Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Christopher Zenker

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
werte Gäste,

in meinem Abijahr, 1998, bin ich selber beinahe auf dem Weg zur Schule in einen schweren Unfall durch einen abbiegenden Lkw geraten. Der Fahrer hatte mich ganz sicher übersehen. Ich hatte Glück, ich konnte mich rechtzeitig von meinem Fahrrad entfernen, mein Fahrrad war Schrott, aber das Wichtigste: ich blieb gesund.

Dieses Glück haben viele nicht. Etwa 30-40 Radfahrerinnen und Radfahrer jedes Jahr haben dieses Glück nicht und werden durch rechtsabbiegende Lkw in Deutschland getötet. Verkehrsforscher gehen davon aus, dass etwa 50 Prozent dieser Unfälle, also auch die Hälfte derer die zu teilweise schweren Verletzungen führen, durch Abbiegeassistenten verhindert werden könnten.

Wir begrüßen daher, dass die Stadtverwaltung, die Eigenbetriebe und auch die kommunalen Unternehmen voranschreiten und, anders als im Bund vorgesehen, nicht bis 2024 warten und jeder neue Lkw ab 3,5 Tonnen beim Kauf mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet sein muss. Dass auch die Nachrüstung ausdrücklich im Verwaltungsstandpunkt berücksichtigt ist, begrüßen wir und sind gespannt auf den entsprechenden Umsetzungsbericht zum vierten Quartal 2020.

Wien wird auch hier im Rat oft als gutes Beispiel benannt, sei es bei der Verkehrspolitik bzgl. ÖPNV oder beim Thema Wohnen. Auch beim Abbiegeassistenten ist Wien Vorreiter, dort steht das Fahren von LkW ohne entsprechende Assistenzsysteme ab 1.1.2021 unter Strafe. Fahrverbote für LkW ohne Assistenten können wir als Kommune nicht flächendeckend nicht verhängen. Diese Kompetenz haben wir leider nicht, wie die Diskussion um einen Antrag der Linken im letzten Jahr gezeigt hat. Es bleibt zu hoffen, dass, anders als bisher vorgesehen, nicht nur Neuzulassungen und Neufahrzeuge in den Blick genommen werden, sondern auch Nachrüstungen und das hoffentlich nicht erst bis 2024, sondern früher, ich hoffen das Bundesverkehrsministerium wird hier noch einmal aktiv.

1. Welche Untersuchungen wurden gemacht, um Nutzungskonflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern im benannten Bereich möglichst zu verhindern?

Darauf bezogene verkehrstechnische Untersuchungen wurden bisher nicht durchgeführt. Derzeit wird der Radverkehr über eine temporäre Markierung ab Arno-Nitzsche-Straße auf die Fahrbahn geführt. Ob dies als dauerhafte Lösung nach Abschluss der Bauarbeiten in der Bornaischen Straße geeignet ist, wurde noch nicht abschließend entschieden.

2. Zu welchen Ergebnissen kamen die Untersuchungen und weshalb wird der Radverkehr nun Jahre später temporär auf der rechten stadteinwärtigen Fahrspur eingeordnet, obwohl seit Langem bekannt ist, dass der Bereich durch den neuen Verbrauchermarkt und den regen Besucherverkehr dort sehr eng und unübersichtlich ist?

Der Radweg vor dem Einkaufsmarkt wurde bereits vor geraumer Zeit als benutzungspflichtig entschildert, so dass seitdem der Radverkehr auch die Fahrbahn nutzen kann. Trotzdem nutzten bisher weiterhin sehr viele Radfahrende den nun sonstigen Radweg. Um diesen auf Grud des bestehenden Abstandsgebotes der Covid-19-Pandenie nicht länger durch Radfahrende zu belegen und dem Fußverkehr vor dem Einkaufsmarkt mehr Platz zu geben, wird der Radverkehr nun über eine temporäre Markierung ab Arno-Nitzsche-Straße auf die Fahrbahn geführt und auf ehemaligen Radweg wurde eine Sperrbaake instaliert. Gleichzeitig wurde die rechte Fahrspur der südlichen Knotenpunktzufahrt zur Arno-Nitzsche-Straße zu einer Rechtsabbiegspur ummarkiert, damit die Radfahrenden sicher über den Knotenpunkt in den Fahrstreifen einfahren können.

3. Durch eine längere Baumaßnahme in der Bornaischen Straße, die vermutlich Auslöser für die aktuell veränderte Verkehrsführung war,  wird es im benannten Bereich der Karl-Liebknecht-Straße zu einem geringeren Verkehrsaufkommen kommen. Diese Situation ließe sich für eine dauerhafte Neuorganisation des Radverkehrs im Bereich nutzen und hätte den Vorteil, dass sich die verschiedenen Verkehrsteilnehmer bereits an eine neue Situation gewöhnen könnten. Plant die Stadtverwaltung die Umsetzung auch dieses Teilbeschlusses aus dem Jahr 2012 und wird sie dafür das sich bietende Zeitfenster nutzen?

Die Baumaßnahme in der Bornaischen Straße mit dem damit einhergehenden verringerten Kfz-Aufkommen aus Richtung Süden hat tatsächlich die derzeit angeordnete temporäre Markierung der Radfurt ermöglicht. Zur Schließung der weiterhin bestehenden Netzlücke im HauptnetzRad entlang der Karl-Liebknecht-Straße sind jedoch noch weitere Planungsschritte notwendig, die auf den gesamten Knotenpunkt Karl-Liebknecht-Straße/Arno-Nitzsche-Straße ausgreifen. Der Grund sind mögliche Rückstauerscheinungen des Kfz-Verkehrs, von denen auch der Straßenbahnverkehr auf der Bornaischen Straße betroffen wäre, so dass die Planung auch das Connewitzer Kreuz miteinbeziehen muss. Als nächster Schritt wird daher eine Leistungsfähigkeitsberechnung erfolgen, um die Länge des tatsächlich erforderlichen Stauraumes zu bestimmen. Hierfür ist auch eine aktualisierte Knotenpunktzählung notwendig. Diese Verkehrszählung kann wiederum erst nach Abschluss der Baumaßnahmen in der Bornaischen Straße stattfinden um eine realistische Verkehrsbelegung zu ermitteln.   Für die ab Arno-Nitzsche Straße die Fahrbahn der Karl-Liebknecht-Straße nutzenden Radfahrenden ergeben sich auf Grund der baulich gefassten zunehmenden Verengung der Fahrbahn ab der Scheffelstraße (von ca 4,45 m auf ca. 3,90 m) fortwährende Konflikte mit dem Kfz-Verkehr. Mit der Antwort zur Anfrage VI-EF-04392-VSP-01 wurde bereits eine bauliche Änderung der Radverkehrsführung in Aussicht gestellt. Als notwendige Maßnahme ist daher nun die Anlage eines Radfahrstreifens auf Fahrbahnniveau nördlich der Scheffelstraße vorgesehen. Hierfür muss der Bord an die Lage des Bestandsbords ab Höhe Hausnummer 151 angepasst und die Litfaßsäule versetzt werden. Dazu wird gegenwärtig im Verkehrs- und Tiefbauamt eine Vorplanung erstellt. Für die bauliche Umsetzung der Planung kann im Moment noch kein genauer Zeitpunkt genannt werden.   Auf Grund der komplexen Rahmenbedingungen, der sich als notwendig erweisenden verkehrstechnischen Untersuchungen und der zeitlichen Vorläufe für eine bauliche Anpassungsmaßnahme im nördlichen Abschnitt, kann das sich bietende Zeitfenster im Zuge der Baumaßnahmen in der Bornaischen Straße nicht zu einer Herstellung eines endgültigen Lückenschlusses auf dieser wichtigen innerstädtischen Radverbindung genutzt werden.   Durch die begonnenen Maßnahmen wird jedoch erkennbar an einer schrittweisen Lösung gearbeitet.

Vor ca. drei Jahren hat der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zur Weiterentwicklung des ehemaligen Elsterstausees gefasst. Die Ratsversammlung hat dabei beschlossen, die ehemalige Stauseesohle zukünftig insbesondere als Flächenbasis für die Landschaftspflege im Umfeld des Cospudener Sees sowie für die Pflege der Hochwasserschutzanlagen an der Weißen Elster durch Beweidung zu nutzen. Weiterhin sollen die Flächen als Reserve zur Futterversorgung der Tiere des Wildparks Leipzig zur Verfügung stehen. Der Oberbürgermeister wurde weiterhin beauftragt, die Flächen außerhalb der Stauseesohle zu einem extensiven Erholungsgebiet zu entwickeln und zu unterhalten.

Wir fragen dazu an:

  1. Wie ist der aktuelle Stand hinsichtlich der Weiterentwicklung des ehemaligen Elsterstausees?
  2. Bringt die Beweidung der Fläche einen tatsächlichen Mehrwert für die Stadt Leipzig?
  3. Welche Effekte bringt die Bewirtschaftung des früheren Elsterstausees für die Futterproduktion Wildpark? Lohnen sich hier Aufwand und Nutzen?
  4. Wie steht die Stadtverwaltung zur natürlichen Sukzession des Areals?
  5. Gibt es bereits Überlegungen in der Stadtverwaltung, das Gelände des ehemaligen Elsterstausees wieder aufzuforsten und das Gelände damit wieder zum integralen Bestandteil des Auwalds zu machen?

Der Fockeberg ist Bestandteil des LSG „Leipziger Auwald“ sowie des gleichnamigen Vogelschutzgebietes. Die ca. 9 ha Waldfläche des Fockeberges sind als Bodenschutzwald gemäß SächsWaldG ausgewiesen. Gleichzeitig ist der Fockeberg im Sächsischen Altlastenkataster als „Deponie Fockestraße“ registriert. Der künstlich geschaffene Fockeberg hat eine Höhe von 153,3 m über Normal-Null und ist eine Trümmerhalde aus der Nachkriegszeit. Am Standort wurde überwiegend infolge der Kriegsschäden des 2. Weltkriegs in Leipzig angefallener Trümmer- bzw. Bauschutt abgelagert. Bis 1983 wurde außerdem Hausmüll eingebaut. Nach der Stilllegung erfolgte eine Abdeckung mit humosem Bodenmaterial und es wurde Anfang der 1980 er Jahre mit der Gestaltung und Begrünung des Haldengeländes begonnen. Es wurden Wege angelegt und mehrere Holz-Skulpturen der Bildhauer Gebrüder Streege aufgestellt. Als letztes wurde der Eingangsbereich in Verlängerung der Hardenbergstraße mit einer Pergola und Skulptur im Jahr 1994 neugestaltet und damit war die Gestaltung weitestgehend abgeschlossen. Im September 1996 wurde am Südhang ein Grill- und Lagerfeuerplatz mit Schutzhütte und Bänken und Holztischen installiert und entspr. § 15 Sächs. Waldgesetz ausgewiesen. Wegen fortlaufende Konflikte und Vandalismus wurde der Grill- und Lagerfeuerplatz zurückgebaut und im Sommer 2001 erfolgte per Allgemeinverfügung der Vollzug zur Aufhebung der Ausweisung. Auch die Holzskulpturen mussten wegen wiederholten Vandalismus, Schmierereien im Jahr 2017 aus Gründen der Verkehrssicherheit abgebaut werden. Es ist vorgesehen, neue Holzfiguren zu errichten, aber bisher konnten weder Spender noch andere Möglichkeiten zur Schaffung neuer Objekte gefunden werden. Ähnlich verhält es sich mit den Sitzbänken, ständiger Vandalismus machte den Rückbau nach Verschleiß erforderlich.  

1. Ist eine Gestaltung des Fockeberges mit Sitzgelegenheiten und Fahrradabstellmöglichkeiten geplant?  

Es ist geplant, einzelne Bänke aufzustellen.    

2. Sind darüber hinaus Maßnahmen geplant?

Die Gestaltung Fockeberg wird von der Abteilung Stadtforsten als abgeschlossen betrachtet.

Christina März

Rednerin: Christina März

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

ich rede in Vertretung meines Kollegen Christian Schulze, der die Sitzung leider schon verlassen musste.

Wir haben uns in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit Eintrittspreisen in den städtischen Einrichtungen bis hin zur Entgeltfreiheit befasst. Unter anderem auch mit den Fragen, welche Bevölkerungsgruppen Ermäßigungen haben sollen. Da wurde diskutiert, wann ist eine Familie eine Familie, wie viele Kinder dürfen auf einem Familienticket Nutzer von Leistungen sein, sind Großeltern mit Enkelkindern auch Familie etc. pp.

Heute geht es uns um eine Gruppe i.d.R. jüngerer Menschen. Sie sind keine Azubis, oder auch Leipzig-Pass Inhaber, sondern Menschen, die einen Freiwilligendienst leisten. Für diese wichtigen Freiwilligendienste im Pflege- und Betreuungsbereich, im Umweltschutz und weiteren unterstützenswerten Bereichen in Vereinen und Verbänden gibt es i.d.R. ein kleines Taschengeld zwischen 200,00 und 400,00 € je nach Träger.

Bei Durchsicht unserer diversen Gebührenordnungen ist uns und nun auch der Verwaltung eine gewisse Unordnung aufgefallen. Von keiner Ermäßigung bis hin zur immer noch vorhandenen Ermäßigung für Zivildienstleistende ist alles dabei.

Im Verwaltungsstandpunkt wird nun eine gewisse Tiefenprüfung in Aussicht gestellt und ein Bericht mit entsprechenden Ergebnissen und Empfehlungen für das 4. Quartal 2020 angezeigt.

Den wollen wir nun abwarten, um dann im Nachgang hoffentlich einvernehmlich Änderungen der Gebührenordnungen der städtischen Einrichtungen von Museen über Theater bis hin zu den Sportbädern zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beschließen . Wir lassen also unseren Antrag in der Fassung des Verwaltungsstandpunktes abstimmen und bitten um Ihre Zustimmung.

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Christopher Zenker

bis 2024 sollen, wie in unserem aktuellen Sportprogramm vorgesehen, zwei neue Schwimmhallen entstehen. Für die eine haben wir den Standort Otto-Runki-Platz bereits festgelegt und es hätte dieses Jahr losgehen soll, wenn die notwendigen Fördermittel des Freistaats gekommen wären. Es ist ärgerlich, dass die Mittel dieses Jahr nicht kommen, wir hoffen nun, dass es zumindest nächstes Jahre losgehen kann, schließlich benötigen wir dringend Wasserflächen für Schul- und Vereinssport, sowie das öffentliches Baden.

Neben dem Leipziger Osten gehört ist insbesondere der Leipziger Süden zu den mit Schwimmflächen unterversorgten Gebieten. Eine neue Schwimmhalle für den Leipziger Süden wurde daher nicht nur im Sportprogramm 2024, sondern auch im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) verankert. Konkret haben wir mit dem INSEK sogar ein Zielgebiet beschlossen. Laut INSEK soll die Schwimmhalle im Stadtteil Lößnig entstehen.

Auf diese Beschlusslage wollen wir aufsatteln und dabei wertvolle Synergien nutzen: Die Stadtwerke Leipzig bauen an der Bornaischen Straße in Lößnig ein neues Gas-Heizkraftwerk und in dem Zusammenhang bietet es sich an, dort auch eine Schwimmhalle zu errichten, da Kraftwerke, anders als in der Vergangenheit nicht mehr so viel Platz fressen. Die Vorstellung des Kraftwerkprojektes in einer Bürgerversammlung hat deutlich gezeigt, dass ausreichend Platz vorhanden ist. Es sollte doch möglich sein, dort ein Schwimmbad zu bauen, wenn es in Dänemark beispielsweise möglich ist, eine Sommerskibahn auf einer Müllverbrennungsanlage zu errichten.

Wir würden damit Synergien heben und die Akzeptanz des Kraftwerkes an dem Standtort erhöhen. Synergien insbesondere deshalb, weil die niedertemperaturige Abwärme des Kraftwerks, nicht ins Fernwärmenetz eingespeist und deshalb nur an die Umwelt abgegeben werden kann, zum Beheizen des Schwimmbades genutzt werden kann. Dies erhöht den Wirkungsgrad des Kraftwerkes, macht es klimafreundlicher und wirtschaftlicher.

Darüber wäre auch die Lage gut. Gute Anbindung an den ÖPNV und SPNV und im Umfeld gibt es mehrere Schulen.

Wir begrüßen den Verwaltungsstandpunkt und stellen diesen heute zur Abstimmung, da wir selbstverständlich wollen, dass der Bau des Kraftwerkes unvermindert weitergehen kann und wir aber dennoch dem Verwaltungsstandpunkt entnehmen, dass auch die Stadtverwaltung sowie die Stadtwerke Leipzig diesen Standort favorisieren. Den Änderungsantrag der CDU-Fraktion bitten wir, abzulehnen. Nicht, weil wir den Standort für völlig ungeeignet halten, sondern weil wir der Auffassung sind, dass der Standort in der Bornaischen Straße besser geeignet ist, sowohl wirtschaftlich, ökologisch als auch sozial-räumlich. Hinzu kommt, dass der von der CDU zusätzlich vorgeschlagene Standort räumlich relativ dicht an der Schwimmhalle in der Tarostraße liegt. Dennoch, sollte ein Schwimmhallenbau in der Bornaischen Straße nicht möglich sein, muss auch die Arno-Nitzsche-Straße als Standort geprüft werden, jetzt sollte man sich aber erst einmal fokussieren, denn jede Prüfung kostet Zeit und Geld.

Inwiefern sind die gesundheitlichen Beratungen nach § 10 ProstSchG geeignet, um Situationen von Zwang oder Gewalt zu äußern? In wie vielen Beratungen wurden diese Themen benannt?  

Laut § 10 ProstSchG soll die zu beratende Person im Rahmen der gesundheitlichen Beratung die Gelegenheit erhalten, „eine etwaig bestehende Zwangslage und Notlage zu offenbaren“. In der Arbeitspraxis hat sich jedoch gezeigt, dass Themen wie Zwang oder Gewalterfahrungen in diesem Kontext sehr selten geäußert werden. Die gesundheitliche Beratung nach § 10 ProstSchG ist eine Pflichtberatung. Sexarbeitende kommen in diese Beratung mit der Erwartung, die für die Anmeldung nach § 3 ProstSchG benötigte Bescheinigung zu erhalten um in der Sexarbeit tätig sein zu dürfen.
Von Oktober bis Dezember 2018 wurden keine Gewalterfahrungen bzw. Zwang bekannt. 2019 wurde Zwang bzw. Zuhälterei in drei Fällen thematisiert. In weiteren sechs Fällen wurden Gewalterfahrungen benannt. Im ersten Quartal 2020 haben vier Sexarbeiterinnen in den Sozialberatungen Zwang bzw. Zuhälterei angesprochen, drei Personen haben von Gewalterfahrungen berichtet.  

Konnten Ausstiege aus der Sexarbeiter*innenszene durch weiterführende Angebote realisiert werden? Wenn ja, wie viele seit Umsetzung des Gesetzes in Leipzig?  

Ja, bisher wurden sieben Ausstiege in Leipzig begleitet. Vier erfolgten in Zusammenarbeit mit KOBRAnet (Sächsische Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel) und der Polizei, ein Ausstieg erfolgte in Kooperation mit einer Migrationsberatungsstelle. Zwei Sexarbeiterinnen konnten ohne weiterführende Angebote ihren Ausstieg realisieren. Alle diese Ausstiege erfolgten im Kontext der Beratungen nach § 9 ProstSchG.  

Welche Maßnahmen wurden durch die Behörden getroffen, um dem Schutzauftrag zu entsprechen?  

Um dem Schutzauftrag nach §§ 9 und 10 ProstSchG nachzukommen, hat das Gesundheitsamt folgende Maßnahmen getroffen:

  • Beratungen werden durch die Sozialarbeiterinnen in den Sprachen Deutsch, Englisch und Rumänisch angeboten. Alle weiteren Sprachen werden durch Sprachmittlung (Videodolmetschen) kostenfrei zur Verfügung gestellt.
  • Im Zeitraum September 2018 bis März 2020 haben 615Sozialberatungen nach § 9 ProstSchG stattgefunden.
  • Seit Mai 2019 findet an den Arbeitsorten der Sexarbeitenden aufsuchende Sozialarbeit nach § 24 Abs. 3 ProstSchG statt. Im Zeitraum Mai 2019 bis Anfang April 2020 wurden 773 Kontakte im Rahmen der aufsuchenden Sozialarbeit dokumentiert.
  • Seit 2018 wurden durch die Sozialarbeiterinnen 19 Begleitungen zu Ärzten durchgeführt.
  • Kooperationen zu Netzwerkpartner/-innen sind für die Vermittlung von Klient/-innen zu weiterführenden Angeboten von besonderer Bedeutung. Diese sind bei erhöhtem Hilfebedarf aufgrund sozialer oder gesundheitlicher Notlagen bei einzelnen Sexarbeitenden erforderlich. Neben der Erweiterung des Unterstützungsangebotes konnten auf diesem Wege unter anderem Zugänge zu medizinischer Versorgung, sicherer Unterkunft oder mehr Information geschaffen werden. Die Hauptkooperationspartner/-innen sind Schwangerenberatungsstellen, KOBRAnet, Arztpraxen (hauptsächlich Gynäkologie und Zahnheilkunde), Migrationsberatungsstellen, Polizei (Kommissariat 24), Fachberatung Sexarbeit Leila (aidshilfe leipzig), Sachgebiet Straßensozialarbeit, Frauenhaus, CABL e.V. und Medinetz Leipzig, Rosa Linde, das Ordnungsamt und das Finanzamt.
  • Kriseninterventionen wurden in drei Fällen erforderlich. Eine der betreuten Personen wurde intensiv über mehrere Wochen vom Gesundheitsamt begleitet.  

Das Ordnungsamt erfüllt den Schutzauftrag entsprechend § 7 ProstSchG und berät vor Anmeldung insbesondere zur Rechtslage im Kontext Prostitutionsausübung, zu Absicherung im Krankheitsfall bzw. soziale Absicherung, zu Beratungsangeboten (gesundheitliche/soziale Angebote und Beratungsangebote zur Schwangerschaft), zu Hilfe in Notsituationen und zur Steuerpflicht. Diese Beratungen werden für Personen, die kein Deutsch sprechen über Videodolmetschen in der jeweiligen Muttersprache geführt.

Wie hoch schätzt die Stadt Leipzig den Beratungsbedarf ein?

Mit den Beratungen nach § 10 ProstSchG wird lediglich ein Teil der Sexarbeitenden erreicht. Bei Sexarbeitenden, die folgenden Gruppen angehören, geht die Stadt Leipzig ebenfalls von Beratungsbedarf aus. Nicht über das ProstSchG erreicht werden Sexarbeitende bei denen es sich um Geflüchtete, Personen mit fehlender Arbeits-/Aufenthaltserlaubnis, männliche Sexarbeiter, Sexarbeiter/-innen aus Asien und Personen, die aufgrund von Drogenkonsum Sexarbeit anbieten, handelt. Zusätzlich stellt die Angst, dass durch die Anmeldung nach ProstSchG die Tätigkeit in der Sexarbeit bekannt wird, eine große Hemmschwelle dar, die Beratung aufzusuchen.  

Wie viele Beratungen wurden seit 2018 durchgeführt (bitte in Jahresscheiben)?

Gesundheitliche Beratungen nach § 10 ProstSchG:
– 2018 (Sep. bis Dez.):  176 Beratungen
– 2019:     510 Beratungen
– 2020 (1. Quartal):   120 Beratungen  

Die Zahl der angefragten Termine ist deutlich höher. Trotz sehr kurzfristiger Terminierung (häufig am nächsten Tag) wurden insgesamt 559 vereinbarte Termine nicht wahrgenommen.  

Vorgehaltene und nicht wahrgenommene Termine:
– 2018 (Sep. bis Dez.):  254 Termine
– 2019:     241 Termine
– 2020 (1. Quartal):    64 Termine  

Zusätzlich zu den gesundheitlichen Beratungen nach § 10 ProstSchG werden bei Bedarf gemäß § 9 ProstSchG Sozialberatungen und Vermittlungen zu weiteren Hilfsangeboten durchgeführt. Der Bedarf an diesen Beratungen ergibt sich aus den Pflichtberatungen (Erst- bzw. Folgeberatungen). Die Sozialberatungen nach § 9 ProstSchG dienen der Bearbeitung von Themen wie Zwang, Gewalt und anderen persönlichen Problemen. Sie sind freiwillig und anonym.  

Sozialberatungen nach § 9 ProstSchG:
– 2018 (Sep. bis Dez.):  keine Beratungen
– 2019:     508 Beratungen
– 2020 (1. Quartal):   106 Beratungen

2018 fanden aufgrund von fehlender Nachfrage keine Sozialberatungen statt.  

Wie viele Beratungen sind das im Vergleich zu anderen sächsischen Städten?

Sexarbeit in Sachsen ist in folgenden Städten erlaubt: Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Plauen, Görlitz. Laut Statistischem Bundesamt waren am 31.12.2018 in Sachsen 666 Sexarbeitende angemeldet (Stand 26.11.2019). Aktuellere Zahlen liegen derzeit nicht vor. Auch eine Aufschlüsselung nach Städten steht nicht zur Verfügung.  

Wie oft wurden Unterstützungsangebote in Anspruch genommen, kam es hierbei auch zur Verweigerung von Unterstützung seitens Behörden?

Die Inanspruchnahme der Unterstützungsangebote (z.B. Begleitung bei Schwangerschaftsabbruch, Adoption, Vermittlung an Frauenhäuser, Organisation für Rückfahrten in Heimatländer, Bereitstellung von Übernachtungsmöglichkeiten gestrandeter Prostituierten) wird nicht statistisch erfasst. Es sind keine Fälle bekannt, in denen andere Behörden (z.B. Ordnungsamt, Polizei, Sozialamt) die Unterstützung verweigert hätten.

Welche Erkenntnisse aus den Beratungsgesprächen mit Sexarbeiter*innen sind bisher zur Verbesserung der Unterstützungsmaßnahmen genutzt worden? Sind überhaupt Erkenntnisse in Verbesserungsmaßnahmen genutzt worden?

Neben den vorgeschriebenen Inhalten der gesundheitlichen Beratung nach § 10 ProstSchG (Krankheitsverhütung, Empfängnisregelung und Schwangerschaft, Risiken des Alkohol-  und Drogengebrauchs), werden unter anderem Fragen der Intimhygiene, Gewaltprävention, Arbeitsrecht, Steuern, Umgang mit Freiern, sowie KO-Tropfen angesprochen. Die Schwerpunkte im Gespräch werden den jeweiligen individuellen Bedürfnissen angepasst. Belange und Anliegen der Sexarbeiter/-innen werden ernst genommen. Wenn Themen der Sexarbeitenden (die von Seiten der Sexarbeitenden in das Beratungsgespräch eingebracht werden) für die gesamte Gruppe von Bedeutung sind, werden diese in die Beratungsinhalte für alle aufgenommen. Aktuelle Informationen aus der Sexarbeitsszene von allgemeiner Relevanz werden ebenfalls in den Beratungen weitergegeben. So wurden zum Beispiel im Sommer 2019 viele Sexarbeitende mit Falschgeld bezahlt. Als Reaktion darauf wurden die Sexarbeiter/-innen und Betreiber/-innen über diese Vorfälle informiert und in den Beratungen das Erkennen von Falschgeld thematisiert.   Eine Verbesserung der Unterstützungsmaßnahmen konnte mit Beginn der aufsuchenden Sozialarbeit nach § 24 Abs. 3 ProstSchG im Mai 2019 erreicht werden. Einmal pro Woche werden Sexarbeitende an ihrem Arbeitsort (Terminwohnung, Bordell, Laufhaus, FKK Saunaclub) aufgesucht und über Unterstützungsmöglichkeiten informiert. Die Beraterinnen stehen für Fragen zur Verfügung, verteilen Hygieneartikel und knüpfen bzw. festigen bereits bestehende Kontakte. Als unmittelbaren Effekt der aufsuchenden Sozialarbeit zeigte sich zum Beispiel, dass die Anzahl der nicht wahrgenommenen Beratungstermine rückläufig war. Die persönlichen Kontakte helfen beim Abbau von Ängsten und erleichtern insgesamt den Zugang zur Behörde. Die aufsuchende Arbeit ermöglicht zudem einen direkten und zeitnahen Zugang zu aktuellen Informationen und Geschehen in der Sexarbeitsszene, die wiederum in nachfolgenden Beratungen Berücksichtigung finden (können).

Mit wie vielen Stellen, bitte als VZÄ aufschlüsseln, in welchen Behörden und welcher Funktion nimmt die Stadt Leipzig den Auftrag zur Umsetzung desProstSchG wahr?

Ausgehend von den Schätzungen des Freistaates Sachsen bezüglich der zu erwartenden Fallzahlen bei der Umsetzung des ProstSchG wurden im Stellenplan 2019/2020 folgende Stellen befristet bis 31.12.2020 eingerichtet:

– 3,6 VzÄ Sozialarbeiter/in Gesundheitsamt  
– 0,9 VzÄ Bürokraft  Gesundheitsamt  
– 2,1 VzÄ Sachbearbeiter/in Ordnungsamt  

Die Stellen wurden auf Grund der bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der zu erwartenden Fallzahlen anteilig besetzt:

– 1,6 VzÄ Sozialarbeiter/in ab 01.09.2018  
– 0,9 VzÄ Bürokraft  ab 01.09.2018  
– 1,0 VzÄ Sachbearbeiter/in ab 01.10.2018  

Mit welchen Stellenplanungen geht die Stadt Leipzig in den nächsten Haushalt und wie ist die Finanzierung abgesichert?

Auf der Grundlage der in der zurückliegenden Zeit gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen sollen für den Entwurf des Stellenplans 2021/2022 angemeldet werden:

2,0 VzÄ Sozialarbeiter/in Gesundheitsamt
1,0 VzÄ Sachbearbeiter/in  Ordnungsamt  

Die Finanzierung erfolgt entsprechend § 5 SächsProstSchGAG über einen Mehrbe-lastungsausgleich durch den Freistaat Sachsen.  

Ist das Beratungsangebot im Gesundheitsamt inzwischen über das Jahr 2020 hinaus abgesichert? Wenn nein, wie sehen die konkreten Planungen aus?  

Der Fortbestand des Beratungsangebotes ist seit Vorliegen des Zuweisungsbescheides der Landesdirektion für 2020 vom 05.05.2020 nicht vollständig gesichert. Für die derzeitige Besetzung der Beratungsstellen in Ordnungsamt und Gesundheitsamt belaufen sich die Kosten in 2020 auf 353.000 Euro. Laut Zuweisungsbescheid erhält die Stadt Leipzig für 2020 nur 110.000 Euro. Damit kann Arbeitsfähigkeit nicht gewährleistet werden. Die Stadt Leipzig zweifelt die Berechnungsgrundlagen des SMS an und beabsichtigt deshalb Widerspruch einzulegen. Über das Jahr 2020 hinaus kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussage getroffen werden.

Zusatzfragen zur aktuellen Corona-Krise

Welchen Zugang haben Sexarbeiter*innen in Leipzig aktuell zur Gesundheitsversorgung im Allgemeinen?

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist abhängig vom Krankenver­sicherungs­status. Ein Teil dieser Sexarbeitenden aus dem Ausland (ca. 70% der Sexarbeitenden) ist im EU-Herkunftsland krankenversichert, allerdings fehlt häufig die europäische Krankenversicherungskarte, welche Voraussetzung für die Kostenübernahme einer medizinischen Behandlung ist. Ein weiterer Teil der Sexarbeitenden hat keine Krankenversicherung. In beiden Fällen besteht kein regulärer Zugang zur medizinischen Versorgung, außer in lebensbedrohlichen Situationen.   Personen mit einer in Deutschland gültigen Krankenversicherung haben Zugang zum Gesundheitssystem, allerdings können sie aufgrund ihrer Tätigkeit von Stigmatisierung und Diskriminierung betroffen sein. In diesem Zusammenhang sind die kostenfreien und anonymen Angebote nach §19 Infektionsschutzgesetz des Gesundheitsamtes besonders relevant.   Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Beratungsstellen für sexuell übertragbare Krankheiten und AIDS (nach § 19 Infektionsschutzgesetz) sowie die Beratungsstelle für Sexarbeiter/-innen nach §10 ProstSchG derzeit geschlossen. Beratungen bzw. Untersuchungen nach § 19 Infektionsschutzgesetz sind ab Juni 2020 mit vorheriger Terminabsprache und unter den geltenden Hygieneauflagen wieder vor Ort möglich. Beratungen für Sexarbeiter/-innen nach § 10 ProstSchG werden wieder angeboten, sobald das Verbot von Prostitution durch den Freistaat aufgehoben wird. Alle unaufschiebbaren Beratungen wurden bei Bedarf bereits in den letzten Wochen durchgeführt.  

Im Falle einer COVID-19-Erkrankung:

Das Vorgehen bei einer COVID-19-Erkrankung bei Sexarbeitenden unterscheidet sich nicht vom Vorgehen bei anderen Personen mit einer COVID-19-Erkrankung. Für nicht versicherte Personen muss für die Klärung der Kostenübernahme der Verein CABL e. V. einbezogen werden (Clearing­stelle und anonymer Behandlungsschein Leipzig e.V.).  

Welchen Einfluss haben die §§ 4 und 8 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung (SächsCoronaSchVO) vom 17.04.2020 (Schließung von Prostitutionsstätten, Untersagung von Veranstaltungen und Vermittlung von Prostitution) auf die aktuelle Situation der Sexarbeitenden in Leipzig?

Nach § 5 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung (SächsCoronaSchVO) vom 12.05.2020 bleibt der Betrieb von Prostitutionsstätten, -veranstaltungen und -vermittlung weiterhin untersagt, so wie bereits in den §§ 4 und 8 SächsCoronaSchVO vom 17.04.2020 und in § 5 der SächsCoronaSchVO vom 04.05.2020 angeordnet.   Eine derzeit illegale Ausübung von Sexarbeit ist wahrscheinlich, da Foreneinträge der Freier und Werbeanzeigen der Sexarbeiter/-innen im Internet weiter geschaltet sind. Im Kontext von Illegalität finden auch Gewalt, Ausbeutung, Zwang und fehlende Bezahlung statt, diesbezügliche Erfahrungen wurden dem Gesundheitsamt aber während der Aussetzung der Gesundheitsberatungen nach §10 ProstSchG nicht bekannt.