Rede zur Vorlage „Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids nach § 25 SächsGemO“

Redner: Axel Dyck, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, sehr geehrte Gäste!

Der Stadtrat soll heute über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Privatisierungsbremse“ entscheiden. Entsprechend der Sächsischen Gemeindeordnung darf der Stadtrat hierbei nicht nach politischer Opportunität befinden. Es geht einzig und allein darum, ob das Anliegen des Bürgerbegehrens auch nach persönlicher Wertung jedes einzelnen Ratsmitgliedes rechtskonform ist oder nicht. Ein Ermessen haben wir nicht.

Aber allein hier liegt ja schon die Krux. Wenn nämlich von den Initiatoren des Begehrens uns gegenüber mehr oder weniger deutlich gefordert wird, die Rechtsnormen der Gemeindeordnung auch einer politischen Willensbildung zu unterlegen.
Das politische Anliegen des Bürgerbegehrens, welches in den Mittelpunkt den Erhalt, die Sicherung und Mehrung des kommunalen Vermögens stellt, wird von der SPD-Fraktion vorbehaltlos unterstützt.

Ärgerlich und unehrlich ist, dass mit dem Begehren aber der Eindruck erweckt wird oder vielleicht auch erweckt werden soll, dass der Rat fortwährend an dieser Stelle seiner Gesamtverantwortung für die Stadt nicht nachkommt.
Oder, wie soll man die Spreizung des Antrages über Grundstücke, Kulturgüter bis hin zu den Wirtschaftsbetrieben sonst verstehen?
Dem ist nicht so und das wissen auch alle hier im Stadtrat.
Ich erinnere gerade in diesem Zusammenhang an einen Beschluss des Rates aus dem Dezember, der auf der Initiative meiner Fraktion beruht, wonach das Vermögen an Grund und Boden auch unterhalb der Schwelle, über die die Ratsversammlung zu entscheiden hat, dauerhaft zu sichern ist.
Und wenn konsequent zu Ende gedacht wird, müssten dann nicht ebenso Vermögenszukäufe, den geforderten Restriktionen unterworfen werden?
Und auch der zum 1. Januar in Kraft getretene und leider in der Öffentlichkeit kaum diskutierte Beschäftigungssicherungstarifvertrag in der LVV belegt exemplarisch, dass die Sicherung des kommunalen Vermögens höchste Priorität bei den Verantwortungsträgern dieser Stadt besitzt.

Spätestens ab 2016 wird sich die Vermögenslage unserer Stadt mit dem konsolidierten Gesamtabschluss der Stadt und ihrer Unternehmen inklusive Verkäufe und Zukäufe ohne Schwellenwerte transparent für jeden Interessierten zeigen.

Nochmals – die SPD-Fraktion steht für eine dauerhafte Sicherung und Mehrung des Gesamtvermögens unserer Stadt. Ich betone nochmals „Gesamtvermögen“ unserer Stadt in ihrem komplexen Beziehungsgeflecht.

Wenn jemand also fragt, brauchen wir das Bürgerbegehren aus politischen Erwägungen heraus, dann sage ich deutlich – NEIN und zwar auch, weil politische Verantwortung aus meiner Sicht in einer repräsentativ aufgestellten Gemeinordnung nicht teilbar ist.

Aber das ist, wie eingangs gesagt nur der eine Teil der Diskussion. Gefragt wird eigentlich ausschließlich nach der Zulässigkeit des Begehrens.
Die SPD-Fraktion urteilt hierbei auf der Grundlage einer eigenständigen rechtlichen Bewertung unabhängig von denen der Stadtverwaltung, des Innenministeriums oder dem des Netznotars der Piraten.

Unsere Einschätzung macht sich an mehren Punkten, die ich hier nur verkürzt und unvollständig darstellen kann, fest.

1. Wird durch das Bürgerbegehren ein Vorratsbeschluss dahingehend angestrebt, Vorgaben für künftige, in ihrer Wirkung heute aber nicht überschaubare Angelegenheiten zu treffen.
Vorratsbeschlüsse sind als Gegenstand eines Bürgerbegehrens nicht zulässig.

2. Verstößt das Anliegen des Bürgerbegehrens gegen die in §24 SGO definierte Regel, dass Bürgerentscheide nicht zu Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung stattzufinden haben. Durch das beabsichtige Festlegen einer 2/3-Mehrheit für Verkaufsentscheidungen greift das Bürgerbegehren aber in die innere Organisation ein, denn damit wird indirekt auf die Hauptsatzung der Stadt abgehoben.

Die ersten beiden Punkte mögen eventuell noch Interpretationsspielraum bieten. Der dritte Punkt aber nicht.
3. Die im Bürgerbegehren vorgeschlagene 2/3-Öffnungsklausel ist der entscheidende Punkt, der dieses Bürgerbegehren unzulässig macht. In der SGO wird in Paragraph 39 festgelegt, dass Beschlüsse des Rates mit Mehrheit getroffen werden. Um Diskussionen zu vermeiden, welche Mehrheit gemeint sein könnte, ist dort nachzulesen, dass ein Antrag bei Stimmengleichheit abgelehnt ist. Damit wird klar, es geht um die einfache Mehrheit. Auch wenn das von den Initiatoren vorgelegte Rechtsgutachten diese Frage spitzfindig zu umschiffen versucht, indem argumentiert wird, dass, wenn die Forderung eines Verbots von Veräußerungen rechtlich statthaft wäre, die Festlegung eines höheren Quorums für Veräußerungen erst recht möglich sein müsse.
Hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens im Stadtrat trifft die Gemeindeordnung hiermit eine abschließende Regelung, die auch nicht die kommunale Selbstverwaltung tangiert, da diese nur im Rahmen der Gesetze besteht.

Die SPD-Fraktion wird aus ihrer rechtlichen Sacheinschätzung der Ratsvorlage zustimmen.