Christina März

Rednerin: Christina März, Stadträtin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

einige von Ihnen, die schon die eine oder andere Wahlperiode hier im Stadtrat tätig sind, erleben gerade die Renaissance des Themas „Familienfreundlichkeit in der Ratsarbeit“, denn es ist nicht das erste Mal, dass sich der Stadtrat hiermit befasst. So war das Thema auch nicht gänzlich neu, als es in dieser Wahlperiode wieder erneut aus den Reihen der Fraktion auf die Tagesordnung gehoben wurde, und die Verwaltung beauftragt wurde ein entsprechendes Konzept vorzulegen.

Eines lässt sich ganz sicher sagen: Das Thema ähnelt der Quadratur des Kreises, denn wir alle erleben, dass sich das Pensum der Ratsarbeit über die Jahre erhöht hat. Ratsarbeit kostet Zeit und das geht zwangsläufig zulasten der Familienfreundlichkeit, je mehr Gremien wir einrichten, die betreut werden wollen, umso mehr Zeit verbringen wir auch alle bei der Ratsarbeit. Reichte früher – das war vor meiner Zeit als Stadträtin – eine Ratsversammlung pro Monat, um die Themen zu verhandeln und zu beschließen, sind es jetzt in der Regel zwei.

Woran liegt es? Natürlich spielt eine entscheidende Rolle, dass sich unsere Stadt in den vergangenen 20 Jahren von einer schrumpfenden Großstadt zu einer wachsenden, prosperierenden Metropole gemausert hat. Das bringt jede Menge Themen mit, die im Stadtrat behandelt werden müssen. Ein Blick auf die zahlreichen Bau-, Kita- und Schulvorlagen verdeutlicht das eindrücklich. Ein weiterer Grund ist aber auch, dass der Stadtrat der Versuchung erlegen ist, viele Themen in großer Detailtiefe verhandeln und regeln zu wollen, Konzepte für allerlei Dinge bei der Stadtverwaltung zu beauftragen, die dann natürlich wieder in den Rat zurückfließen und erneut diskutiert werden. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das soll kein Plädoyer für weniger Enthusiasmus in der Ratsarbeit sein, sondern allenfalls für mehr Konzentration auf die Rahmensetzung und mehr Vertrauen in die Sachkompetenz der Verwaltung, die es zu kontrollieren gilt, der aber eben nicht jedes Detail vorgegeben werden muss. Von der wir aber wiederum dann erwarten können, dass sie die Konzepte auch in einem angemessenen Zeitraum vorlegt, Anträge nicht vergisst und insgesamt versucht, die Aufträge aus dem Stadtrat auch zu verwirklichen.

Seien wir ehrlich zueinander: Wenn wir nun über die Familienfreundlichkeit in der Ratsarbeit diskutieren, versuchen wir die Symptome zu behandeln, aber kümmern uns dabei weniger um die Ursachen. Wir diskutieren über die Dauer von Sitzungen, über Redezeitkontingente, wir reden über Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, um es auch Eltern mit jüngeren Kindern zu ermöglichen, sich aktiv in die Kommunalpolitik einzumischen. Das ist alles vollkommen richtig und gut, aber uns fehlt scheinbar die Kraft, die eigentlichen Probleme anzugehen. Wir müssten uns eigentlich darüber verständigen, wie wir die Ratsarbeit priorisieren wollen, wie ausufernd wir Diskussionen im Rat führen wollen, die eigentlich in den Ausschüssen besser aufgehoben wären, welche Themen tatsächlich in den Rat gehören und wie wir die Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung gestalten wollen. Das würde die Familienfreundlichkeit im Rat nachhaltig verbessern. Soweit sind wir jedoch noch nicht. Ich bin dennoch froh, dass wir heute auch endlich mal ein paar Schritte vorwärts gehen können und damit den Rahmen schaffen, dass ein Engagement auf kommunaler Ebene für mehr Menschen vereinfacht wird. Wir müssen an dem Thema dran bleiben!