Redner: Andreas Geisler, Stadtrat
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren Dezernenten,
Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
- Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen im Eigentum der Stadt Leipzig und ihrer Beteiligungen,
- Anlage von Wildblumen- bzw. Feldheckenstreifen,
- Landverpachtungen nur noch ohne „Pflanzenschutzmittel,
- Förderung der Bio-Landwirtschaft,
- Ausweisung und längere Vergabe langfristig verfügbarer Ackerflächen,
- Neuverpachtung an Biobauern: Pachtbefreiung während der Umstellungsphase und
- Gezielte Sicherung und Erweiterung der Wassereinzugsgebiete Leipzig durch Ankauf und ökologische Bewirtschaftung.
Ich bin sehr verwundert und irritiert. Man kann dies als Gesichte erzählen, denn alle Themenbereiche haben wir bereits in den letzten Jahren in diesem Hause behandelt und mehrmals als Antrag oder Anfrage gestellt. Damals hat die Verwaltung – wie in der Info-Vorlage VI DS 01159 niedergeschrieben – Fragen beantwortet und Lösung angeboten. Inhaltlich haben sich die heutigen Anträge gegenüber denen von damals kaum geändert. Es ist aber auch von Seiten der Verwaltung herzlich wenig passiert.
Vielleicht fehlt den Antragstellern die reale Verbindung zur Landwirtschaft sowie zu landwirtschaftlichen Produkten und Wertschöpfungsketten, weshalb sie ohne Weiteres den Verwaltungsstandpunkt übernehmen. Es tut aber weh, weil wir dadurch wieder unnötig unser Steuergeld verbraten.
Im Ernst: 18 Jahre nach Anträgen der SPD, die Pachtverträge der landwirtschaftlichen Flächen mal transparent zu machen und im Bereich der Stadt ökologische Landwirtschaft zu fördern (RB III-831/01 ), ist immer noch keinerlei oder kaum Vorleistung vorhanden. Man könnte sagen, 50.000 Euro für einen Anfang ist besser als nichts und das sollen wir heute so beschließen.
In der Vorlage – VI-DS-01159 aus dem Jahr 2015 „Fortschreibung der Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung für das erweiterte Stadtgebiet Leipzig“ wurden Daten erhoben und für viel Geld zu Papier gebracht. Zu den Jahren 2011 bis 2013 steht viel, vor allem auch Handlungsschwerpunkte, aber so gut wie nichts wurde umgesetzt, seit dem Beschluss im Jahr 2015 und ich befürchte das passiert jetzt wieder. Es ist also unsinnig, jetzt wieder Mittel dafür zur Verfügung zu stellen, wenn es verpufft, weil viele Fragen offen sind und keine Richtung vorgegeben wird.
Was hat Leipzig? Aktuell besitzt die Stadt ca.1.800 ha an landwirtschaftlichen Nutzflächen (früher waren es einmal über 2.200 ha), aber eben kein großes Gut sondern viele kleine Flächen, Splitterflächen, Flächen zwischen Ortsteilen die schwer zu bewirtschaften sind, Flächen die mit anderen Flächen zu einem Feld vereint sind, auch Flächen die sich für eine Ansiedlung besser eignen als zum Anbau von Lebensmitteln. Das jemanden von außen zusammentragen zu lassen, um das dann als Grundlagen für ein Konzept zu nehmen, scheint es mir am Ziel vorbei zu gehen.
Haben wir nicht im Liegenschaftsamt, in der Saatzucht oder im Bereich der Wasserwerke und deren Ökolandgutes kompetente Menschen, die die Situation vor Ort viel besser kennen? Wäre es nicht sinnvoller eine Stelle zu schaffen oder anzusiedeln, die langfristig das Thema Landwirtschaft bei der Stadtverwaltung weiter begleitet, also gewissermaßen eine In-house Lösung nach vorne gedacht?
Müssten wir nicht eigentlich selbst einen Agrarbetrieb gründen oder ein Stadtgut wiederbeleben, um als Akteur auf dem Markt aufzutreten, um aus unseren Flächen bewirtschaftbare Einheiten zu schaffen und diese ggf. tauschen und handeln zu können? Wir müssen wegen des Wirrwarrs um die Pachtverträge im Sinne der Stadt einen Ansprechpartner schaffen. Und das mit dem ganz klaren Ziel, jede landwirtschaftliche Fläche die auf den Markt kommt zu erwerben und dafür die erforderlichen Mittel bereit zu stellen. Ein Ansprechpartner, der bei der Umstellung auf regionale Biolandwirtschaft genauso eine zentrale Rolle spielen könnte, wie bei der Verpachtung von kleinen Flächen an Gemüseproduzenten oder beim Zusammensammeln von Flächen für eine Ansiedlung, wäre sinnvoll. Ebenso wie für Flächen in den Wasserschutzgebieten, für Umwandlung, Tausch oder auch nur für eine gezielte Bewirtschaftung im Sinne des Wasserschutzes. Statt eines anonymen Marktes haben wir dann eine klare Anbindung an die Verwaltung und an den Stadtrat.
Durch eine Sicherung und die mögliche Ausweitung der Flächen in städtischem Besitz können wir eine Vorbildfunktion und Preisdämpfungsrolle beim agrarwirtschaftlichen Flächenmanagement einnehmen. Wir könnten entweder eine aktive Rolle in der Landwirtschaft spielen und selber zeigen, wie es geht, wie wir Wertschöpfungsketten verlängern, regionale hochwertige Produkte erzeugen, und wir könnten auch bei Ausschreibung wie Kita- und Schulessen dafür sorgen, dass solche hochwertigen regionalen Produkte hier einen Markt finden. Wir könnten in einer Art Konzeptvergabe direkt darüber entscheiden, wie unsere Flächen bewirtschaftet werden.
Ich glaube, die Zeiten, in der die industriellen Landwirtschaft das einzig richtige Mittel war, die Menschen satt zu bekommen, sind vorbei, wir brauchen klare Gegenpole für mehr Flexibilität, mehr Fortschrittsdynamik und für andere Formen der Landwirtschaft, für mehr Vielfalt, mehr Qualität und ja, auch gerne für mehr Bio.
Wir brauchen eine klare Transparenz bei Flächen und Pachtverträgen, einen federführender Ausschuss, der das begleitet und Landwirtschaft in sein Programm aufnimmt, einen Ansprechpartner, ein Konzept, Mittel für Zukäufe und eine Diskussion über eine Konzeptvergabe in der Landwirtschaft.
Und, liebe Verwaltung, hier besonders das Dezernat wo Landwirtschaft angesiedelt ist, es braucht den klaren Willen, anzufangen, den klaren Willen, alte Zöpfe abzuschneiden, anzuerkennen, dass die Zeiten sich ändern und, dass die Stadt mit diesen Flächen eine wahrnehmbare Vorreiterrolle einnehmen muss. Leider habe ich davon in den beiden Ausschüssen, in denen wir gelegentlich über Landwirtschaft reden, wenig bis gar nichts gehört. Dort müssen wir besser werden.
Wir halten den VSP nicht für zielführend, auch weil er falschspielt und sagt: „Wir haben nichts.“ Wir denken, eine Fortschreibung des Vorhandenen wäre die ehrlichere Lösung gewesen, aber wir möchten die Vorlage auch nicht stoppen, weil das Thema zu wichtig ist.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!