Schlagwortarchiv für: Frauenrechte

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,

liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

Pia Heine

„Kommt zu Potte!“, fordern uns die Petentinnen auf und das mit Recht.

Im 3. Gleichstellungsaktionsplan der Stadt Leipzig, der im Sommer hier in der Ratsversammlung beschlossen wurde, wird als Handlungsziel 2 „Leipzig als sichere Stadt“ formuliert.

Bei der 45. Sicherheitskonferenz des Kommunalen Präventionsrates in der vergangenen Woche wurden auch aktuelle Zahlen zum Thema sexualisierte Gewalt in Leipzig vorgestellt. Die offiziellen Zahlen müssen alarmieren, zeigen sie doch, dass die Deliktzahlen in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen sind.

Wer jetzt aber automatisch den dunklen Waldweg oder Ähnliches im Kopf hat, dem muss ich entgegnen: Nein, das Gros insbesondere der schweren Delikte spielt sich nicht im öffentlichen Raum, sondern in geschlossenen Räumen ab.

Es ist nicht neu, aber doch möchte ich es nochmal in aller Deutlichkeit sagen: Der unsicherste Ort für Frauen ist und bleibt das eigene Zuhause. Die Zahl der Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt hat sich in Leipzig seit 2021 verdreifacht.

Als Kommune sind wir dahingehend auf einem zumindest einigermaßen soliden Weg. Leipzig, so formuliert es auch die Verwaltung, verfügt über ein differenziertes und gut aufgestelltes Hilfesystem für Gewaltbetroffene. Die Angebote des Gewaltschutzes wurden in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt.

Dafür bin ich zuallererst dankbar und möchte auch an dieser Stelle insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Einrichtungen und Beratungsstellen meinen großen Respekt für ihre herausfordernde Arbeit aussprechen.

Ich möchte dennoch auch ein paar Zahlen auf Sie wirken lassen:

  • der Verein FRAUEN FÜR FRAUEN e.V. meldet für 2023, dass in ihrer KIS-Beratungsstelle 1.062 Erwachsene nicht beraten werden konnten
  • ALLE Leipziger Frauenhäuser mussten im vergangenen Jahr 323 Kinder und 302 Erwachsene abweisen.
  • der FÖRDERVEREIN SOZIALE PROJEKTE meldet für den 01.01.-30.06.24 für ihre zwei Schutzhäuser bereits 25 abgewiesene Frauen und 40 abgewiesene Kinder/Jugendliche.
  • Die zentrale Sofortaufnahme musste im gleichen Zeitraum 195 Frauen und 191 Minderjährige abweisen (wobei im Januar noch ein Aufnahmestopp galt, weil die zentrale Sofortaufnahme umgezogen war).

Was ist die Konsequenz, wenn Frauen nicht beraten oder aufgenommen werden können? Frauen müssen im schlimmsten Fall zurück zum Täter und damit in die Gewaltspirale!

  • Die Zahl von Femiziden deutschlandweit lag 2023 bei 144 Frauen und 4 Mädchen, dazu kamen 134 schwerverletzte Frauen und 5 schwerverletzte Mädchen.

Vor diesem Hintergrund halte ich die eingangs zitierte Aufforderung für mehr als notwendig und hoffe, dass wir auch mit gebührender Sensibilität und Aufmerksamkeit im nächsten Doppelhaushalt für dieses Feld streiten werden. Lassen Sie uns gemeinsam für die Rechte von Frauen zu Potte kommen!

Rednerin: Christina März, Stadträtin

Christina März

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
verehrte Stadträtinnen und Stadträte,
werte Gäste,

2018 ist in Deutschland die sogenannte Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, in Kraft getreten. Damit verpflichtet sich Deutschland auf allen staatlichen Ebenen alles dafür zu tun, dass Gewalt gegen Frauen bekämpft, Betroffenen Schutz und Unterstützung geboten und Gewalt verhindert wird. Für die Umsetzung der Istanbul-Konvention trägt auch die Stadt Leipzig die Verantwortung.  Hier in Leipzig belegen die Zahlen der Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking (KIS), dass für die steigende Nachfrage nach Beratung und Schutz das Beratungsangebot und Unterbringungsangebot weiter ausgebaut werden muss. Laut KIS mussten von Januar bis Juni dieses Jahres fast 170 Frauen und über 150 dazugehörige Kinder in der Sofortaufnahme abgewiesen werden.  Über 240 Personen konnten nicht telefonisch beraten werden. Jeder abgewiesene Hilferuf – sei er telefonisch oder persönlich – ist einer zu viel.

Es braucht mehr Personal, zum einen um die erhöhte Anzahl der Hilferufe abzudecken, aber auch um das bisherige Personal, das sehr gut ausgelastet ist und zu viele Anfragen abweisen musste, langfristig zu entlasten. Deshalb muss der kontinuierliche Ausbau der Personalstellen auch im kommenden Doppelhaushalt integriert werden.

Aber auch die Zusammenarbeit mit der Wohnraumversorgung des Sozialamtes muss intensiviert werden, damit die Frauen zeitnah wieder ein selbstbestimmtes Leben führen können und die Zentrale Sofortaufnahme der Frauenhäuser zügig frei werden, für jene Frauen und Kinder, die ebenfalls aus Selbstschutz ihr zuhause verlassen müssen.

Gegenüber dem Freistaat Sachsen muss sich der Oberbürgermeister für ein gemeinsames Modellprojekt einsetzen, um die Kapazitäten entsprechend der Nachfrage auszubauen – und diese ist hoch, wie ich bereits ausgeführt habe. Auch braucht es eine stärkere finanzielle Beteiligung des Landes und des Bundes, um geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt adäquat begegnen zu können – auch dafür muss sich der Oberbürgermeister in Dresden und Berlin stark machen.

Denn zu wenig finanzielle Unterstützung für die Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking und die Zentrale Sofortaufnahme der Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen hier in Leipzig bedeuten im Umkehrschluss auch, dass mehr Frauen in Gewaltbeziehungen bleiben oder zurückkehren müssen, weil Ressourcen fehlen, sie zu unterstützen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.