Redner: Heiko Bär, Stadtrat der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,

werte Gäste!

Viele Kollegen hier im Stadtrat interessieren sich sehr für die Themen Kunstgeschichte, Kultur und Kunst am Bau. Vielleicht haben Sie mit diesem Interesse mal unser Neues Rathaus, in dem wir gerade tagen, genauer betrachtet. Über den drei Hauptgiebeln des Rathauses finden sie nämlich sehr schön gearbeitete Statuen – Frauendarstellungen als Allegorien der Werte des damaligen Stadtregimes und ein Vermächtnis für uns heute. Auf dem Giebel links vom Haupteingang finden Sie die allegorische Darstellung der „Stärke“ – etwas stämmig gearbeitet, mit einem großen Knüppel in der Hand. Rechts vom Haupteingang, über der Rathausuhr, steht die „Wahrheit“. Wie stellt man sowas symbolisch dar? Mit einem Spiegel in der Hand!

Mit der Wahrheit sind wir auch schon fast bei der Transparenz, denn letztere zielt ja auf die ganze Wahrheit und nicht nur die Halbe, den vollständigen und klaren Blick auf die Dinge. Um noch den kunsthistorischen Ausflug ums Rathaus herum abzuschließen, finden Sie – einmal um die Prachtfassade Richtung Reichsgerichtsgebäude herum, den dritten Hauptgiebel in Richtung Johannapark mit der allegorischen Darstellung der „Verschwiegenheit“, ganz klassisch mit dem Zeigefinder vom dem Mund.

Also: Stärke, Wahrheit (Transparenz), Verschwiegenheit – die drei thronen wie eine Mitgift unserer Altvorderen aber auch wie ein Versprechen groß über unserem Rathaus. Das wir dieses Versprechen bisher nicht immer einhalten, ist Thema dieses Antrags.

Es geht um die aus unserer Sicht noch zu ungeklärte aber notwendige Balance zwischen dem wichtigen Ziel von Transparenz von politischer Arbeit als auch von notwendigen Verwiegenheitspflichten. Transparenz für die demokratische Kontrolle und Verhinderung von Machtmissbrauch oder Vetternwirtschaft. Und Verschwiegenheitspflichten für

  • den parallelen Schutz persönlicher Daten,

  • den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, dort wo sie zwingend erforderlich sind und finanzielle Interessen der Stadt gefährdet würden,

  • Verschwiegenheiten aus gesetzlicher Vorschriften heraus, an die wir uns im Rechtsstaat zu halten haben, ob sie uns passen oder nicht, oder

  • ganz bewusst gewählte Arbeitsabläufe, um z.B. in nichtöffentlichen Fachausschüssen sich auch noch frei eine Meinung bilden zu können, statt bereits auch dort schon nur noch mit Blick auf die öffentliche Wahrnehmung zu diskutieren.

Dazu zählt dann allerding umgekehrt auch die Klarheit über alle Möglichkeiten der Kommunikation von Ergebnissen nichtöffentlicher Sitzungen.

Lassen Sie mich konkrete Beispiele nennen, um die Notwendigkeit des Antrags zu begünden:

  • Mehrmals habe ich in Aufsichtsräten erlebt, dass sensible Informationen den Weg in die Presse gefunden haben. Einmal ist dabei ein finanzieller Schaden für die Stadt entstanden, da Kunden des Unternehmens aufgrund der Veröffentlichung abgesprungen sind, ein andermal ist ein Imageschaden entstanden durch unfaires Nachtreten gegenüber ehemaligem Führungspersonal eines Unternehmens. Aus unserer Sicht müssen wir aktive Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass wir irgendwann wirklich großen und nachhaltigen finanziellen oder Imageschaden nehmen.

  • Zuletzt wurde hier im Rat kritisch über die Weitergabe des nichtöffentlichen Sanierungskonzeptes des HCLs informiert.

  • Zweimal habe ich als Vorsitzender eines Fachausschusses erlebt, wie die Verschwiegenspflichten im Ausschuss verletzt wurden. Meine jeweiligen Bitten an die Stadtverwaltung, die Fälle zu klären sind jedesmal ins Leere gelaufen und blieben unbeantwortet. Ich fühle mich hier als Stadtrat und Ausschussvorsitzender vom Büro für Ratsangelegenheiten und insbesondere von Ihnen, Herr Leisner, allein gelassen und nicht unterstützt.

Deshalb ist auch der uralte Verwaltungsstandpunkt weder abstimmungsfähig noch abstimmungswürdig. Allein die Aussage stehen zu lassen, der Stadtrat soll sich zu seinen Verschwiegenheitspflichten bekennen, ignoriert den Handlungsbedarf in der Verwaltung selbst. Er nimmt das Spannungsfeld und den Handlungsbedarf nach dem völlig richtigen Bedürfnis um Transparenz und der Pflicht zur Verschwiegenheit nicht ernst.

Unsere Anfrage von vor zwei Jahren zeigt, dass die Verwaltung Verstöße von Verschwiegenheitspflichten weder systematisch erfasst oder auswertet, und nur zufällig nach Tageslage darauf reagiert, wenn überhaupt. Das wäre ein erster Ansatzpunkt. Zum zweiten  habe ich auch für mich persönlich festgestellt, mehr Klarheit zu benötigen darüber, was nicht unter Verschwiegenheitspflichten fällt, was eindeutig darunter fällt, und wie man mit Grauzonen umgeht. Das ist die anfangs angesprochene, notwendige Balance zwischen Transparenz und Verschwiegenheit.

Zuletzt ist es auch Verantwortung der Verwaltung, die Verfahrenswege beim Umgang mit nichtöffentlichen Dokumenten. Sei es, wer direkten Zugriff darauf erhält, sei es das Individualisieren von Dokumenten, seinen es die technische Absicherung oder die Kontrolle darüber, was überhaupt unbedingt nichtöffentlich gehalten werden muss.

Transparenz, Verschwiegenheit, Dokumentensicherheit – dieser Dreiklang bedarf in der Stadt deutlicherer Klarheit und Verbesserung. Diesen Auftrag wollen wir heute an die Verwaltung geben.

Vielen Dank.