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Artikel von Heiko Oßwald für das Amtsblatt vom 15.06.2019
In Leipzig haben wir mit dem Beschluss über das Nachhaltigkeitsszenario im letzten Jahr die richtige Antwort gegeben, um den verkehrlichen Herausforderungen einer wachsenden Stadt zu begegnen und einmütig die Weichen in Richtung nachhaltige Mobilität gestellt. Wir werden viel mehr als bisher in neue und bessere Fuß- und Radwege investieren und wir werden den ÖPNV deutlich attraktiver machen. Durch engere Taktzeiten, Haltestellenverdichtungen, Erhöhung von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bahnen und Busse sowie mehr Sauberkeit und Sicherheit im ÖPNV. Mit diesen Angebotsverbesserungen wollen wir die Fahrgastzahlen von 165 auf 220 Millionen steigern und damit den Anteil des ÖPNV am Gesamtverkehr von 18 auf 23 Prozent erhöhen.
Aber ob diese ambitionierten Ziele allein durch Angebotserweiterungen und -verbesserungen erreicht werden können, ist fraglich. Attraktive Fahrpreise sind daher ein weiteres, wichtiges Kriterium, um die Bürger zum Umsteigen auf den ÖPNV zu bewegen. Daher schlagen wir vor, das Nachhaltigkeitsszenario gemeinsam mit der Einführung eines 365-Euro-Tickets umzusetzen. Bei diesem preiswerten Jahresticket handelt es sich ausdrücklich nicht um ein Zwangsticket, das alle bezahlen müssen, sondern um ein attraktives Angebot, das Auto stehen zu lassen und den ÖPNV zu nutzen.
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
liebe Gäste,
es gibt einen Satz in der Geschichte der alten Bundesrepublik, von dem man durchaus behaupten kann, dass er es bis in die Leitkultur geschafft hat: „Freie Fahrt, für freie Bürger“. Entwickelt vom ADAC 1974. Da ist es nicht weit bis zur autogerechten Stadt. Und es gibt auch in unserer Stadt eine ganze Reihe von Interessen, die dieses Ziel auch heute noch für opportun halten.
Wie Städte aussehen, die sich diesem Diktat unterworfen haben, wissen wir alle – vielfach zerstörte Stadtstrukturen ohne Lebensqualität im öffentlichen Raum.
Es ist ein erstes Paradoxon, dass Leipzig in der Zeit der Stagnation, vor allem nach der Olympiabewerbung, wirtschaftlich zu schwach war, diesen damals noch vorhanden Mainstream zu folgen und weitere Trassen durch die Stadt zu schlagen – ein positiver Ausgangspunkt für heute.
Ein zweites Paradoxon liegt in der Erkenntnis, dass „Freie Fahrt, für freie Bürger“ nur mit weniger privatem Autoverkehr möglich ist, sowohl absolut als auch relativ im Modalsplit.
Diesen Erkenntnissen folgen wir mit der heutigen Beschlussfassung. Wir sind übrigens nicht die erste Stadt, in der neben dem Gefühl auch das Wissen um sich greift, dass nicht der PS-Stärkste das alleinige Recht auf „Freie Fahrt“ besitzt und damit die Rechte anderer einschränkt
Kopenhagen setzt auf den Radverkehr mit breiten Radwegen ins Umland – 41% der Wege zur Arbeit und in die Schule.
Wien setzt auf das 365 EUR Jahresticket um Fahrgäste in den ÖPNV zu locken.
Zürich setzt wie die gesamte Schweiz auf die Schiene.
Paris sperrt gleichmal eine Straße an der Seine für Autos.
Weitere Beispiele sind London, Helsinki, Madrid.
Überall tut sich etwas, das Ende des städtischen Straßenverkehrs wie wir ihn heute kennen, ist unausweichlich.
Wir müssen handeln und wir wollen handeln, das hat nämlich auch etwas mit stofflicher Physik zu tun: Wo ein Auto steht, kann kein zweites Auto sein. Man sollte sich mal vergewissern, wo früher zwei Golfs standen, hat heute gerade mal ein SUV Platz.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit der Konzentration auf das Nachhaltigkeitsszenario, eigentlich ein völlig irreführender Begriff, wagen wir einen kleinen Schritt in das nächste Jahrzehnt und streifen ein Korsett, eine Zwangsjacke ab, in welches wir uns, also die Bürger dieser Stadt, teils freiwillig, teils aus Mangel an Alternativen selbst gesteckt haben. Es war ja auch und ist es noch so bequem, solange man „frei“ fahren kann. Diese Zeiten sind aber auch in unserer Stadt bald vorbei. Verkehrssysteme kollabieren, wenn sie verstopfen.
Wir sind zum Handeln aufgefordert und gezwungen.
Das ist so leicht daher gesagt. Es wird mehr Umdenken in der Stadtgesellschaft und bei den Entscheidern erfordern, als wir uns das heute vorstellen.
Weil: Die Freiheitsgrade des Einen sind die Beschränkungen des Anderen. Wir sollten es deshalb auch deutlich aussprechen und dafür auch einstehen – Der mobilisierte Individualverkehr wird Schritt für Schritt in den nächsten 10 Jahren behindert werden. Auch um den Wirtschaftsverkehr nicht einzuschränken. Und an anderer Stelle werden Bürgerinitiativen entstehen, die neue Straßenbahntrassen verhindern wollen.
Am Ende hoffen wir, dass die Lebensqualität der Bürger steigt und der öffentliche Raum in einer enger werdenden Stadt neue Perspektiven erhält.
Beschlussvorschlag:
Begründung:
Zu BP 1: In verschiedenen Teilen der Stadt, bspw. am Zoo und in der Innenstadt, gehört die Parkraumbewirtschaftung bereits zum Alltag. Durch das Bevölkerungswachstum und die damit steigende Zahl an in Leipzig zugelassen Autos wird es in immer mehr Quartieren für die Anwohner schwierig, einen Parkplatz zu finden. Dabei sind Touristen und Pendler nicht berücksichtigt, die ebenfalls Parkraum in Leipzig beanspruchen. Aus unserer Sicht ist es daher sinnvoll, in Quartieren mit hohem Parkdruck auf Instrumente der Parkraumbewirtschaftung zurückzugreifen. In anderen europäischen Ländern gibt es bereits verschiedene innovative und digitale Lösungen für die Parkraumbewirtschaftung, die den Investitions- und Wartungsaufwand auf längere Sicht möglicherweise verringern, aber dennoch den Nutzwert für die Bürgerinnen und Bürger erhöhen und deren Aufwand reduzieren. Solche Lösungen sollen bei der Prüfung der Parkraumbewirtschaftung berücksichtigt werden. Auch sind Ausnahmeregelungen für Gewerbetreibende, die in diesen Vierteln zu tun haben, sinnvoll, um beispielsweise Handwerker und Pflegedienste nicht noch zusätzlich finanziell zu belasten.
Zu BP2: Von der Verwaltung soll auch geprüft werden, ob die Parkraumbewirtschaftung von einem kommunalen Unternehmen übernommen werden kann und die generierten Einnahmen der Finanzierung des ÖPNV in der Stadt zugutekommen können oder wie die Einnahmen zur ÖPNV-Finanzierung beitragen können, wenn die Stadtverwaltung die Gelder selbst einnimmt.
Die SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat ist verwundert über den aktuellen CDU-Antrag zu den Mobilitätsszenarien.
„Mit dem aktuellen Vorstoß will sich die CDU-Fraktion offensichtlich aus der Diskussion stehlen und aus der Verantwortung zurückziehen“, kritisiert Axel Dyck, Sprecher der SPD-Fraktion für Verkehr und Mobilität.
Die CDU-Fraktion hat kürzlich einen Antrag ins Ratsverfahren gebracht, durch den sie erreichen möchte, dass die Mobilitätsszenarien künftig in Beteiligungsverfahren keine Rolle mehr spielen sollen. Die Stadtverwaltung hat auf wissenschaftlicher Grundlage einen Katalog erarbeitet, der die Verkehrssituation in Lepzig im Jahr 2030 prognositiziert und aus dem verschiedene Szenarien abgeleitet werden, wie sich der Verkehr in der Stadt bis 2030 entwickeln kann, wenn an verschiedenen Punkten Einfluss genommen wird oder entsprechend Prioritäten bei Investitionen in verschiedene Verkehrsarten gesetzt werden.
Dyck weiter: „Die CDU stellt im vor kurzem einberufenen zeitweilig beratenden Ausschuss Verkehr und Mobilität den Vorsitzenden, hat sich wie auch die anderen Fraktionen bisher konstruktiv an den inhaltlichen Diskussionen beteiligt und nun kommt aus dem Nichts ein Antrag, der den weiteren verabredeten Diskussionsprozess komplett in Frage stellt. Was die CDU-Fraktion damit bezweckt, ist mir nicht ersichtlich. Ich kann nur vermuten, dass die Christdemokraten in Sachen Verkehrspolitik noch dem Denken der vergangenen Jahrzehnte anhängen.“
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
sehr geehrte Gäste,
heute, vor wenigen Stunden, wurde die erste Mobilitätsstation offiziell eingeweiht, auf diesem Gebiet geht es also endlich voran. Damit wird nach fast vier Jahren ein Stadtratsantrag der SPD-Fraktion von 2011 umgesetzt. Wir hoffen, dass die restlichen über 20 Mobilitätsstationen nicht noch Jahre auf sich warten lassen, denn laut unserer Anfrage vom Dezember 2014 sollten bereits im April dieses Jahres 25 Mobilitätsstationen bestehen.
Bisher hat sich im Bereich der Fahrradverleihstationen nichts getan, dabei müsste das zuständige Verkehrs- und Tiefbauamt nichts weiter tun als beantragte Standorte genehmigen bzw. bearbeiten. Der potentielle Betreiber, der das System in Leipzig – auch weil es hier seinen Unternehmenssitz hat – ohne kommunale Mittel aufbauen will, wartet seit nun fast zwei Jahren auf die Genehmigung von Standorten für feste Fahrradverleihstationen und wird immer wieder vertröstet.
In diesem Zusammenhang würde mich mal interessieren, wann für das Verkehrs- und Tiefbauamt die Fahrradsaison beginnt. Denn in einer Antwort auf eine Anfrage vom Dezember 2014 heißt es: „Die ersten zwei Standorte Hauptbahnhof Ostseite und Thomaskirchhof [werden] mit Beginn der Fahrradsaison 2015 umgesetzt.“ Leider wurden die Anträge im Verkehr- und Tiefbauamt schlicht und einfach nicht weiter bearbeitet. Die schwierige Genehmigungspraxis im Verkehrs- und Tiefbauamt ist kein Einzelfall, so musste auch die LVB Klimmzüge machen, um eine Ladesäule für Elektroautos genehmigt zu bekommen.
Wir können daher heute nicht einfach den Verwaltungsstandpunkt abstimmen, der lediglich einen Sachstandsbericht wiedergibt und zeigt, dass fast nichts passiert ist. Wir wollen keinWeiter-so wie bisher. Weder ist das umgesetzt, was in der Vorlage vom Mai 2013 beschlossen wurde, noch das was in der Antwort auf die Anfrage der SPD vom Dezember 2014 angekündigt wurde. Selbst seit der Abstimmungsrunde mit dem Betreiber am 4. Mai hat sich nichts getan und die beiden Standorte, die endlich einen Startschuss darstellen sollten, sind weiterhin nicht genehmigt.
Wir nehmen daher zwar den Sachstandsbericht zur Kenntnis, erwarten jedoch, dass die Stadtverwaltung, genau genommen das Verkehrs- und Tiefbauamt, den Aufbau eines Fahrradverleihsystems auch mit festen Standorten unterstützt. Schließlich bekommt die Stadt Leipzig, im Gegensatz zu anderen Städten, das System ohne städtische Mittel aufgestellt, wenn man von dem, bereits in 2012 beschlossenen, Verzicht auf Sondernutzungsgebühren in Höhe von 2.880 Euro absieht. Dieser Verzicht wurde beschlossen, da eine Stärkung des Umweltverbundes im umwelt- und verkehrspolitischen Interesse der Stadt liegt.
Mit einem Ausbau von Systemen wie Fahrradverleih- und Mobilitässtationen tragen wir zur Vernetzung und einem leichteren Umstieg zwischen den Verkehrsarten des Umweltverbundes bei. Mit diesem Maßnahmen stärken wir damit den Umweltverbund und unterstützen die Attraktivitätssteigerung von ÖPNV, Fahrrad und Carsharing bei und das ganz ohne große bauliche Veränderungen an Straßen oder Gehwegen.
Wir hoffen, dass in Zukunft die Anträge zügig bearbeitet werden und sich das Verkehrs- und Tiefbauamt auch im Bereich der Sondernutzung als Dienstleister für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt verstehen lernt. Wir bitten um Zustimmung zur Neufassung unseres Antrags.