Schlagwortarchiv für: Wohnungslose

Der Winter steht bevor und damit steigt auch die Zahl wohnungs- und obdachloser Menschen, die in Übernachtungshäusern schlafen. Aufgrund der wahrscheinlich sehr guten Auslastung dieser Notschlafstellen ist davon auszugehen, dass es auch zu Eskalationen unter den Klienten und Klientinnen kommen kann.

Wir fragen an:

1. Wie viel Klient*innen übernachteten in wie vielen Notschlafstellen in Leipzig (Stand: Februar 2023, August 2024, Oktober 2024)? Bitte hier Aufschlüsselung nach Geschlecht.

Die Übernachtungshäuser der Stadt Leipzig zur Unterbringung obdach- und wohnungsloser Menschen sind ganzjährig ausgelastet. Die Stadtverwaltung ist bemüht, zusätzliche Kapazitäten im Rahmen des Winterprogrammes zu schaffen.

 Februar 2023August 2024Oktober 2024
Anzahl Übernachtungshäuser / Notunterbringung für:   
wohnungslose Männer122
drogenabhängige Männer222
wohnungslose Frauen111
Psychisch erkrankte Menschen111
Anzahl untergebrachte Personen365306393
davon   
männlich316248332
weiblich525760
divers011

2. Wie lang ist die durchschnittliche Dauer von Übernachtungen (vom Eintreffen bis zum Verlassen der Einrichtung)?

Die durchschnittliche Verweildauer über alle Angebote der Notunterbringung lag im Jahr 2023 bei 87 Tagen. Die Spannbreite reicht von kurzen Aufenthalten von wenigen Tagen bis zu längerfristigen Aufenthalten von mehr als einem Jahr.

3. Was ist das Kriterium für die Meldung eines Gewaltvorkommnisses?

Gewalt in Notunterbringungen liegt in unterschiedlichen Ausprägungen vor. Das betrifft unter anderem Bedrohungen, Beleidigungen, körperliche Übergriffe unter den Nutzern oder Nutzerinnen sowie gegenüber Mitarbeiter/-innen.

Eine Registrierung von Gewaltvorkommnissen erfolgt nicht. Hausverbote, die sich an der Hausverbotsrichtlinie orientieren, werden erfasst. Diese wurde zuletzt im Januar 2022 in Zusammenarbeit mit allen Übernachtungseinrichtungen überarbeitet und durch die Abteilung Soziale Wohnhilfen erlassen. Sie richtet sich an alle Nutzer/-innen in den entsprechenden Einrichtungen.

Folgende Gewaltanwendungen können zu einem Hausverbot führen:

  •          physische Gewaltanwendung gegen andere Nutzer/-innen
  •          physische Gewaltanwendung gegen Mitarbeiter/-innen
  •          Gewaltanwendungen und/oder Sachbeschädigung mit Aufwiegelung anderer Nutzer/-innen
  •          vorsätzliche Sachbeschädigung
  •          seelische Gewaltanwendung (z.B. wiederholte Androhung von Gewalt, Beleidigungen, Erpressung von finanziellen Mitteln oder Sachmitteln.)

Bei körperlichen Übergriffen unter Nutzern oder Nutzerinnen bzw. gegenüber Beschäftigten wird stets die Polizei hinzugezogen.

4. Wie viele Meldungen von Gewaltvorkommnissen in den Einrichtungen liegen vor (Stand: Februar 2023, August 2024, Oktober 2024)?

Eine Registrierung von Gewaltvorkommnissen erfolgt nicht. Nachfolgend wird die Anzahl der ausgesprochenen Hausverbote ausgewiesen. Diese beinhalten körperlichen Übergriffe und Verstöße gegen die Haus- bzw. Brandschutzordnung. Eine differenzierte Erfassung liegt nicht vor.

 Februar 2023August 2024Oktober 2024
Anzahl Hausverbote2198

5. Welche Schulungsformate existieren für das Personal, um mit eskalierenden Situationen umgehen zu können?

Bei Mitarbeiter/-innen der Übernachtungshäuser handelt es sich um pädagogisches Personal, z.B. Erzieher/-innen und Sozialarbeiter/-innen. Neben den täglichen Fallbesprechungen nehmen die Mitarbeiter/-innen regelmäßig Supervisionen wahr. Weiterhin werden Deeskalations- und Eigenschutztrainings durch externe Trainer/-innen angeboten.

6. Liegen Überlastungsanzeigen von den Mitarbeitenden der Übernachtungshäuser vor und wenn ja, in welchem Umfang?

Aktuell liegen keine Überlastungsanzeigen von Mitarbeiter/-innen des kommunalen Übernachtungshauses vor. Überlastungsanzeigen von Mitarbeiter/-innen der freien Träger bei ihren jeweiligen Arbeitgebern sind dem Sozialamt nicht bekannt.

Christian Schulze

Redner: Christian Schulze, Stadtrat

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Stadträtinnen und Stadträte,
werte Gäste,

das Leipziger Modellprojekt „Housing first – eigene Wohnung“ wird verstetigt – was für ein Erfolg!

Insgesamt 50 Plätze – also 50 freie Wohnungen – sollen für Projektteilnehmer und Projektteilnehmerinnen bis 2025 zur Verfügung gestellt werden. 25 Wohnungen werden bereits jetzt erfolgreich genutzt. Das ist ein herausragendes Signal für die soziale Fürsorge in unserer Stadt, auch über Leipzig hinaus. Und es zeigt, wie gut das Sozialamt hier mit den freien Trägern gemeinsam agiert.

In der hier im Sitzungsaal durchgeführten Strategiekonferenz „Housing first“ im Juni 2022 wurde sehr deutlich, wie gewinnbringend für die Betroffenen – also obdachlose Menschen –  der Ansatz des „Housing first“ ist. Also erst ein Dach über dem Kopf, ein ruhiger Rückzugsort und dann mit fachlicher Begleitung das eigene Leben sortieren und neu aufstellen.

Sicher, der Housing-first-Ansatz, wie er in Leipzig praktiziert wird, ist kein Modell zur Reduzierung von Kosten und Einsparung von städtischen Mitteln. Das hebt auch der Evaluierungsbericht des bisherigen Pilotprojektes hervor. Aber der Housing-first-Ansatz ist die – ich zitiere aus dem Evaluierungsbericht – „deutlich effizientere Alternative“ zur Notunterbringung in Notschlafstellen dieser Stadt und es ist vor allem eine humane Art, Menschen in Notsituationen zu helfen und diese wieder in die Gesellschaft zu holen. Dies zeigt auch der Zwischenbericht, der deutlich macht, dass die betroffenen Menschen in ihren Wohnungen auch bei schwierigsten Lebenssituationen bleiben. Der Bericht empfiehlt deshalb, innnerhalb des Housing-first-Projekts auch jene Menschen zu versorgen, denen herkömmlich schnell das Etikett der „Wohnunfähigkeit“ angehängt wird.

Leipzigs Modellprojekt „Housing first“ wird verstetigt und hat damit eine große Bedeutung für den Freistaat Sachsen. Nicht nur, dass sich das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt an der Finanzierung des Projektes beteiligte. Auch beteiligt sich das SMS finanziell an der Erarbeitung eines Handlungsleitfadens zur Umsetzung des Housing-first-Ansatzes in anderen sächsischen Kreisen und Kommunen.

Wir bitten daher um Zustimmung zur Vorlage und zum gemeinsamen Antrag von Linken und der SPD- Fraktion.

Gemeinsamer Antrag mit der Fraktion Die Linke

Beschlussvorschlag:

Beschlusspunkt 2 der Vorlage wird wie folgt geändert (fett gedruckt):

  1. Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) stellt für die Erweiterung einen Grundstock von 30 malermäßig instandgesetzten und bezugsfertigen Wohnungen im 1. Halbjahr 2025 in Tranchen von monatlich fünf Wohnungen beginnend ab Januar 2025 und weitere Wohnungen entsprechend des Bedarfes der Teilnehmer/-innen zu KdU-angemessen Preisen bereit.
    Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, mit den Wohnungsgenossenschaften in unserer Stadt, der Vereinigung der Haus- und Wohnungseigentümer Haus & Grund sowie weiteren Wohnungsmarktakteuren Gespräche zur verbindlichen Wohnungsakquise aufzunehmen. Ziel ist es mit diesen Wohnungsanbieter/-innen ab 2026 die jährliche Kapazität um weitere 15 Wohnungen zu erweitern. Bei erfolgreicher Wohnungsakquise werden unterjährig zusätzliche Mittel für die soziale Betreuung ab 2026 bereitgestellt.

Begründung:

Erfolgt mündlich.

Link zur Vorlage.

Gemeinsamer Antrag der SPD-Fraktion mit den Fraktionen B90/Die GRÜNEN und DIE LINKE

Beschlussvorschlag

Der Beschlussvorschlag wird wie folgt neu gefasst:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, durch das Sozialamt und unter Einbeziehung der AG Recht auf Wohnen bis Mitte 2024 konkrete Maßnahmen für die Versorgung und Unterbringung junger wohnungsloser Menschen zu erarbeiten.

Hierbei sind in Kooperation mit dem Amt für Jugend und Familie und dem Jobcenter insbesondere die Schnittstelle zwischen Maßnahmen der Wohnungslosenhilfe und Leistungen nach SGB VIII auszuloten und die Kooperation der Dienste zu verbessern.

Bereits für den anstehenden Winter und damit sofort wird als eine Lösung für junge wohnungslose Menschen, das bereits vom Sozialamt aufgesetzte Careleaver-Angebot ausgebaut, zusätzlich wird geprüft, befristete Bürgschaften nach geeigneten Kriterien für zu definierende junge Mieter*innen als Einzelfallhilfe zu gewähren, um den Zugang zu eigenem Wohnraum zu öffnen.

Neues Rathaus, Leipzig, Rathausturm, Burgplatz
Christopher Zenker
Christopher Zenker

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
werte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
werte Gäste,

zum Thema Zugang zu Notunterkünften von Wohnungslosen hat die Fraktion der LINKEN eine Neufassung ihres ursprünglichen Antrages vorgelegt, der die Punkte 3.-5. des Verwaltungsstandpunktes übernimmt. Das ist schlüssig und wir als SPD-Fraktion begrüßen das. Insbesondere das Rund-um-die-Uhr-Öffnen darf nur in Ausnahmesituationen gelten. Es klingt vielleicht hart, aber es ist Teil der Sozialarbeit den betroffenen Menschen eine Art Tagesrhythmus zu geben. Dazu gehört eben auch, dass sie am Morgen die Unterkunft verlassen müssen.

Der Punkt 1. (Gebührenerhebung für Wohnungslose im Falle einer Notunterbringung) und der Punkt 2. (die finanzielle und personelle Ausstattung von Kommunalen und Freien Trägern) muss aus unserer Sicht jedoch differenziert betrachtet werden:

Zu Punkt 1: DIE LINKE fordert eine weitgehende Abschaffung der Gebühren für die Unterbringung von wohnungslosen Menschen in Notunterkünfte. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass in besonderen Situationen (Härtefallregelungen, Ausgangsbeschränkungen während der zweiten Corona-Welle des vergangenen Winters) die Gebühren durchaus aufgehoben und Hilfesuchenden ein kostenfreier Zugang zu den Notunterkünften ermöglicht wurde.

Auch wir haben uns bei Trägern umgehört und diese zeichnen ein differenziertes Bild. Der Forderung einer faktisch grundsätzlichen Abschaffung der Gebühren können wir daher nicht zustimmen. Zunächst stellen die Gebühren in der Tat eine Hürde dar, um in eine Notunterkunft zu gehen. Letztendlich sind sie jedoch Mittel, um die Menschen überhaupt erst einmal in das Hilfesystem zu holen und in das Sozialleistungssystem zu gelangen. Damit ist auch für Wohnungslose die Elementarste aller Sozialleistungen abgesichert: der Krankenversicherungsschutz. Ohne Versicherungsschutz werden Krankheiten unter Umständen verschleppt, was schwerwiegende Folgen haben kann. Die unverzichtbare Arbeit der Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen vor Ort ist es, Hilfesuchende beim Beantragen der Hilfeleistungen zu unterstützen. Dieser Effekt der aktivierenden Wirkung darf nicht unterschätzt werden. Das grundlegende Ziel muss es immer sein, wohnungslose Menschen wieder in das Hilfesystem einzugliedern und ihnen ein eigen- und selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Die Beantragung von Sozialleistungen ist ein erster wichtiger Schritt zu diesem Ziel.

Nicht zuletzt dient die Gebühr von 5 Euro pro Nacht der Mit-Finanzierung von Notunterkünften, auch das gehört der Ehrlichkeit halber dazu. Die 5 Euro zahlt bei Beantragung von Sozialleistungen nicht der Wohnungslose, sondern zu 2/3 der Bund und zu 1/3 die Kommune. Die Gebühr ist also über die Sozialleistungen abgedeckt. Die Stadtverwaltung hat uns auch zugesichert, dass niemand abgewiesen wird, wenn er die 5 Euro mal nicht hat.

Damit bin ich bei Punkt 2 des Antrages der LINKEN, der finanziellen und personellen Ausstattung von Kommunalen und Freien Trägern. Bei einem Besuch von Einrichtungen haben wir uns ein Bild von der Situation gemacht und sehen Nachsteuerungsbedarf, insbesondere bei der Personalausstattung der kommunalen Einrichtungen in den Nachtstunden. Hier benötigen wir langfristige Sicherheit. Diese Diskussion müssen wir, wenn die Verwaltung sie nicht selber löst, im Rahmen der Haushaltsdiskussion führen. Wie allen voran kleinere Träger bei krankheitsbedingten, längerfristig ausfallenden Mitarbeiter/-innen unterstützt werden können, lässt sich leider nicht über grundsätzliche Stellenbedarfe klären, sondern bedarf individueller Lösung ggf. in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung.

Den Linken ist zu danken, dass sie die inhaltliche Diskussion mit ihrem Antrag in den Rat gebracht haben. Der Verwaltungsstandpunkt zeigt, dass der Antrag nicht einfach abgetan wird, sondern ein Alternativvorschlag unterbreitet wird, der für uns schlüssig ist und den wir daher übernehmen und als Alternative abstimmen lassen.