Schlagwortarchiv für: Straßenbenennung

Redner: Christian Schulze, Stadtrat

Christian Schulze

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

normaler Weise wird eine Straßenbenennungsvorlage nach intensiver Vorberatung im Rat ohne Aussprache beschlossen. Ich bitte um Verständnis, dass ich zu Hinrich Lehmann-Grube aus alter Verbundenheit ein paar Sätze sagen möchte.

Den Namen hörte ich das 1. Mal am 19. März 1990. Die Leipziger Sozis leckten nach verlorener Volkskammerwahl im Haus der Demokratie ihre Wunden. Gleichzeitig musste ein SPD – Spitzenkandidat für die 7 Wochen später stattfindende Kommunalwahl gefunden werden. Das muss man sich mal vorstellen, 7 Wochen vor der Wahl gab es überhaupt noch keine Kandidatinnen oder Kandidaten von keiner Partei. Verrückte Zeiten!

In Königsberg geboren, jetzt aus der Partnerstadt Hannover kommend , war Hinrich Lehmann Grube in der letzten Phase seines Berufslebens ein Glücksfall für Leipzig.

Er hat sich im April 1990 sogar in die DDR einbürgern lassen, um hier in unserer damals grauen, kaputten, heute schönen Stadt, Oberbürgermeister zu werden. In den ersten Jahren waren Arbeitstage mit 15 Stunden keine Seltenheit. Der Stadtrat tagte meistens bis Mitternacht. Und in der Regel ging es nur um die Sache.

Leipzig verlor Menschen, die in den Westen gingen. Wir mussten die Stadt wirtschaftlich neu aufstellen. Die Universitäten hatten längst nicht mehr die nationale und internationale Bedeutung. Auch die Messe musste umziehen. Die „Neue Messe“ wurde trotz einiger Widerstände vor den Toren der Stadt gebaut und 1996 eingeweiht. Somit rettete er den Ruf Leipzigs als Messestadt und wir sehen heute auch, welche Erfolgsgeschichte daraus wurde. Ein Jahr nach der Eröffnung, wurde der Boden der „Neuen Messe“ dann durch Eingemeindung auch Leipziger Boden

Lehmann-Grube und der damalige Stadtrat spielte auch für den Leipziger Citytunnel eine wichtige Rolle. Mit Weitsicht und ohne ! Tunnelblick wurde schon 1996 eine Planungsgesellschaft gegründet. Diese sollte Machbarkeit, Sinnhaftigkeit und Finanzierungsmöglichkeiten prüfen. Als dann das Transrapidprojekt von Hamburg nach Berlin scheiterte, war plötzlich Geld im Bund da und in Leipzig gab es eine fertige Planung für ein anderes tolles Verkehrsprojekt.

Auch im Politikstil unterschied er sich von den meisten damaligen, aber auch heutigen Politikern. Immer offen und lösungsorientiert. Er hörte sich die Argumente der anderen Seite an, dachte über diese nach und wenn sie ihn überzeugten, war er in der Lage seinen Standpunkt zu ändern. Er war nicht verbissen oder ideologisch. Das sogenannte Leipziger Modell bedeutete, um der Sache willen, möglichst breite Mehrheiten im Stadtrat zu organisieren

Dies war ein neues Modell in der Politik und manchmal erleben wir das heute noch hier in diesem Saal.

Mehr zuhören und miteinander – ZUSAMMEN – die Probleme lösen, das war Lehmann-Grubes Devise.

Wegen all seiner politischen Erfolge und seiner Art Politik zu machen, wurde er völlig zu Recht am 14. April 1999 zum Ehrenbürger unserer Stadt ernannt. Wir sollten uns an ihn erinnern und deshalb ist es nun endlich so weit, den Platz am Ring auf der anderen Seite des Gewandhauses nach ihm zu benennen. Seine Witwe Ursula Lehmann-Grube, die ich von hier herzlich grüße, verfolgt diesen Prozess sehr aufmerksam und hofft, bei der Einweihung dabei sein zu können.  Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rednerin: Nicole Wohlfarth, Stadträtin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,
werte Gäste,

 

die Debatten um Dr. Helmut Kohl befassen viele Städte unseres Landes. Die kommunalen Vertreter der Stadt Ludwigshafen habe eine Benennung nach Helmut Kohl abgelehnt. Die Städte Bernburg, Rostock, Halle, Magdeburg und Erfurt streiten heftigst über eine Würdigung im öffentlichen Raum. Zum Teil seit Monaten ohne eine Einigung. Das wollen wir nicht. Helmut Kohls großer Verdienst ist das beherzte und mutige Handeln, als sich mit der Friedlichen Revolution die Möglichkeit zur Wiedervereinigung auftat. Das wollen wir würdigen. Aber wir wollen einen breiten gesellschaftlichen Konsens dafür, den sehen wir im Moment noch nicht.

Helmut Kohls Verbindung zu Leipzig ist eben nicht so stark, wie die Kurt Masurs. Daher sind Sie, Frau Niermann, in ihrer Rede auch nicht auf diesen Vergleich eingegangen. Wahrscheinlich weil Sie wussten, dass Helmut Kohl diesem nicht standhalten würde. Aber nicht nur das hat uns bewogen, unseren Antrag zu stellen. Helmut Kohls Rolle in der Parteispendenaffäre ist unrühmlich und hat dazu geführt, dass er Vertrauen bei der Bevölkerung verloren hat. Auch die Enttäuschung manchen Bürgers über die blühenden Landschaften, die dann doch nicht so kamen wie erhofft, mag zu einem Vertrauensverlust geführt haben. Was nutzen uns schön sanierte Häuserfassaden und Gehwege, wenn bei den Menschen davon kaum etwas ankommt?

Unserer Meinung nach braucht es Zeit. Manche historischen Persönlichkeiten bedürfen einfach eines längeren zeitlichen Abstands, um entsprechende Würdigung zu erfahren. Bitte verstehen Sie unseren Antrag daher als eine Brücke, Helmut Kohl eine angemessene Würdigung zukommen zu lassen. Allerdings nicht binnen so kurzer Zeit nach seinem Ableben. Seine Bedeutung für diese Stadt rechtfertigt das so nicht. Seine Anbindung an Leipzig ist überwiegend politischer Natur, wenn es auch über seine Ehefrau private Verbindungen gab. Seine Frau Hannelore verbracht ihre ersten Lebensjahre in Leipzig, er verbrachte einige Urlaube – rein privat – in unserer Stadt und seine Reden im Kontext der Friedlichen Revolution sind politischer Natur gewesen. Eine besondere Bindung Helmut Kohls an die Stadt Leipzig, die eine so zügige Benennung eines Platzes oder einer Straße im öffentlichen Raum sinnvoll machen würde, können wir vor dem Hintergrund das Genannten nicht erkennen.