Rede zum Baubeschluss für Sanierungs- und Brandschutzmaßnahmen am Asylbewerberheim in der Torgauer Straße
Redner: Stadtrat Christopher Zenker, Sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
werte Gäste!
Wir haben uns unsere heutige Entscheidung nicht einfach gemacht, da auch wir uns noch Ende 2013 Jahren noch für die Schließung eingesetzt haben. Auch heute würden wir uns wünschen, diese große Unterkunft könnte geschlossen oder verkleinert werden. Die weltpolitische Lage lässt dies jedoch nicht zu und daher sollten wir die Unterkunft in einen Zustand versetzen, dass sie nicht mehr zu den schlechtesten Flüchtlingsunterkünften Sachsen gehört, sondern auch dort eine menschenwürdige Unterbringung möglich ist.
Hierzu gehört für uns auch eine Freiflächengestaltung inkl. der Installation von Spiel- und Sportgeräten. Für diese Freiflächengestaltung sollten zusätzliche Mittel bereitgestellt oder eingeworben werden. Laut Aussage der Verwaltung dürfte es sich um etwa 40.000 Euro zusätzlich handeln. In einer Sofortmaßnahme sollte auch der Stacheldraht entfernt werden, um den Charakter eines Gefängnisses zu beenden. Ich bitte noch einmal alle, die heute überlegen, die Vorlage ablehnen zu wollen, die Konsequenzen zu beachten. Wenn die Vorlage heute abgelehnt wird, wird der Zustand, wie er jetzt ist, zementiert und die Unterkunft wird mit geringsten Mitteln am Leben erhalten werden. Für die dort lebenden Flüchtlinge bedeutet das, dass sich die Situation dort nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. In einem Gespräch mit einem der Unterzeichner des offenen Briefes an Burkhard Jung konnte ich daher auch Verständnis für die Position der SPD-Fraktion erreichen, da es uns ebenso wie den Flüchtlingen auch um eine deutliche Verbesserung der Situation vor Ort geht.
Wir halten die dezentrale Unterbringung im selbstbestimmten Wohnraum weiterhin für die beste Unterbringungsform und unterstützen diese. Flüchtlinge, die das wünschen, sollten möglichst schnell in einer eigenen Wohnung untergebracht werden. Obwohl seit dem Beschluss 2012 hunderte neue Wohnungen für dezentrales Wohnen hinzu gekommen sind, benötigt die Stadt weiterhin Wohnungen, um eine hohe Quote dezentraler Unterbringung zu gewährleisten. Im letzten Jahr waren in Leipzig immerhin 57 Prozent der Flüchtlinge dezentral untergebracht. Dass wir jede Wohnung gebrauchen können und durch die Immobilienwirtschaft trotz x-maliger Aufrufe bisher eben nicht genügend Wohnungen bereit gestellt werden, zeigt auch der Umstand, dass aktuell sofort 200 Flüchtlinge aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen könnten, wenn entsprechend Wohnungen bereit stünden. Wir freuen uns auch deshalb über jedes ernst gemeinte Angebot für dezentrales Wohnen von Flüchtlingen. Die Genossenschaften, die zuletzt große Töne gespuckt haben, sollten jetzt liefern.
Wichtig ist mir auch, deutlich zu machen, dass dezentrale Unterbringung nicht gleich dezentrale Unterbringung ist. Der reine Vergleich der prozentualen Anteile dezentraler Unterbringung sagt nichts darüber aus, ob dieses Wohnen auch tatsächlich selbstbestimmt ist. Aktuell bedeutet dezentrale Unterbringung z.B. in Dresden vor allem, dass die Flüchtling, die aus den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen kommen, in einem Bus zu Gewährleistungswohnungen gefahren werden, einen Schlüssel in die Hand gedrückt bekommen und in großen Zwangs-WGs, oft mit fremden Personen, untergebracht werden. Teilweise ganze Aufgänge in Großwohnsiedlungen am Rande der Stadt werden hierfür genutzt. Selbstbestimmt ist daran nichts, weder die Auswahl der Wohnung, noch die Personen, mit denen die Flüchtlinge dort zusammen leben. Das Ganze mit einem Sozialarbeiter-Betreuungschlüssel von 1:133. Sie wissen sicher alle, welche Standards im Vergleich dazu das Leipziger Unterbringungskonzept aufweist. Zudem bedeutet dezentral bei uns auch tatsächlich selbstbestimmt. Damit die Flüchtlinge in Leipzig gut ankommen, benötigen sie eine gute soziale Betreuung und Unterkünfte, in denen man sich wohlfühlen kann. Schließlich sind sie alle neu in Leipzig und nicht selten sind sie traumatisiert. Eine gute Unterkunft muss auch die Torgauer Straße werden. Hier gibt es viel zu tun, auch bei der sozialen Betreuung
Wir können verstehen, dass die Aufstockung auf bis zu 500 Personen für diese Unterkunft mit großer Skepsis gesehen wird. Wir sehen jedoch auch die Entwicklung der Flüchtlingszahlen, die sich seit 2011 von 285 auf 1.221 im Jahr 2014 mehr als verfünffacht haben. Im Höchstfall erwarten uns, laut Prognosen des Freistaates, in diesem Jahr 2.700, was dann fast eine Verzehnfachung gegenüber 2011 bedeuten würde. Dieser Entwicklung sollten wir mit diesem Beschluss Rechnung tragen, auch wenn wir es uns anders wünschen würden. Wohnungen und zusätzliche Gemeinschaftsunterkünfte werden nicht alternativ zur Torgauer Straße benötigt sondern zusätzlich! Wir unterstützen es, dass Flüchtlinge so schnell wie möglich, sofern sie es wünschen, im selbstbestimmten Wohnraum untergebracht werden. Wir begrüßen daher das Anliegen der Grünen, die Aufenthaltszeit gerade in Leipzigs größter Unterkunft auf maximal sechs Monate zu begrenzen.
Sollte es die Situation zulassen, erwarten wir, dass die Belegungsdichte zuerst in der Torgauer Straße reduziert wird und gegebenenfalls auch Aufgänge oder ein ganzer Block wieder geschlossen werden. Sollte uns vorgeworfen werden, dass unser Antrag ein Placebo sei, möchte ich daran erinnern, dass geringere Belegungen in Vergangenheit bereits realisiert wurden. So waren sowohl die Torgauer Straße als auch die Liliensteinstraße lange Zeit nur zur Hälfte belegt. Eine Bitte zu Schluss: Zunehmend haben wir eine Diskussion, die geprägt ist von Dämonisierung oder Romantisierung. Auf der einen Seite wird dämonisiert, indem von einer Flüchtlingsflut gesprochen wird und Schreckensbilder an die Wand gemalt werden. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es uns in einer Stadt mit 550.000 Personen gelingen wird, für die zusätzlichen 2.700 Flüchtlinge menschenwürdige Unterbringungen zu schaffen ebenso wie eine Kultur des Willkommens für diese. Wir dürfen aber auch nicht romantisieren, denn die menschenwürdige Unterbringung stellt uns vor Herausforderungen und dann müssen wir auch mal in den sauren Apfel beißen und auch große Unterkünfte in Kauf nehmen. Zudem gibt es Ängste in Teilen der Bevölkerung, diesen müssen wir mit behutsamer und ernsthafter Aufklärung begegnen.
Die SPD Fraktion wird der Vorlage zustimmen und bittet um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Dem Antrag der Fraktion der Linken werden wir zustimmen ebenso wie dem Punkt 10 der Grünen. Dem Punkt 9 des Grünen Antrags können wir zustimmen wenn die Ungenauigkeiten in der Formulierung behoben sind, daher habe ich zusammen mit meiner Fraktionskollegin Katharina Schenk hierzu einen Änderungsantrag eingereicht.