Rede zur Klimapolitischen Stunde am 14. Juli 2022

Andreas Geisler

Redner: Andreas Geisler

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeister/-innen,
werte Kolleg/-innen,
liebe Gäste,

staubtrockene Ackerflächen, Not- bzw. Missernten, Flussläufe mit Niedrigwasser, eine steigende Anzahl an Hitzetagen und, wenn es regnet, ist es oft Starkregen mit Überschwemmungen. Die Folgen des Klimawandels sind für uns alle sicht- und spürbar.

Der Klimawandel ist mittlerweile an vielen Orten deutlich zu beobachten. Und der Klimawandel, also die physikalische Reaktion, ist nicht verhandelbar!

Für den Umgang damit gibt es keine Blaupausen, die schnell funktionierende Lösungen bieten. Wir stehen – nicht nur in Leipzig – vor der Aufgabe, eine große Bandbreite unterschiedlichster Herausforderungen gleichzeitig meistern zu müssen und vielfältigsten sozialen, ökonomischen sowie sozialen Ansprüchen gerecht zu werden. Deshalb ist es uns vor allem wichtig, gemeinsam und im Austausch miteinander Wege zu finden, mit denen wir einerseits unser Klima sowie die Umwelt schonen. Andererseits die sozialen Prämissen der Bezahlbarkeit, der Zugangsgerechtigkeit für alle beachten und für eine starke Wirtschaft sowie für Wohlstand in unserer Gesellschaft sorgen.

Moderne Klimapolitik muss es schaffen, Ängste zu nehmen. Ambitionierten Zielen müssen klare Taten folgen.  Sozialökonomische Ängste müssen wir ernster nehmen, aber ohne sie gegeneinander auszuspielen. Wir müssen gerechte, nachhaltige und soziale Antworten geben. Und ja, wir leben über unsere Verhältnisse. Wir müssen raus aus unserer Komfortzone, schneller werden mit unseren Entscheidungen, weil die  Zeit für epische Diskussionen fehlt. Wir müssen uns klar machen, der Klimawandel wird Geld kosten, aber Steuergeld ist nicht unendlich vorhanden. Wir müssen ganz stark aufpassen, dass Kosten und Preiserhöhungen nicht nur einzelne Gruppen treffen. Wir müssen sinnvolle Maßnahmen bündeln, statt im Klein-Klein zu verharren. Balkonsolaranlagen lösen unsere Probleme nicht!

Die Anpassung an den Klimawandel stellt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar, die nur gemeinschaftlich, unter aktiver Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger, gemeistert werden kann.

Vor dem Hintergrund der angestrebten Zielsetzungen ist das Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 der Stadt Leipzig ein essentieller Beitrag, um lokal vor Ort der bestehenden globalen Herausforderung und zu begegnen. Die konkreten Ergebnisse der Leipziger Klimapolitik sind jedoch auch stark von den übergeordneten Ebenen des Bundes und des Landes Sachsen abhängig. Umfangreiche Subventionen für den Einsatz erneuerbarer Energien, die steuerliche Begünstigung von energetischen Sanierungen oder eine CO2-Bepreisung müssen für die Bürgerinnen und Bürger verständlich und umsetzbar sein. Wir können das Weltklima nicht in Leipzig retten, aber wir können Vorbild sein und unseren Beitrag leisten.

Leider ist das vorgelegte Papier ohne große Ambitionen, Pläne werden zwar benannt, liegen aber aktuell nicht vor. Die Grundlagen sind also nicht überall geschaffen, die Verwaltung zeigt keinen kein Mut. Wir erleben die deutsche Bräsigkeit der Verwaltung und die Fragen der Umsetzung im Haushalt sind aufgrund der angespannten Situation schwierig.

Gleichzeitig sind das politische Bekenntnis zum Klimaschutz, die Quantifizierung  eigener Minderungsziele sowie die Umsetzung konkreter Maßnahmen wesentlich für den Erfolg einer konsequenten Klimapolitik auf nationaler und internationaler Ebene und ein eigener Beitrag zur globalen Verantwortung.

Insbesondere das neue Klimaschutzziel, die Klimaneutralität der Stadt Leipzig bis 2040 im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, ist ambitioniert und wichtig.

Wichtig ist unserer Fraktion, dass das EKSP auch mit anderen Konzepten, wie beispielsweise der Mobilitätsstrategie 2030, dem INSEK, der Landwirtschaftskonzeption und dem Wasserkonzept verzahnt wird, wenn sie endlich in einer Form vorliegen, die eine Umsetzung ermöglichen.

Wir haben einige Konzepte und Maßnahmenpakete, die zwar angekündigt wurden, aber noch immer nicht vorliegen. Ich spreche hier insbesondere vom Nordraumkonzept Verkehr, vom Wasserkonzept oder auch verschiedenen verkehrspolitischen Themen.

Wenn wir die Folgen des Klimawandels begrenzen wollen, müssen wir unseren Fokus neben der Wärme- und Energiewende vor allem auch auf die Verkehrswende und das Abkühlen der Stadt und den Umgang mit Wasser legen.

Der urbane Verkehr stellt, insbesondere in einer wachsenden Stadt mit steigenden Einwohner- und Pkw-Zahlen, eine spezielle Herausforderung dar. Wir müssen Anreize schaffen, dass die Menschen ihr Auto im Alltag eher stehen lassen, teilen oder bestenfalls ganz abschaffen und auf andere Verkehrsarten umsteigen. Beim ÖPNV, dem Rückgrat des innerstädtischen Verkehrs, haben wir die bekannten Problemlagen: Fahrpreis, Taktzeiten und Anbindung der Stadtrandgebiete. Hier müssen Lösungen her. Das Jobticket, das für Verwaltungsmitarbeiter vom Arbeitsgeber mit 15 Euro bezuschusst wird oder aktuell das 9–Euro-Ticket, zeigen durch steigende Absatzzahlen, dass der Preis relevant ist, aber es muss auch ein gutes Angebot vorhanden sein, sonst ist der Preis egal.

Wir werden über ein Ausweiten der Parkraumbewirtschaftung nachdenken müssen, um damit einen Anreiz zu schaffen, Bus, Bahn oder Rad zu nutzen und um den ÖPNV finanzieren zu können.

Wir wollen mehr Radverkehr, aber dazu müssen wir die großen Linien ziehen, wie die Umsetzung des Hauptnetzes Rad oder die Realisierung von Fernradwegen, statt Teile des Rings abzumarkieren, denn das macht die Situation für die Menschen nur gefährlicher und nerviger, statt dem Klima zu nutzen. Echte Symbolpolitik, Herr Oberbürgermeister, malt nicht grün, sondern legt Pläne vor, wie Fernradwege zeitnah gebaut werden, das Hauptnetz Rad in Reinigung und Unterhalt verbessert wird oder Fahrradstraßen endlich gelebte Realität werden.

Ich habe das Wasserkonzept schon zwei Mal erwähnt und Sie, liebe Kollegen, wissen, dass mir das Thema wichtig ist. Ich halte es für zwingend erforderlich, dass Schwammstadt-Maßnahmen zügig umgesetzt werden und wir Niederschlagswasser möglichst lange in Gräben, Fließen und Teichen halten. Damit können wir für eine stärkere Vernässung der Böden und damit für positive Effekte im Mikro- und Stadtklima sorgen.

Genauso müssen wir uns um Kaltluft- und Frischluftschneisen kümmern, um unsere Stadt abzukühlen. Dafür ist es allerdings notwendig, dass wir bei Ausgleichsmaßnahmen vor allem auch auf besonders klimarelevante Maßnahmen setzen und diese hoch bewerten, statt Bäume 100 Kilometer entfernt zu pflanzen. Auch das sorgt hier für Akzeptanz. Wir haben dazu ja auch gerade einen Antrag im Verfahren. Und ja, mehr Bäume müssen in diese Stadt, als urbaner Wald, entlang von Feldern und Wegen, um Austrocknung und Verwehungen zu verhindern, entlang der wiederbelebten Gewässer zweiter Ordnung oder einfach nur als Schattenspender. Wir müssen die Auswahl und den Pflanzort auf die neuen Verhältnisse anpassen. Wir müssen unsere eigenen Regelungen in Frage stellen. Warum muss Regenwasser aus den kleinen Ortsteilen ins Klärwerk fließen, statt in den kleinen Ortsteilen die Teiche zu füllen und damit neben Verbesserungen fürs Klima auch Verbesserungen für den Brandschutz zu schaffen? Das hatten wir alles schon viele Jahre, aber das ist an von Menschen geschaffenen Regelungen gescheitert, die Wasser wie Müll abtransportieren. Wir müssen also alle Regenrückhaltebecken umbauen, um das Wasser wieder in die Fläche zu bringen statt es zu entsorgen.

Die Klimaanpassung unserer Stadt muss parallel zu den Maßnahmen des Klimaschutzes laufen, denn der Tanker stoppt nicht sofort, sondern mit 15 oder mehr Jahren Vorlauf.

Klimagerechte Bepflanzung, der Umgang mit invasiven Tieren und Pflanzen , bessere Pflege der Kaltluftschneisen, jährliche Vernässung des Auwaldes, aber auch die regelmäßige Vernässung der Retentionsflächen entlang von Rietzschke, Parthe usw. sind notwendig, um Flächen für Ernstfälle aufnahmefähig zu halten. Warme Luft muss wieder aus der Stadt abgeleitet werden, dort braucht es Abluftschneisen. Auch die Klein- und Gemeinschaftsgärten können einen guten Beitrag leisten, deshalb müssen wir ökologisches Gärtnern zum einen unterstützen und zum anderen dafür sorgen, dass auch nachfolgende Generation dazu in die Lage versetzt werden. Wir müssen unsere Landwirtschaft im Stadtgebiet in den Fokus nehmen, welchen Beitrag sie leisten kann, leisten muss und wie diese Flächen nachhaltig genutzt werden.

Und unsere Ernährung gehört auf den Prüfstand, denn so wie wir aktuell Lebensmittel verschwenden oder uns von hochverarbeiteten Lebensmitteln blenden lassen, muss der Vergangenheit angehören. Zwei kurze Beispiele: Beim Gemüse landen je nach Sorte bis zu 40 Prozent im Müll, weil sie nicht in Größe und Form einem von Menschen erdachten Standard entsprechen. Bäckereien, dort kenne ich mich aus, haben um das Regal wie vorgeschrieben in der Vorkassenzone bis Feierabend voll zu halten bis zu 20 Prozent Retouren die bestenfalls als Tierfutter herhalten oder als Heizpellets gepresst werden. Ich möchte keinem den Genuss von Milch oder den eines guten Stückes Fleisch verbieten, aber die meiste Milch wird erzeugt, um Milchpulver herzustellen. Gerade Magermilchpulver, mit seiner idealen Zusammensetzung aus Fett und Zucker, findet sich in fast jedem Fertigessen als Geschmacksverstärker. Schauen Sie gerne mal nach, wie Sie von der Ernährungsindustrie betrogen werden. Eiweißbrot zum Beispiel hat deutlich mehr Kalorien als normales Brot.

Und, meine Damen und Herren, wir brauchen Menschen die Berufe ausüben, die wir für unser Klimastrategie benötigen. Ich sehe aktuell nicht die Handwerker, die Solaranlagen und Ladesäulen bauen, installieren und warten, die Garten- und Landschaftsbauer, die Forstwirte oder die Spezialisten für Wasserbau. Wenn die Babyboomer bald in Rente gehen, verschärft sich das nochmal. Junge Leute werden nicht nur gebraucht, um zum Klimawandel zu forschen, sondern für Berufe, die es ganz praktisch umsetzen. Diese Möglichkeiten müssen wir besser aufzeigen, fördern und notfalls sogar steuern.

Und wir haben uns angewöhnt, in Zeiten großer Arbeitslosigkeit Jobs und Arbeitsgelegenheiten zu schaffen, um dem zu begegnen. Heute brauchen wir aber jede Fachkraft, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Wir werden nicht umhinkommen, uns auf Kernziele und Kernaufgaben zu konzentrieren, ganz besonders personell aber auch finanziell.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nett hier über Klima- und Umweltschutz zu reden, wichtiger ist es jedoch, konsequent zu handeln. Und zwar so, dass wir die Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Wir dürfen sie dabei nicht verschrecken, nicht schulmeistern, denn wir brauchen die Akzeptanz der ganzen Gesellschaft, sofern das in verhärteten Zeiten überhaupt noch möglich ist.

Und als Vorsitzender des Tierschutzbeirats bitte ich darum: Denken Sie an die Tiere, denn auch die leiden unter Hitze und Trockenheit und brauchen unsere Hilfe.

Meine Fraktion wird und muss auf jeden Fall darauf achten, dass die Umsetzung der Maßnahmen, auch bei einer angespannten Haushaltslage, in den kommenden Jahren Schritt für Schritt erfolgt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!