Schlagwortarchiv für: Öffentlicher Beschäftigungssektor

Rednerin: Stadträtin Nicole Wohlfarth

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Dezernenten,
werte Stadtratskollegen,
liebe Gäste,

Leipzig geht es gut! Die Arbeitslosenzahlen sind beständig gesunken und so niedrig wie seit 1990 nicht mehr. Aber nicht alle Menschen profitieren von der guten wirtschaftlichen Entwicklung, das zeigen uns die immer noch fast 6.000 Langzeitarbeitslosen. Oftmals sind es die Menschen, die es besonders schwer haben: Suchterkrankungen, Schulden, unpassende Ausbildungsberufe. Gerade dort sind auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Jobcenters besonders gefordert. Aber gerade diese Menschen brauchen behutsame und langsame Heranführung an einen geregelten Tagesablauf mit körperlicher Belastung. Wir sehen, dass die Menschen in diesen Maßnahmen, im Laufe der Zeit Selbstbewusstsein erlangen, Motivation bekommen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, und sich um eine Beschäftigung zu bemühen.

Dafür brauchen wir Partner und das sind die Träger, die Vereine und die gGmbHs, die keine Gewinne aus diesen Maßnahmen ziehen, sondern oftmals mehr zuschießen müssen, als sie erstattet bekommen. Vor allem brauchen wir vielfältige, passgenaue Angebote für Menschen, die wirklich motivieren und nicht Träger, die in den bürokratischen Hürden des Jobcenters ertrinken.

Das Jobcenter Leipzig hat meines Erachtens das restriktivste Regelwerk für die Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung. Sie gehen weit über die Vorgaben des Bundes und auch vergleichbarer Jobcenter deutschlandweit hinaus. Wir wollen diese Regelungen durchlüften und dem Oberbürgermeister ein starkes Stadtratsmandat an die Hand geben, sich dafür einzusetzen. Wir nehmen auch die Sorgen des Jobcenters ernst, gehen aber davon aus, dass sich diese im Gespräch zwischen Stadtverwaltung, Jobcenter und Wirtschaftsvertretern auflösen werden. Daher haben wir Ihnen die im Antrag aufgeführten Vorschläge zur Prüfung vorgelegt, die dort besprochen werden sollen.

Fakt ist, dass sich die wirtschaftliche Situation in Leipzig massiv geändert hat, die es erfordert die Vorgaben für die öffentliche geförderte Beschäftigung zu überprüfen und zu entrümpeln. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, damit der Oberbürgermeister mit unserem Auftrag die Debatte mit allen Beteiligten anstoßen kann.

Den entsprechenden Antrag finden Sie hier.

Beschlussempfehlung:

1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Trägerversammlung des Jobcenters Leipzigs eine Überarbeitung der Richtlinien und Hinweise für die öffentlich geförderte Beschäftigung (ögB) zu erreichen.

2. Eine Überarbeitung soll die übermäßigen bürokratischen Hürden für die Träger senken und dabei folgende Punkte umfassen:

a) die Erarbeitung einer Zielstellung der Maßnahmen der ögB,

b) Vorgaben zur Transparenz der Fördermittelvergabe, analog zum Jobcenter Dresden, dass die geförderten Träger öffentlich benennt,

c) die Prüfung der Ermöglichung einer Rabattsystemregelung für die Träger analog zum Jobcenter Bonn, damit auch der Selbstkostenanteil der Träger an der Maßnahme erwirtschaftet werden kann und der bürokratische Aufwand der Vorhaltung der Bedürftigkeitsnachweise der Abnehmer der hergestellten Waren vermindert wird,

d) eine Aufstellung, welche Kostenpositionen im Bereich der Sach- und Verwaltungskosten erstattungsfähig sind, analog zum Jobcenter Landkreis Leipzig,

e) eine Überarbeitung der ergehenden Bescheide, so dass die Anrechnung einzelner beantragter Positionen im Bereich der Sach- und Verwaltungskosten erkennbar wird,

f) die Aufhebung aller Vorgaben, die in die betriebswirtschaftlichen Prozesse oder die innerbetriebliche Organisation der Träger eingreifen (Schutzgebühr bei Transporten, Vorgaben zu Käuferkreis, Preisgestaltung, Verkaufsverbote, etc.), da diese in erheblichem Umfang über die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit (BfA) hinausgehen,

g) Aufhebung der Obergrenze der Teilnehmerzahl einer Maßnahme und Aufnahme der sozialpädagogischen Betreuung als Vorgabe für die Träger, analog zu den fachlichen Weisungen der BfA, bzw. der der JC Dresden und Bonn,

h) die Möglichkeit auf Antrag eine Endabrechnung der Maßnahme beim Jobcenter einzureichen,

i) eine Aufhebung der Teilnehmermindestzahlen zur Bewilligung von Koordinatoren und Fachanleitern,

j) die Erarbeitung eines Prüfkonzepts wie in den Fachlichen Weisungen zu AGH nach §16d SGB II der BfA vom 11. Januar 2017 genannt.

 

3. Der Oberbürgermeister berichtet einmal im halben Jahr über die  erreichten Veränderungen in den zuständigen Gremien des Stadtrates.

Begründung:

Der Sektor der öffentlich geförderten Beschäftigung in Leipzig ist überschaubar. Dies hängt auch damit zusammen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in unserer Stadt in den vergangenen Jahren überaus positiv war und die Arbeitslosigkeitsquote nunmehr bei 7,8%  und somit auf einem langjährigen Tiefstand ist. Gleichzeitig gibt es noch immer mehrere tausend Langzeitarbeitslose, deren berufliche Wiedereingliederung erstrebenswert ist. Dazu können die Maßnahmen im Bereich der ögB ein wichtiger Baustein sein.

In vielen Jobcentern gibt es eine grundlegende Übereinkunft welche Ziele mit der ögB erreicht werden sollen und welche Mittel sich dafür eignen. In den Unterlagen des Leipziger Jobcenters fehlt eine Grunddefinition allerdings völlig. Ungeachtet dessen gibt es einen umfangreichen Katalog an Einschränkungen und Vorgaben für die Träger der ögB-Maßnahmen, die eine Erwirtschaftung von Eigenanteilen zur Finanzierung der Maßnahmen erheblich erschweren und die Heranführung der Arbeitslosen an den ersten Arbeitsmarkt behindern, da sie oft nur realitätsfremde Tätigkeit in eingeschränktem Maß übernehmen dürfen. Mit diesen Vorgaben geht das Jobcenter weit über die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit (Januar 2017) und vergleichbarer Jobcenter hinaus. Das Jobcenter Leipzig schränkt damit die geschäftlichen Aktivitäten der Träger deutlich und über das Maß des Nötigen zur Einhaltung der Wettbewerbsneutralität ein.

Zur Finanzierung der Maßnahmen tragen neben dem Jobcenter auch die Träger selbst bei, wozu es zwingend notwendig ist, dass Eigenmittel erwirtschaftet werden. Dies ist aber nicht möglich, wenn der Kundenkreis und die Preisgestaltungsmöglichkeiten weiterhin so eingeschränkt bleiben, wie bisher. Die Erwirtschaftung von Gewinnen ist auch gemeinnützigen Trägern erlaubt, sofern diese beim Träger für die satzungsgemäßen Zwecke verbleiben. Durch die Vorgaben zur Preisgestaltung wird die Möglichkeit der Gewinnerzielung allerdings erheblich gemindert, was zu Finanzierungslücken führen kann.

Tino BuckschTino Bucksch: Maßnahmen für Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit dringend notwendig

Angesichts der im Ausschuss Wirtschaft und Arbeit vorgestellten Informationsvorlage der Verwaltung zur Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors mit Mindestlohn in Leipzig äußert sich Tino Bucksch, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion:
„Es ist schade, dass die Verwaltung nicht genug Kraft besitzt, den  Freistaat oder die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg für die finanzielle Unterstützung des Programms zu gewinnen. Wir haben in Leipzig weiterhin einen konstant hohen Stand an Langzeitarbeitslosen und sogenannte schwer vermittelbare Arbeitslose. Diese Menschen profitieren nicht von der anhaltend guten Konjunkturlage. Umso enttäuschender ist der Verweis des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit und der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, dass Qualifizierung als wesentlicher Erfolgsfaktor angesehen wird.“

Bucksch weiter: „Qualifikation ist kein Wert an sich. Gerade die genannte Zielgruppe benötigt keine permanente Qualifizierung, die oft nicht länger als sechs Monate andauert. Auch, wenn eine Qualifizierungsmaßnahme der nächsten folgt, ist jenen Menschen nicht geholfen. Stattdessen muss primär auf aktivierende, motivierende und sozial begleitende Maßnahmen gesetzt werden, um die Betroffenen überhaupt für eine marktnahe Beschäftigung gewinnen zu können. Dass das Jobcenter 2013 fast 100 Prozent seiner Mittel für Eingliederungsmaßnahmen ausgeschöpft hat, die Langzeitarbeitslosigkeit aber konstant hoch ist, zeigt doch, dass hier noch viel Handlungsdruck ist. Davor können Dresden und Nürnberg die Augen nicht verschließen.“

Artikel von Tino Bucksch für Amtsblatt vom 13.07.2013

Ein tragfähiges Konzept für einen öffentlichen Beschäftigungssektor bedarf aus Sicht der SPD-Fraktion einer genauen Definition der Zielgruppe, einer Analyse der vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente sowie einer Klärung der potentiellen Einsatzfelder. Nur so kann stabil die Erwerbsfähigkeit der Betroffenen wiederhergestellt werden, um den Teilnehmern den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen und die ausgrenzende Wirkung von Arbeitslosigkeit zu beenden. Statt bloßer „Beschäftigung“ bedarf es endlich einer wirklichen Betreuung.

Die aktuelle Vorlage des Dezernats für Wirtschaft und Arbeit zum öffentlichen Beschäftigungssektor zeichnet leider mehr ein Bild von mangelnder Kreativität im Dezernat als von tatsächlichen Perspektiven für Menschen, die wieder Fuß auf den regulären Arbeitsmarkt fassen sollen. Nach Vorstellung des Wirtschaftsdezernats sollen dem Kommunalen Eigenbetrieb Engelsdorf (KEE) zusätzlich 160 Stellen zugeteilt werden, ohne in der Vorlage die Zielgruppen zu benennen, die mittels dieses Konzepts eine Beschäftigung bekommen sollen. Zudem wird nicht dargestellt, was mit den Betroffenen passieren soll, um sie erfolgreich aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauszuholen. So werden Potentiale verschenkt, den Betroffenen neue Perspektiven aufzuzeigen.