Schlagwortarchiv für: Denkmal

[Es gilt das gesprochene Wort]

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Beigeordnete,

sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,

liebe Gäste auf der Tribüne und im Livestream,

„Die Glocke auf dem Platz nun ist ein Mysterium oder besser: ein Zeichen der sympathischen Hilflosigkeit einer Demokratie auf der Suche nach der großen Geste. Das heldenhafte Einheits- und Revolutionsdenkmal, das die Leipziger gern hätten, bekommen sie nicht hin, weil sie sich auf seine Form nicht einigen können. So haben sie erst mal dieses goldene Ei aufgestellt und „Demokratieglocke“ genannt. Es ist aus Bronze, eineinhalb Meter hoch und steht zu ebener Erde. Wer es sucht, der findet es kaum, und wer es gefunden hat, versteht nicht, was es soll. Ein Ei eben, das in unregelmäßigen Abständen läutet.“

(David Ensikat: Leipzigs großer Wendeplatz, in: ZEIT online, 01.05.2017)

Pia Heine

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im November 2007 beschloss der Bundestag den Bau eines zentralen Einheits- und Freiheitsdenkmals in Berlin. Der übergreifenden Initiative zahlreicher Leipziger:innen und ostdeutscher Politiker:innen war es zu verdanken, dass im Jahr darauf ein weiteres eigenes Denkmal für Leipzig beschlossen wurde, um einerseits an den gewaltfreien Widerstand und die Zivilcourage vom Herbst 1989 zu erinnern, aber auch den Freiheitsgedanken nach vorn zu stellen. Das war ein toller Erfolg und eine wahnsinnige Wertschätzung der Rolle Leipzigs für das Gelingen des Systemumbruchs 1989/90.

In der Ratsversammlung zum Haushalt im März wurde schon viel zum Denkmal-Prozess – auch zum Scheitern des ersten Versuchs – gesagt, das möchte ich an der Stelle nicht alles nochmal wiederholen. Was mir aber aus der März-Sitzung besonders im Gedächtnis geblieben ist, sind zwei Punkte: Zum Einen der Vorwurf, dass die Menschen hier nicht gefragt worden seien und zum Anderen, dass der Siegerentwurf nicht allen gefalle.

Zum ersten Punkt: Es gab einen Bürgerbeteiligungsprozess und auch einen klaren Willen für das Denkmal. Eine repräsentative Befragung von 2018 hat ergeben, dass 80 Prozent aller Leipzigerinnen und Leipziger und 70 Prozent aller Bundesbürger:innen ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig befürworten. Das Verfahren wurde federführend von der Stiftung Friedliche Revolution begleitet. Dafür wurde hier in Leipzig seinerzeit eigens ein Bürgerrat aus 35 interessierten Leipziger:innen gebildet. Ganz ehrlich: Das war sehr viel mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz als bei vielen anderen Entscheidungen, die wir hier treffen. Und dass dafür eine repräsentative Auswahl aus den Bewerbungen interessierter Bürger:innen getroffen werden musste, weil es schlichtweg nicht möglich ist, sowas mit 500 Menschen zu machen, sollte dabei auch klar sein.

Zum zweiten Punkt: Es ist eigentlich vollkommen irrelevant, ob mir persönlich der Entwurf gefällt oder nicht. Ganz ehrlich: Mir gefallen weder die Demokratieglocke noch das Wagner-Denkmal – beantrage ich deswegen deren Abriss? Natürlich nicht! Ein Denkmal darf kontrovers sein und anecken, es darf provozieren und Denkanstöße geben. Das ist die große Errungenschaft unserer Demokratie, dass Denkmäler nicht mehr mit bloßen Monumenten gleichgesetzt werden, wie es in früheren Zeiten der Fall war. Und dass wir – auch kritisch – darüber ins Gespräch kommen können.

Als SPD-Fraktion begrüßen wir ausdrücklich, dass mit den vorliegenden Änderungsanträgen ein Kompromiss der verschiedenen Positionen gesucht wird und können uns diesem grundsätzlich anschließen. Zu bedenken geben möchten wir allerdings, dass die in den Änderungsanträgen vorgeschlagenen Parolen nicht umfassend die Pluralität der damals erhobenen Forderungen wiederspiegeln – Forderungen nach einem sogenannten „Dritten Weg“ zum Beispiel finden in den beispielhaften Vorschlägen bislang keinen Raum, doch auch sie gehörten zur Friedlichen Revolution und dem Protest auf der Straße 1989/90 dazu. Wir wünschen uns deswegen eine größere inhaltliche Bandbreite der abgebildeten Parolen und regen an, in deren Auswahl Expert:innen aus dem Stadtgeschichtlichen Museum oder Zeitgeschichtlichen Forum miteinzubeziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen:

Wir haben hier in anderen Kontexten in den vergangenen Monaten immer wieder über die Freiheit der Kunst gesprochen: Diese gilt ebenso für das Denkmal. Ich persönlich sehe in dem Entwurf viel Potenzial. Durch die teilweise Bespielung mit authentischen Parolen von ´89 wird nun auch der historische Bezug noch deutlicher, ohne eigenen Projektionsraum zu nehmen.

Wir betonen hier immer wieder den Mut der Menschen 1989/90. Deswegen mein Aufruf an uns alle hier: Lassen Sie uns zusammen mutig sein, lassen Sie uns den mutigen Menschen hier in Leipzig endlich das lang geplante Denkmal setzen und lassen Sie uns dem Denkmal eine Chance geben!

Artikel von Pia Heine für das Leipziger Amtsblatt vom 12.04.2025

Bereits 2007 beschloss der Bundestag für den Standort Berlin den Bau eines zentralen Einheits- und Freiheitsdenkmals in Erinnerung an Friedliche Revolution und Wiedervereinigung. Dank der Initiative von Bürgern und ostdeutschen Politikern wurde 2008 ein weiteres Denkmal für Leipzig beschlossen, um an den gewaltfreien Widerstand der Menschen 1989 hier vor Ort zu erinnern. Im Zuge der Sitzung zum städtischen Doppelhaushalt 2025/26 gab es darüber nun erneut hitzige Diskussionen. Kritiker bemängelten vermeintlich fehlende Bürgerbeteiligung und äußerten Unzufriedenheit mit dem Gestaltungsentwurf.

Das ist erstaunlich, da es einen transparenten Bürgerbeteiligungsprozess gab: Eine Befragung von 2018 zeigte, dass 80 Prozent der Leipziger ein solches Denkmal befürworten. Das Verfahren wurde intensiv von der Stiftung Revolution begleitet, sogar ein Bürgerrat aus 35 Leipzigern eigens dafür gebildet – deutlich mehr Bürgerbeteiligung als bei vielen anderen Entscheidungen.

Ob uns persönlich der Siegerentwurf nun gefällt oder nicht, ist irrelevant. Viele Denkmäler gefallen mir nicht und das ist vollkommen in Ordnung. Denkmäler dürfen kontrovers und provozierend sein. Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut in unserer Demokratie. Lassen Sie uns mutig sein und dem Entwurf eine Chance geben!

Axel DyckEs gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,

werte Gäste!

 

Sie alle wissen, dass ich ein Befürworter eines Freiheits- und Einheitsdenkmales in Leipzig bin. Auch heute noch.

Trotzdem habe ich bereits im März das Scheitern des aktuellen Wettbewerbs öffentlich eingeräumt und aus meiner Sicht begründet – als erster Stadtrat von denen, die hinter der Idee von einem Denkmal in Leipzig stehen.

Dieses Eingeständnis war für mich genauso wie für die Initiatoren des heutigen Antrages nur konsequent gegenüber der Denkmalsidee aus dem Gedenken an die dramatischen revolutionären Ereignisse des gesamten Herbstes 1989, der glücklichen staatlichen Einheit Deutschlands 1990 in Verbindung mit den frühen Freiheitsbestrebungen Osteuropas bis hin zu den generellen Fragen von Freiheit und Demokratie in der Gegenwart. Und da gibt es wahrlich genug Streitpotential. Auch in Deutschland.

Die heutige Ratssitzung ist nicht der Ort für eine noch ausstehende und vor allem notwendige Analyse, warum dieses erste Wettbewerbsverfahren scheitern musste.

Wenige Stichworte hierfür sind: die Denkmalsidee litt unter einem grundsätzlichen Akzeptanzproblem in der Bevölkerung – der gewählte Ort, die Brache Wilhelm-Leuschner-Platz wollte so recht nicht passen – dann die vorsichtig gesprochen sehr komplexe künstlerischen Aufgabenstellung – die von Bund und Freistaat vorgegebene Verfahrensart für den Wettbewerb – und letztendlich die sehr strittigen Wettbewerbsergebnisse, als zweifellos logisches Ergebnis des vorgenannten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Denkmalsidee Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal darf nicht dem politischen Grundsatz des schmerzfreien Kompromisses geopfert werden.

Und spätestens in dem Moment, wo Gerichte angerufen worden, war dieses Verfahren gescheitert.

Mit den beantragten fünf Punkten wollen die Fraktionen, die seit Jahren für ein Denkmal einstehen, den Abbruch des gegenwärtigen Wettbewerbsverfahrens einleiten. Das ist dann in so fern auch glaubwürdig.

Gleichzeitig soll aber auch der zeitliche Freiraum zum Nachdenken über die Denkmalsidee geschaffen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur gleichen Zeit wo wir die Ratsversammlung abhalten, sterben im Osten Europas in kriegerischen Auseinandersetzungen Menschen, von den anderen Kriegen in der Welt muss ich gar nicht sprechen, wenn bereits in Europa Panzer fahren.

Ist es da für uns in Leipzig, im Jahr des 25. Gedenkens, nicht geradezu unsere Pflicht, mehr als bisher auch im öffentlichen Raum Zeichen für Freiheit und Demokratie sichtbar zu machen und daran den Diskurs zu führen?

Diese Pflicht sollten wir in einer 2. Chance aufgreifen.