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Redner: Prof. Dr. Getu Abraham, Stadtrat

Es gilt das gesprochene Wort!

Prof. Dr. Getu Abraham

dass Menschen unabhängig ihres Geldbeutels in Leipzig leben können, weil Wohnraum bezahlbar bleibt, ist – glaube ich – sozialer (eher: politischer Konsens?) Konsens auch hier im Rat.

Zumindest stütze ich meine Annahme auf den Plakate-Wald und die Kilometer bedruckten Papiers in den Wahlprogrammen aller hier vertretenen Parteien und Wahlvereinigungen zur letzten Kommunalwahl, die bezahlbarem Wohnen besonderen Platz eingeräumt haben. Korrigieren Sie mich ruhig, wenn ich falsch liege!

Unsere Stadt profitiert davon, dass Menschen unterschiedlicher Einkommensklassen, Religionen und Berufe, Herkunftsgeschichten, unterschiedlichem Aussehens und Denkens zusammenleben.

Sie profitiert aber noch mehr davon, wenn sie Impulse setzt, auch wirklich zusammenleben zu wollen – und Ansätze bietet, dass sich die Leipzigerinnen und Leipziger in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit auch zusammenraufen. Dass sie gerne Nachbarschaften erweitern und neu knüpfen.

Eine soziale Erhaltungssatzung kann hier als ein Instrument – ich hebe es noch einmal hervor: EIN Instrument – verstanden werden.

Aber – und das bringt zum Kern meines Beitrages: Stadtentwicklung eignet sich nicht zum „Klassenkampf“!

Wir setzen keine Impulse und bieten keine Ansätze für ein lebendiges, vielfältiges Miteinander, wenn wir Erhaltungssatzungen in Leipzig auf Ecken beschränken, die wir entweder als sozialräumlich problematisch stigmatisieren oder deren „Kiez“-Klientel wir mit Entscheidungen im Sinne der Gesamtstadt lieber nicht verärgern wollen.

Wir setzen keine ehrlichen Impulse, für ein gedeihliches Zusammenleben, wenn wir der ganzen Debatte aus ideologischer Selbstverliebtheit einen diffusen Luxus-Begriff zugrunde legen, Drohbilder von Mietexplosionen entwerfen und darüber aus dem Blick verlieren, dass die bauliche Instandsetzung im status quo verharrt. Ich weiß nicht, wie sie das sehen, aber ich bin der Meinung, dass nicht jede verputzte Ziegelwand oder funktionierende Wasserspülung Luxus ist.

Wer Durchmischung will, muss auch der Vielfalt der Leipziger Bevölkerung Rechnung tragen können. Es ist daher ratsam, nicht im Fünf-Jahres-Abstand auf die Evaluierung zu warten, sondern noch während des derzeit für das Eisenbahnstraßen-Quartier geplanten Verfahrens, gleiche oder ähnliche Prozesse in Stadtteilen zu beginnen, die den Anschein erwecken, schlecht durchmischt zu sein.

Und lassen Sie uns hier im Rat – unabhängig unserer parteipolitischen Ausrichtung, verbunden aber durch die Frage, wie Zusammenleben und bezahlbares Wohnen in einer wachsenden Stadt wie Leipzig gelingen kann –, lassen Sie uns hier im Rat gemeinsam und ernsthaft daran arbeiten,

  • dass Quartiere aufzuwerten nicht automatisch heißen muss, Anwohnerinnen und Anwohner zu verdrängen.
  • und: Dass Milieuschutz nicht bedeutet, sich mit städtischem Freibrief gegen Stadtentwicklung und Gemeinwohl abzuschotten.

Wir möchten den Oberbürgermeister zu einer Protokollnotiz bewegen, dass er sich gegenüber Bund, Land und Deutschem Städtetag dafür einsetzt, dass eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, die es möglich macht, auch das gewachsene Gewerbe in den Gebieten zu schützen, in denen entsprechende soziale Erhaltungssatzungen gelten. Wir würden vor diesem Hintergrund unseren Änderungsantrag zum gewerblichen Milieuschutz heute zurückziehen.

Hier, meine Damen und Herren, sind wir für Leipzig in der Pflicht. Vielen Dank.

Die Leipziger SPD-Fraktion hat einen umfangreichen Änderungsantrag zu der von der Fraktion Die Linke beantragten Aufstellung mehrerer Erhaltungssatzungen im Leipziger Stadtgebiet eingereicht.

„Bereits im Herbst vergangenen Jahres wurde die Stadtverwaltung beauftragt, für beschlossene Milieuschutzgebiete die Aufstellung von sozialen Erhaltungssatzungen vorzubereiten. Weil das zuständige Baudezernat die gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Linksfraktion kurz vor den Kommunalwahlen eine Reihe von Anträgen in den Rat eingebracht, mit denen erneut die Aufstellung von Erhaltungssatzungen beschlossen werden soll. Die Anträge sind handwerklich nicht wirklich gut, weshalb wir die Sache vom Kopf auf die Füße stellen wollen“, so SPD-Fraktionschef Christopher Zenker. „Die Vorschläge der Linken trugen zur Verunsicherung bei, auch weil es zumindest für die Leipziger Stadtverwaltung ein neues Thema ist. Wir hatten vielmehr den Eindruck, dass damit Kommunalwahlkampf gemacht werden sollte, statt eine sachorientierte Lösung anzubieten. Wir wollen zum Beispiel nicht, dass durch die Aufstellung der Erhaltungssatzungen sämtliche Baugesuche bis zum Beschluss der Satzungen auf Eis gelegt werden. Wir haben deshalb klare Kriterien formuliert, was die Stadtverwaltung nach Eingang von Bauanträgen im Einzelfall abprüfen soll, bevor Maßnahmen möglicherweise zurückgestellt werden.“

Der Einbau eines zweiten Bads, der Anbau von Balkonen, das Schaffen von zu Wohnung gehörenden Stellplatzanlagen oder die Umnutzung von Wohnungen in Gewerberäume können Gründe sein, die dazu führen, dass Anträge zunächst zurückgestellt werden, bis über die Satzungen geregelt ist, was in den definierten Bereich möglich ist und was nicht. Die SPD Fraktion hat sich bei Ihren Vorschlägen an bereits beschlossenen Kriterien aus anderen Städten orientiert.

„Wir wollen verhindern, dass Maßnahmen, die keine Luxussanierungen sind, sondern beispielsweise dem Erhalt von Wohnhäusern dienen, pauschal zurückgestellt werden, bis Erhaltungssatzungen in Kraft getreten sind. Das würde niemandem helfen. Wir sprechen uns trotzdem deutlich für die Einführung von sozialen Erhaltungssatzungen aus und fordern eine Beschlussfassung im Oktober 2019. Für uns ist allerdings ganz klar: Solche Erhaltungssatzungen sind nur ein Baustein, um bezahlbaren Wohnraum in unserer Stadt sichern zu können. Ohne Neubau und hier vor allem ohne sozialen Wohnungsbau werden wir nicht vorankommen. Erhaltungssatzungen schaffen schließlich keinen neuen Wohnraum, sondern verhindern lediglich eine deutliche Verteuerung bestehender Wohnungen. Weitere Maßnahmen müssen kommen. Dazu zählen für uns ein Zweckentfremdungsverbot, eine funktionierende Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen und ganz besonders eine starke LWB“, so Zenker abschließend.

Den zugehörigen Antrag finden Sie hier.

Zum Vorschlag der CDU-Fraktion, durch eine Milieuschutzsatzung die Attraktivität der Innenstadt zu erhalten, weil dadurch der Einzelhandel im Zentrum weiterhin Priorität genießen soll, erklärt der SPD-Fraktionschef Christopher Zenker:

„Wir begrüßen das Vorhaben der CDU-Fraktion, die Leipziger Innenstadt auch in Zukunft durch ein breit gefächertes Einzelhandelsangebot attraktiv und insbesondere damit auch Karstadt mit seinen 400 Mitarbeitenden möglichst am Standort zu halten. Wenn das über Milieuschutz realisierbar ist, stehen wir dem offen gegenüber. Zu einer starken Stadt gehört eine attraktive Innenstadt und Leipzig hat aktuell eine der schönsten bzw. die schönste Innenstadt. Ein Einzelhandel der prosperieren will, benötigt jedoch auch Kunden mit Kaufkraft. In Leipzig muss also auch ausreichend finanzierbarer Wohnraum zur Verfügung steht, damit nach der Miete noch genug Geld übrig ist.“

Bislang spielen Milieuschutz- und Erhaltungssatzungen insbesondere im Mietwohnungsmarkt eine Rolle, um unerwünschte Veränderungen der Einwohnerstruktur eines Wohnviertels zu verhindern und auch weiterhin sozial durchmischte Quartiere zu haben.

„Ich hoffe, dass die Union nicht nur beim Einzelhandel auf Milieuschutz und Erhaltung setzen möchte, sondern sich auch im wohnungspolitischen Bereich für dieses Thema öffnet, denn bislang spielte dieses Instrument für sie keine Rolle. Auch die Wiederaufnahme des sozialen Wohnungsbaus wurde von der CDU vor ziemlich genau einem Jahr abgelehnt. Ein aktueller Änderungsantrag der CDU-Fraktion zum Lindenauer Hafen, durch den sozialer Wohnungsbau in dem Areal nicht mehr zwingend passieren soll, zeichnet dort kein neues Bild. Weil Leipzig nach wie vor wächst, selbst wenn das Tempo aktuell abzunehmen scheint, ist Wohnraum – und in dem Fall preiswerter Wohnraum –  eines unserer drängendsten Probleme.“

Die Stadtverwaltung ist gerade dabei, die sich aus dem Wohnungspolitischen Konzept ergebenden Instrumente zu erarbeiten, durch die Rahmenbedingungen für ein ausreichendes Wohnungsangebot geschaffen werden sollen. Das von Mieterhöhungen immer mehr Leipzigerinnen und Leipziger betroffen sind, zeigt auch die bereits im Vorfeld breite Resonanz für die den 20. April angekündigte Demo von „Leipzig- Stadt für Alle“.

„Wir hoffen, dass das zuständige Baudezernat dem Rat zügig die Fortschreibung des Wohnungspolitischen Konzepts mit einem breiten Fächer an Maßnahmen zur Reduzierung von Mietpreissteigerungen übergibt. Die Zeit drängt und wir sollten, unabhängig davon, wie lang die aktuelle Phase des geringeren Wachstums dauert, hier schnell vorankommen. Das betrifft neben dem sozialen Wohnungsbau, für den aktuell Mittel von Bund und Land zur Verfügung stehen, auch Maßnahmen wie Milieuschutz- und Erhaltungssatzungen. Darüber hinaus müssen zügig die Grundlagen für Zweckentfremdungsverbote geschaffen werden. Ein abgeschwächtes Wachstum kann dabei helfen, nicht noch weiter ins Hintertreffen zu kommen“, so Zenker abschließend.