedriger als in anderen deutschen Großstädten. Attraktive Fahrpreise sind daher ein weiteres, wichtiges Kriterium, um die Bürger zum Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV zu bewegen.

Daher schlagen wir vor, das Nachhaltigkeitsszenario gemeinsam mit der Einführung eines 365 Euro Tickets umzusetzen. Bei diesem preiswerten Jahresfahrschein handelt es sich ausdrücklich nicht um ein Zwangsticket, welches alle bezahlen müssen, sondern um ein attraktives Angebot, das Auto stehen zu lassen und den ÖPNV zu nutzen. Dies soll für verschiedene Zeitpunkte bewertet werden, Erfahrungen von anderen Städten, die aktuell mit Fahrpreisermäßigungen arbeiten (z.B. Stuttgart 30 Prozent), sollen bei der Prüfung mit einfließen. Unser Antrag versteht sich ausdrücklich nicht als bloßer Prüfauftrag. Er gibt der Verwaltung klare Prüfschritte vor, deren Ergebnisse in die Konzepterstellung einfließen sollen. Wie viele Kunden können zusätzlich durch das 365 Euro Ticket gewonnen werden? Welche Angebotserweiterungen sind dadurch zusätzlich neben den bereits angedachten Maßnahmen nötig? Und zu welchen finanziellen Auswirkungen wird dieses Ticket führen, sowohl unmittelbar als auch investiv? Wenn man bedenkt, dass mit mehr Fahrgästen die Bahnen und Busse besser ausgelastet sind und diese schneller durch die Stadt kommen, dann haben wir auch gegenläufige finanzielle Effekte. 100 Fahrer lassen sich z.B. einsparen, wenn sich die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit um 1km/h erhöht. Hinsichtlich möglicher nötiger Angebotserweiterungen favorisieren wir im übrigen eine Busnetzreform, die schnell und preiswert umgesetzt werden kann, sowie ein Ausbau des S-Bahn Netzes, wozu wir mit unserem Antrag zur Prüfung eines S-Bahnrings einen konkreten Vorschlag bereits gemacht haben.

Wir wollen aber auch mit diesem Antrag die Verwaltung noch mal klar auffordern, die Umsetzung des Nachhaltigkeitsszenarios finanziell zu untersetzten, mit allen Auswirkungen auf die kommen Haushaltsjahre bzw. Wirtschaftsjahre bei der Stadt und der LVV Gruppe. Daher ist der mit dem Beschluss zur Mobilitätsstrategie eingeforderte Zeit- und Maßnahmeplan zur Priorisierung von notwendigen Investitionen noch zwingend dieses Jahr vorzulegen. Wir müssen jetzt wissen, welche personellen Ressourcen gebraucht werden, um die nötigen Planungsvorläufe zu schaffen.

Das Ticket wird aus Sicht meiner Fraktion sicherlich nicht schon 2021 kommen und es ist nicht allein durch die Stadt finanzierbar. Aber mehr und mehr setzt sich auch in Berlin und Dresden die Erkenntnis durch, dass die Klimaziele und die verkehrlichen Probleme in Großstädten nur durch eine massive Stärkung des Umweltverbundes möglich ist. Die Fördermittelsätze für Investitionen steigen (z.B. für Bahnen von 50 auf 90 Prozent), immer mehr Modellregionen für nachhaltige Mobilität werden gefördert. Und wenn sich diese Fördermittelkulisse durch Bund und Land deutlich verbessert, dann gewinnen wir auch Handlungsspielräume, um ein bezahlbares Jahresticket in Leipzig einzuführen. Damit deutlich mehr Menschen vom Auto auf den ÖPNV umsteigen und diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind, weiterhin gut durch die Stadt kommen.