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Beschlussvorschlag:

Die städtischen Grundstücke Newtonstraße/Wincklerstraße, das bestehende Schulgelände der Ernst-Zinna-Schule sowie der 8. Grundschule an der Wincklerstraße/Newtonstraße/Leinestraße werden zu einem Bildungscampus inklusive weiterführender Schule und Kindertagesstätte weiter entwickelt.

Die Maßnahme wird in den nächsten Schulentwicklungsplan aufgenommen. Dem Stadtrat wird im Rahmen der Überarbeitung des Schulentwicklungsplanes ein Zeitplan für die Umsetzung vorgelegt.

 

Begründung:

Die Stadt Leipzig muss weiterhin ihre Kita- und Schulkapazitäten erweitern. Bis 2030 müssen die Neubauten bzw. Erweiterungen 39 Grundschulen, 21 Oberschulen und 11 Gymnasien entsprechen. Außerdem müssen bis 2030 etwa 70 Kindertagesstätten gebaut werden.

Das Gesamtareal – Brachfläche an der Newtonstraße und Schulhof der bestehenden Schulen – ist ausreichend, um an dem Standort eine Erweiterung der Grundschul- und Oberschulkapazitäten inkl. zusätzlicher Betreuungsplätze für 0-6-Jährige zu realisieren. Die bestehende öffentliche Grünfläche an der Wincklerstraße sollte erhalten bleiben.

Denkbar wäre beispielweise, auf dem bisher ungenutzten bzw. brachliegenden  Grundstück an der Newtonstraße eine neue Oberschule zu errichten und für eine Erweiterung der bestehenden Grundschule teile des Schulhofes zu nutzen. In einem der beiden Neubauten könnte auch eine Kindertagesstätte realisiert werden.

Die Alternativvorschläge, die bisher im Zuge der Diskussion um einen Kita-Neubau in der Eigenheimstraße gemacht wurden, sahen solitäre Lösungen vor, die entweder andere Grünflächen, Sportflächen oder Flächen verbaut hätten, die auch für eine Schulische Nutzung geeignet wären.

Die Realisierung eines Bildungscampus‘ zielt daher darauf ab, bei der Errichtung von Bildungsinfrastruktur in Dölitz integriert zu denken, um möglichst wenig Fläche zu versiegeln und das Einziehen von öffentlichem Grün zu vermeiden.

Redner: Christopher Zenker, Vorsitzender der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kollegen Stadträte,
werte Gäste,

Deutschland ist seit vielen Jahrzehnten ein Einwanderungsland und diese Einwanderung hat Deutschland gestärkt. Nur, dass diese Tatsache gern negiert wird. Mir ist es jedoch wichtig, das hier explizit hervorzuheben. Wir dürfen Migration nicht auf Geflüchtete reduzieren, denn viele Menschen sind nach Deutschland und Leipzig gekommen und helfen uns direkt dem Fachkäftemangel zu begegnen.

In diesem Zusammenhang, auch wenn es Bundespolitik ist, möchte ich deutlich sagen: Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz! Wir müssen legale Möglichkeiten der Zuwanderung schaffen, wie es sie in vielen Ländern bereits gibt.

Damit komme ich zum eigentlichen Thema dieser Bildungspolitischen Stunde: „Migration – Bildung – Integration“. Bildung ist eine Art Generalschlüssel zur Integration. Ganz gleich, woher die Menschen kommen oder wie lange sie in Deutschland leben. Vor dem Hintergrund der knappen Zeit möchte ich mich auf drei Schwerpunkte konzertieren: 1. frühkindliche Bildung, 2. Schulische und berufliche Bildung, 3. Integration in Arbeit.

  • Frühkindliche Bildung

Jeder, der Kinder hat, bekommt mit, wie schnell kleine Kinder lernen. Für Kinder in deren Elternhaus nicht deutsch gesprochen wird, ist der Besuch eines Kindergartens von großer Bedeutung. Dort saugen sie die deutsche Sprache faktisch nebenbei auf und müssen später keine DAZ-Klassen besuchen. Aktuell liegt die Betreuungsquote bei Kindern mit Migrationshintergrund über drei Jahren mit nur knapp 60 Prozent deutlich unter der von Kindern ohne Migrationshintergrund. Diese Quote müssen wir erhöhen. Das dazu ausreichend Betreuungsplätze notwendig sind, sollte allen klar sein.

Wir müssen, um die Eltern zu erreichen, innerhalb der Communities mehrsprachig informieren und den betroffenen Familien die besonderen Vorteile von Kitas nahebringen. Wir begrüßen daher, dass das Informationsmaterial inzwischen mehrsprachig vorliegt.

Neben der reinen Information sind aber auch Projekte wie zum Beispiel das in Israel entwickelte Programm HIPPY (Home Instruction for Parents of Preschool Youngsters) wichtig. Das Frühförderprogramm HIPPY richtet sich an sozial benachteiligte Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren, vor allem aber an Familien mit Migrationshintergrund, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken. Durch regelmäßige Besuche von Frauen aus dem gleichen Kulturkreis, sollen die Kinder auf die Einschulung vorbereitet werden.

  • Schulische und berufliche Bildung

Grundsätzlich ist das sächsische DAZ-Klassensystem gut, da es Kinder und Jugendliche, die in ihrem Herkunftsland bereits Schulbildung bekommen haben, über intensives Deutschlernen an den Regelunterricht heranführt und nach und nach in die Regelunterricht integriert.

Ein besonderes Augenmerk müssen wir aber auf die Jugendlichen ab 16 Jahren legen, die im Herkunftsland keine oder nur eine geringe Schulbildung hatten und denen neben Deutsch auch andere grundlegende Kenntnisse vermittelt werden müssen. Das Problem verstärkt sich noch dadurch, dass im Freistaat Sachsen die Schulpflicht mit 18 Jahren endet, wobei egal ist, ob ein Schulabschluss vorliegt oder nicht. Für solche Falle wäre es zu begrüßen, die Schulpflicht bis zum 25. Lebensjahr auszuweiten. Ähnlich wie das im Bayern gehandhabt wird, wo beispielsweise die SchlaU-Schule – Schulanaloger Unterricht für Flüchtlinge – das Ziel hat, jungen Flüchtlingen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren einen Schulabschluss und eine erfolgreiche Ausbildung zu ermöglichen. Neben dem Deutscherwerb und dem Nachholen von anderen Lerninhalten steht der soziale Austausch im Fokus. Außerdem gibt es psychologische Betreuungen für Schülerinnen und Schüler mit traumatische Erfahrungen. Im Schulkonzept werden zudem frühzeitig Praktika zur Berufsorientierung durchgeführt und der Einstieg in die Ausbildung begleitet.

Wir wünschen uns gemeinsam mit der Sächsischen Bildungsagentur ein ähnliches Pilotprojekt  für Leipzig. Partner könnten die Produktionsschulen werden, die Teile des Konzepts der SchlaU-Schulen bereits heute umsetzen.

Produktionsschulen können schon jetzt eine wichtige Rolle für den nachträglichen Erwerb eines Abschlusses spielen, denn auch sie setzen beim Ziel, Jugendliche in Ausbildung oder zu einem Abschluss zu bringen, auf einen hohen Praxisanteil. Das Angebot sollte auch in Leipzig ausgebaut werden.

  • Beruf

Auch im Berufsleben finden Integration und Bildung statt. Das heißt für uns, dass Flüchtlingen, natürlich unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Ausbildung aus dem Heimatland, ein schneller Einstieg in den beruflichen Alltag, bspw. über Praktika, ermöglicht werden muss. Dazu müssen die Behörden deutlich schneller als bisher Bildungsabschlüsse anerkennen bzw. ggf. notwendige Nachqualifizierungen einleiten.

Auch der Weg, bis Geflüchtete überhaupt in die Jobvermittlung kommen, ist in Deutschland zu lang. Was dazu führt, dass aktive Vermittlung in der Phase der höchsten Motivation -im ersten Jahr – kaum stattfindet. Bei uns muss alles zertifiziert sein, so reicht es nicht aus, dass ein Geflüchteter sich gut verständigen kann, sondern es muss unbedingt ein Sprachlevelzertifikat vorliegen. Es gibt auch Flüchtlinge, die aufgrund selbst erworbenen Sprachkenntnissen gut in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Aber auch im Beruf wird die Sprache trainiert, denn in der alltäglichen Kommunikation lernt man schneller als in jeder Sprachschule. Das Berufsleben sorgt nebenbei für soziale und gesellschaftliche Teilhabe.

In den USA beispielsweise wird das Hauptaugenmerk bei Zugewanderten darauf gelegt, dass sie einen Job finden bzw. sich selbstständig machen. Wir dagegen lassen das erste Jahr fast ungenutzt verstreichen und legen arbeitswilligen Geflüchteten sogar noch Steine in den Weg. Wir verbauen mit unserer Bürokratie Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben und eine schnelle Integration.

An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass mir eine Abschiebepraxis missfällt, die gut integrierte Flüchtlinge, die einer Arbeit oder Ausbildung nachgehen und sich in der Gesellschaft einbringen, abschiebt oder Aufenthalte nicht verlängert. Viel wichtiger wäre doch das Signal, dass Ausbildung, Arbeit, Bildung und Integration sich lohnen.

Statt die abzuschieben, die man aufgrund ihrer guten Integration schnell auffinden kann, sollten sich die Behörden den Personen widmen, die das gesellschaftliche Zusammenleben durch hochkriminelles Verhalten torpedieren, auch wenn das aufwendiger ist.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Thema „Migration – Bildung – Integration“ ein sehr komplexes und vielschichtiges Thema und nicht in einer Stunde abzuhandeln. Wir müssen jedoch uns diesem Thema in all seinen Facetten stellen und hierbei auch neue Wege gehen. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration ist vor allem die Bildung. Perspektivlosigkeit und Untätigkeit sind die vermutlich größten Integrationshemmnisse.

Christopher_Zenker2Wie die Stadt Leipzig heute mitteilte, hat das Leipziger Zentrum für Aus- und Weiterbildung mit seinem Projekt SCHAUPLATZ den Zuschlag des Jobcenters Leipzig für ein Beschäftigungsprojekt bekommen, um auch weiterhin jungen Menschen einen Start ins Berufsleben zu ermöglichen, die aktuell keine Beschäftigungsperspektive haben.
„Wir freuen uns, dass es mit dem Projekt SCHAUPLATZ beim Zentrum für Aus- und Weiterbildung Leipzig weitergeht. Seit Langem setzen wir uns dafür ein, dass die Produktionsschulen in Leipzig Bestand haben, schließlich bieten sie jungen Menschen, die unter anderem keinen Schul- oder Berufsabschluss haben, Unterstützung beim Start ins Berufsleben“, erklärt Christopher Zenker, der die SPD-Fraktion im Sozialausschuss vertritt.
Über die letzten drei Jahre konnten etwa 73Prozent der rund 280 Teilnehmer des Projekts SCHAUPLATZ beruflich und persönlich stabile Perspektiven gegeben werden. Sei es durch Vermittlung in Arbeit, Ausbildung und weiterführende Maßnahmen oder durch die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss nachzuholen.
„Ich bin davon überzeugt, dass dieses Projekt eine der erfolgreichsten Leipziger Maßnahmen für Jugendliche mit – wie es im ,Jobcenter-Deutsch‘ heißt – multiplen Vermittlungshemmnissen ist. Deshalb hatten wir uns schon Ende des vergangenen Jahres dafür stark gemacht, dass die Stadt Leipzig auch unabhängig der Finanzierungszusagen von Sächsischer Aufbau-Bank und anderen potenziellen Fördermittelgebern zu ihrer Kofinanzierung für das Projekt SCHAUPLATZ steht“, so Zenker abschließend.

Beschlussvorschlag:

1. Das Gesamtkonzept der Stadt Leipzig zur Integration von Migrantinnen und Migranten wird umgesetzt.
2. Die darin beschlossenen Sprach- und Kulturmittlerdienste „Sprint“ werden bis zum Jahresende 2014 bedarfsgerecht ausfinanziert.
3. Der Finanzierungsstopp vom Mai 2014 wird aufgehoben.
4. Für den ambulanten Bereich der medizinischen Versorgung werden Verhandlungen mit den Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigung zur Finanzierungsbeteiligung aufgenommen.
5. Für 2015 wird der Haushaltsansatz entsprechend der Bedarfe in 2014 geplant. Es wird zudem geprüft, ob statt einem beim Referat für Integration angesiedelten Gesamttopf einzelne Ämterbudgets für die Inanspruchnahme von Sprach- und KulturmittlerInnendiensten praktikabler sind.

Begründung:
Am 12.12. 2012 beschloss die Ratsversammlung das Gesamtkonzept zur Integration. Darin werden die Sprach- und Kulturmittlerdienste „Sprint“ als wesentliche Integrationsmaßnahme mit dem Beschlusspunkt 3 herausgehoben. Im Arbeitsprogramm 2020 erklärt der Oberbürgermeister, dass er die Weiterentwicklung der Willkommenskultur forciere und die Aufnahme von Flüchtlingen humaner und teilhabeorientierter gestalten wolle. Dazu ist als erstes die Barriere „Sprache“ zu mindern – dieses wird durch die Sprint-Dienste abgesichert.
Nach einer Anlaufphase ist das Projekt „Sprint – Vermittlungsservice für Sprach- und Kulturmittlung“ inzwischen in der gesamten Verwaltung implementiert – die Nutzung insbesondere bei Arztbesuchen, bei Behördengängen, im Zusammenhang mit erzieherischen Hilfen hilfreich.
Auf Grund der gestiegenen Nachfrage, aber insbesondere auch auf Grund der gestiegenen Zahl von neu ankommenden Migrantinnen und Migranten ist der Bedarf an Sprach- und Kulturmittlerdiensten enorm angewachsen. Das Budget des Jahres 2014 ist bereits bis Mai 2014 gebunden. Trotz des großen Erfolges des Dienstes wird durch den verordneten Finanzierungsstopp das Angebot unterbrochen. Für 2015 sind die Mittel bereits fortgeschrieben und eine Erhöhung angemeldet, die den Bedarf unter Zugrundelegung der Werte von 2014 jedoch nicht abdecken wird.
Mit der Unterbrechung des Dienstes wird ein unerlässliches Angebot gefährdet, neue Migrantinnen und Migranten werden sich in der Stadt im Umgang mit Behörden und Ärzten deutlich schwieriger verständigen können. Die Sprach- und Kulturmittler, die für die Tätigkeit ausgebildet wurden, werden sich voraussichtlich anderweitig orientieren und es wird riskiert, dass diese erfahrenen Kräfte 2015 nicht mehr zu Verfügung stehen.
Alles in allem wird ein erfolgreiches Integrationsangebot verunmöglicht.
Dieses Vorgehen entspricht nicht dem Beschluss des Stadtrates, der mit dem Integrationskonzept nur wenige Maßnahmen tatsächlich festgelegt hat. Der Abbruch widerspricht dem erklärten Willen der Stadt.
Im Bewusstsein der finanziell schwierigen Rahmenbedingungen der Stadt wird vorgeschlagen, die Kostenbeteiligung zu verbreitern und neben der Universität Leipzig für die stationäre medizinische Versorgung auch die Krankenkassen oder die kassenärztliche Vereinigung für die ambulante medizinische Versorgung in Kooperation zu binden. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, bei den einzelnen Ämtern, insbesondere bei Sozialamt und Amt für Jugend, Familie und Bildung eigene Haushaltsstellen für die Beauftragung des Dienstes zu bilden.

Ute Köhler-Siegel„Der Freistaat Sachsen brüstet sich immer mit seinen Spitzenpositionen in nationalen Vergleichen. In 2013 haben 15,3% der Schüler in Leipzig keinen Schulabschluss erlangt, bei den Förderschülern sind es schockierende 62,6% der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Ein Spitzenwert in Deutschland. Trotzdem bedroht der Freistaat Sachsen eines der wichtigsten Instrumente gegen die hohe Anzahl an Schulabbrechern, indem sie es verschlafen hat eine Verordnung für Mittel des Europäischen Sozialfonds rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Dies bedeutet, dass die Lernwerkstatt für abschlussgefährdete Schülerinnen und Schüler des Trägers Zukunftswerkstatt für mindestens ein halbes Jahr nicht finanziert ist, das heißt nicht stattfinden kann. Dies ist ein Unding in unseren Augen“, so die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Köhler-Siegel.

Die Zukunftswerkstatt arbeitet seit 1996 mit über 20 Ober- und Förderschulen in Leipzig zusammen. Pro Schuljahr werden hier etwa 150 Schüler der Risikogruppe Schulverweigerer betreut.

Ulrike Herold, Mitglied des Jugendhilfeausschusses weiter: „Schulverweigererprojekte stellen zurecht einen Schwerpunkt der Jugendhilfe in Leipzig dar. Wir brauchen hier mehr Maßnahmen und nicht weniger. Für die Übergangsfinanzierung werden etwa 80.000 Euro benötigt. Dies ist viel Geld, aber die Folgekosten bei Wegfall der Maßnahme werden deutlich höher liegen“.

Die  Zukunftswerkstatt  ist ein praxisorientierter, außerschulischer Lernort für abschlussgefährdete Schüler. Die Förderung der Ausbildungsreife sowie die Entwicklung sozialer Kompetenzen  und die Vermittlung eines positiven Selbstwertgefühls durch erfolgreiches Arbeiten in der Praxis als Grundlage für Lern- und Leistungsmotivation in der Schule stehen im Vordergrund.

„Auch wir sind es Leid der Ausfallbürge des Freistaates Sachsen zu sein, aber wir können es uns noch weniger leisten diese Maßnahme weg brechen zu lassen. Wir fordern die Stadtverwaltung auf hier eine Lösung aufzuzeigen und den Kämmerer hier eine Übergangsfinanzierung zu finden“, so Köhler-Siegel abschließend.

Es gilt das gesprochene Wort!

Ute Köhler-Siegel

Sehr geehrter Oberbürgermeister, verehrte Stadträte, werte Gäste,

in Leipzig gibt es eine Vielzahl an Problemen in der Bildungslandschaft.

Die meisten dieser Probleme kann die Stadt nicht allein lösen, nur in Zusammenarbeit mit dem Land Sachsen und vor allem mit finanzieller Unterstützung des Landes.

Dass das nicht funktioniert, wissen wir alle. Bildungspolitik wird vom Finanzminister gemacht, dieser hat nur ein Ziel: sparen, um Geberland zu werden.

Nun könnten wir darauf warten, dass der Freistaat zu Einsicht gelangt und die Verantwortung für die Schüler übernimmt, die in diesem Schulsystem scheitern

oder

wir, die Stadt Leipzig stellen uns diesen Problemen selbst und entwickeln Lösungsansätze.

Dafür brauchen wir das strategische Bildungsmanagement. Lernen vor Ort leistete eine hervorragende Arbeit beim Bildungsmonitoring und lieferte uns viele Daten und Analysen.

Bildungsmanagement muss nun noch weiter gehen, um die Kernaufgaben lösen zu können.

 

In Leipzig sehe ich zwei grundlegende Kernprobleme:

1. die extrem hohe Zahl an Schulabbrechern

2. die Schulnetzplanung mit den hohen finanziellen Belastungen

 

Schulabbrecher

Wir haben in Leipzig eine erschreckend hohe Zahl an Schulabbrechern.

2013 haben 15,3% der Schüler keinen Schulabschluss erlangt, bei den Förderschülern sind es schockierende 62,6% der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen.

 

Das ist ein deutliches Zeichen für eine vollkommen verfehlte Bildungspolitik. Es ist die Bildungspolitik des Landes, für die die Kommunen die Verantwortung übernehmen müssen.

 

Zum Thema Schulabrecher hat der Stadtrat im letzten Jahr eine wichtige Entscheidung getroffen. Die Schulsozialarbeit wurde gesichert. Die Stadt finanziert die Stellen an allen Oberschulen und an einigen Grundschulen. Bei der Optimierung der Klassen (also Auffüllen bis zum Erreichen des Klassenteilers und Zusammenlegung von Klassen, um noch den einen oder anderen Lehrer einzusparen) bleiben nun mal ein paar Kinder auf der Strecke. In einer 5. Klasse an der Oberschule mit 26 oder 27 Kindern mit einer Vielzahl an Integrationskindern, Kindern mit Migrations-hintergrund und Kindern aus eher bildungsfernen Familien brauchen die Lehrer die Unterstützung durch Schulsozialarbeit.

Wir alle wissen, dass deutlich mehr Stellen an den verschiedenen Schularten benötigt werden, aber die Kommune kann das unmöglich allein finanzieren.

 

Im Arbeitsprogramm des Oberbürgermeisters bis 2020 stellt er als Ziel, die Abbrecherquote auf unter 10% zu senken und verweist auf die „Leipziger Handlungsansätze zur Sicherung von Schulerfolg“.

Das Ziel ist definiert, die Handlungsansätze sind verfasst- und dennoch ist die Zahl der Schulabbrecher im letzten Jahr wieder gestiegen.

 

An dieser Stelle muss das strategische Bildungsmanagement weiter arbeiten. Um das Ziel zu erreichen brauchen wir eine genaue Analyse über die Wirksamkeit von Schulsozialarbeit, von allen Projekten und Maßnahmen, die sich um diese Kinder und Jugendlichen bemühen, damit wir als Stadträte entscheiden können, ob die richtigen Maßnahmen ausreichend finanziert werden. Wir erwarten Aufschluss darüber, wie im Vorfeld – im Kindergarten und in der Grundschule- gegengesteuert werden kann.

Schließlich ist bekannt:

  • in Leipzig werden vergleichsweise viele Kinder zurückgestellt, d. h. sie kommen ein Jahr später in die Schule,
  • überdurchschnittlich viele dieser Kinder besuchen dann eine Förderschule,
  • die Anzahl der Schulabbrecher an Förderschulen ist besonders hoch.

 

Das Bildungsmanagement kennt diese Zusammenhänge. Nun müssen Lösungsansätze erarbeitet werden, Finanzierungsmöglichkeiten gesucht  und die Umsetzung muss regelmäßig evaluiert werden.

Bildungsmanagement darf nicht mehr nur in der Rolle der Analytiker bleiben, es muss zielorientierte umsetzbare Lösungsansätze finden.

 

Beim  zweiten bildungspolitischen Kernproblem kann Bildungsmanagement auch wirksam werden und steuern.

 

Es gibt immer mehr Schüler, über eine wachsende Stadt freuen sich auch alle, aber Kinder kosten nun mal Geld. In den letzten zwei Jahren wurde viel Geld eingestellt:

Für Kapazitätserweiterungen (also Neubau und Brandschutz) wurden 100 Mio. Euro investiert, für den baulichen Unterhalt ca. 20 Mio. Euro.

Dennoch werden diese finanziellen Aufwendungen nicht ausreichen, um das Grundproblem zu lösen.

 

Die bisher immer noch nicht umgesetzten Projekte des letzten Schulentwicklungsplanes werden nun problematisch.

 

Im Bereich Mitte und Südwest steigen die Platzbedarfe für Grundschüler so schnell an, dass die vorhandenen Kapazitäten schon jetzt nicht mehr ausreichen. Neue Schulgebäude müssen schnellstmöglich zur Verfügung stehen. Dies wurde schon im Schulentwicklungsplan 2012 festgestellt, aber aus Kostengründen passierte nichts. Zwischenlösungen können nun noch teurer werden.

 

Den letzten traurigen Höhepunkt nicht umgesetzter Schulentwicklungs-planung erreichten wir mit dem Vorschlag der Stadtverwaltung, die Förderschule Thonberg an den Stadtrand zu verlegen, um die Kapazitäten für Grundschüler zu gewährleisten. Auch hier war die Problemlage lange bekannt.

Der Protest der Eltern der Förderschule Thonberg ist berechtigt –  so sieht Inklusion nicht aus, diese Lösung kritisierten auch viele Stadträte, aber wenn der Stadtrat nicht dafür sorgt, dass genug Geld eingestellt wird, kann die Stadtverwaltung auch keine anderen Lösungsvorschläge unterbreiten.

 

Die Kapazitätserweiterung ist also schon deutlich unterfinanziert, noch schlimmer sieht es mit den Mitteln für den baulichen Unterhalt aus.

Im Arbeitsprogramm des Oberbürgermeisters ist dazu zu lesen, dass „jährlich ca. 10 Millionen Euro für Bauunterhaltung von Schulen zur Verfügung gestellt“ werden.

 

Diese Summe provoziert geradezu,  Anträgen für den nächsten Haushalt zu stellen, denn der Unmut  wächst, die Schüler, Lehrer und Eltern formieren sich zu Protestaktionen.

Die SPD- Fraktion stellt in dieser Ratsversammlung Anfragen über den Sanierungsstau von Schultoiletten, Fenstern und Speiseräumen, um den dringenden Finanzierungsbedarf genauer einschätzen zu können. Hier erwarten wir von der Verwaltung eine ausführliche Antwort bis zur nächsten Ratsversammlung.

 

Besonders im Bereich Baulicher Unterhalt muss Bildungsmanagement spürbar sein. Auch der Notstand muss gemanagt werden. Ich sehe hier eine wichtige Aufgabe in ehrlicher und verlässlicher Kommunikation. Viele Schulleiter, Lehrer, Schüler und Eltern könnten die Problemlagen besser verstehen, wenn diese transparent- und ohne leere Versprechen dargestellt würden.

Kommunikation ist eben nicht die Stärke der Stadtverwaltung, sowohl ämterübergreifend als auch mit Bürgern.

Das Bildungsmanagement kann die Vielzahl an Aufgaben nicht alleine lösen. Das gelingt nur, wenn alle Akteure die gemeinsame Verantwortung übernehmen und gemeinsam handeln.

 

Mit der Vorlage zum Bildungsmanagement  haben wir erste Schritte in die richtige Richtung getan, aber vor uns liegt noch ein langer Weg, vor allem bei der finanziellen Untersetzung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Rednerin: Ute Köhler-Siegel, Sprecherin der SPD-Fraktion für den Bereich Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Stadträte,
werte Gäste,

das Zukunftskonzept Strategisches Bildungsmanagement zu beschreiben ist eine ähnliche Aufgabe, wie Pudding an die Wand zu nageln. Bildungsmanagement ist wichtig und richtig, aber schwer zu fassen, denn es findet bisher vorwiegend auf Verwaltungsebene statt. Wir werden der Vorlage zustimmen, möchten aber noch einige Hinweise geben.

Wir kennen die Schlagwörter Bildungsmonitoring und Bildungsberatung, aber konkrete Maßnahmen dazu nicht.
So erfahren wir im Zukunftskonzept, dass-
Zitat S. 5 Punkt 2.1.:
„Ende 2011 jeder Jahrgang der Unter-10-Jährigen um durchschnittlich rund ein Fünftel stärker besetzt ist als 2005. Daraus resultiert ein steigender Bedarf der frühkindlichen und kindlichen Bildungs- und Betreuungsangebote, insbesondere in den innerstädtischen, demografisch wachsenden Versorgungsräumen.“

Das haben wir alle bemerkt, sogar die Stadtverwaltung – aber wie wurde das Problemfeld umgesetzt?
1. zu spät
2. mit zu wenig finanziellem Rückhalt
3. mit der Eröffnung eines Gymnasiums im zurzeit noch weniger wachsenden Bereich

Bildungsmanagement ist wichtig und richtig, aber die in dieser Vorlage vorgestellten Zukunftsprojekte sollten schnellstmöglich im Stadtrat diskutiert und bei Beschluss finanziell untersetzt und zügig umgesetzt werden.

Meine Fraktion erwartet, dass Bildungsmanagement deutlicher und zielorientierter arbeitet: z. B. bei der Reduzierung der Schulabbrecherquote:
Wir wissen, dass vor allem im Förderschulbereich die Quote der Jugendlichen ohne Schulabschluss auf über 60 Prozent angewachsen ist.
Wir wissen, dass dringend gehandelt werden muss.
Das erarbeitete Konzept muss handlungsorientiert umgesetzt werden.

Das Bildungsmanagement könnte auch die Aufgabe übernehmen, die Etablierung neuer Schulstandorte zu steuern und zu bewerben. Die Eröffnung des Vorinterimstandortes für das Gymnasium Gorkistraße hat gezeigt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.
Bildungsmanagement muss auch verstärkt die Aufgabe übernehmen, die Bürger zu informieren und zu beteiligen.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist die geplante, sinnvolle Gestaltung der Bildungspolitischen Stunde im Stadtrat.
Im nächsten Monat findet diese statt und das Themas ist: Strategisches Bildungsmanagement.
Vielleicht schaffen wir es dann, den Pudding an die Wand zu nageln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!