Reden und Texte der SPD-Fraktionsmitglieder innerhalb der Ratsversammlung zu ausgewählten Themen

Rednerin: Ingrid Glöckner

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

Leipzig gibt sich weltoffen und großstädtisch und zieht deshalb Touristen aus aller Welt an. Falls diese beabsichtigen, mit dem Bus anzureisen, könnte es passieren, dass der Bus auf dem ausgewiesenen Busparkplatz vor dem Hauptbahnhof keinen Platz findet, da er von privaten PKWs zugestellt ist. Das passiert sicher nicht täglich, aber zu besonderen Anlässen, wie zum Weihnachtsmarkt, kommt es zu diesem Eklat.

Um ein paar Euro zu sparen, die im angrenzenden Parkhaus zu zahlen sind, stellt man sich doch lieber auf den schönen großen Parkplatz, nach der Devise: Nach mir die Sintflut! Deshalb ist dringender Handlungsbedarf geboten. Das Ordnungsamt sollte noch aktiver Kontrollen durchführen und auch konsequent Falschparker abschleppen lassen.

Die im Verwaltungsstandpunkt angeführten Zahlen zeigen, dass es nicht nur Einzelne sind, die ihre PKWs unberechtigt abstellen. Deshalb sollte der Parkplatz entsprechend seiner Bestimmung auch zur Verfügung stehen und nicht nur bei Großereignissen härter durchgegriffen werden. Es wäre schön, wenn sich unsere Stadt den auswärtigen Besuchern auch hinsichtlich der Parkmöglichkeiten von ihrer gastfreundlichen Seite zeigen würde.

Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen!

Redner: SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Joachim Fischer

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, werte Gäste,

Der Haushalt für das kommende Jahr ist kein Drama mit mehreren Akten, wie es der Kämmerer bei der Einbringung in den Stadtrat im September formulierte, sondern Tatsachenbeschreibung der schwierigen Haushaltslage in Leipzig. Die Stadträte können am Ende der heutigen Sitzung nicht einfach aufstehen und das Drama verlassen. Die Haushaltsmisere ist kein Theater, sondern die reale Welt.

Wir kritisieren, dass die Städte und Gemeinden auf die sie betreffenden Gesetzgebungsverfahren im Bund und Land einen unzureichenden Einfluss haben, mit den Ergebnissen aber finanziell zurechtkommen müssen. Verlierer sind letztendlich alle Bürgerinnen und Bürger, deren Lebensqualität durch die Finanzmisere der Städte und Gemeinden eingeschränkt wird.

Die Spielräume werden für uns Stadträte enger und enger, und wir können immer weniger Akzente setzen, da den Kommunen immer mehr Pflichtaufgaben übertragen wurden und werden. Dazu kommt, dass diese kommunalen Pflichtaufgaben unzureichend von Seiten des Bundes und der Staatsregierung finanziert werden. Ein Beispiel ist das vom Freistaat geplante Verwaltungsmodernisierungskonzept, infolge dessen umfangreiche Aufgaben an die Kommunen übertragen werden sollen. Wie das finanziell für die Kommunen ausgeht, ist heute schon klar: Die Städte erbringen zusätzliche Leistungen, und der Freistaat spart in seinem Haushalt Geld ein.

Innerhalb von drei Jahren musste der Haushalt der Stadt Leipzig finanzielle Mehrbelastungen in Höhe von ca. 150 Mio. Euro verkraften, ohne dass es im Gegenzug zu einer nachhaltigen Verbesserung der finanziellen Basis der Stadt kam. Das Ausgabendefizit im Verwaltungshaushalt betrug im Frühjahr dieses Jahres knapp 70 Mio. Euro. Ich komme später noch darauf zurück. Den Städten geht insgesamt die Puste aus. Wir brauchen dringend eine Gemeindefinanzreform mit deutlicher und nachhaltiger Entlastung.

Bei allen Städten und Gemeinden gibt es eine komplizierte Situation hinsichtlich des Haushaltes – die kommunale Eigenverantwortung (Art. 28 GG) wird in Frage gestellt, wenn eine ausreichende Finanzausstattung von Bund und Land nicht gewährleistet wird. Die Eckpunkte der Gemeindefinanzreform sind aus unserer Sicht nicht ausreichend und eine weitere Nachbesserung zwingend erforderlich. Da wir aber wissen, was realistisch und umsetzbar ist, fordern wir erneut den Freistaat auf, im Vermittlungsausschuss und Bundesrat nicht weiter zu blockieren, sondern konstruktiv zu verhandeln. Für die Stadt geht es insgesamt um eine Entlastung im kommenden Jahr von ca. 20 Mio. Euro, die dringend notwendig ist. Die kommunale Finanznot lässt sich eben nicht mit einem Sofortprogramm lindern, wie es die Union im Bund und in den Ländern noch immer fordert. Nachhaltigkeit ist auch hier gefragt.

Ich komme nun zu den Verfehlungen des sächsischen Finanzministers bei der Kommunalfinanzierung. Die ausgesprochenen Kürzungen der investiven Schlüsselzuweisungen durch den Freistaat hat massive Auswirkungen auch auf die Stadt Leipzig. Sanken diese Schlüsselzuweisungen in diesem Jahr im Vergleich zu 2002 bereits um über 50 Prozent sind für das kommende Jahr weitere Kürzungen in Millionenhöhe durch den Freistaat avisiert. Weniger Investitionen bedeuten immer auch weniger Aufträge für klein- und mittelständische Unternehmen, damit verbunden weniger Steuereinnahmen und weniger Arbeitsplätze. Dies sollten eigentlich auch die Wirtschaftsexperten der CDU wissen, die dann auch noch zusätzlich städtische Steuersenkungen in Leipzig fordern. Verantwortlich für die Finanzausstattung der sächsischen Kommunen ist in erster Linie der Freistaat. Es ist schön für den sächsischen Finanzminister, dass der Freistaat die zweitniedrigste Verschuldungsquote aller Bundesländer hat. Dass dies jedoch zu Lasten einer hohen Verschuldung der Kommunen geht, ist die schlechte Nachricht. Eine solche Sanierung des sächsischen Haushaltes auf Kosten der Kommunen ist aus unserer Sicht unerträglich.

Der sächsische Städte- und Gemeindetag wirft der Staatsregierung Unfairness beim Aushandeln des Gesetzentwurfes zu den Kommunalfinanzen vor. Mit der geplanten Regelung will sich der Freistaat einen Freifahrtsschein ausstellen, den Kommunen bei steigenden Steuereinnahmen weniger Geld über die Schlüsselzuweisungen zukommen zu lassen. Außerdem will der Finanzminister den Städten und Gemeinden künftig vorschreiben, wie diese Mehreinnahmen aus der geplanten Gemeindefinanzreform einzusetzen haben. Der Freistaat will sich im übrigen bis zu 75 % dieser kommunalen Mehreinnahmen in die eigene Tasche stecken. Der Spitzenverband sieht damit die Planungssicherheit der Kommunen für 2004 gefährdet. Die SPD-Fraktion fordert daher auch die Damen und Herren Landtagsabgeordneten – die in diesem Hause sitzen – auf, sich gegen die Pläne der Staatsregierung zu stellen. Ansonsten kommen die Sanierung von Schulen und Kindergärten, sowie die Modernisierung von Straßen in Sachsen und somit auch in Leipzig, nahezu zum Erliegen.

Folge dieser Politik der Landesregierung ist, dass einschneidende Kürzungen bei den Ausgaben im freiwilligen Aufgabenbereich nicht mehr zu vermeiden sind, für die dann die Kommunalpolitiker von der Bevölkerung die Prügel beziehen. Wenn wir jetzt nichts unternehmen, steuert der Haushalt in den kommenden Jahren dreistelligen Millionendefiziten entgegen. Wir müssen neben der Forderung nach einer besseren Finanzausstattung aber auch nach Einsparpotenzialen suchen und Aufgaben auf den Prüfstand stellen, soll die positive Entwicklung unserer Stadt auch unter den derzeit schwierigen Umständen aufrecht erhalten bleiben. Das ist unser Auftrag. Das ist Teil der kommunale Selbstverwaltung.

Wir begrüßen deshalb das Strategiepapier des Oberbürgermeisters zur Haushaltplanung für die kommenden Jahre, da es Leitlinien benennt, nach denen die künftige Politik ausgerichtet werden soll. Die SPD-Fraktion hofft, dass die Vorlage baldmöglichst beschlossen wird, damit die Detaildiskussion beginnen kann.

Ich komme nun zu einigen Eckpunkten des städtischen Haushaltes. Der Arbeitsmarkt in Leipzig ist immer noch von einer zu hohen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Derzeit sind 44.000 Menschen in der Stadt Leipzig ohne Arbeit. Kürzungen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, wie vorgeschlagen, ist in dieser Situation das falsche Signal. Forderung der SPD-Fraktion in einem HH-Antrag ist, das Gesamtangebot der Stadt an ABM durch Zuschüsse an freie Träger auf dem gleichen Niveau, wie in diesem Jahr zu halten. Die Anfang des Jahres vom Stadtrat beschlossene Fachförderrichtlinie ist nämlich eine Erfolgsgeschichte. Des Weiteren soll die Stadtverwaltung beauftragt werden, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Leipzig im kommenden Jahr eine höchstmögliche Anzahl von Investitionsvorhaben als Beschäftigung schaffende Infrastrukturmaßnahme zu realisieren. Auch dazu haben wir einen Haushaltsantrag gestellt. Die von der Bundesregierung beschlossene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Zuge der Umsetzung der Hartz-Konzepte bedeutet für die Stadt im günstigsten Fall eine Einsparung von ca. 16 Mio. Euro. Wir befürchten aber, dass der Freistaat seine damit verbundenen möglichen Mindereinnahmen durch weitere Kürzungen beim kommunalen Finanzausgleich zu refinanzieren versucht. Dagegen lehnen wir strikt das von der unionsgeführten Bundesratsmehrheit favorisierte Modell ab, nach dem den Kommunen die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit übertragen werden soll. Das hätte zur Folge, dass die Stadt zu den Tausenden Sozialhilfeempfänger für ca. 25.000 bisherige Arbeitslosenhilfeempfänger Arbeitsplätze bereitstellen müsste. Der BfB ließe grüßen.

Der Verwaltungshaushalt für das kommende Jahr ist

  • durch Mehrausgaben beim Landeswohlfahrtsverband,
  • aufgrund des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst,
  • durch Mehrausgaben bei der Zusatzversorgung,
  • durch steigende Ausgaben zur Finanzierung von Kindertageseinrichtungen
  • und durch einen kontinuierlichen Anstieg der Sozialausgaben

in Millionenhöhe arg in Schieflage gekommen und muss auf Kosten des Vermögenshaushaltes ausgeglichen werden.

Auf einzelne Positionen möchte ich näher eingehen. Die Sozialausgaben steigen ständig an, gegenüber dem Jahr 2002 um Sage und Schreibe 28 Mio. EUR. Insgesamt plant die Stadt Leipzig knapp 170 Mio. Euro an Sozialausgaben ein. Weitere Steigerungen sind nicht mehr zu verkraften. Auch hier appellieren wir an Bund und Freistaat, für Aufgabenübertragungen eine ausreichende Finanzierung zu gewährleisten, denn die SPD-Fraktion will nicht bei den wirklich Bedürftigen sparen.

Bei der Kindertagesstättenplanung ist noch nicht abzusehen, wie eine Deckung für das entstehende Defizit in Millionenhöhe zu erreichen ist. Ursache ist die nicht dynamisierte Pauschalfinanzierung des Freistaates. Bleibt der Freistaat bei dieser kinderfeindlichen Finanzierung, steigt der finanzielle Anteil für die Stadt Leipzig im kommenden Jahr um ca. fünf, im übernächsten Jahr um ca. neun und 2006 um ca. zwölf Millionen Euro. Wir fordern daher eine bedarfsgerechte Finanzierung bei der Kinderbetreuung seitens der sächsischen Staatsregierung, denn dann benötigen wir zukünftig keine Diskussion um besondere Betreuungsvoraussetzungen oder Zugangskriterien in der Stadt Leipzig. Auch dabei spreche ich insbesondere die CDU-Landtagsabgeordneten an.

Die SPD-Fraktion hat sich immer zur hiesigen Kulturlandschaft bekannt, und zwar zur Hoch- wie zur freien Kultur. Wir wissen um den hohen Stellenwert der Kultur in der Stadt Leipzig als weichen Standortfaktor. Kritisch sehen wir dennoch, dass bei den Verwaltungen in Oper und Gewandhaus bisher keine Stellenoptimierungen erfolgten und fragen uns, ob langfristig gesehen eine Änderung der Rechtsform eine bessere Lösung darstellt. Die SPD-Fraktion wird dazu einen Antrag in die Ratsversammlung einbringen.

Ich komme nun zum Vermögenshaushalt, dessen Volumen sich um knapp 30 Prozent verringert, im Vergleich zu anderen Städten aber immer noch ansehenswert ist. Aufgrund der abnehmenden Eigenfinanzierungsquote können immer weniger Fördermittel in Anspruch genommen werden. Dadurch kommt es zu erheblichen Ausgabenkürzungen und Umschichtungen in allen Bereichen. Die SPD-Fraktion fordert erneut eine Ausweitung der Fördertatbestände und eine Erhöhung von Förderquoten seitens Bund und Freistaat.

Leipzig wird in den nächsten Jahren trotz leichter Zuwächse eine Stadt mit knapp 500.000 Einwohnern bleiben. Der Zuwachs an Investitionsmitteln wird sich dieser Zahl anpassen. Die Verteilung dieser Mittel innerhalb der Stadt muss daher kritisch überprüft werden. Ein Beispiel: 1 Mio. EUR Investitionen in Kindertagesstätten reichen nach unserer Auffassung nicht aus. Gleichzeitig sind 23 Mio. EUR für die Städtebauförderung im nächstes Jahr vorgesehen. Das ist bei knappen Kassen kein gesundes Verhältnis. Die SPD-Fraktion hat daher einen Antrag gestellt, dass mindestens eine weitere Million bei den Kitas eingestellt wird und zwar durch Umschichtung im Bereich Stadterneuerung.

Wir kritisieren aber nicht nur, sondern wir begrüßen ausdrücklich die Zusagen seitens der Bundes- und der Staatsregierung für eine erfolgreiche Olympiabewerbung Leipzigs, Fördermittel in Höhe von knapp 200 Mio. Euro zur Verfügung zu stellen. Damit sind über 300 Millionen Euro Sofortmaßnahmen möglich. Es stehen dadurch erheblich mehr Mittel in den kommenden zwei Jahren zur Verfügung von denen auch der Mittelstand durch zusätzliche Aufträge profitiert.

Damit bin ich beim in den der letzten Tagen heiß diskutierten Thema – Olympiabewerbung. Die SPD-Stadträte standen von Anfang an hinter der Olympiabewerbung Leipzigs. Daran hat sich trotz der teilweise sehr unerfreulichen Nachrichten der letzten Wochen nichts geändert. Olympia ist eine einmalige Chance für unsere Stadt. Nutzen wir sie. Am letzten Montag haben viele Leipziger gezeigt, dass sie Olympia in Leipzig wollen. Die Menschen haben auch klar gemacht, dass sie Aufklärung um das Geschehen in der alten Olympia-GmbH wollen. Und das will auch meine Fraktion. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass Mehrheitsgesellschafter der alten Olympia-GmbH der Freistaat Sachsen war. Das sollte man bei der Verteilung der Verantwortung beachten. Den handelnden Akteuren der Olympiabewerbung wird von einigen Leuten Blauäugigkeit vorgeworfen. Müssen wir uns als Stadträte das nicht aber auch vorwerfen? Wir erwarten von der Stadtverwaltung ein Bewerbung, die der einmaligen Aufgabe angemessen ist. Gleichzeitig beschließen wir Kürzungen bei den für die Bewerbung zuständigen Ämtern, obwohl zusätzliche personelle Unterstützung für die erhebliche Aufgabenerweiterung nötig wäre. Wir erwarten mir Recht, dass eine Bewerbung vorgelegt wird, mit der wir auch gegen die ganz großen Städte dieser Welt bestehen können. Das kann aber kein Mensch so nebenbei mit erledigen. Dazu müssen die Topleute aus der Verwaltung zusammengezogen werden und uns muss klar sein, dass deren Arbeit während der Bewerbungszeit weitgehend liegen bleibt. Oder wir müssen zumindest befristete Planstellen zur Verfügung stellen.

Lassen Sie mich abschließend einen positiven Ausstieg meiner Haushaltsrede vornehmen, denn es gibt auch gute Eckpunkte:

  1. Wir haben wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorliegen, was nicht mehr viele Städte in den neuen Bundesländern heutzutage schaffen.
  2. Die frühzeitige Einbringung durch die Stadtverwaltung in der September-Ratsversammlung ist lobenswert und ich sage besten Dank an alle Mitwirkende. Damit hatten und haben wir Stadträte wieder genügend Zeit zur Diskussion, bevor nächsten Monat abgestimmt wird.
  3. Es gibt keine höhere Kreditaufnahme als ursprünglich geplant. Die Kreditaufnahme wird gegenüber dem Nachtragshaushalt 2003 sogar um 11 Mio. Euro reduziert.
  4. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, dass die ganzen Sparbemühungen der letzten Jahre umsonst waren, da wir ja auch nächstes Jahr weiter sparen müssen, können wir die ersten Früchte der Haushaltskonsolidierung ernten. Die Bonität unserer Stadt liegt nach Angaben von Wirtschaftsfachleuten auf dem bestmöglichen Rang.

Für die kommenden Wochen wünsche ich uns eine sachbezogene und konstruktive Diskussion noch losgelöst vom Wahlkampf. Lassen Sie uns ein tragfähiges Ergebnis finden, was sich die Stadt Leipzig im kommenden Jahr leisten kann und will. Die Beschlussfassung zum Haushalt sollte wie geplant am 17. Dezember erfolgen, damit Fördermittel für das kommende Jahr rechzeitig ausgezahlt und Investitionen pünktlich angefangen werden können. Unwägbarkeiten gab und gibt es immer. Darauf zu reagieren ist Aufgabe eines möglichen Nachtragshaushaltes, der keine Schande sondern – wie bereits in diesem Jahr geschehen – in solchen Zeiten einfach notwendig ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Kontra Babyklappe: Ingrid Doctor

Dieses Thema bewegt uns Stadträte nicht erst, seitdem der Antrag der PDS Fraktion aus dem Jahre 2002 ins Verfahren gebracht wurde. Die Medien haben dieses hoch sensible Thema lange Zeit benutzt um “Schlagzeilen” zu machen. Die Entscheidung “Pro” oder “Kontra” Babyklappe kann unseres Erachtens keine politische Entscheidung sein. Jede Person muss diese Entscheidung mit seinem Gewissen vereinbaren. Die Meinung in der SPD-Fraktion ist geteilt und ich kann nur für mich sprechen.

Es gibt bei diesem Thema viele Argumente, die für die Errichtung einer Babyklappe sprechen, aber mindestens genau so viele Argumente, die dagegen sprechen. Mir persönlich fällt es nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen. Könnte es doch sein, dass mit einer derartigen Einrichtung das Leben eines Neugeborenen gerettet werden kann. Ich habe mich in der Literatur, in den Medien und nicht zuletzt durch das von der Stadt Leipzig initiierte “Expertenhearing” “schlau gemacht”, aber keine neuen Erkenntnisse für meine persönliche Einstellung zur Babyklappe gewonnen. Außer, dass sich die Stadt Leipzig auf ein rechtlich sehr wackliges Unternehmen einlassen würde, wenn sie eine Babyklappe in ihrem Auftrag installieren lässt. In den Städten Chemnitz und Dresden haben aus diesem Grund die Stadträte keinen Beschluß herbeigeführt, sondern freie Träger haben dieses Angebot von sich aus übernommen.

Eins steht für mich fest, wenn eine werdende Mutter die ihr vielerorts gebotene Hilfe nicht annimmt, wird sie auch nicht den beschwerlichen Weg gehen, ihr Neugeborenes in solch eine Einrichtung zu bringen, die möglicherweise noch sehr weit weg von ihrem derzeitigen Zuhause ist. Sie wird es entweder an einer günstigen Stelle ablegen, wenn sie will, das es gefunden wird oder aber sie ist so gegen das in ihr wachsende neue Leben eingestellt, dass sie es einfach nicht akzeptiert und tötet. Die Ursachen einer solchen Einstellung sind sicher komplexester Natur. Ich sehe es als dringend erforderlich an, frühzeitige Aufklärung für werdende Mütter und Hilfsangebote für Notsituationen bekannt zu machen. Eine normale Entbindung unter ärztlicher oder anderer medizinische Hilfe ist für die Gebärende und das Kind in jedem Fall die beste Lösung.

Anonyme Entbindungen, wie sie in Hamburg und verschiedenen anderen Städten scheinbar problemlos möglich sind, sollten endlich per Gesetz erlaubt werden. Dabei wird den Frauen die Möglichkeit eingeräumt, über ihre derzeitige Situation in Ruhe nachzudenken und erst dann sollte ihr Baby zur Adoption freigegeben werden. Es ist bekannt, dass sich dann viele Frauen für ihr Baby entscheiden.

Bei der Abwägung aller Fakten “Pro und Kontra Babyklappe” steht die Gesundheit im körperlichen – wie auch im seelischen Sinne – für Mutter und Kind im Vordergrund. Ich fordere die Verwaltung auf, alles zu tun, um den werdenden Müttern in Notsituationen schnellstens die komplett nötige Hilfe und Unterstützungen aufzuzeigen, die in Leipzig vorhanden sind. Persönlich habe ich mich gegen die Einrichtung einer “Babyklappe” oder “Babynest” entschieden und lehne somit den PDS-Antrag ab.

Redner: SPD-Stadtrat Helmut Voß

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

die Ortschaftsräte, die bei den Eingemeindungen der einzelnen Ortschaften in die Stadt Leipzig enstanden, haben eine zweifache Funktion. Einmal sollen sie das oft über Jahrhunderte gewachsene Eigenleben ihrer Orte ein Stück weit bewahren, zum anderen die Einbindung in die Stadt, in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Verwaltungsstellen begleiten. Um dieser Funktion gerecht zu werden, wurden die Mitglieder in diese Gremien gewählt. Ihr Vorteil ist, dass sie über eine sehr genaue Ortskenntnis verfügen, ihren Mitbürgern weithin bekannt sind und die bestehenden Verhältnisse überschauen können. Diese Voraussetzungen sollen sie dazu befähigen, auf vielleicht notwendige Veränderungen, bei der Stadtverwaltung hinwirken zu können.

Sicherlich waren es ähnliche Beweggründe, die dazu geführt haben, Stadtbezirksbeiräte zu berufen. Allerdings in einem ungleich anders beschaffenen Territorium. Durch die Verwaltung wurden Teile der Stadt in bestimmte Bezirke zusammengefasst, die zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Ausprägungen in die Stadt eingegliedert wurden. Diese Tatsache hat zu Folge, dass für die Stadtbezirksbeiräte grundlegend andere Voraussetzungen bestehen. Für beide Gremien ist jedoch gleich, dass ihre Entscheidungen grundsätzlich empfehlenden Charakter haben. Sie sollen aus ihrer Sicht die beste Lösung für Probleme des Stadtbezirkes oder für die Ortschaft vorschlagen. Je überzeugender und leidenschaftlicher dies geschieht, um so besser werden sie das zuweilen sehr ausgeprägte Verwaltungsdickicht durchdringen. Wobei Leidenschaftlichkeit nicht mit Besserwisserei zu verwechseln ist. Beiden Gremien ist die Verantwortung für das Wohl des Ganzen auferlegt. Die größeren Befugnisse eines Ortschaftsrates basieren auf der jüngsten Entwicklung einer vollzogenen Verwaltungsreform, die bei vielen Bürgern in den eingemeindeten Orten auch heute noch auf Ablehnung stößt. Hier wird der Zeitablauf wahrscheinlich Früchte tragen.

Der Ergänzungsantrag der SPD-Fraktion möchte ähnliche Voraussetzungen für die vorhandenen Beratungsgremien der Stadt schaffen, obwohl die Gegebenheiten nicht die gleichen sind. Die Stadtverwaltung soll beauftragt werden, der Regierung das Freistaates Sachsen gegenüber initiativ zu werden, mit dem Ziel, die Sächsische Gemeindeordnung dahingehend zu ändern, dass die Arbeit der Stadtbezirksbeiräte mit mehr Verantwortung ausgestattet wird. Dabei ist zu prüfen, ob den Stadtbezirksbeiräten ein Antragsrecht gegenüber der Ratsversammlung eingeräumt werden kann. Außerdem ist zu untersuchen, ob in bestimmten Fällen auch Entscheidungen zu übertragen sind. Dazu müsste die Gemeindeordnung verändert werden. Sicherlich sind auch noch andere Verfahren vorstellbar, um die Stadtbezirksbeiräte aufzuwerten und ihre Ideen in das Leben der Stadt einzubeziehen, ohne die Bürokratie weiter aufzublähen. Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen.

Redner: Dr. Christian Jonas, energiepolitischen Sprechers der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

Erlauben Sie, in der Stunde einer für die zukünftige Entwicklung unserer Stadt Leipzig wichtigen Entscheidung, einen kurzen Rückblick zur Entwicklungsgeschichte unserer Stadtwerke (SWL) nach der Wende. Bereits der Runde Tisch präzisierte das Konzept eines kommunalen Energiedienstleistungsunternehmens für die Stadt, dass wirtschaftlich, transparent, bürgernah und umweltfreundlich arbeiten sollte. Da die volkseigenen Energiekombinate in Kapitalgesellschaften umgewandelt und der Treuhandanstalt unterstellt wurden, richteten die neugewählten Stadtverordneten am 5. Juni 1990 eine Dringlichkeitsantrag an die DDR-Volkskammer, der die sofortige Rückerstattung der ehemals kommunalen Betriebe einschließlich des Grund und Bodens verlangte. Nach Unterzeichnung der umstrittenen Stromverträge im August 1990, die den großen Energieversorgungsunternehmen die Mehrheitsaktien an den ehemaligen Bezirksenergieunternehmen sicherten, beschloss nach gründlicher Debatte in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe im September 1991 die Leipziger Stadtverordnetenversammlung die Gründung der kommunalen Stadtwerke “Wärmeversorgung und Anlagenreparatur”, zunächst noch ohne die Bereiche Strom und Gas. Parallel dazu beteiligte sich die Stadt an der Verfassungsklage der ostdeutschen Kommunen. In den folgenden 3 Jahren schlossen sich sehr komplizierte Verhandlungen mit der WESAG/RWE zur endgültigen Vermögensübertragung an die Stadtwerke Leipzig an. Weil die Rückübertragung aus dem WESAG- Stromvermögen jedoch entgegen der Zusage bis Juni 1995 nicht zustande kam, machte die Stadt von ihrem Recht auf Rücktritt aus dem Konsortialvertrag Gebrauch und forderte die RWE Energie AG in Essen auf, ihre Geschäftsanteile von 40 % an den Leipziger Stadtwerken zum 30. Juni 1995 an die Stadt zurückzugeben. Somit wurde dank sehr kluger und weitsichtiger Verhandlung vorwiegend von unserem ehemaligen OBM, Herrn Dr. H. Lehmann-Grube und der neuen Geschäftsführung der SWL kommunales Vermögen an die Stadt zurückgeholt. Langwierige Diskussionen im Stadtrat im Jahr 1998 zum Verkauf von 40 % der Anteile der SWL an den strategischen Partner MEAG sollten dazu beitragen, die SWL als Dienstleistungs- und Verbundunternehmen zu stärken und über eine Wachstumsstrategie den Energiestandort Leipzig wirtschaftlich fortzuentwickeln. Mit dem Erlös von 435 Mio. DM wurde die Voraussetzung kontinuierlicher Verbesserung der Infrastruktur der Stadt in Vorbereitung umfangreicher Ansiedlungen geschaffen – eine für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt eminent wichtige und kluge Entscheidung. Die Umstrukturierung der gesamten Energielandschaft nach der Wende 1989 in Leipzig und die Anpassung an die liberalisierten Märkte, sowohl im Kernmarkt als auch im Rahmen der Expansionsstrategie, haben das Unternehmen und seine Mitarbeiter aber auch die Stadt stark gefordert und alle Beteiligten allseitig gestärkt. Aufgrund der vielfältigen konzeptionellen technischen und kaufmännischen Erfahrungen der Stadtwerke, die das Unternehmen während des Übergangsprozesses von der Staatsplan- zur Marktwirtschaft mit wertvollem Know-how bereichern konnte, boten unter konsequenter Nutzung der Chancen, die der liberalisierte Energiemarkt bietet, die Voraussetzung für eine räumliche und geschäftsfeldbezogene Expansionsstrategie im In -und Ausland. Eine ausgewogene Balance zwischen dem Kerngeschäft in Leipzig, dem kontinuierlichen Aufbau neuer Geschäftsfelder und der Expansion in die künftigen Beitrittsländer der EU in Osteuropa sind eine große Herausforderung in den nächsten Jahren für unsere Stadtwerke. Mit der Fusion RWE/VEW bzw. der MEAG mit envia zu enviaM innerhalb des RWE- Konzerns, der eine Abkehr von der Expansionspolitik anstrebt, haben sich deren Identität und Strategie wie bereits während der Fusionsdebatte envia/MEAG/SWL offenbart, grundlegend geändert. Diese Entwicklung ist für eine weitere partnerschaftliche Zusammenarbeit zur Fortentwicklung unserer Stadtwerke insbesondere durch die Erschließung überregionaler Märkte nicht mehr vereinbar. Die SPD- Fraktion begrüßt den Rückerwerb der Geschäftsanteile von 40% der SWL von enviaM durch die LVV. Der Rückkauf des 40%-igen Geschäftsanteiles ist eine auf solider Basis stehende zukunftsträchtige Maßnahme, zumal die Kreditkosten allein mit einem Teil der Gewinne beglichen werden können, die bislang an enviaM ausgeschüttet wurden und ein eigenständige Unternehmensstrategie nunmehr umsetzbar ist. Bezüglich einer späteren angedachten Veräußerung von Geschäftsanteilen der SWL an einen fusionierenden Partner, muss als oberster Grundsatz gelten, weitere Wertschöpfung für Wachstum nach Leipzig zu holen, wobei die Stadt mehrheitlicher Anteilseigner bleiben muss. Unser Dank gilt den Verhandlungsführern für das vorgelegte Verhandlungsergebnis zum Rückerwerb der 40%- Anteile. Die Daseinsvorsorge als kommunale Aufgabe wird mit unseren Stadtwerken gelebt und ihr Engagement auf kulturellen, sozialen und sportlichen Gebiet zum Wohle unsere Bürger praktiziert. Die SPD- Fraktion wird diesem Beschluss zur Neuausrichtung der Strategie der Stadtwerke in allen 3 Beschlusspunkten aus Überzeugung geschlossen zustimmen. Diese heute anstehende Entscheidung reiht sich würdig in die von der Stadtverordnetenversammlung und dem Stadtrat nach der Wende gefassten Beschlüsse für die Stadtwerke, unsere Stadt sowie unsere Bürgerinnen und Bürger ein. Ein schöner Tag für Leipzig!

Redner: Dr. Joachim Fischer, Vorsitzender der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

erstmals seit der politischen Wende 1990 sieht sich der Kämmerer der Stadt Leipzig als Folge der Finanzsituation gezwungen, einen Nachtragshaushalt einzubringen. Das voraussichtliche Defizit beträgt 46 Mill. Euro. Die Bewältigung dieses Problems ist nach Auffassung meiner Fraktion die größte finanzpolitische Herausforderung Leipzigs seit 1990. Es muss uns allen aber klar sein, dass weitere, besonders magere Haushaltsjahre folgen.

Die Situation muss zwingend sofort gelöst werden, um die Handlungsfähigkeit der Stadt Leipzigs sicherzustellen. Diese kann nur gewährleistet werden, wenn die derzeitige Deckungslücke im Haushalt geschlossen wird. Oberste Priorität bei allen politischen Überlegungen hat für die SPD-Fraktion zu jeder Zeit ein ausgeglichener Haushalt. Wenn wir heute keinen solchen ausgeglichenen Haushalt verabschieden, würde das Regierungspräsidium die Geschicke der Stadt durch eine Art Zwangsverwaltung bestimmen, und dies bei einer Stadt, die sich für die Olympischen Spiele 2012 bewirbt. Das wollen und müssen wir durch unsere heutigen Beschlüsse verhindern.

Ein Nachtragshaushalt ist in diesem Jahr notwendig geworden, da die investiven Schlüsselzuweisungen vom Freistaat erheblich gekürzt werden mussten und die Ausgaben, vor allem im Sozialbereich, unvorhersehbar gestiegen sind.

Zur Verdeutlichung der Größenordnung des Fehlbetrages von 46 Mill. Euro seien ein paar Horrorszenarien zu dessen Deckung genannt:

  • wir könnten auf die Hälfte aller für dieses Jahr geplanten investiven Maßnahmen auch im Bereich der Infrastruktur verzichten oder
  • es müssten über 1000 Stellen in der Verwaltung gestrichen werden oder
  • der Zuschuss für Oper, Musikalische Komödie und Gewandhaus müsste entfallen und damit ständen diese Einrichtungen vor der Schießung

Das alles könnte von der SPD-Fraktion und sicher auch von der Mehrheit dieses Hauses nicht akzeptiert werden.

Wir befürworten daher den von der Stadt vorgeschlagenen Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt durch einen Mix aus Einsparungen in der Verwaltung, Anhebung der Steuern und zusätzlichen Kreditaufnahmen. Dadurch werden die zusätzlichen Lasten ausgewogen zwischen Stadtverwaltung, Unternehmen und Bürgern verteilt. Dass auf die angedachten Kürzungen bei Vereinen und Verbänden verzichtet werden kann, begrüßen wir ausdrücklich, aber auch das wird zukünftig nicht so bleiben können.

Die SPD-Fraktion hat sich erst nach intensiver Diskussion darauf verständigt, die geplanten Erhöhungen bei der Grund- und Gewerbesteuer mitzutragen, allerdings nur befristet. Diese Entscheidung ist meiner Fraktion äußerst schwergefallen. Es gibt aus unserer Sicht zur Zeit jedoch keine Alternative. Sobald sich die finanzielle Situation wieder bessert, treten wir – wie im Rahmen der Haushaltplandiskussion für das Jahr 2001 erfolgreich geschehen – wieder für eine Senkung der Hebesätze ein!

Steuererhöhungen sind immer eine schmerzliche Angelegenheit, die auch in meiner Fraktion kritisch gesehen werden. Allerdings ist die Kommune laut Sächsischer Gemeindeordnung verpflichtet, vor einer Erhöhung der Kreditermächtigung alle Möglichkeiten von eigenen Einnahmen zu prüfen und auszuschöpfen. D.h. ohne die Verbesserung der Einnahmen durch die Steuererhöhungen wird der Stadt die Erweiterung des Kreditrahmens nicht genehmigt. Damit würden insgesamt 30 Mill. Euro zur Kofinanzierung von Investitionen in Höhe von ca. 80 Mill. Euro fehlen. Dies hätte einen Rückgang bei Aufträgen vor allem auch für klein- und mittelständische Unternehmen in der Stadt und der Region zur Folge und würde die Wirtschaft der Region schwächen und zum Arbeitsplatzabbau führen. Laut Deutschem Institut für Wirtschaft (DIW) stehen 80 Mill. Euro Investitionen für Hunderte gesicherte Arbeitsplätze.

Die vorgesehene zweifelsohne im Einzelfall schmerzliche Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer erscheint vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, da letztendlich alle Bürger in Leipzig von den getätigten Investitionen in Straßen- und Brückenbau, Schulen, Kindertagesstätten, Altenheime und Sportstätten langfristig profitieren.

Die zusätzlichen Kreditaufnahmen sind aus Sicht der SPD-Fraktion in dieser Situation der Stadt vertretbar, da über das KfW-Programm der Bundesregierung gegenwärtig ein äußerst geringer Zinssatz zu zahlen ist. Wir halten jedoch an dem Ziel fest, die Neuverschuldung sukzessive zurückzufahren. Voraussetzung dafür ist eine grundlegende Verbesserung der finanziellen Ausstattung unserer Stadt.

Die Probleme Leipzigs sind bekanntlich nicht hausgemacht, sondern betreffen alle Kommunen unseres Landes. In Dresden droht dieses Jahr zum Beispiel eine Haushaltssperre, in Magdeburg soll die Beleuchtung auf der Stadtautobahn komplett ausgeschaltet werden, in Köln wurde die Vergnügungssteuer neu erfunden – die Liste ist fortsetzbar. Wir appellieren an die Bundesregierung, die Finanzausstattung der Kommunen durch eine Neuregelung der Gewerbesteuereinnahmen zu verstetigen. Die Staatsregierung des Freistaates fordern wir auf, den Kommunen für übertragene Aufgaben auch die entsprechenden Gelder zur Verfügung zu stellen.

Von der Verwaltung fordern wir wiederum ein langfristiges Finanzierungskonzept für die bevorstehenden Aufgaben ein. Die Überprüfung städtischer Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen ist energischer als bisher voranzutreiben. Beides hat die SPD durch Anträge gefordert. Das nachhaltige Konzept zur Sicherstellung der finanziellen Leistungs- und Investitionsfähigkeit, das bis September zur Beschlussfassung im Stadtrat vorliegen soll, greift endlich unsere Forderungen auf. Zu beachten ist, dass wir das städtische Tafelsilber dabei nicht verkaufen.

Abschließend noch ein Wort zur CDU-Fraktion. Der untaugliche Vorschlag, die Deckungslücke im Haushalt durch ein Darlehen aus den zweckgebundenen Rücklagen zu kompensieren, zeigt die Ratlosigkeit der CDU. Solche Scheinlösungen schaffen keine Nachhaltigkeit, sondern verschieben das Problem nur in die kommenden Jahre. Daher sind sie mit uns nicht zu machen. Die SPD-Fraktion wird dem Nachtragshaushalt 2003 – ausgehend von diesen Überlegungen – zustimmen.

Redner: SPD-Stadtrat Jürgen Wesser

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste!

Wir werden älter. Nicht nur wir, wie wir hier versammelt sind, sondern die Bevölkerung insgesamt. Der Anteil alter Menschen steigt beständig in der Bundesrepublik und selbstverständlich auch in Leipzig. Wir hören dies ständig. Ich erinnere an die “Rentendiskussion”, an die Diskussion über die Krankenkassen, die wesentlich durch “Hochbetagte belastet” werden, an die Diskussion über Lohnkosten, die durch “diese Belastungen” steigen, an “Generationenverträge” und “Generationenkonflikte”. Auf unserer kommunalpolitischen Ebene werden wir diese Probleme nicht lösen können, sofern sie mit den derzeitigen Instrumentarien überhaupt auf irgendeiner politischen Ebene lösbar sind. Was wir können und müssen ist, die Folgen dieser Entwicklung für die Stadt Leipzig und deren Bürger in Bahnen zu lenken, die für die Stadt zu händeln sind und die dem Einzelnen ein Optimum an Lebensqualität schaffen. Über das wie, wann und wo soll das vor uns liegende Konzept zur Seniorenarbeit in Leipzig, kurz Altenhilfeplan Auskunft geben. Sie sehen es mir hoffentlich nach, wenn ich nicht alle statistischen Daten und Rahmenbedingungen, die in dieser Vorlage sehr gut, sehr genau und sehr umfangreich aufgelistet sind vortrage. Nur einige kurze Anmerkungen: Als 1994 der erste Altenhilfeplan verabschiedet worden ist, waren die Rahmenbedingungen völlig andere. Wir hatten mehr Geld. Es gab noch kein Pflegeversicherungsgesetz. Wir hatten noch keine 50.000 leerstehenden Wohnungen. Alte Menschen haben in Bruchbuden mit Ofenheizung gehaust. Der Dienstleistungssektor war weit von dem entfernt was heute möglich ist. Es ging darum alte Menschen mit dem Lebensnotwendigem zu versorgen.

Heute geht es darum den verschiedenen sehr differenzierten Anforderungen des Alterns gerecht zu werden. So groß wie die Spanne des Alters nach Lebensalter ist, 45- jährige sind bereits junge Alte und bewegen sich so, und ein hochbetagter mit 85 kann durchaus noch fit sein. So unterschiedlich sind die Anforderungen innerhalb der Altersgruppen. Kurz es gibt nicht “die” Senioren. Es wird die geben, die agil sind, die sich bilden wollen, die Kulturveranstaltungen besuchen, die am öffentlichen Leben teilnehmen. Und es wird die geben, die dies alles auch wollen, aufgrund ihrer körperlichen Verfassung aber nicht können. Denen muß eine nötige und finanzierbare Unterstützung zuteil werden. Finanzierbar, weil alt ist nicht gleich arm. Es wird die geben , die pflegebedürftig sind. Hier gibt es ein breites Spektrum an ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen. Hier wird unsere Aufgaben sein, Qualität und Preis im Auge zu behalten. Überwachen können wir es nicht. Dafür gibt es Heimaufsicht und MDK.

Es wird die geben, die dement sind. Das werden unsere eigentlichen “Sorgenkinder”. Die Versorgung dementer Menschen ist nicht geregelt. Der Altenhilfeplan (AHP) empfiehlt die Entwicklung eines Strategiepapiers. Das ist gut und richtig. Wichtig wäre, dass Demenz als Form der Pflegedürftigkeit anerkannt wird. Das kann unser AHP nicht. Aber wir alle müssen darauf hin wirken, dass der Gesetzgeber handelt.

Trotzdem: Der AHP ist in einem langen Diskussionsprozess entstanden. Er gibt eine sehr gute Analyse des derzeitigen Standes und Handlungsempfehlungen, die richtig und umsetzbar sind. Es wird immer mehr geben, das wünschenswert ist. Dazu bedarf es mehr als eines Planes. Dafür müssen wir alle uns engagieren und Mitstreiter suchen, die sich ebenfalls einbringen. In das Ehrenamt. In diesem Sinne werden wir dem Konzept zustimmen.