Offener Brief an den sächsischen Innenminister, den Landespolizeipräsidenten sowie den Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz
An
Herrn Professor Dr. Roland Wöller
Staatsministerium des Innern
Herrn Horst Kretzschmar
Landespolizeipräsidium
Herrn Dirk-Martin Christian
Landesamt für Verfassungsschutz
Leipzig, den 17. November 2020
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Wöller,
Sehr geehrter Herr Kretzschmar,
Sehr geehrter Herr Christian,
nach den Geschehnissen am 07.11.2020 und vor einer weiteren Versammlung in Leipzig am kommenden Samstag, den 21.11.2020 möchten wir die Gelegenheit nutzen, einige Zeilen an Sie zu richten.
Die Ereignisse rund um die Querdenker-Demonstration wurden in der Ratsversammlung des Stadtrats Leipzig am 11.11.2020 diskutiert, an der trotz Einladung kein Vertreter der Sächsischen Polizei teilnahm. Ebenso wie in der gemeinsamen Sitzung des Innen- sowie Rechtsausschusses des Sächsischen Landtag am 12.11.2020 zeigte sich in der Ratsversammlung ein komplexes Bild des Geschehens. Umso mehr haben wir mit Verwunderung aus den Medien einige Verlautbarungen zur Kenntnis genommen, in denen die Verantwortung für Fehler allein bei der Stadt Leipzig verortet werden, ohne Fehler im Vorfeld zu reflektieren. Aus unserer Sicht ist es nicht hilfreich, bei komplexen Problemlagen monokausale Schuldvorwürfe in den Raum zu stellen. Unser gemeinsames Ziel sollte es vielmehr sein, aus Fehlern zu lernen und Lösungen zu suchen im Dienst der Freiheit und Sicherheit aller Bürger.
Zum wiederholten Male müssen wir feststellen, dass die Lageeinschätzungen der Sicherheitsbehörden nicht hinreichend sind und offensichtlich die Behörden des Freistaats und der Stadt unterschiedliche Kenntnisstände hinsichtlich von Gefahrenlagen haben sowie Einsatzkonzepte nicht kommuniziert und abgestimmt werden. Die Gefahr, dass sich gewaltbereite Rechtsextremisten unter die sogenannten Querdenker mischen und diese gezielt als Bühne nutzen, sollte ebenso vorher bekannt gewesen sein, wie der Umstand, dass der zentrale Treffpunkt für das Spektrum von Rechtsextremen und Hooligans um 12:30 Uhr in Leipzig auf dem Hauptbahnhof war. Auch der Umstand, dass die Versammlung in jedem Fall auf den Ring laufen wollte, war sachkundigen Kreisen bekannt. Die Sicherheitskräfte wirkten dennoch erkennbar schlecht vorbereitet. Leider wird dieser Umstand weder in den Stellungnahmen der Verantwortlichen der Polizei noch des Innenministeriums reflektiert.
Infolgedessen müssen wir ein erhebliches Kommunikations- und Vertrauensdefizit feststellen. Dies kann nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sein. Die Leipzigerinnen und Leipziger erwarten – auch und gerade im Hinblick auf die Versammlungen am kommenden Samstag – dass sich die Geschehnisse des 7.11.2020 nicht wiederholen. Sie erwarten, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gewahrt und der Infektionsschutz gewährleistet wird. Sie erwarten, dass friedliche Bürger und Journalisten geschützt werden und der Innenstadtring als zentrales Symbol der Friedlichen Revolution nicht missbraucht wird. Dazu braucht es eine gemeinsame Bewertung des Geschehens und eine Verständigung über das künftige Handeln.
Wir bitten Sie daher, im zuständigen Ausschuss für Umwelt, Klima und Ordnung der Stadt Leipzig am 26.11.2020 zum Geschehen Stellung zu nehmen und deutlich zu machen, wie Sie die beschriebenen Probleme beheben und zukünftig auf solche Lagen reagieren wollen. Ferner bitten wir Sie im Interesse der Leipziger Bürger zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen.
Hochachtungsvoll
Christopher Zenker
Vorsitzender der SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat
Katharina Krefft und Dr. Tobias Peter
Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Leipziger Stadtrat