Beschlussvorschlag:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt:
1. in dem derzeit zu erarbeitenden Fachplan „Offene Angebote für soziale Teilhabe“ das Thema Einsamkeit für alle Zielgruppen in den zu beschließenden Maßnahmen zu berücksichtigen.
2. im Herbst 2026 eine Aktionswoche „Gemeinsam statt einsam“ in Leipzig durchzuführen, mit dem Ziel, öffentlichkeitswirksam über Einsamkeit aufzuklären, lokale Angebote sichtbarer zu machen und gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Diese Aktionswoche sollte alle Alters- und Bevölkerungsgruppen ansprechen – insbesondere auch junge Erwachsene, Alleinerziehende, queere Personen sowie Senior:innen.
3. bis Anfang 2027 niedrigschwellige Gemeinschaftsangebote gegen Einsamkeit in den Stadtteilen auszubauen und zu fördern. Dazu zählen:
a). offene Spaziergänge für Frauen und verschiedene Zielgruppen (nach dem Vorbild „Offline Girls Berlin“)
b). niedrigschwellige und möglichst mehrsprachige Gemeinschaftsangebote, wie zum Beispiel Stadtteilbibliotheken, Nachbarschaftszentren, öffentliche Sportstätten und offene Begegnungscafés mit dem Fokus auf Einzelpersonen, die Gemeinschaft suchen
c). der Ausbau öffentlicher WLAN-Hotspots in Nachbarschaftszentren und Treffpunkten, um digitale Teilhabe für alle zu ermöglichen
d). das Aufstellen sogenannter Plauder- oder Quasselbänke an zentralen Orten wie z.B. Parks, öffentliche Plätze und Wartebereiche im ÖPNV
4. die Jugend-App „Between-the-lines“ auch über den Herbst 2025 hinaus als Präventionsangebot gegen Vereinsamung für Kinder und Jugendliche in Leipzig anzubieten.
5. bestehende lokale Angebote in eine digitale Angebotslandkarte gegen Einsamkeit in der LeipzigApp zu integrieren – auch in Kooperation mit dem bundesweiten Projekt des Kompetenznetzes Einsamkeit.
6. als weiteren Beitrag zur digitalen Teilhabe und niedrigschwelligen Vernetzung die Nutzung und Unterstützung von sozialen Netzwerken zu fördern, wie die Plattform „GemeinsamErleben“, die Menschen auf Basis gemeinsamer Interessen miteinander verbindet. Der Aufbau lokaler Gruppen sowie gemeinschaftlicher Aktivitäten soll darüber hinaus gefördert werden
7. sich gegenüber dem Sächsischen Sozialministerium für den Aufbau eines „Sächsischen Netzwerks gegen Einsamkeit“ einzusetzen, das Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft vernetzt.
Begründungen:
Zu 1: Einsamkeit ist kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem, das politische Lösungen erfordert. Der gesellschaftlichen Vereinsamung entgegenzuwirken ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich auch die kommunale Ebene stärker annehmen muss.
Der Fachplan „Offene Angebote für soziale Teilhabe“ wird derzeit unter Federführung des Sozialamtes erstellt. Da das Thema Einsamkeit auch Menschen mit Beeinträchtigungen betrifft, sollte das Thema Einsamkeit als Kriterium bei der Auswahl der Angebote dringend berücksichtigt werden. Gerade Menschen mit Beeinträchtigungen können aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht in vollem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben – das Risiko für Einsamkeit steigt.
Zu 2: Spätestens die Corona-Pandemie und die mit ihr einhergehenden Einschränkungen im öffentlichen und sozialen Leben haben das Thema Einsamkeit stärker ins Bewusstsein gerückt. Auch in Leipzig sind immer mehr Menschen aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten aus unterschiedlichsten Gründen von Einsamkeit betroffen. Einsamkeit ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit – mit tiefgreifenden sozialen, psychischen und gesundheitlichen Folgen. Studien zeigen, dass chronische Einsamkeit zu höheren Risiken für Depressionen, Angststörungen und Demenzerkrankungen führt (alzheimer-forschung.de) . Präventiv und informativ sollten die Angebote zum Thema einer jährlichen Aktionswoche „Gemeinsam statt einsam“ Menschen aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten ansprechen und bestenfalls miteinander vernetzen.
Zu 3 a, b, c, d): Über die Hälfte aller Haushalte in Leipzig sind Single-Haushalte. Nicht zwangsläufig haben Single-Haushalte und Einsamkeit miteinander zu tun. Aber die Wahrscheinlichkeit, sich einsam zu fühlen, steigt in einem Single-Haushalt. In Berlin werden bereits mit großem Erfolg offene Spaziergänge angeboten oder Quasselbänke an öffentlichen Plätzen aufgestellt. So können Menschen, die bewusst ihrer Einsamkeit entkommen wollen, starke und sichtbare kommunale Angebote nutzen.
Zu 4: In der Anfrage der SPD-Fraktion VII-F-10308-AW-01 (Mai 2024) steht:
“Das Gesundheitsamt führt derzeit in Kooperation mit dem Amt für Jugend und Familie das App-Angebot „Between The Lines“ in Leipzig ein. „Between The Lines“ richtet sich an Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren, die auf der Suche nach Hilfe und/oder Orientierung beim Umgang mit mentalen Problemen sind. Kinder und Jugendliche sollen durch die App niedrigschwellig Zugang zu Hilfs- und Informationsangeboten im Bereich mentale Gesundheit erhalten, insbesondere zur Leipziger Kinder- und Jugendhilfelandschaft. Seit dem 1. Mai 2024 sind erste Leipziger Hilfsangebote in der App, die sowohl über Smartphones als auch über die Webanwendung am PC genutzt werden kann, implementiert. Die Auflistung der Hilfsangebote wird sukzessive erweitert.”
Aufgrund fehlender finanzieller Mittel soll diese App ab Herbst dieses Jahres nicht mehr angeboten werden. Für junge Menschen, entfällt damit ein wichtiges grundlegendes städtisches Angebot, um sich bei den vielfältigen psychischen Problemen in der Pubertät (die oft auch Einsamkeit nach sich ziehen) gezielt Unterstützung zu holen.
Zu 5 und 6: Digitale Angebote zu stärken ist unerlässlich, um eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen. Je mehr vorhandene digitale Strukturen genutzt werden, umso verlässlicher können verschiedene Zielgruppen erreicht werden.
Zu 7: Leipzig sollte hier als Vorreiter agieren – als sächsische Kommune, die das gesellschaftliche Problem der Einsamkeit erkannt hat und vernetzende Strukturen auch mit anderen sächsischen Kommunen und im ländlichen Raum schaffen möchte.