Reden und Texte der SPD-Fraktionsmitglieder innerhalb der Ratsversammlung zu ausgewählten Themen

Redner: Dr. Joachim Fischer, Vorsitzender der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

erstmals seit der politischen Wende 1990 sieht sich der Kämmerer der Stadt Leipzig als Folge der Finanzsituation gezwungen, einen Nachtragshaushalt einzubringen. Das voraussichtliche Defizit beträgt 46 Mill. Euro. Die Bewältigung dieses Problems ist nach Auffassung meiner Fraktion die größte finanzpolitische Herausforderung Leipzigs seit 1990. Es muss uns allen aber klar sein, dass weitere, besonders magere Haushaltsjahre folgen.

Die Situation muss zwingend sofort gelöst werden, um die Handlungsfähigkeit der Stadt Leipzigs sicherzustellen. Diese kann nur gewährleistet werden, wenn die derzeitige Deckungslücke im Haushalt geschlossen wird. Oberste Priorität bei allen politischen Überlegungen hat für die SPD-Fraktion zu jeder Zeit ein ausgeglichener Haushalt. Wenn wir heute keinen solchen ausgeglichenen Haushalt verabschieden, würde das Regierungspräsidium die Geschicke der Stadt durch eine Art Zwangsverwaltung bestimmen, und dies bei einer Stadt, die sich für die Olympischen Spiele 2012 bewirbt. Das wollen und müssen wir durch unsere heutigen Beschlüsse verhindern.

Ein Nachtragshaushalt ist in diesem Jahr notwendig geworden, da die investiven Schlüsselzuweisungen vom Freistaat erheblich gekürzt werden mussten und die Ausgaben, vor allem im Sozialbereich, unvorhersehbar gestiegen sind.

Zur Verdeutlichung der Größenordnung des Fehlbetrages von 46 Mill. Euro seien ein paar Horrorszenarien zu dessen Deckung genannt:

  • wir könnten auf die Hälfte aller für dieses Jahr geplanten investiven Maßnahmen auch im Bereich der Infrastruktur verzichten oder
  • es müssten über 1000 Stellen in der Verwaltung gestrichen werden oder
  • der Zuschuss für Oper, Musikalische Komödie und Gewandhaus müsste entfallen und damit ständen diese Einrichtungen vor der Schießung

Das alles könnte von der SPD-Fraktion und sicher auch von der Mehrheit dieses Hauses nicht akzeptiert werden.

Wir befürworten daher den von der Stadt vorgeschlagenen Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt durch einen Mix aus Einsparungen in der Verwaltung, Anhebung der Steuern und zusätzlichen Kreditaufnahmen. Dadurch werden die zusätzlichen Lasten ausgewogen zwischen Stadtverwaltung, Unternehmen und Bürgern verteilt. Dass auf die angedachten Kürzungen bei Vereinen und Verbänden verzichtet werden kann, begrüßen wir ausdrücklich, aber auch das wird zukünftig nicht so bleiben können.

Die SPD-Fraktion hat sich erst nach intensiver Diskussion darauf verständigt, die geplanten Erhöhungen bei der Grund- und Gewerbesteuer mitzutragen, allerdings nur befristet. Diese Entscheidung ist meiner Fraktion äußerst schwergefallen. Es gibt aus unserer Sicht zur Zeit jedoch keine Alternative. Sobald sich die finanzielle Situation wieder bessert, treten wir – wie im Rahmen der Haushaltplandiskussion für das Jahr 2001 erfolgreich geschehen – wieder für eine Senkung der Hebesätze ein!

Steuererhöhungen sind immer eine schmerzliche Angelegenheit, die auch in meiner Fraktion kritisch gesehen werden. Allerdings ist die Kommune laut Sächsischer Gemeindeordnung verpflichtet, vor einer Erhöhung der Kreditermächtigung alle Möglichkeiten von eigenen Einnahmen zu prüfen und auszuschöpfen. D.h. ohne die Verbesserung der Einnahmen durch die Steuererhöhungen wird der Stadt die Erweiterung des Kreditrahmens nicht genehmigt. Damit würden insgesamt 30 Mill. Euro zur Kofinanzierung von Investitionen in Höhe von ca. 80 Mill. Euro fehlen. Dies hätte einen Rückgang bei Aufträgen vor allem auch für klein- und mittelständische Unternehmen in der Stadt und der Region zur Folge und würde die Wirtschaft der Region schwächen und zum Arbeitsplatzabbau führen. Laut Deutschem Institut für Wirtschaft (DIW) stehen 80 Mill. Euro Investitionen für Hunderte gesicherte Arbeitsplätze.

Die vorgesehene zweifelsohne im Einzelfall schmerzliche Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer erscheint vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, da letztendlich alle Bürger in Leipzig von den getätigten Investitionen in Straßen- und Brückenbau, Schulen, Kindertagesstätten, Altenheime und Sportstätten langfristig profitieren.

Die zusätzlichen Kreditaufnahmen sind aus Sicht der SPD-Fraktion in dieser Situation der Stadt vertretbar, da über das KfW-Programm der Bundesregierung gegenwärtig ein äußerst geringer Zinssatz zu zahlen ist. Wir halten jedoch an dem Ziel fest, die Neuverschuldung sukzessive zurückzufahren. Voraussetzung dafür ist eine grundlegende Verbesserung der finanziellen Ausstattung unserer Stadt.

Die Probleme Leipzigs sind bekanntlich nicht hausgemacht, sondern betreffen alle Kommunen unseres Landes. In Dresden droht dieses Jahr zum Beispiel eine Haushaltssperre, in Magdeburg soll die Beleuchtung auf der Stadtautobahn komplett ausgeschaltet werden, in Köln wurde die Vergnügungssteuer neu erfunden – die Liste ist fortsetzbar. Wir appellieren an die Bundesregierung, die Finanzausstattung der Kommunen durch eine Neuregelung der Gewerbesteuereinnahmen zu verstetigen. Die Staatsregierung des Freistaates fordern wir auf, den Kommunen für übertragene Aufgaben auch die entsprechenden Gelder zur Verfügung zu stellen.

Von der Verwaltung fordern wir wiederum ein langfristiges Finanzierungskonzept für die bevorstehenden Aufgaben ein. Die Überprüfung städtischer Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen ist energischer als bisher voranzutreiben. Beides hat die SPD durch Anträge gefordert. Das nachhaltige Konzept zur Sicherstellung der finanziellen Leistungs- und Investitionsfähigkeit, das bis September zur Beschlussfassung im Stadtrat vorliegen soll, greift endlich unsere Forderungen auf. Zu beachten ist, dass wir das städtische Tafelsilber dabei nicht verkaufen.

Abschließend noch ein Wort zur CDU-Fraktion. Der untaugliche Vorschlag, die Deckungslücke im Haushalt durch ein Darlehen aus den zweckgebundenen Rücklagen zu kompensieren, zeigt die Ratlosigkeit der CDU. Solche Scheinlösungen schaffen keine Nachhaltigkeit, sondern verschieben das Problem nur in die kommenden Jahre. Daher sind sie mit uns nicht zu machen. Die SPD-Fraktion wird dem Nachtragshaushalt 2003 – ausgehend von diesen Überlegungen – zustimmen.

Redner: SPD-Stadtrat Jürgen Wesser

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

Wir werden älter. Nicht nur wir, wie wir hier versammelt sind, sondern die Bevölkerung insgesamt. Der Anteil alter Menschen steigt beständig in der Bundesrepublik und selbstverständlich auch in Leipzig. Wir hören dies ständig. Ich erinnere an die „Rentendiskussion“, an die Diskussion über die Krankenkassen, die wesentlich durch „Hochbetagte belastet“ werden, an die Diskussion über Lohnkosten, die durch „diese Belastungen“ steigen, an „Generationenverträge“ und „Generationenkonflikte“. Auf unserer kommunalpolitischen Ebene werden wir diese Probleme nicht lösen können, sofern sie mit den derzeitigen Instrumentarien überhaupt auf irgendeiner politischen Ebene lösbar sind. Was wir können und müssen ist, die Folgen dieser Entwicklung für die Stadt Leipzig und deren Bürger in Bahnen zu lenken, die für die Stadt zu händeln sind und die dem Einzelnen ein Optimum an Lebensqualität schaffen. Über das wie, wann und wo soll das vor uns liegende Konzept zur Seniorenarbeit in Leipzig, kurz Altenhilfeplan Auskunft geben. Sie sehen es mir hoffentlich nach, wenn ich nicht alle statistischen Daten und Rahmenbedingungen, die in dieser Vorlage sehr gut, sehr genau und sehr umfangreich aufgelistet sind vortrage. Nur einige kurze Anmerkungen: Als 1994 der erste Altenhilfeplan verabschiedet worden ist, waren die Rahmenbedingungen völlig andere. Wir hatten mehr Geld. Es gab noch kein Pflegeversicherungsgesetz. Wir hatten noch keine 50.000 leerstehenden Wohnungen. Alte Menschen haben in Bruchbuden mit Ofenheizung gehaust. Der Dienstleistungssektor war weit von dem entfernt was heute möglich ist. Es ging darum alte Menschen mit dem Lebensnotwendigem zu versorgen.

Heute geht es darum den verschiedenen sehr differenzierten Anforderungen des Alterns gerecht zu werden. So groß wie die Spanne des Alters nach Lebensalter ist, 45- jährige sind bereits junge Alte und bewegen sich so, und ein hochbetagter mit 85 kann durchaus noch fit sein. So unterschiedlich sind die Anforderungen innerhalb der Altersgruppen. Kurz es gibt nicht „die“ Senioren. Es wird die geben, die agil sind, die sich bilden wollen, die Kulturveranstaltungen besuchen, die am öffentlichen Leben teilnehmen. Und es wird die geben, die dies alles auch wollen, aufgrund ihrer körperlichen Verfassung aber nicht können. Denen muß eine nötige und finanzierbare Unterstützung zuteil werden. Finanzierbar, weil alt ist nicht gleich arm. Es wird die geben , die pflegebedürftig sind. Hier gibt es ein breites Spektrum an ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen. Hier wird unsere Aufgaben sein, Qualität und Preis im Auge zu behalten. Überwachen können wir es nicht. Dafür gibt es Heimaufsicht und MDK.

Es wird die geben, die dement sind. Das werden unsere eigentlichen „Sorgenkinder“. Die Versorgung dementer Menschen ist nicht geregelt. Der Altenhilfeplan (AHP) empfiehlt die Entwicklung eines Strategiepapiers. Das ist gut und richtig. Wichtig wäre, dass Demenz als Form der Pflegedürftigkeit anerkannt wird. Das kann unser AHP nicht. Aber wir alle müssen darauf hin wirken, dass der Gesetzgeber handelt.

Trotzdem: Der AHP ist in einem langen Diskussionsprozess entstanden. Er gibt eine sehr gute Analyse des derzeitigen Standes und Handlungsempfehlungen, die richtig und umsetzbar sind. Es wird immer mehr geben, das wünschenswert ist. Dazu bedarf es mehr als eines Planes. Dafür müssen wir alle uns engagieren und Mitstreiter suchen, die sich ebenfalls einbringen. In das Ehrenamt. In diesem Sinne werden wir dem Konzept zustimmen.

Redner: Dr. Joachim Fischer, SPD-Fraktionsvorsitzenden

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Stadträte, werte Gäste,

In der Stadt Leipzig gibt es noch immer einen Investitionsstau bei der Sanierung stadteigener Immobilien. Dazu zählen Kultureinrichtungen, Verwaltungsgebäude, Kindertagesstätten und Schulen. Über 100 Schulobjekte sind in Leipzig immer noch unsaniert – das sind 70 Prozent aller Schulgebäude. Etwas mehr als 5 Millionen Euro sind als städtischer Anteil im diesjährigen Haushalt eingestellt, notwendig wäre jedoch die dreifache Summe, um den Sanierungsstau (in 10 Jahren) abzubauen. Nicht anders sieht es bei den Kindertagesstätten aus. Knapp 150 Objekte warten auf eine Sanierung, 7 Neubauten sind geplant. Der Gesamtbedarf beträgt rund 70 Millionen Euro.

Daneben stehen in den kommenden Jahren in Leipzig Infrastrukturinvestitionen – mit oder auch ohne Olympia – in einem gigantischen Umfang an. Für alle Vorhaben wird im Haushalt jedoch kein Platz sein.

Die aktuelle finanzielle Situation zwingt zu einer kritischen Durchleuchtung und Optimierung der öffentlichen Aufgaben und Ausgaben. Gefordert sind neue Wege nicht nur der Finanzierung, sondern auch der Realisierung und des Betreibens öffentlicher Leistungen. Ein solcher Weg ist Public Private Partnership (PPP), der durch die Mobilisierung privaten Kapitals und Wissens zur Entlastung der öffentlichen Haushalte beiträgt, den Infrastrukturausbau verstetigen hilft und Aufträge für die Bauwirtschaft auslöst. Internationale, aber auch hiesige Erfahrungen, z.B. der Neubau des Juridicums und der Universitätsklinik Leipzig, zeigen, dass die Sanierung öffentlicher Einrichtungen mit privaten Partnern finanziell sinnvoll sind. Sie tragen auch dazu bei, reale Effizienzgewinne gegenüber den traditionellen Beschaffungsmethoden der öffentlichen Hände zu erzielen. Angestrebt ist eine stärkere Einbindung privaten Kapitals mit dem Ziel, die Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und den Unternehmen auf eine wirtschaftliche Grundlage zu stellen.

Die Vorteile von PPP-Vorhaben liegen klar auf der Hand:

  1. Investitionshaushalt wird entlastet
  2. als Folge der Budgetierung, wirtschaftliches Denken bei den Einrichtungen
  3. privater Partner und jede Einrichtung achten auf die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme
  4. Effizienzgewinne von rund 17 Prozent für die öffentlichen Auftraggeber

Der einzige Nachteil besteht in einer langen Vertragsbindung der Rückzahlung. Risiken für den Steuerzahler gibt es jedoch nicht.

Die SPD-Fraktion möchte diesen Weg, der von anderen Kommunen gegangen wurde, an mehreren Modellen in Leipzig ausprobieren.

Die SPD-Fraktion ist gespannt, wie werden die, die laufend von Privatisierung reden, reagieren und was werden die Stadträte tun, die vorgeben, sich so große Sorgen um den Zustand von Schulen und Kindergärten zu machen.

Redner: Jürgen Wesser

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

Es ist inzwischen leider eine Binsenweisheit festzustellen, dass die Haushaltlage der Kommunen kritisch ist – auch die der Stadt Leipzig. Sinkende Steuereinnahmen, Tarifabschlüsse, die nicht finanzierbar sind, Mehrausgaben bei Investitionen – die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Alles wird uns bei der nächsten Haushaltsdebatte intensiv beschäftigen und ist uns von der Debatte 2003 noch gut in Erinnerung. Ein Nachläufer dieser Debatte ist unser Antrag zur Umlage Landeswohlfahrtsverband (LWV). Im Ursprungsantrag wollten wir, dass diese Umlage – bezogen auf 2002 – um 1 % reduziert wird. Das wahre Leben hat uns eingeholt. Aus den 48,5 Mio Euro von 2002 sind 2003 55,6 Mio geworden, die die Stadt Leipzig zu zahlen hat. Die Differenz von ca. 7 Mio Euro hat uns der Freistaat großzügig zur Verfügung gestellt durch eine Änderung der Schlüsselzuweisungen. D.h. wir dürfen im investiven Bereich, also für Straßen, Kindergärten u.s.w. weniger ausgeben und diese so eingesparten Mittel an den LWV überweisen.

Es macht keinen Sinn 1 % einsparen zu wollen, wenn man inzwischen fast 15 % mehr ausgeben muß. Das Ende der Fahnenstange ist jedoch erreicht. Eine weitere Erhöhung werden wir nicht mehr mittragen. Ein Haushaltsloch von 35 Mio im LWV zeichnet sich bereits jetzt ab. 5 Mio davon kämen als Verpflichtung auf uns zu. 5 Mio Euro, die wir nicht haben. Wir fordern den Kämmerer daher auf, im Verbandsausschuss Sparmaßnahmen des LWV konsequent einzufordern. Ich erinnere: 1998 hat Leipzig noch 28 Mio gezahlt, 2002 waren es 48 Mio Euro. Anfang 2003 sollten es 54 Mio sein. Zur Zeit sind es ca. 56 Mio, absehbar könnten es 61 Mio werden.

Neben dem Appell zur Sparsamkeit fordere ich auch die anwesenden und abwesenden Landtagsabgeordneten auf, den Freistaat an seine Verpflichtung zu erinnern. Es reicht nicht, den Kommunen Mittelumschichtungen zu erlauben. Die SPD-Landtagsfraktion hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der es dem Land erlaubt, das fehlende Geld zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie Ihrer Stadt ernsthaft helfen wollen, dann unterstützen Sie diesen Antrag. Um wieder auf unsere Ebene zurückzukommen. Sie meine Damen und Herren Stadträte bitte ich, unserem Antrag in diesem Sinne zuzustimmen.

Redner: Christian Schulze, Vorsitzender des Finanzausschusses

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

in den vergangenen Jahren forderte ich von dieser Stelle die nächste Jahresrechnung eher vorzulegen als die, die gerade behandelt wird. Der konkrete Wunsch war, die Ergebnisse möglichst noch in die laufenden Haushaltsplanberatungen einfließen lassen zu können. Bei aller Freude über Olympia bin ich kurz vor der endgültigen Kapitulation gegenüber einer Verwaltung, die die notwendigen Termine einfach alle Jahre wieder nicht einhält. Wo soll das noch hinführen? Im nächsten Jahr werden wir dann sicher hören, dass die intensiven Arbeiten für 2012 alle Mitarbeiter so überlastet haben, dass wir den Jahresabschluss 2002 sicher erst im Sommer 2004 beraten können. Jetzt sage ich wieder, wie in den vergangenen Jahren: „Das kann so nicht hingenommen werden!“ Was hat dieser Satz von mir für Folgen? Wahrscheinlich wieder keine. Und so bekäme dann Thomas Müller von einer in Leipzig nicht ganz unmaßgeblichen Zeitung recht, der in seinem Kommentar zu dieser anstehenden Debatte von einer Farce spricht.

Nun konkret zur Jahresrechnung 2001. Grundlage meiner Ausführungen sind die Beratungsergebnisse des Unterausschusses Rechnungsprüfung die sich der Finanzausschuß zu eigen gemacht hat. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich ganz herzlich bei den Mitgliedern des Unterausschusses für ihre intensive Vorberatung der Jahresrechnung bedanken. Der Unterausschuss war es auch, der empfahl, dem Beschlussvorschlag für die Jahresrechnung, den ihnen vorliegenden Punkt 3 hinzuzufügen.

Dem Oberbürgermeister liegt inzwischen ein Brief des Finanzausschusses vor, statt eines Unterausschusses Rechnungsprüfung wieder einen echten Fachausschuss Rechnungsprüfung zu installieren. Dies scheint nach rechtlicher Begutachtung der sächsischen Kommunalverfassung wieder möglich zu sein.

Wir erhoffen uns eine bessere intensivere Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Stadtrat und würden dies vor allem in Bezug auf die eingangs gemachten Bemerkungen als vertrauensbildende Maßnahme betrachten.

Nun ein kurzes Zitat aus meiner Rede vom vergangenen Jahr. „Soweit ich mich erinnern kann, hat uns das Rechnungsprüfungsamt schon problematischere Stellungnahmen zu Jahresrechnungen vorgelegt. Es ist schon zu erkennen: steter Tropfen höhlt den Stein. Viele Dissensstandpunkte zwischen Kämmerei und Rechnungsprüfungsamt sind durch intensive Diskussion zwischen den Ämtern aber auch im Fachausschuß und anderen Gremien verschwunden, d.h., die Stellungnahme des Rechnungsprüfungsamtes wurde in den letzten Jahren immer moderater“.

Diese Feststellung vom letzten Jahr lässt sich für dieses Jahr leider so nicht wiederholen. Es geht schon damit los bzw. das HH-Jahr endete erstmalig mit einem Fehlbetrag von offiziell 67,5 Mio DM. Offiziell? Offiziell heißt, dass das Rechnungsprüfungsamt die HH-Situation des Jahres 2001 rückblickend weitaus dramatischer sieht. Nach Rechnungsschluss wurden insgesamt ca. 73 Mio DM zu Gunsten des Rechnungsergebnisses gebucht, um dann „nur noch“ bei 67,5 Mio DM Defizit zu landen. Aus Sicht des RPA wurde damit gegen den Grundsatz von Haushaltsklarheit und Wahrheit verstoßen.

„Das Haushaltsergebnis des VwH 2001 ist so schlecht wie noch nie ausgefallen.“ Dies ist ein Zitat aus dem Bericht. Ein Haushaltsausgleich war nicht möglich. Es konnten nur 2,6 Mio DM zweckgebundene Mittel an den Vermögenshaushalt zugeführt werden. D.h., wieder einmal konnte nicht mal die Pflichtzuführung vom VwH an den VmH geleistet werden. Zur notwendigen Entschuldung mussten Vermögensveräußerungserlöse herhalten. Zum Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen muss ich mich hier nicht weiter äußern. Die Zahlen sind, denke ich, hinlänglich bekannt.

Kurz eingehen möchte ich noch auf das Thema Rücklagen. In den vergangenen Jahren konnten wir noch feststellen, im Vergleich mit anderen Städten relativ gut dazustehen. Für 2001 ist zu konstatieren, dass die allgemeine Rücklage u.a. wegen der Tilgung der Schatzanweisung in Höhe von 100 Mio DM von 334 Mio auf 147 Mio DM abgeschmolzen ist. Da ist auch nicht mehr allzuviel Luft drin.

Ein weiteres Thema der Rechnungsprüfung sind die Haushaltseinnahme- und Ausgabereste. Die Einnahmereste sind im Vergleich zum Vorjahr wieder drastisch gestiegen. Auch die Ausgabereste sind leicht angestiegen.

An dieser Stelle sei es mir gestattet, den Kolleginnen und Kollegen der Kämmerei bei aller notwendigen Kritik und natürlich den Mitarbeitern des Rechnungsprüfungsamtes meinen herzlichen Dank für die geleistete Arbeit auszusprechen. Ich verbinde diesen Dank mit der Bitte, dass die Prüfungsfeststellungen der vergangenen Jahre nun endlich zügig bearbeitet werden. Abschließend bleibt festzustellen, daß die SPD – Fraktion der Empfehlung des Finanzausschusses folgen wird und der Vorlage Jahresrechnung für das HH-Jahr 2001 zustimmt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Redner: Helmut Voß

Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

kürzlich sagte ein Bekannter zu mir: „Ich habe bei der letzten Wahl meine Stimme abgegeben, jetzt habe ich keine mehr, zumindest keine, die man hört.“ Wir haben die Drucksache ‚Lokale Demokratiebilanz’ auf dem Tisch und sollen einem Projekt zustimmen, das den gegenwärtigen Stand der Bürgerbeteiligung in unserer Stadt untersuchen wird. Beim Lesen der Grundsätze fand ich solche bemerkenswerten Sätze wie, ich zitiere: Die Verwaltung soll in ihrem gesamten Handeln darauf ausgerichtet sein, für die Bürgerinnen und Bürger von Vorteil und Nutzen zu sein. Oder: Die Verwaltung soll optimal auf die zeitlichen, räumlichen und sachlichen Bedürfnisse und Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger eingehen! Ich habe bisher geglaubt, dies sei die selbstverständlichste Sache der Welt und wollte die Vorlage mit einem ironischen Lächeln beiseite schieben. Doch dann kam ich ins Grübeln. Leben wir doch, nach unserer Überzeugung, in dem besten politischen System das es gibt, in dem System, in dem das Volk herrscht. Oder gibt es tatsächlich noch Defizite? Auch in einer demokratischen Ordnung wird einer kleinen Minderheit Macht übertragen. Durch eine Auswahl, durch persönliches Vertrauen begründet und von der Hoffnung begleitet, die Auserwählten werden mit dieser, zeitlich begrenzten, geliehenen Macht, verantwortlich und sorgsam umgehen. Diese kleinen Minderheiten spalten sich nun in die Exekutive und in die legislative Macht auf. Im Licht stehen dann die Führer, die Richtunggeber, die Verantwortlichen, die Bush, Blair, Schröder, Merkel, Tiefensee. In ihnen personalisiert sich die Befindlichkeit des Volkes. Der legislativen Gruppe der Erwählten ist aufgetragen, die Macht zu kontrollieren, sie notfalls zu stoppen oder in eine andere Richtung zu dirigieren. Und die Bürger, die Wähler, die Masse, sie schaut zu, schimpft an den Stammtisch und droht beim nächsten Mal mit anderer Wahlentscheidung. Verlassen wir jetzt die hohe Ebene und schauen wir auf diese Stadt. Leipzig befindet sich mit elf anderen Gemeinden in einem Netzwerkzyklus, oder sagen wir schlicht in einer Untersuchungsreihe, wie gut oder schlecht denn mit den Anliegen der Bürger umgegangen wird. Im Visier sind dabei natürlich auch die Ämter der Verwaltung, dort wo es um die Genehmigung, den Stempel geht. Sind die Leute aufgeblasen oder freundlich, sind sie kompetent oder nur eingebildet, dienen sie der Bürgerschaft mit Hingabe oder leben sie im Bewusstsein ihrer ganz speziellen Machtfülle? Es geht hier nicht um eine arrogante Verurteilung der Verwaltung, sondern es geht um die vielleicht notwendige Verbesserung im Alltagsablauf unser aller Lebensumstände. Wir sollen heute grünes Licht geben für eine Bürgerbefragung, für eine Inventur der Befindlichkeiten der Bürger dieser Stadt. Im Anhang befindet sich der Entwurf eines Fragebogens, der ausgefüllt von den Betroffenen darüber Aufschluss geben soll, wie zufrieden ich mit meiner Stadtregierung bin? Dabei kann man bei manchen Fragestellungen durchaus geteilter Meinung sein. Nun geht es natürlich nicht nur um die Verwaltung und ihre Spitze, sondern auch um die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde. Ihr Engagement, ihre Einsatzfreudigkeit und vielleicht auch ihre Zivilcourage sind die Grundlage, die Basis, für das Funktionieren eines Gemeinwesens. Haben wir genug dieser Spezies? Haben wir zu viel Kritiker und Besserwisser, die alles Handeln nur aus der Perspektive des eigenen Geldbeutels beurteilen? In einer Diktatur sagt einer wo es langgeht und was dann alle als gut anzusehen haben. In einer Volksherrschaft soll die Mehrheit für die bestmögliche Entscheidung sorgen, dabei dürfen aber die Minderheiten nicht vergessen werden. Ein Wesensmerkmal der Demokratie ist die weitgehend gerechte Behandlung aller Bürger. Dabei glauben wir zunehmend, es müsste alles bis ins letzte Detail reguliert werden, für jede Handlung eine Vorschrift. Mündige Bürger verstehen sich jedoch als freie, in eigener Verantwortung agierende Menschen. Die Bürgerschaft in der Offensive! Das bedeutet für die Politiker die Rückbesinnung auf ihr Wahlprogramm, für die Verwaltung das zügige Abarbeiten von Anträgen mit einem freundlichen Lächeln und für uns alle mehr Verantwortung für das Ganze!

Nun, Bürger, ran an die Inventur! Die SPD-Fraktion wird der Vorlage zustimmen.

Redner: Dr. Joachim Fischer, SPD-Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

im Jahre 1968 hat die damalige Stadtverordnetenversammlung einstimmig dem Abriss der Universitätskirche zugestimmt und damit eine Kulturbarbarei legitimiert. Auch deshalb ist der Stadtrat in der Pflicht, zum weiteren Umgang mit der Universitätskirche Position zu beziehen. Dies ist er auch den Leipziger Bürgern schuldig. Auch wenn die Stadt nicht Bauherr der Universität ist, so ist sie doch Träger der Planungshoheit. Ich habe Verständnis für die Wut und für die Trauer, die viele Bürger dieser Stadt im Zusammenhang mit der Sprengung der Universitätskirche empfänden. Auch ich habe während meines Studiums fast täglich an der Haltestelle vor dem Augusteum gestanden und in der Universitätskirche mehrfach das Weihnachtsoratorium gehört. Gerade deshalb frage ich mich aber auch, wie man mit dem damaligen Ereignis umgehen soll und ob man mit einem Plagiat der Kirche dem damaligen Verbrechen angemessen begegnen kann. Die übergroße Mehrheit der SPD-Fraktion und ich persönlich glauben das nicht, sondern sind im Gegenteil der Meinung, dass damit möglicherweise sogar dem Vergessen des damaligen Geschehens Vorschub geleistet wird.

Gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen trete die SPD-Fraktion für ein angemessenes Zeichen des Erinnerns an die Universitätskirche und an die Sprengung am Ort des Geschehens ein, wolle aber auch nach vorn schauen. Auch eine moderne Universität des 21.Jahrhunderts brauche eine geistige Mitte, die am Standort der gesprengten Universitätskirche entstehen sollte.

Es sei erfreulich, dass sich viele Leipziger Bürger mit diesem Thema befassten. Beispielhaft zu nennen seien der Campus e. V. und die Gruppe „Protest für Leipzig“. Die zuletzt genannte Gruppe rege an, die besondere Akzentuierung auf das Thema der geistigen Mitte zu lenken. Die antragstellenden Fraktionen hätten dies mit Einverständnis der Gruppe in den Antrag aufgenommen. Gleiches gelte für den Wunsch nach Transparenz und öffentlicher Beteiligung. Dahinter stehe die Forderung, dass nicht in Dresden entschieden werde, was in Leipzig an solch prominenter Stelle gebaut werden solle.

Bei der weiteren Qualifizierung des Entwurfs im Hinblick auf das Gesicht des Augustusplatzes könne man sich auch die Beteiligung weiterer Preisträger und Architekten vorstellen, die von der Stadt, dem Freistaat und der Universität benannt werden sollten. Bei dieser Qualifizierung sei das Hauptgebäude der Universität nötigenfalls infrage zu stellen. Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen lehnten aber die aktuelle Debatte in der Staatsregierung und auch in der hiesigen CDU ab, die Variante vom Neubau bis zur Rekonstruktion der Kirche zulasse. Damit drücke man sich lediglich vor einer Entscheidung.

Der Änderungsantrag der PDS-Fraktion könne in den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen übernommen werden, den Ergänzungsantrag von Stadträtin Suárez betrachte man als eine Selbstverständlichkeit. Auch nach dem Ursprungsantrag sei es möglich, in der Aula kirchliche Veranstaltungen durchzuführen.

Man hoffe sehr, dass es im Jahre 2012 in Leipzig Olympische Spiele geben werde. Auf jeden Fall jähre sich 2009 zum 600. Male die Gründung der Universität. Beides sein große Herausforderungen. Wie die Leipziger Bürger zu so großen Aufgaben stünden, hätten sie am vergangenen Sonnabend erneut gezeigt. Auch der Stadtrat soll ein weiteres Mal beweisen, dass er in der Lage sei, wichtige Entscheidungen zu treffen. Es müsse Schluss sein mit den Streitereien der letzten Zeit. Er, Fischer, frage die dafür verantwortlichen Mitglieder der CDU-Fraktion, was sie damit erreicht hätten. Sie sollten ihre parteipolitischen Interessen zum Wohle der Stadt Leipzig zurückstellen. Wenn Leipzig im Jahre 2005 gegen die großen Metropolen dieser Welt eine Chance haben wolle, müsse jeder einzelne Stadtrat Größe beweisen und ab und zu über seinen Schatten springen. Dies hätten die Leipziger Bürger wahrlich verdient.