Reden und Texte der SPD-Fraktionsmitglieder innerhalb der Ratsversammlung zu ausgewählten Themen

Kontra Babyklappe: Ingrid Doctor

Dieses Thema bewegt uns Stadträte nicht erst, seitdem der Antrag der PDS Fraktion aus dem Jahre 2002 ins Verfahren gebracht wurde. Die Medien haben dieses hoch sensible Thema lange Zeit benutzt um „Schlagzeilen“ zu machen. Die Entscheidung „Pro“ oder „Kontra“ Babyklappe kann unseres Erachtens keine politische Entscheidung sein. Jede Person muss diese Entscheidung mit seinem Gewissen vereinbaren. Die Meinung in der SPD-Fraktion ist geteilt und ich kann nur für mich sprechen.

Es gibt bei diesem Thema viele Argumente, die für die Errichtung einer Babyklappe sprechen, aber mindestens genau so viele Argumente, die dagegen sprechen. Mir persönlich fällt es nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen. Könnte es doch sein, dass mit einer derartigen Einrichtung das Leben eines Neugeborenen gerettet werden kann. Ich habe mich in der Literatur, in den Medien und nicht zuletzt durch das von der Stadt Leipzig initiierte „Expertenhearing“ „schlau gemacht“, aber keine neuen Erkenntnisse für meine persönliche Einstellung zur Babyklappe gewonnen. Außer, dass sich die Stadt Leipzig auf ein rechtlich sehr wackliges Unternehmen einlassen würde, wenn sie eine Babyklappe in ihrem Auftrag installieren lässt. In den Städten Chemnitz und Dresden haben aus diesem Grund die Stadträte keinen Beschluß herbeigeführt, sondern freie Träger haben dieses Angebot von sich aus übernommen.

Eins steht für mich fest, wenn eine werdende Mutter die ihr vielerorts gebotene Hilfe nicht annimmt, wird sie auch nicht den beschwerlichen Weg gehen, ihr Neugeborenes in solch eine Einrichtung zu bringen, die möglicherweise noch sehr weit weg von ihrem derzeitigen Zuhause ist. Sie wird es entweder an einer günstigen Stelle ablegen, wenn sie will, das es gefunden wird oder aber sie ist so gegen das in ihr wachsende neue Leben eingestellt, dass sie es einfach nicht akzeptiert und tötet. Die Ursachen einer solchen Einstellung sind sicher komplexester Natur. Ich sehe es als dringend erforderlich an, frühzeitige Aufklärung für werdende Mütter und Hilfsangebote für Notsituationen bekannt zu machen. Eine normale Entbindung unter ärztlicher oder anderer medizinische Hilfe ist für die Gebärende und das Kind in jedem Fall die beste Lösung.

Anonyme Entbindungen, wie sie in Hamburg und verschiedenen anderen Städten scheinbar problemlos möglich sind, sollten endlich per Gesetz erlaubt werden. Dabei wird den Frauen die Möglichkeit eingeräumt, über ihre derzeitige Situation in Ruhe nachzudenken und erst dann sollte ihr Baby zur Adoption freigegeben werden. Es ist bekannt, dass sich dann viele Frauen für ihr Baby entscheiden.

Bei der Abwägung aller Fakten „Pro und Kontra Babyklappe“ steht die Gesundheit im körperlichen – wie auch im seelischen Sinne – für Mutter und Kind im Vordergrund. Ich fordere die Verwaltung auf, alles zu tun, um den werdenden Müttern in Notsituationen schnellstens die komplett nötige Hilfe und Unterstützungen aufzuzeigen, die in Leipzig vorhanden sind. Persönlich habe ich mich gegen die Einrichtung einer „Babyklappe“ oder „Babynest“ entschieden und lehne somit den PDS-Antrag ab.

Redner: SPD-Stadtrat Helmut Voß

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

die Ortschaftsräte, die bei den Eingemeindungen der einzelnen Ortschaften in die Stadt Leipzig enstanden, haben eine zweifache Funktion. Einmal sollen sie das oft über Jahrhunderte gewachsene Eigenleben ihrer Orte ein Stück weit bewahren, zum anderen die Einbindung in die Stadt, in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Verwaltungsstellen begleiten. Um dieser Funktion gerecht zu werden, wurden die Mitglieder in diese Gremien gewählt. Ihr Vorteil ist, dass sie über eine sehr genaue Ortskenntnis verfügen, ihren Mitbürgern weithin bekannt sind und die bestehenden Verhältnisse überschauen können. Diese Voraussetzungen sollen sie dazu befähigen, auf vielleicht notwendige Veränderungen, bei der Stadtverwaltung hinwirken zu können.

Sicherlich waren es ähnliche Beweggründe, die dazu geführt haben, Stadtbezirksbeiräte zu berufen. Allerdings in einem ungleich anders beschaffenen Territorium. Durch die Verwaltung wurden Teile der Stadt in bestimmte Bezirke zusammengefasst, die zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Ausprägungen in die Stadt eingegliedert wurden. Diese Tatsache hat zu Folge, dass für die Stadtbezirksbeiräte grundlegend andere Voraussetzungen bestehen. Für beide Gremien ist jedoch gleich, dass ihre Entscheidungen grundsätzlich empfehlenden Charakter haben. Sie sollen aus ihrer Sicht die beste Lösung für Probleme des Stadtbezirkes oder für die Ortschaft vorschlagen. Je überzeugender und leidenschaftlicher dies geschieht, um so besser werden sie das zuweilen sehr ausgeprägte Verwaltungsdickicht durchdringen. Wobei Leidenschaftlichkeit nicht mit Besserwisserei zu verwechseln ist. Beiden Gremien ist die Verantwortung für das Wohl des Ganzen auferlegt. Die größeren Befugnisse eines Ortschaftsrates basieren auf der jüngsten Entwicklung einer vollzogenen Verwaltungsreform, die bei vielen Bürgern in den eingemeindeten Orten auch heute noch auf Ablehnung stößt. Hier wird der Zeitablauf wahrscheinlich Früchte tragen.

Der Ergänzungsantrag der SPD-Fraktion möchte ähnliche Voraussetzungen für die vorhandenen Beratungsgremien der Stadt schaffen, obwohl die Gegebenheiten nicht die gleichen sind. Die Stadtverwaltung soll beauftragt werden, der Regierung das Freistaates Sachsen gegenüber initiativ zu werden, mit dem Ziel, die Sächsische Gemeindeordnung dahingehend zu ändern, dass die Arbeit der Stadtbezirksbeiräte mit mehr Verantwortung ausgestattet wird. Dabei ist zu prüfen, ob den Stadtbezirksbeiräten ein Antragsrecht gegenüber der Ratsversammlung eingeräumt werden kann. Außerdem ist zu untersuchen, ob in bestimmten Fällen auch Entscheidungen zu übertragen sind. Dazu müsste die Gemeindeordnung verändert werden. Sicherlich sind auch noch andere Verfahren vorstellbar, um die Stadtbezirksbeiräte aufzuwerten und ihre Ideen in das Leben der Stadt einzubeziehen, ohne die Bürokratie weiter aufzublähen. Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen.

Redner: Dr. Christian Jonas, energiepolitischen Sprechers der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

Erlauben Sie, in der Stunde einer für die zukünftige Entwicklung unserer Stadt Leipzig wichtigen Entscheidung, einen kurzen Rückblick zur Entwicklungsgeschichte unserer Stadtwerke (SWL) nach der Wende. Bereits der Runde Tisch präzisierte das Konzept eines kommunalen Energiedienstleistungsunternehmens für die Stadt, dass wirtschaftlich, transparent, bürgernah und umweltfreundlich arbeiten sollte. Da die volkseigenen Energiekombinate in Kapitalgesellschaften umgewandelt und der Treuhandanstalt unterstellt wurden, richteten die neugewählten Stadtverordneten am 5. Juni 1990 eine Dringlichkeitsantrag an die DDR-Volkskammer, der die sofortige Rückerstattung der ehemals kommunalen Betriebe einschließlich des Grund und Bodens verlangte. Nach Unterzeichnung der umstrittenen Stromverträge im August 1990, die den großen Energieversorgungsunternehmen die Mehrheitsaktien an den ehemaligen Bezirksenergieunternehmen sicherten, beschloss nach gründlicher Debatte in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe im September 1991 die Leipziger Stadtverordnetenversammlung die Gründung der kommunalen Stadtwerke „Wärmeversorgung und Anlagenreparatur“, zunächst noch ohne die Bereiche Strom und Gas. Parallel dazu beteiligte sich die Stadt an der Verfassungsklage der ostdeutschen Kommunen. In den folgenden 3 Jahren schlossen sich sehr komplizierte Verhandlungen mit der WESAG/RWE zur endgültigen Vermögensübertragung an die Stadtwerke Leipzig an. Weil die Rückübertragung aus dem WESAG- Stromvermögen jedoch entgegen der Zusage bis Juni 1995 nicht zustande kam, machte die Stadt von ihrem Recht auf Rücktritt aus dem Konsortialvertrag Gebrauch und forderte die RWE Energie AG in Essen auf, ihre Geschäftsanteile von 40 % an den Leipziger Stadtwerken zum 30. Juni 1995 an die Stadt zurückzugeben. Somit wurde dank sehr kluger und weitsichtiger Verhandlung vorwiegend von unserem ehemaligen OBM, Herrn Dr. H. Lehmann-Grube und der neuen Geschäftsführung der SWL kommunales Vermögen an die Stadt zurückgeholt. Langwierige Diskussionen im Stadtrat im Jahr 1998 zum Verkauf von 40 % der Anteile der SWL an den strategischen Partner MEAG sollten dazu beitragen, die SWL als Dienstleistungs- und Verbundunternehmen zu stärken und über eine Wachstumsstrategie den Energiestandort Leipzig wirtschaftlich fortzuentwickeln. Mit dem Erlös von 435 Mio. DM wurde die Voraussetzung kontinuierlicher Verbesserung der Infrastruktur der Stadt in Vorbereitung umfangreicher Ansiedlungen geschaffen – eine für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt eminent wichtige und kluge Entscheidung. Die Umstrukturierung der gesamten Energielandschaft nach der Wende 1989 in Leipzig und die Anpassung an die liberalisierten Märkte, sowohl im Kernmarkt als auch im Rahmen der Expansionsstrategie, haben das Unternehmen und seine Mitarbeiter aber auch die Stadt stark gefordert und alle Beteiligten allseitig gestärkt. Aufgrund der vielfältigen konzeptionellen technischen und kaufmännischen Erfahrungen der Stadtwerke, die das Unternehmen während des Übergangsprozesses von der Staatsplan- zur Marktwirtschaft mit wertvollem Know-how bereichern konnte, boten unter konsequenter Nutzung der Chancen, die der liberalisierte Energiemarkt bietet, die Voraussetzung für eine räumliche und geschäftsfeldbezogene Expansionsstrategie im In -und Ausland. Eine ausgewogene Balance zwischen dem Kerngeschäft in Leipzig, dem kontinuierlichen Aufbau neuer Geschäftsfelder und der Expansion in die künftigen Beitrittsländer der EU in Osteuropa sind eine große Herausforderung in den nächsten Jahren für unsere Stadtwerke. Mit der Fusion RWE/VEW bzw. der MEAG mit envia zu enviaM innerhalb des RWE- Konzerns, der eine Abkehr von der Expansionspolitik anstrebt, haben sich deren Identität und Strategie wie bereits während der Fusionsdebatte envia/MEAG/SWL offenbart, grundlegend geändert. Diese Entwicklung ist für eine weitere partnerschaftliche Zusammenarbeit zur Fortentwicklung unserer Stadtwerke insbesondere durch die Erschließung überregionaler Märkte nicht mehr vereinbar. Die SPD- Fraktion begrüßt den Rückerwerb der Geschäftsanteile von 40% der SWL von enviaM durch die LVV. Der Rückkauf des 40%-igen Geschäftsanteiles ist eine auf solider Basis stehende zukunftsträchtige Maßnahme, zumal die Kreditkosten allein mit einem Teil der Gewinne beglichen werden können, die bislang an enviaM ausgeschüttet wurden und ein eigenständige Unternehmensstrategie nunmehr umsetzbar ist. Bezüglich einer späteren angedachten Veräußerung von Geschäftsanteilen der SWL an einen fusionierenden Partner, muss als oberster Grundsatz gelten, weitere Wertschöpfung für Wachstum nach Leipzig zu holen, wobei die Stadt mehrheitlicher Anteilseigner bleiben muss. Unser Dank gilt den Verhandlungsführern für das vorgelegte Verhandlungsergebnis zum Rückerwerb der 40%- Anteile. Die Daseinsvorsorge als kommunale Aufgabe wird mit unseren Stadtwerken gelebt und ihr Engagement auf kulturellen, sozialen und sportlichen Gebiet zum Wohle unsere Bürger praktiziert. Die SPD- Fraktion wird diesem Beschluss zur Neuausrichtung der Strategie der Stadtwerke in allen 3 Beschlusspunkten aus Überzeugung geschlossen zustimmen. Diese heute anstehende Entscheidung reiht sich würdig in die von der Stadtverordnetenversammlung und dem Stadtrat nach der Wende gefassten Beschlüsse für die Stadtwerke, unsere Stadt sowie unsere Bürgerinnen und Bürger ein. Ein schöner Tag für Leipzig!

Redner: Dr. Joachim Fischer, Vorsitzender der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

erstmals seit der politischen Wende 1990 sieht sich der Kämmerer der Stadt Leipzig als Folge der Finanzsituation gezwungen, einen Nachtragshaushalt einzubringen. Das voraussichtliche Defizit beträgt 46 Mill. Euro. Die Bewältigung dieses Problems ist nach Auffassung meiner Fraktion die größte finanzpolitische Herausforderung Leipzigs seit 1990. Es muss uns allen aber klar sein, dass weitere, besonders magere Haushaltsjahre folgen.

Die Situation muss zwingend sofort gelöst werden, um die Handlungsfähigkeit der Stadt Leipzigs sicherzustellen. Diese kann nur gewährleistet werden, wenn die derzeitige Deckungslücke im Haushalt geschlossen wird. Oberste Priorität bei allen politischen Überlegungen hat für die SPD-Fraktion zu jeder Zeit ein ausgeglichener Haushalt. Wenn wir heute keinen solchen ausgeglichenen Haushalt verabschieden, würde das Regierungspräsidium die Geschicke der Stadt durch eine Art Zwangsverwaltung bestimmen, und dies bei einer Stadt, die sich für die Olympischen Spiele 2012 bewirbt. Das wollen und müssen wir durch unsere heutigen Beschlüsse verhindern.

Ein Nachtragshaushalt ist in diesem Jahr notwendig geworden, da die investiven Schlüsselzuweisungen vom Freistaat erheblich gekürzt werden mussten und die Ausgaben, vor allem im Sozialbereich, unvorhersehbar gestiegen sind.

Zur Verdeutlichung der Größenordnung des Fehlbetrages von 46 Mill. Euro seien ein paar Horrorszenarien zu dessen Deckung genannt:

  • wir könnten auf die Hälfte aller für dieses Jahr geplanten investiven Maßnahmen auch im Bereich der Infrastruktur verzichten oder
  • es müssten über 1000 Stellen in der Verwaltung gestrichen werden oder
  • der Zuschuss für Oper, Musikalische Komödie und Gewandhaus müsste entfallen und damit ständen diese Einrichtungen vor der Schießung

Das alles könnte von der SPD-Fraktion und sicher auch von der Mehrheit dieses Hauses nicht akzeptiert werden.

Wir befürworten daher den von der Stadt vorgeschlagenen Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt durch einen Mix aus Einsparungen in der Verwaltung, Anhebung der Steuern und zusätzlichen Kreditaufnahmen. Dadurch werden die zusätzlichen Lasten ausgewogen zwischen Stadtverwaltung, Unternehmen und Bürgern verteilt. Dass auf die angedachten Kürzungen bei Vereinen und Verbänden verzichtet werden kann, begrüßen wir ausdrücklich, aber auch das wird zukünftig nicht so bleiben können.

Die SPD-Fraktion hat sich erst nach intensiver Diskussion darauf verständigt, die geplanten Erhöhungen bei der Grund- und Gewerbesteuer mitzutragen, allerdings nur befristet. Diese Entscheidung ist meiner Fraktion äußerst schwergefallen. Es gibt aus unserer Sicht zur Zeit jedoch keine Alternative. Sobald sich die finanzielle Situation wieder bessert, treten wir – wie im Rahmen der Haushaltplandiskussion für das Jahr 2001 erfolgreich geschehen – wieder für eine Senkung der Hebesätze ein!

Steuererhöhungen sind immer eine schmerzliche Angelegenheit, die auch in meiner Fraktion kritisch gesehen werden. Allerdings ist die Kommune laut Sächsischer Gemeindeordnung verpflichtet, vor einer Erhöhung der Kreditermächtigung alle Möglichkeiten von eigenen Einnahmen zu prüfen und auszuschöpfen. D.h. ohne die Verbesserung der Einnahmen durch die Steuererhöhungen wird der Stadt die Erweiterung des Kreditrahmens nicht genehmigt. Damit würden insgesamt 30 Mill. Euro zur Kofinanzierung von Investitionen in Höhe von ca. 80 Mill. Euro fehlen. Dies hätte einen Rückgang bei Aufträgen vor allem auch für klein- und mittelständische Unternehmen in der Stadt und der Region zur Folge und würde die Wirtschaft der Region schwächen und zum Arbeitsplatzabbau führen. Laut Deutschem Institut für Wirtschaft (DIW) stehen 80 Mill. Euro Investitionen für Hunderte gesicherte Arbeitsplätze.

Die vorgesehene zweifelsohne im Einzelfall schmerzliche Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer erscheint vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, da letztendlich alle Bürger in Leipzig von den getätigten Investitionen in Straßen- und Brückenbau, Schulen, Kindertagesstätten, Altenheime und Sportstätten langfristig profitieren.

Die zusätzlichen Kreditaufnahmen sind aus Sicht der SPD-Fraktion in dieser Situation der Stadt vertretbar, da über das KfW-Programm der Bundesregierung gegenwärtig ein äußerst geringer Zinssatz zu zahlen ist. Wir halten jedoch an dem Ziel fest, die Neuverschuldung sukzessive zurückzufahren. Voraussetzung dafür ist eine grundlegende Verbesserung der finanziellen Ausstattung unserer Stadt.

Die Probleme Leipzigs sind bekanntlich nicht hausgemacht, sondern betreffen alle Kommunen unseres Landes. In Dresden droht dieses Jahr zum Beispiel eine Haushaltssperre, in Magdeburg soll die Beleuchtung auf der Stadtautobahn komplett ausgeschaltet werden, in Köln wurde die Vergnügungssteuer neu erfunden – die Liste ist fortsetzbar. Wir appellieren an die Bundesregierung, die Finanzausstattung der Kommunen durch eine Neuregelung der Gewerbesteuereinnahmen zu verstetigen. Die Staatsregierung des Freistaates fordern wir auf, den Kommunen für übertragene Aufgaben auch die entsprechenden Gelder zur Verfügung zu stellen.

Von der Verwaltung fordern wir wiederum ein langfristiges Finanzierungskonzept für die bevorstehenden Aufgaben ein. Die Überprüfung städtischer Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen ist energischer als bisher voranzutreiben. Beides hat die SPD durch Anträge gefordert. Das nachhaltige Konzept zur Sicherstellung der finanziellen Leistungs- und Investitionsfähigkeit, das bis September zur Beschlussfassung im Stadtrat vorliegen soll, greift endlich unsere Forderungen auf. Zu beachten ist, dass wir das städtische Tafelsilber dabei nicht verkaufen.

Abschließend noch ein Wort zur CDU-Fraktion. Der untaugliche Vorschlag, die Deckungslücke im Haushalt durch ein Darlehen aus den zweckgebundenen Rücklagen zu kompensieren, zeigt die Ratlosigkeit der CDU. Solche Scheinlösungen schaffen keine Nachhaltigkeit, sondern verschieben das Problem nur in die kommenden Jahre. Daher sind sie mit uns nicht zu machen. Die SPD-Fraktion wird dem Nachtragshaushalt 2003 – ausgehend von diesen Überlegungen – zustimmen.

Redner: SPD-Stadtrat Jürgen Wesser

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

Wir werden älter. Nicht nur wir, wie wir hier versammelt sind, sondern die Bevölkerung insgesamt. Der Anteil alter Menschen steigt beständig in der Bundesrepublik und selbstverständlich auch in Leipzig. Wir hören dies ständig. Ich erinnere an die „Rentendiskussion“, an die Diskussion über die Krankenkassen, die wesentlich durch „Hochbetagte belastet“ werden, an die Diskussion über Lohnkosten, die durch „diese Belastungen“ steigen, an „Generationenverträge“ und „Generationenkonflikte“. Auf unserer kommunalpolitischen Ebene werden wir diese Probleme nicht lösen können, sofern sie mit den derzeitigen Instrumentarien überhaupt auf irgendeiner politischen Ebene lösbar sind. Was wir können und müssen ist, die Folgen dieser Entwicklung für die Stadt Leipzig und deren Bürger in Bahnen zu lenken, die für die Stadt zu händeln sind und die dem Einzelnen ein Optimum an Lebensqualität schaffen. Über das wie, wann und wo soll das vor uns liegende Konzept zur Seniorenarbeit in Leipzig, kurz Altenhilfeplan Auskunft geben. Sie sehen es mir hoffentlich nach, wenn ich nicht alle statistischen Daten und Rahmenbedingungen, die in dieser Vorlage sehr gut, sehr genau und sehr umfangreich aufgelistet sind vortrage. Nur einige kurze Anmerkungen: Als 1994 der erste Altenhilfeplan verabschiedet worden ist, waren die Rahmenbedingungen völlig andere. Wir hatten mehr Geld. Es gab noch kein Pflegeversicherungsgesetz. Wir hatten noch keine 50.000 leerstehenden Wohnungen. Alte Menschen haben in Bruchbuden mit Ofenheizung gehaust. Der Dienstleistungssektor war weit von dem entfernt was heute möglich ist. Es ging darum alte Menschen mit dem Lebensnotwendigem zu versorgen.

Heute geht es darum den verschiedenen sehr differenzierten Anforderungen des Alterns gerecht zu werden. So groß wie die Spanne des Alters nach Lebensalter ist, 45- jährige sind bereits junge Alte und bewegen sich so, und ein hochbetagter mit 85 kann durchaus noch fit sein. So unterschiedlich sind die Anforderungen innerhalb der Altersgruppen. Kurz es gibt nicht „die“ Senioren. Es wird die geben, die agil sind, die sich bilden wollen, die Kulturveranstaltungen besuchen, die am öffentlichen Leben teilnehmen. Und es wird die geben, die dies alles auch wollen, aufgrund ihrer körperlichen Verfassung aber nicht können. Denen muß eine nötige und finanzierbare Unterstützung zuteil werden. Finanzierbar, weil alt ist nicht gleich arm. Es wird die geben , die pflegebedürftig sind. Hier gibt es ein breites Spektrum an ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen. Hier wird unsere Aufgaben sein, Qualität und Preis im Auge zu behalten. Überwachen können wir es nicht. Dafür gibt es Heimaufsicht und MDK.

Es wird die geben, die dement sind. Das werden unsere eigentlichen „Sorgenkinder“. Die Versorgung dementer Menschen ist nicht geregelt. Der Altenhilfeplan (AHP) empfiehlt die Entwicklung eines Strategiepapiers. Das ist gut und richtig. Wichtig wäre, dass Demenz als Form der Pflegedürftigkeit anerkannt wird. Das kann unser AHP nicht. Aber wir alle müssen darauf hin wirken, dass der Gesetzgeber handelt.

Trotzdem: Der AHP ist in einem langen Diskussionsprozess entstanden. Er gibt eine sehr gute Analyse des derzeitigen Standes und Handlungsempfehlungen, die richtig und umsetzbar sind. Es wird immer mehr geben, das wünschenswert ist. Dazu bedarf es mehr als eines Planes. Dafür müssen wir alle uns engagieren und Mitstreiter suchen, die sich ebenfalls einbringen. In das Ehrenamt. In diesem Sinne werden wir dem Konzept zustimmen.

Redner: Dr. Joachim Fischer, SPD-Fraktionsvorsitzenden

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Stadträte, werte Gäste,

In der Stadt Leipzig gibt es noch immer einen Investitionsstau bei der Sanierung stadteigener Immobilien. Dazu zählen Kultureinrichtungen, Verwaltungsgebäude, Kindertagesstätten und Schulen. Über 100 Schulobjekte sind in Leipzig immer noch unsaniert – das sind 70 Prozent aller Schulgebäude. Etwas mehr als 5 Millionen Euro sind als städtischer Anteil im diesjährigen Haushalt eingestellt, notwendig wäre jedoch die dreifache Summe, um den Sanierungsstau (in 10 Jahren) abzubauen. Nicht anders sieht es bei den Kindertagesstätten aus. Knapp 150 Objekte warten auf eine Sanierung, 7 Neubauten sind geplant. Der Gesamtbedarf beträgt rund 70 Millionen Euro.

Daneben stehen in den kommenden Jahren in Leipzig Infrastrukturinvestitionen – mit oder auch ohne Olympia – in einem gigantischen Umfang an. Für alle Vorhaben wird im Haushalt jedoch kein Platz sein.

Die aktuelle finanzielle Situation zwingt zu einer kritischen Durchleuchtung und Optimierung der öffentlichen Aufgaben und Ausgaben. Gefordert sind neue Wege nicht nur der Finanzierung, sondern auch der Realisierung und des Betreibens öffentlicher Leistungen. Ein solcher Weg ist Public Private Partnership (PPP), der durch die Mobilisierung privaten Kapitals und Wissens zur Entlastung der öffentlichen Haushalte beiträgt, den Infrastrukturausbau verstetigen hilft und Aufträge für die Bauwirtschaft auslöst. Internationale, aber auch hiesige Erfahrungen, z.B. der Neubau des Juridicums und der Universitätsklinik Leipzig, zeigen, dass die Sanierung öffentlicher Einrichtungen mit privaten Partnern finanziell sinnvoll sind. Sie tragen auch dazu bei, reale Effizienzgewinne gegenüber den traditionellen Beschaffungsmethoden der öffentlichen Hände zu erzielen. Angestrebt ist eine stärkere Einbindung privaten Kapitals mit dem Ziel, die Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und den Unternehmen auf eine wirtschaftliche Grundlage zu stellen.

Die Vorteile von PPP-Vorhaben liegen klar auf der Hand:

  1. Investitionshaushalt wird entlastet
  2. als Folge der Budgetierung, wirtschaftliches Denken bei den Einrichtungen
  3. privater Partner und jede Einrichtung achten auf die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme
  4. Effizienzgewinne von rund 17 Prozent für die öffentlichen Auftraggeber

Der einzige Nachteil besteht in einer langen Vertragsbindung der Rückzahlung. Risiken für den Steuerzahler gibt es jedoch nicht.

Die SPD-Fraktion möchte diesen Weg, der von anderen Kommunen gegangen wurde, an mehreren Modellen in Leipzig ausprobieren.

Die SPD-Fraktion ist gespannt, wie werden die, die laufend von Privatisierung reden, reagieren und was werden die Stadträte tun, die vorgeben, sich so große Sorgen um den Zustand von Schulen und Kindergärten zu machen.

Redner: Jürgen Wesser

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

Es ist inzwischen leider eine Binsenweisheit festzustellen, dass die Haushaltlage der Kommunen kritisch ist – auch die der Stadt Leipzig. Sinkende Steuereinnahmen, Tarifabschlüsse, die nicht finanzierbar sind, Mehrausgaben bei Investitionen – die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Alles wird uns bei der nächsten Haushaltsdebatte intensiv beschäftigen und ist uns von der Debatte 2003 noch gut in Erinnerung. Ein Nachläufer dieser Debatte ist unser Antrag zur Umlage Landeswohlfahrtsverband (LWV). Im Ursprungsantrag wollten wir, dass diese Umlage – bezogen auf 2002 – um 1 % reduziert wird. Das wahre Leben hat uns eingeholt. Aus den 48,5 Mio Euro von 2002 sind 2003 55,6 Mio geworden, die die Stadt Leipzig zu zahlen hat. Die Differenz von ca. 7 Mio Euro hat uns der Freistaat großzügig zur Verfügung gestellt durch eine Änderung der Schlüsselzuweisungen. D.h. wir dürfen im investiven Bereich, also für Straßen, Kindergärten u.s.w. weniger ausgeben und diese so eingesparten Mittel an den LWV überweisen.

Es macht keinen Sinn 1 % einsparen zu wollen, wenn man inzwischen fast 15 % mehr ausgeben muß. Das Ende der Fahnenstange ist jedoch erreicht. Eine weitere Erhöhung werden wir nicht mehr mittragen. Ein Haushaltsloch von 35 Mio im LWV zeichnet sich bereits jetzt ab. 5 Mio davon kämen als Verpflichtung auf uns zu. 5 Mio Euro, die wir nicht haben. Wir fordern den Kämmerer daher auf, im Verbandsausschuss Sparmaßnahmen des LWV konsequent einzufordern. Ich erinnere: 1998 hat Leipzig noch 28 Mio gezahlt, 2002 waren es 48 Mio Euro. Anfang 2003 sollten es 54 Mio sein. Zur Zeit sind es ca. 56 Mio, absehbar könnten es 61 Mio werden.

Neben dem Appell zur Sparsamkeit fordere ich auch die anwesenden und abwesenden Landtagsabgeordneten auf, den Freistaat an seine Verpflichtung zu erinnern. Es reicht nicht, den Kommunen Mittelumschichtungen zu erlauben. Die SPD-Landtagsfraktion hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der es dem Land erlaubt, das fehlende Geld zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie Ihrer Stadt ernsthaft helfen wollen, dann unterstützen Sie diesen Antrag. Um wieder auf unsere Ebene zurückzukommen. Sie meine Damen und Herren Stadträte bitte ich, unserem Antrag in diesem Sinne zuzustimmen.