Rede zur Vorlage „Schulentwicklungsplan der Stadt Leipzig – Fortschreibung 2016“ in der Ratsversammlung am 20. April 2016
Rednerin: Ute Köhler-Siegel, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeister,
verehrte Stadträte,
werte Gäste,
Was können Bevölkerungsprognosen?
oder
Warum fällt es schwer, Schulplätze zu planen, obwohl die Kinder schon seit mindestens sechs Jahren auf der Welt sind?
Die Bevölkerungsprognose aus dem Jahr 2013 liegt dem heute zu beschließenden Schulentwicklungsplan (SEP) zu Grunde. Natürlich haben die Verwaltung und die Mitglieder des UA Schulnetzplan gemerkt, dass es Veränderungen gab.
In diesem Schuljahr wurden ca. 5000 Kinder eingeschult, bis 2020 sollen es bereits 6000 Kinder sein. In fünf Jahren brauen wir also Platz für ca. 40 erste Klassen mehr als heute. An vielen Schulen kann man nicht mehr einfach so eine Klasse mehr eröffnen, denn in den besonders dicht besiedelten Gebieten sind die Kapazitäten erschöpft.
Planungen wurden daraufhin immer wieder geändert. Auch in dem heute vorliegenden Plan wurden seit der Veröffentlichung im Juli 2015 zahlreiche neue Maßnahmen aufgenommen, Schulneubauen und Erweiterungen in fast allen Stadteilen sind geplant und sollen bis 2020 umgesetzt werden.
Der SEP muss sich ständig an aktuelle Entwicklungen anpassen. Deshalb haben sich auch die Fraktionen, die Ortschaftsräte, die Schulen, die Eltern und die Stadtverwaltung immer wieder Gedanken gemacht, wie besser geplant werden kann.
Kann die neue Bevölkerungsprognose vorherberechnen, welche Schullandschaft wir in Leipzig brauchen?
Wahrscheinlich nicht, so wie wir das wünschen und erwarten. Die Bevölkerungsprognose wird uns die Richtung zeigen und wir werden mit Varianten arbeiten müssen.
Für die Entwicklung des Schulnetzes gibt es sehr viele Einflüsse, die in die Berechnung einer Prognose nicht einfließen.
Das sind z. B.:
– Übertritte nach der 4. Klasse in Oberschulen und Gymnasien
(Die statistische Berechnung der Durchschnitte wird beachtet, aber der Freistaat erlässt die Zugangsvoraussetzungen.)
– Zuzüge in die Stadt können statistisch berechnet werden, aber das Alter der Kinder, der genaue Wohnort und die damit benötigte Schule sind nicht berechenbar
– Die Anzahl der DaZ- Klassen und die benötigten Integrationsplätze in den verschiedenen Schularten und Stadtteilen betrifft das auch
– Ebenso nicht berechenbar ist die Anzahl der Kinder, die vom Schulbesuch zurückgestellt werden, zumindest nicht so kleinräumig, dass es zu den Grundschulbezirken passt
– Die Zahl der Kinder, die vorzeitig eingeschult werden oder Schulen freier Trägerschaft besuchen sowie die Kinder, die im Jahr vor dem Schulbesuch umziehen
Es gibt viele Parameter, die kaum verlässlich statistisch errechnet werden können. Dennoch muss das Schulnetz funktionieren. Das wird nur gelingen, wenn die Prognosen kleinräumlich sind. Nur dann können Tendenzen im Ortsteil vorhergesehen werden und in die Planung einfließen.
Diesen Themenschwerpunkt haben auch die Fraktionen erkannt und dies in Änderungsanträgen gefordert:
SPD und CDU fordern im gemeinsamen Änderungsantrag (ÄA) eine neue Berechnungsmethode. Eine stadtteilbezogene Prognose müsste mit Hilfe des verwendetet Programms SIKURS, einem Computerprogramm zur Erstellung kleinräumlicher Bevölkerungsprognosen, möglich sein. Auch die Linken fordern in ihrem ÄA, den Stadträten, Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten die Zahlen zur Kenntnis zu geben.
Das reicht uns nicht aus, wir wollen jährlich die tatsächlich im Ortsteil wohnenden Kinder erfassen, um Entwicklungen zu erkennen. Wir wissen, dass sich diese Zahlen bis zum Schuleintritt noch deutlich verändern können, aber es geht darum, Veränderungen zu erkennen und diese in die Planung der Grundschulplätze einzubeziehen. Hierbei muss auch das Amt für Stadtentwicklungen stärker einbezogen werden, denn wenn neue Wohnungen und Häuser gebaut werden, hat das auch Einfluss auch die Schülerzahlen in einem Schulbezirk.
Die Stadtverwaltung muss bei der Schulentwicklungsplanung andere Wege gehen.
Das betrifft die Berechnungsmethodik der Gesamtplanung, aber auch die Kriterien, die eben auch zum Schulbetrieb gehören.
Im Schulbetrieb ist es sicherlich möglich, eine DaZ-Klasse aufzunehmen oder über einen absehbaren Zeitraum bis zum oberen Kapazitätsrichtwert ausgelastet zu werden. Aber zum Schulbetrieb gehören nicht nur die Klassenräume, sondern auch die Turnhallen. Die Turnhallenkapazitäten gehören in die Schulentwicklungsplanung. Ebenso die Kapazitäten in den Schulmensen. Auch hier gibt es erhebliche Probleme. Im Rahmen einer Anfrage meiner Fraktion wurde mit der Stadtverwaltung eine Berechnungsgrundlage für die Auslastungsquote der Speiseräume erarbeitet. Eine Analyse aller Schulgebäude muss erfolgen, um daraus Erweiterungen und Finanzierungsbedarfe zu ermitteln. Auch die Größe der Schulhöfe und die Bedarfe für die Hortnutzung gehört in eine Schulentwicklungsplanung.
Für die neue Berechnungsmethodik erwarten wir auch Grundlagen für die Planung der Raumbedarfe für Integration, Inklusion und für DaZ-Klassen.
Die neue Schulentwicklungsplanung wird uns vor weitaus größere Herausforderungen stellen, als das in der heutigen Vorlage abzusehen ist.
Schulentwicklung darf nicht mehr Krisenplanung sein, bei der man froh ist, im nächsten Schuljahr für alle Schüler einen Platz gefunden zu haben. Schulentwicklungsplanung muss einen Rhythmus finden. Das Schuljahr beginnt am 1. August, das ist eine der wenigen absolut feststehenden Planungsparameter.
Schulentwicklungsplanung muss auch Visionen aufzeigen. In einer wachsenden Stadt darf diese Pflichtaufgabe nicht erschrecken und nur Sorgenfalten verursachen. Es wird Zeit für einen Ausblick auf Schulentwicklung 3.0.
Um uns dieser Aufgabe zu stellen, bedarf es einer Zusammenarbeit, die nicht nur geprägt ist von der Beantwortung der Fragen nerviger Stadträte, einer unsynchronisierten Vorbereitung auf das nächste Schuljahr und Vertröstungen von Schulleitern und Elternvertretern.
Nur bei der Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung, mit den Eltern- und Schülervertretern und mit den Schulleitern und Lehrern, einer Zusammenarbeit der Ämter mit Ehrlichkeit, Berechenbarkeit, einem geregelten Informationsfluss und mit Respekt, bei partnerschaftlichem Miteinander – nur dann wird es gelingen, diese Mammutaufgabe zu meistern.
Wir Stadträte können keine Schulen bis zur Leistungsphase 3 planen, wir können keine Fördermittelanträge schreiben und keine Finanzplanung vorlegen. Aber wir wollen Entscheidungen mittragen, Visionen entwickeln, uns mit Schulleitern, Eltern und Schülern auseinandersetzen und dieses Thema voranbringen.
Die Bürgermeister und die beteiligten Ämter müssen deutlich enger, strukturierter und miteinander arbeiten. Hier fehlt die Koordination, auch das Personal- aber das können wir Stadträte auch nicht einstellen. Alle Bürgermeister, alle Ämter müssen sich der Aufgabe bewusst sein und entsprechend handeln. Und Sie, Herr Oberbürgermeister, müssen die Brisanz und die Entwicklungspotentiale dieser Aufgabe erkennen und straff führen.
Wir erwarten, dass die vom Land Sachsen zur Verfügung gestellten Fördermittel vollständig ausgeschöpft werden und die Anträge dafür pünktlich eingereicht werden. Nur so können wir beim Freistaat glaubhaft dafür weiter kämpfen, dass wir die langfristige Zusage für Fördermittel mindestens auf der Höhe des ehemaligen kreisfreien Städteprogramms dringend brauchen. Der Fördermittelantrag für das geplante Gymnasium in der Karl-Heine-Straße ist hoffentlich auch dabei, bei diesem Projekt gab es schon zahlreiche Verzögerungen, deshalb muss nun auf die zügige Umsetzung gedrängt werden.
Schulentwicklung 3.0 kann aber nicht nur bei der Planung der Schulkapazitäten stehenbleiben, es muss ein Investitionsplan vorliegen, der nicht nur die Erweiterungen der Kapazitäten, sondern auch die Erhaltung der Bestandsgebäude im Blick hat.
An dieser Stelle muss auch an Schüler und Lehrer das Signal gegeben werden, dass sich die Stadt nicht nur um den Schulneubau und Erweiterungen kümmert.
Dem ÄA der Linken stimmen wir zu.
Um den Investitionsplan mit aktuellen Zahlen zu unterlegen, soll der nächste SEP bereits 2017 zur Beteiligung veröffentlicht werden. Dies ist eine Forderung aus dem ÄA der SPD und CDU (Punkt 5)
Die Anträge der Ortschaftsräte Engelsdorf, Lindenthal und Böhlitz-Ehrenberg können nach Ansicht meiner Fraktion nicht herausgelöst beschlossen werden. Die Anliegen sind nachvollziehbar, aber Synergieeffekte mit anderen Schulen und angrenzenden Stadtteilen müssen betrachtet werden. In Engelsdorf muss auch schnell auf steigende Schülerzahlen reagiert werden, daher ist eine genaue Betrachtung des Schulbezirks und gegebenenfalls eine Änderung der erste Schritt. Beide Anträge sollten als Protokollnotiz mit aufgenommen werden um im Ausschuss zügig beraten zu werden.
Zusammenlegungen von Schulbezirken sind ein Instrument, um Schulen optimal auszulasten. Dieses Instrument der Schulentwicklungsplanung kommt dem derzeitigen Mangel an Räumen und Lehrkräften entgegen. Aber Zusammenlegungen von Schulbezirken haben für meine Fraktion auch Grenzen: Wenn Schulwege zu lang werden, es zu Verschärfung von sozialen Gegensätzen führt oder nur um den Klassenteiler in der Stadt zu optimieren. Der Klassenteiler wird ja nicht nur vom Schulgesetz und dem Schulentwicklungsplan geregelt, auch der Brandschutz und die Raumgrößen spielen hier eine entscheidende Rolle.
Kurze Wege für kurze Beine, Schulen in Wohnortnähe – dafür steht meine Fraktion auch weiterhin ein, denn dieses Konzept fördert die soziale Durchmischung. Eltern, die eine weiterführende Schule auswählen, wollen eine wohnortnahe Schule. Dieses Auswahlkriterium haben wir verstanden. Bei der Einrichtung neuer Oberschulen und Gymnasien achtet meine Fraktion weiterhin darauf, dass diese dort sind, wo auch die Kinder wohnen. Das setzt ein strategisches Vorgehen beim Grundstückserwerb für soziale Infrastruktur voraus. Dieses Thema wurde im Rat schon mehrfach diskutiert, deshalb verzichte ich heute auf eine erneute Vertiefung.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte die bildungspolitische Stunde auch nutzen, um dem Stadtelternrat (SER) und dem Stadtschülerrat (SSR) für die gute Zusammenarbeit zu danken. Herr Meier als Vertreter des SER und Herr Englisch als Vertreter des SSR (und seine Vorgänger) waren im UA Schulnetzplan verlässliche Partner und leisteten einen wichtigen Beitrag, um die Sichtweisen und Nöte der Eltern und Schüler darzustellen. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit, Ihre Zeit, Ihre Geduld und Ihr Engagement.
Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, die heute vorliegende Fassung des SEP ist mit der Datengrundlage nicht auf der Höhe der Zeit, aber wichtige Maßnahmen für einzelne Schulen wurden benannt. Diese müssen finanziert, geplant und umgesetzt werden. Mehr kann die Stadtverwaltung im Moment mit dem zur Verfügung stehenden Personal nicht leisten.
Für die Planung der nächsten Jahre wurden wichtige Weichen gestellt. Der Antrag der SPD zur Einbeziehung der LESG in den Schul- und Kitabau und der Antrag der SPD und der Linken zur Entschuldungskonzeption, das zusätzliches Geld aus der Tilgungsreduzierung für soziale Infrastruktur freigibt, sind weiterhin wichtige Grundlage zur Umsetzung des SEP.
Der Vorliegende SEP zeigt auf, was in den nächsten zwei Jahren geschafft werden muss, bevor die neue Planung mit den noch deutlich höheren Schülerzahlen vorliegt.
Die SPD-Fraktion stimmt dieser Vorlage zu.